Republik (500-30 v.Chr.)

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aventinus antiqua Nr. 15 [30.06.2011]

 

Marc Bauer 

Cato der Ältere und seine Schrift über die Landwirtschaft 

 

1. Einleitung 

Mit De agricultura, der Schrift Catos des Älteren (234-149 v. Chr.) über den Ackerbau, liegt uns die wichtigste Quelle für die Landwirtschaft im römischen Italien des zweiten Jahrhunderts vor Christi Geburt vor, weshalb ihr in der Altertumsforschung ein reges Interesse zukam. Die grundsätzliche Problematik von Subjektivität, Unvollständigkeit oder mangelnder Aussagekraft, die bei der Auseinandersetzung mit Quellen jedes Zeitalters zutage tritt, hat allerdings auch die Erforschung der Agrarschrift nicht verschont: Trotz der Tatsache, dass die gelehrte Auseinandersetzung mit Catos Werk bereits bis ins 14. Jahrhundert reicht [1], hat es nahezu bis heute angedauert, ehe man ernsthaft attestieren konnte, den Schleier der Ungewissheit um das Buch zumindest ansatzweise gelüftet zu haben. Zeugnis der zahllosen Bestrebungen, die alleine im 20. Jahrhundert stattgefunden haben, Cato selbst und seine Schriften zu verstehen, ist beispielsweise die über 300 Seiten umfassende Bibliografie „Cato Censorius in der Forschung des 20. Jahrhunderts“ [2].

Die Schwierigkeit bei der Interpretation von De agricultura beruht aber neben den allgemeinen Hindernissen der Quellenkritik in erster Linie auf der Tatsache, dass es sich um das älteste uns überlieferte Prosawerk in lateinischer Sprache handelt. Vergleiche mit älteren Quellen derselben Gattung sind somit für den Althistoriker nicht durchführbar. Daneben tritt zusätzlich „eine Fülle von sprachlichen, technischen und wirtschaftlichen Problemen“ [3], die bis heute als nicht gänzlich gelöst beurteilt werden – auch, wenn die Forschung inzwischen entscheidende Fortschritte verbuchen konnte.

In der vorliegenden Arbeit soll ein Überblick über die wichtigsten Forschungsdiskurse De agricultura betreffend geboten werden, ehe sie sich dem eigentlichen Inhalt des Buches widmet. Hierbei sollen generelle Aspekte der Schrift Catos über den Ackerbau behandelt, aber auch die konkrete Organisation eines Gutsbetriebes nach Catos Vorstellung in Augenschein genommen werden. Wenn es sich als sinnvoll erweist, sollen gewonnene Erkenntnisse zumindest teilweise auch vor dem biografischen Hintergrund des Autors beleuchtet werden, da dieser bis heute als eine der bekanntesten und markantesten Persönlichkeiten der Antike gilt.

Vornehmlich wird hierzu auf die Monografie Will Richters zurückgegriffen [4], die sich spezifisch mit Inhalt und Form von De agricultura beschäftigt. Daneben sollen die eher biografisch orientierte Dissertation von Allan Astin [5] sowie der Aufsatz von K.D. White [6], der die Agrarschriftsteller der mittleren Republik von Cato bis Varro einer aussagekräftigen Untersuchung unterzieht, verwendet werden. Ziel der Arbeit soll es sein, dem Leser ein Grundverständnis zu vermitteln, welche Schwierigkeiten die Arbeit mit Catos Schrift beherbergt und wie ein Gutshof seines Erachtens im 2. Jahrhundert v. Chr. aussehen sollte.

2. Allgemeines zu Catos Agrarschrift 

Als Beginn der prosaischen Literatur ist von der zwischen 198 und 149 v. Chr. entstandenen Agrarschrift sinngemäß keine höchste Literarizität zu erwarten. Der Altphilologe Michael von Albrecht bezeichnet De agricultura als „‚noch ganz roh‘“ [7]. Trotzdem steht auch für ihn außer Frage, dass Cato der Ältere selbst einen literarischen Anspruch vertrat, was alleine an der akribisch ausformulierten Einleitung ersichtlich wird [8]. Dass sich uns dennoch der Eindruck von sprachlicher „Schroffheit“ [9] aufdrängt, liegt zum einen daran, dass zumeist im Imperativ argumentiert wird, zum anderen an gekürzten zweiten Satzteilen, die Cato einsetzt, um seine Botschaft prägnant zu vermitteln [10]. Catos Verschriftlichung trägt außerdem noch Spuren seiner Mündlichkeit, die sich, wie wir aus Catos Briefen an seinen Sohn Marcus wissen, immer am Thema, nicht an einzelnen Worten orientierte: rem tene, verba sequentur [11]. Nichtsdestoweniger wurde Catos Rhetorik zu seiner Zeit als durchaus hochwertig angesehen [12]. Insofern ist von Albrecht recht zu geben, wenn er aussagt, dass Catos Werk zwar auf mündlicher Rede aufbaut, es sich aber nicht um „alltägliche, sondern um feierliche Mündlichkeit“ handelt [13].

3. Die Konzeption von De agricultura im Forschungsdiskurs

Der anfängliche Blick in das Inhaltsverzeichnis, der uns für gewöhnlich einen ersten Eindruck von der Gliederung eines Werkes verschafft, wirft bei Catos Werk bereits ein Problem auf. Die 162 Kapitel folgen auf den ersten Blick keiner nachvollziehbaren Struktur. Lange Zeit fand man in der Altertumsforschung keine sinnvolle Erklärung für dieses Phänomen und begnügte sich damit, dem Buch eine „chaotische[…] Unordnung“ zuzuschreiben [14]. Um dieses Urteil zu untermauern, entwickelte man Thesen, die klären sollten, wie es zu einer derartigen Unübersichtlichkeit kommen konnte.

Erste Arbeiten spekulierten, Cato habe sein Werk niemals selbst verlegt oder es sei nach seinem Tod von Dritten stark redigiert worden. Spätere Forschungsansätze arbeiteten unter der Prämisse, Cato habe in einem „lebenslangen Prozess des Beobachtens, Sammelns und Notierens“ [15] über Jahre hinweg Material zusammengetragen, sei aber letztlich nicht mehr dazu gekommen, sein Werk passend zu arrangieren. Der Philologe Joseph Hörle konstruierte einen noch komplexeren Ansatz, der das catonische Werk zu einem „Aggregat von fünf kleinen Kladden […]“ [16] („Hausheften“) degradierte, die als Nachlassmaterial von einem unbekannten Landwirt zusammengeklebt worden seien [17]. Arbeiten, die in diese Richtung elaborierten, brachten aber keine sinnvollen Fortschritte, sondern warfen meist nur neue Fragen auf [18]. Man versuchte nicht, das Problem zu lösen, sondern nur die Herkunft des Problems zu erörtern.

Erst mit der Untersuchung des italienischen Historikers Mazzarino nahm die Forschung wieder eine lösungsorientierte Richtung an. Sein Ansatz konzentrierte sich vor allem auf die Existenz der Dubletten, Kapiteln, die in ähnlichem oder übereinstimmenden Inhalt bzw. Wortlaut im Laufe des Buches wiederkehren [19]. Diese seien aufgrund der Tatsache, dass Cato sein Werk zu Lebzeiten nicht vollenden konnte, im Nachhinein „interpoliert“ worden [20]. Mazzarino kehrte also wieder zur ursprünglichen Annahme von der Unvollständigkeit der Agrarschrift zurück. Wie aber das Werk im Original ausgesehen haben könnte, erläutert der Italiener nicht.

Einen ersten Versuch, Abhilfe zu schaffen und uns ein Gliederungsschema vorzulegen, unternahm der Amerikaner Ernest Brehaut. Er glaubte in der Stoffdisposition zumindest Ansätze einer Ordnung ausmachen zu können, deren Konzeption sich aber unserer Logik entziehe. [21] Mit der 1987 erschienenen Dissertation von Will Richter gelang es zum ersten Mal einem Historiker, eine sinnvolle und aussagekräftige Gliederung für De agricultura zu erstellen. Nach dem Entfernen derjenigen Dubletten, die in der Forschung unumstritten als solche angenommen werden, war Richter in der Lage, ein Ordnungssystem auszumachen, dessen Organisation für uns auch ohne Probleme nachvollziehbar ist [22]. Damit kann auch die Forschungsansicht, Cato sei für die Unordnung verantwortlich, als überholt angesehen werden: Erst die eingefügten Kapitel haben dem Werk die Ordnung genommen [23].

4. Der Inhalt der Agrarschrift im Überblick 

4.1. Umfang und Themenschwerpunkte 

De agricultura ist eine Schrift von moderatem Umfang, eine moderne, kritische Edition des Werkes umfasst ungefähr 100 Seiten. Richter teilt das Werk grob betrachtet in zwei Themenblöcke auf, um die sich die einzelnen Kapitel gruppieren. Aufgrund der Tatsache, dass die einzelnen Kapitel sich rund um ein Kernthema gruppieren, spricht Richter von einer „zentrifugalen“ Anordnung [24]. Diese wird meistens einer chronologischen Erläuterungsweise vorgezogen, weshalb es auf den ersten Blick schwierig ist, eine Ordnung auszumachen.

Im ersten Block wird der Reihe nach auf den Bestand bzw. die Beschaffenheit eines Gutshofes eingegangen, auf die Art seiner Bewirtschaftung und auf die anfallenden Betriebskosten. Der zweite Block beschäftigt sich mit der Frage, was mit anfallenden Produkten des Hofes gemacht werden kann [25]. Cato geht dabei weit über „Landwirtschaft“ im engeren Sinne hinaus. Das Werk umfasst nicht nur geografische Anweisungen (Auswahl der Lage), personelle Hinweise (beispielsweise die Aufgaben des Verwalters (vilicus)) und ökonomische Richtlinien (zum Beispiel eine Liste mit dem gesamten benötigten Inventar eines Öl- oder Weinguts) sondern auch Kochrezepte und Heilmittel. So empfiehlt Cato beispielsweise im Kapitel CXXXII Wein gegen Hüftleiden oder erläutert in Abschnitt CXXXV, wie man Band- und Spulwurmbefall lindern kann. Ebenso finden sich Arzneimittel für Tiere, wie etwa im Kapitel LXXIX für Rinder. Die Hinweise sind je nach Informationsaufgebot recht kurz gehalten oder durchaus lang. Das Kapitel über den Kohl ist beispielsweise sehr umfangreich angelegt, da Cato diesem neben seinen geschmacklichen Vorzügen zusätzlich heilende Kräfte zuschreibt, und zwar in vielfachen Varianten [26].

4.2. Adressat und Anwendungsbeschränkungen 

Die Agrarschrift Catos ist, wie jede Quelle, in ihrer Aussagekraft eingeschränkt. Einige Beispiele sollen diese Feststellung etwas veranschaulichen. Cato besaß – durch elterliches Erbe und durch eigene Tüchtigkeit – selbst einen Bauernhof im Sabinischen und einige weitere Betriebe. Da sich seine Ausführungen auf eigene Erfahrung stützen, darf das Buch auch nur als Quelle für bestimmte Gebiete des römischen Reiches verwendet werden, Nordkampanien und Südlatium [27]. Belegt wird diese Annahme durch den Befund, dass Cato bei der Vorrechnung des Preises für eine Olivenquetsche (trapetus) als Vergleichswert die Preise in Pompeji heranzieht [28]. Der Adressat des Werkes ist der Bearbeitende des Gutsbetriebs – meistens wird der Hausherr selbst instruiert, an mindestens einer Stelle scheint stattdessen aber auch der Verwalter angesprochen zu werden [29]. Als Beleg für diesen Sachverhalt werden zwei Aspekte angeführt: Zum einen die Tatsache, dass häufig Aufgaben besprochen werden, die der dominus sehr wahrscheinlich nicht selbst ausgeführt haben wird. Zum anderen findet sich stellenweise ein Wechsel von der zweiten in die dritte Person [30].

5. Der Gutsbetrieb bei Cato 

5.1. Der Villenbetrieb 

Aus der Tatsache, dass Cato die Aufgabenbereiche eines Verwalters beschreibt, wird ersichtlich, dass der Zensor mit seiner Schrift Bezug nimmt auf die Villenbetriebe, die sich bereits vor, aber besonders nach dem Zweiten Punischen Krieg in Italien gefestigt hatten. Das Charakteristikum dieser Höfe war einerseits der Einsatz von Sklavenarbeit sowie andererseits die Abwesenheit des Hausherrn (dominus) und seine Vertretung durch einen Verwalter, der selbst ein Sklave war. Cato hielt die regelmäßige Anwesenheit der domini zwar für unerlässlich, um eine funktionierende Bewirtschaftung zu gewährleisten, faktisch waren diese allerdings wohl eher selten und wenn nur kurzzeitig tatsächlich auf einzelnen Betrieben zugegen. Einerseits mussten Grundbesitzer zumeist ihren politischen Verpflichtungen nachkommen, zum anderen besaßen reichere Senatoren, wie Cato selbst, nahezu immer mehrere Güter, die es zu inspizieren galt [31]. Im folgenden Teil soll ein Überblick über die Konzeption eines solchen Villenbetriebes, wie ihn De agricultura beschreibt, gegeben werden.

5.2. Arbeitskräfte 

Wie bereits angesprochen, bestand das Personal auf einem Villenbetrieb aus einer Gruppierung von Sklaven, die es allerdings noch etwas genauer darzustellen gilt. Kenneth White unterteilt die Arbeitskräfte in vier Sparten, permanente Arbeiter, Saisonarbeiter, Tagelöhner sowie den überwachenden Verwalter [32]. Die Zahl der immer Anwesenden beläuft sich auf einem Ölgut auf elf, auf einem Weingut auf vierzehn Sklaven, den Verwalter und seine Frau nicht eingerechnet. Die Forschung interpretierte diese Zahlen bisher aber als das Minimum der benötigten Arbeitskräfte [33]. Die permanenten Arbeiter wiederum unterteilten sich in Fesselsklaven (compediti) und freilaufende Sklaven, was sich aber kaum auf die Behandlung auswirkte: beide Sklaventypen mussten harten Umgang erdulden sowie in ärmlichen Baracken hausen. Saisonarbeiter sollten immer dann hinzugezogen werden, wenn es die Schwierigkeit einer bestimmten Tätigkeit erforderte oder ein zeitlicher Rahmen eingehalten werden sollte. Bei der Weinlese etwa war Geschwindigkeit essentiell um Verluste zu vermeiden. Saisonale Arbeitskräfte sollten unter Vertrag genommen werden, weshalb Cato das Zustandekommen dieser Abkommen genauestens darlegt [34]. Die Gruppe der Gelegenheitsarbeiter (operarii mercennarii) kam nur zum Einsatz, wenn einzelne Arbeiten anstanden, die Sklaven aufgrund mangelnder fachlicher Spezialisierung nicht ausführen konnten [35]. Die Stellung des vilicus ist die zentrale Position auf dem Gutsbetrieb: „in spite of his status, he is obviously the key man in the enterprise, on whose competence and loyalty depends its successful operation.” [36] Der Verwalter sollte einerseits die Arbeitsgänge nach den Regelungen des Hausherrn organisieren, andererseits, etwa zur Verbesserung des Arbeitsklimas, mit den ihm unterstellten Sklaven zusammenarbeiten [37]. Auch Verhandlungen mit Tagelöhnern oder mit benachbarten Landwirten sind seinem Aufgabenbereich zuzuordnen. Kenneth White bringt es treffend auf den Punkt, wenn er anmerkt: „The vilicus is thus a combination of farm manager, work overseer or foreman, and steward, or controller of day-to-day accounts” [38].

5.3. Behandelte Ertragszweige 

Da ab dem ausgehenden dritten Jahrhundert kein stereotypischer Gutshof mehr existierte, sondern ein großes Spektrum an Landwirtschaftsbetrieben entstanden war, die nach Lage, Ausstattung Wirtschaftsweise und Erzeugnis variierten, konnte man kaum ein Werk verfassen, das sämtlichen Einzelfällen gerecht wurde. Diesem Umstand trug Cato Rechnung und kategorisierte bei seinen Ausführungen in drei Betriebsarten: das Weingut (vinea), das Ölgut (oletum) sowie den vorstädtischen Gutsbetrieb (fundus suburbanus) [39]. Die Viehzucht ließ Cato, obwohl er diese als wirtschaftlich sehr effektiv einschätzte und selbst Weideland erworben hatte, außen vor. Das Weingut schätzte Cato als die einträglichste der drei genannten Wirtschaftsformen ein. Trotzdem widmet sich der Zensor in De agricultura dem oletum weitaus eingehender als der vinea, was auf den ersten Blick nicht logisch erscheint. Den Grund hierfür sieht die Forschung in der Tatsache, dass Weinbau ein für antike Verhältnisse sehr technisiertes Handwerk darstellte, dessen Handhabung allgemein ausreichend bekannt war. In der Ölproduktion hingegen war man vergleichsweise noch wenig versiert, was den Wunsch nach einer Anleitung verstärkt haben dürfte. Abgesehen davon war Öl ein Produkt, das sich zunehmender Popularität erfreute, was in seiner vielseitigen Anwendbarkeit gründet. Die antike Gesellschaft verwendete Olivenöl nicht ausschließlich als Speiseöl, sondern auch zur Körperpflege und in der Medizin [40].

5.4. Größe eines Hofes 

Um sich ein Bild von der Größenordnung eines Gutsbetriebes machen zu können, seien einige Zahlen gegeben: der Historiker Dohr stuft ein Gut von 10 bis 80 iugera [41] als klein ein, ab 500 iugera als groß. Cato bezifferte eine vinea auf 100 iugera, das oletum auf 240. Damit fallen die von Cato beschriebenen Gutshöfe in die Kategorie der mittleren Größenordnung [42]. Für den Anbau von Nebenprodukten (vgl. 5.3.) nimmt Dohr 30-35 iugera der Gesamtfläche an.

5.5. Wirtschaftsweise 

Die Villenbetriebe bei Cato waren darauf ausgelegt, Anbauschwerpunkte zu setzen, sich also auf ein Produkt zu konzentrieren. Zwar wurde neben dem Hauptanbauprodukt beispielsweise auch Getreide kultiviert, allerdings nur, um den betrieblichen Eigenbedarf an Nahrungsmitteln zu decken. Dieser Gesichtspunkt spiegelt sich wieder im Inventar, das Cato beispielsweise für ein 240 iugera großes Ölgut vorsah: 100 Tonfässer für Olivenöl, aber nur 20 Behälter für Getreide [43]. Allgemein kann man auf den Gutshöfen, wie Cato sie vorsah, festhalten, dass Anbauprodukte, die nicht den drei Haupterzeugnissen angehörten, entweder für den Unterhalt der Hauptkulturen diente oder zur Versorgung der familia. So sollten etwa Weideruten zum Aufbinden von Weinstöcken oder zum Weiterverarbeiten in für die Ernte notwendige Körbe verwendet werden [44]. Die Althistorikerin Marlis Oehme spricht von der „Doppelfunktion einiger Anbauarten“ – während zum Beispiel Wein auf einer vinea das Hauptanbauprodukt darstellte, diente es auf einem oletum einzig dem Zweck der Personalversorgung [45]. Die Ausnahme bildet nur der fundus suburbanus: Hier sollte, um der vielschichtigen Nachfrage der nahen Stadt gerecht zu werden, bewusst ein möglichst breites Spektrum an Produkten kultiviert werden [46].

Den Selbstversorgungsaspekt propagiert Cato besonders eindringlich. Anbau sollte vorwiegend der Verpflegung des Personals dienen, nur eventuelle Überschüsse sollten auf dem Markt verkauft werden. Umgekehrt sollte aber auch so wenig wie möglich Material angeschafft werden müssen. Cato empfiehlt etwa zur Vorbeugung unnötiger Mehrkosten das Pflanzen von Bäumen oder das Halten von Schweinen und Schafen, sodass letztlich eine vielseitige Produktmenge vorhanden ist [47]. Ein weiterer Vorschlag Catos zur Kostenminimierung umfasst die Nutzung sogenannter „Sklavenferien“: In der Zeit, in der Feldarbeiten nicht oder nur schwer durchführbar waren, sollte trotzdem eine optimale Arbeitsauslastung der Sklaven gewährleistet werden, indem man ihnen beispielsweise auch bei schlechtem Wetter alternative Aufgaben zuwies. Interessant ist hierbei, dass es sich hierbei gerade um die körperlich anstrengendsten Arbeiten handelte: „ […] the eight ‘holiday-tasks‘ mentioned include the three most back-breaking jobs on a farm, […] road making, rooting out thorns and pounding emmer” [48]. Sklaven, die diesen physischen Ansprüchen durch Verletzungen oder zu hohem Alter nicht länger gewachsen waren, empfiehlt Cato zu verkaufen. Dasselbe Verfahren gilt auch für ausgedientes Werkzeug [49].

Selbstredend gab es aber auch auf den von Cato rundum organisierten Gutsbetrieben Arbeiten, welche die Sklaven nicht verrichten konnten. Es handelt sich zum einen um Tätigkeiten, die eine fachliche Spezialisierung erforderten (z.B. Gebäudebau) und zum anderen um Güter, die schlichtweg nicht eigenständig produziert werden konnten, wie etwa Produkte aus Stein, Olivenmühlen oder Kleidung [50]. Zur Lösung des ersten Problems ordnet der Zensor die Einstellung der oben erwähnten Fachkräfte an, wobei ihnen das Material und ein Teil der benötigten Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden sollte. Für den Umstand, dass einige Güter nicht selbst produzierbar sind, sah auch Cato nur den Ausweg, die entsprechenden Produkte käuflich zu erwerben [51].

5.6. Ertrag 

Um sich zumindest eine grobe Einschätzung über die Effizienz eines Betriebs bilden zu können, sei anhand eines Weinguts ein kurzer Exkurs geboten. Cato äußerte in seinen Schriften, dass ein Landwirt genügend Lagerplatz aufbringen können sollte für fünf Jahresernten. Bei einer Anbaufläche von 100 iugera bezifferte er den Ertrag auf 800 cullei, was ungefähr 4200hl gleichkommt. Damit ergibt sich bei einem Jahresdurchschnitt von 160 cullei eine Ausbeute von 1,6 cullei je iugerum Land. Zum Vergleich: Die italienischen Winzer der Neuzeit erzielten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts im Durchschnitt nur 1,17 cullei je Morgen [52]. Dieter Flach merkt hierzu zwar an, dass die von Cato vorgerechneten Zahlen nicht überbewertet werden dürfen, da es sich sehr wahrscheinlich um Spitzenernten handelte. Jedoch tauchen auch in anderen Quellen ähnlich hohe beziehungsweise sogar höhere Angaben auf. Columella beispielsweise spricht von drei cullei je Morgen Land, Varro sogar von zehn cullei auf dem Ager Gallicus, einem Küstengebiet zwischen Rimini und Ancona [53]. Es muss folglich noch eine andere Erklärung geben, wenn nicht davon ausgegangen werden soll, dass den genannten Agrarschriften falsche Zahlen zugrunde liegen. Ein möglicher Ansatz, der durchaus realistisch erscheint, wäre die Erklärung anhand der unterschiedlichen Fruchtbarkeit des Bodens heute und in der Antike: Die Höhe der Zahlen ließe sich dann so erklären, dass die ergiebigsten Weingebiete zu Catos Zeiten besser getragen haben [54].

6. Zusammenfassung und Résumé 

Mit De agricultura bietet sich uns ein umfassender Einblick in die Landwirtschaft des römischen Italiens im 2. Jahrhundert v. Chr. Da die Landwirtschaft die meistverbreitete Erwerbstätigkeit des antiken Roms darstellte und sich auch der Reichtum wohlhabender Senatoren über Landbesitz definierte, ermöglicht die Beschäftigung mit landwirtschaftlichen Sachverhalten auch den Zugang zu anderen Zweigen der Altertumsforschung, wie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Ebenso erschließen sich uns über Schriftgut Facetten über den Autor selbst. So offenbart sich in der praefatio sogleich Catos Ehrerbietung gegenüber den Vorfahren [55], auf deren Basis seine Verfechtung des mos maiorum gründet. Auch anhand des Vergleichs mit modernen Sachverhalten lassen sich interessante Erkenntnisse herausarbeiten. Etwa der in Kapitel 5.6 gezogene Vergleich der Ertragserwartungen Catos mit den heutigen enthüllt nicht nur, inwiefern sich damalige Bodenverhältnisse gegenüber denjenigen der Moderne gewandelt haben, sondern auch, dass landwirtschaftliche Methodik in technischer Hinsicht bereits ausreichend fortgeschritten war, um in großem Stil und mit ungeahnter Effektivität zu wirtschaften.

Nichtsdestoweniger ist trotzdem auch Vorsicht angebracht, wenn man mit Quellen wie De agricultura arbeitet. Allzu forsche Schlussfolgerungen konvertieren ein manchmal schiefes Bild des Zensors, wie etwa beim Historiker Herbert Gummerus, der Cato anhand von De agricultura beispielsweise zum „Kapitalist[en], der sein Gut schlechterdings als eine Einnahmequelle [sieht]“ [56] degradiert. Diese Annahme darf, angesichts des neuen Forschungsbildes von der Risikominimierung, die auf den Höfen von viel größerer Bedeutung war als die Gewinnmaximierung, mittlerweile als obsolet gelten. Zwar galt es, dem Senatorenstand mit einem Mindestvermögen gerecht zu werden, jedoch ermaß sich das Vermögen eines römischen Bürgers auch oder vor allem durch den Landbesitz, weniger durch Geld. Hinzu kommt auch, dass der Begriff „Kapitalismus“ ein modernes Konzept beschreibt, dessen Verwendung in der Antike nur von eingeschränktem Nutzen sein kann.

Jenseits derartiger Gefahren bei der Auslegung öffnet sich jedoch ein schier endloses Spektrum an Fragestellungen, denen die Lektüre von De agricultura zuträglich sein kann. Sei es die Erforschung der Sklavenwirtschaft, Überlegungen zu technischen Aspekten oder aber auch der Vergleich von De agricultura mit Quellen eines anderen oder desselben Autors – die Forschung um Catos Agrarschrift ist mit Sicherheit noch nicht an ihren Grenzen angelangt.

7. Literatur und Quellenverzeichnis 

I. Monografien und Aufsätze 

Albrecht, Michael von: Meister römischer Prosa von Cato bis Apuleius, Tübingen 1971. 

Astin, Allan Edgar: Cato the Censor, Oxford 1978. 

Brehaut, Ernest: Cato the Censor on farming, New York 1933. 

Dohr, Heinz: Die italienischen Gutshöfe nach den Schriften Catos und Varros, Diss. Köln 1965. 

Flach, Dieter: Römische Agrargeschichte (=Handbuch der Altertumswissenschaften III,9), München 1990.

Gummerus, Herbert: Der römische Gutsbetrieb als wirtschaftlicher Organismus nach den Werken des Cato, Varro und Columella (=Beiträge zur Alten Geschichte, Beih. 5), Leipzig 1906. 

Hörle, Joseph: Catos Hausbücher. Eine Analyse seiner Schrift De agricultura nebst Wiederherstellung seines Kelterhauses und Gutshofes, New York u.a. 1968. 

Oehme, Marlis: Untersuchungen zu den Agrarschriften Catos und Columellas und ihre Darstellung bei Niebuhr und Mommsen, Bonn 1988. 

Richter, Will: Gegenständliches Denken, archaisches Ordnen. Untersuchungen zur Anlage von Cato De agricultura, Heidelberg 1987. 

Suerbaum, Werner [Hrsg.]: Cato Censorius in der Forschung des 20. Jahrhunderts. Eine kommentierte chronologische Bibliographie für 1900-1999 nebst systematischen Hinweisen und einer Darstellung des Schriftstellers M. Porcius Cato (234-149 v. Chr.), Hildesheim u.a. 2004. 

White, Kenneth Douglas: Roman agricultural writers I: Varro and his predecessors, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt I,4, Berlin u.a. 1973, 439-497.

II. Quellen 

Marcus Porcius Cato (Censorius): Über den Ackerbau, herausgegeben und übersetzt von Dieter Flach, Stuttgart 2005. 

Marcus Porcius Cato (Censorius): Ad Marcum filium. In: Vom Landbau. Fragmente. Alle erhaltenen Schriften, lateinisch-deutsch., hrsg. von O. Schönberger, München 1980, 274–281. 

Titus Livius: Ab urbe condita, Band 9, bearb. von Wilhelm Weissenborn und Hermann J. Müller, 4. Auflage, Berlin u.a. 1962.  

Anmerkungen

  • [1]

     Richter, Will: Gegenständliches Denken, archaisches Ordnen. Untersuchungen zur Anlage von Cato De agricultura, Heidelberg 1987, S. 7.

  • [2]

     Suerbaum, Werner [Hrsg.]: Cato Censorius in der Forschung des 20. Jahrhunderts. Eine kommentierte chronologische Bibliographie für 1900-1999 nebst systematischen Hinweisen und einer Darstellung des Schriftstellers M. Porcius Cato (234-149 v. Chr.), Hildesheim u.a. 2004.

  • [3]

     Richter: Untersuchungen, S. 7.

  • [4]

     Siehe Anmerkung 1.

  • [5]

     Astin, Allan Edgar: Cato the Censor, Oxford 1978.

  • [6]

     White, K.D.: Roman agricultural writers I: Varro and his predecessors, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt I,4, Berlin u.a. 1973, S. 439-497.

  • [7]

     Zitiert nach Albrecht, Michael von: Meister römischer Prosa von Cato bis Apuleius, Tübingen 1971, S. 16.

  • [8]

     Richter: Untersuchungen, S. 7.

  • [9]

     Albrecht: Meister, S. 19.

  • [10]

     Ebenda. Albrecht erläutert, dass Cato entgegen dem Gesetz der wachsenden Glieder den zweiten Teil der Sätze kürzer formuliert und damit einen „eigenwilligen catonischen Rhythmus“ erzeugt.

  • [11]

     Cato: Libri ad Marcum filium, fr.15. Dazu auch Albrecht: Meister, S. 21.

  • [12]

     Zum Beispiel bei Livius 39,40,7: vivit immo vigetque eloquentia eius sacrata scriptis omnis generis.

  • [13]

     Albrecht: Meister, S. 23.

  • [14]

     Richter: Untersuchungen, S. 9.

  • [15]

     Richter: Untersuchungen, S. 11.

  • [16]

     Ebenda, S. 12.

  • [17]

     Vgl. dazu Hörle, Joseph: Catos Hausbücher. Eine Analyse seiner Schrift De agricultura nebst Wiederherstellung seines Kelterhauses und Gutshofes, New York u.a. 1968, S. 6.

  • [18]

     Beispielsweise die Frage, warum ein Landwirt, der die losen Blätter zusammenklebte, dies nicht auch nach einem sinnvollen System tat. Richter konstatiert noch einige Fragen mehr, vgl. Richter: Untersuchungen, S. 12.

  • [19]

     Zum Beispiel die Kapitel 52 und 133, die beide über den Anbau eines Baumes referieren: „Die jungen Triebe, die unten am Baum aus der Erde wachsen, die drücke in die Erde, laß aber die Spitze herausschauen, damit sie Wurzeln fasst“ (Cato Agr. 52.) – dem gegenüber: „Die jungen Triebe, die an den Bäumen über dem Boden sprossen, die drücke in die Erde nieder, lasse sie aber mit der Spitze herausragen, damit sie Wurzeln schlagen können.“ (Cato Agr. 133.).

  • [20]

     Richter: Untersuchungen, S. 14.

  • [21]

     Brehaut, Ernest: Cato the Censor on farming, New York 1933, XVI. Brehauts Gliederungsschema sah wie folgt aus: 1) Einleitung 2) Pflichten des Verwalters 3) Entwicklung eines Gutshofes 4) Plan für Farm-Aufgaben 5) Rezepte 6) „a mixed collection of items“. Richter kritisiert vor allem die unergründliche Auslassung des Kapitels 139 sowie den letzten Gliederungspunkt, da dieser auch nicht erklären kann, wie sich die darunterfallenden Kapitel ins Werk einfügen.

  • [22]

     Siehe Anmerkung 25.

  • [23]

     Ebenda, S. 152.

  • [24]

     Ebenda, S. 148.

  • [25]

     Die genaue Gliederung nach Richter sieht folgendermaßen aus: I) de constitutione praedii II) de laboribus annuis III) de annuo pro instrumento vocali et semivocali sumptu IV) de oleo parando V) de rerum quae in fundo parantur praecipuarum usa vario VI) religionibus. Der erste Block umfasst Kapitel I-III, der zweite Block den Rest. Vgl. Richter: Untersuchungen, S. 156f.

  • [26]

     Ein Quellenausschnitt soll diesen Sachverhalt kurz verdeutlichen: „Vom Kohl, was das angeht, dass er verdauen hilft. Es ist der Kohl, der an der Spitze aller Gemüsearten steht. Iss ihn entweder gekocht oder roh. Wenn du ihn roh isst, tunke ihn in Essig ein. Wunderbar hilft er verdauen, führt guten Stuhlgang herbei und der Harn ist [bei regelmäßigen Verzehr von Kohl] ein wirksames Allheilmittel.“ (Cato Agr. 156, 1).

  • [27]

     Flach, Dieter: Römische Agrargeschichte (=Handbuch der Altertumswissenschaften III,9) München 1990, S. 184f.

  • [28]

     Flach: Römische Agrargeschichte, S.185.

  • [29]

     Astin: Cato the Censor, S. 191f. Die These ist allerdings umstritten: Astin nennt eine mögliche Stelle für die Unklarheit des Adressats: Cato Agr. 143. Aber es scheint sich durchaus auch um den dominus handeln zu können. Trotzdem muss ein Wechsel des Adressaten in Betracht gezogen werden.

  • [30]

     Ebenda, S. 192.

  • [31]

     Oehme, Marlis: Untersuchungen zu den Agrarschriften Catos und Columellas und ihre Darstellung bei Niebuhr und Mommsen. Bonn 1988, S. 33.

  • [32]

     White: Agriculural Writers, S. 453-456.

  • [33]

     Ebenda, S. 453.

  • [34]

     Ebenda.

  • [35]

     Ebenda, S.455.

  • [36]

     Ebenda.

  • [37]

     Oehme: Untersuchungen zu den Agrarschriften, S. 33.

  • [38]

     White: Agricultural Writers, S. 456.

  • [39]

     Flach: Römische Agrargeschichte S. 184.

  • [40]

     Oehme: Untersuchungen zu den Agrarschriften, S. 31.

  • [41]

     Ein iugerum entspricht 0,25 ha.

  • [42]

     Dohr, Heinz: Die italienischen Gutshöfe nach den Schriften Catos und Varros, Diss. Köln 1965, S. 11f.

  • [43]

     Flach: Römische Agrargeschichte, S. 186.

  • [44]

     Oehme: Untersuchungen zu den Agrarschriften, S. 28.

  • [45]

     Ebenda, S. 29.

  • [46]

     Flach: Römische Agrargeschichte, S. 191.

  • [47]

     Ebenda, S. 187.

  • [48]

     White: Agricultural Writers, S. 451, Fußnoten.

  • [49]

     Cato Agr. 2,7.

  • [50]

     White: Agricultural Writers.S. 451.

  • [51]

     Ebenda.

  • [52]

     Vergleiche zum vorgetragenen Absatz die Ausführungen von Flach: Römische Agrargeschichte, S. 190.

  • [53]

     Ausführlich hierzu Flach: Römische Agrargeschichte, S. 190.

  • [54]

     Ebenda.

  • [55]

     Cato Agr. praef.

  • [56]

     Gummerus, Herbert: Der römische Gutsbetrieb als wirtschaftlicher Organismus nach den Werken des Cato, Varro und Columella (=Beiträge zur Alten Geschichte, Beih. 5), Leipzig 1906, S. 94.

Empfohlene Zitierweise

Bauer, Marc: Cato der Ältere und seine Schrift über die Landwirtschaft. aventinus antiqua Nr. 15 [30.06.2011], in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/8977/

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Erstellt: 29.06.2011

Zuletzt geändert: 06.07.2011

ISSN 2194-1947