Bildungsgeschichte

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aventinus bavarica Nr. 15 [29.5.2010] 

Andreas C. Hofmann 

Warum die LMU München (keine) 20 Fakultäten hat.  

Zur Ausdifferenzierung des Wissens an der Ludovico-Maximilianea im Spiegel der Geschichte ihrer Fakultäten 

Das alljährliche Stiftungsfest der Ludwig-Maximilians-Universität ist mehr, als bloß ein ‚übliches Gedenken an die Gründung und feierliche Einweihung unserer Alma Mater zu Ingolstadt am 26. Juli 1472.’ Das vertraute Bild des Einzugs der Professoren in die Aula – in der altherkömmlichen Reihenfolge der Fakultäten, mit den seit König Ludwig I. eingeführten farbigen Talaren, an der Spitze der Rektor, begleitet von zwei Szepter tragenden Pedellen – repräsentiert ein Stück Geschichte der Hohen Schule; und sinnfällig tritt dabei ihr nunmehr seit fünf Jahrhunderten im Kern bewahrter innerer Aufbau in Erscheinung.  

Studierende der späten 1950er Jahre dürften diese Zeilen des Münchener Ordinarius für Geschichte und Vorstandes des Universitätsarchivs Johannes Spörl wie ein ceterum censeo empfunden haben. Begann doch jener kurze Abriss ‚Aus der Geschichte der Fakultäten’, welcher seit dem Sommersemester 1956 für über ein halbes Jahrzehnt jedes Vorlesungsverzeichnis einleitete, mit diesem Absatz. Studierenden, welche heute die Vorlesungsbank drücken, mag die Szenerie der talarbekleideten Professoren und der szeptertragenden Pedelle nicht nur unzeitgemäß, sondern gar fremdartig erscheinen. Brachte doch der Geist der Zeit eine Entritualisierung des Universitätswesens mit sich, welche nicht zuletzt bis heute durch Novellen des Hochschulrechts befördert werden sollte. Diese Zeilen beweisen allerdings auch ein Stück Geschichtsbewusstsein der damaligen Zeit. Erzählen sie doch wie ein Besucher aus der Vergangenheit von der Geschichte unserer Universität, von althergebrachten Reihenfolgen der Fakultäten, von einem seit fünf Jahrhunderten im Kern bewahrten inneren Aufbau. Doch wie entwickelte sich dieser innere Aufbau? Welche Symbolik birgt er in sich? Und welche bildungshistorischen Rückschlüsse kann man aus der Entwicklung insbesondere der letzten 200 Jahre ziehen? 

I. Ingolstadt 1472 bis 1799/1800

Betrachten wir zunächst die Entwicklung der Fakultätsgliederung der Universität bis zu ihrer Translokation nach München. Die Universität wurde 1472 als erste bayerische Landesuniversität in Ingolstadt von Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern-Landshut gegründet und hatte mit der theologischen, juristischen, medizinischen und artistischen Fakultät die vier damals üblichen Hauptfakultäten. Gemäß dieser Rangordnung wurden die ersten drei Fakultäten auch als facultates superiores (höhere Fakultäten) und die Fächer der Artisten als inferiores (niedere Fächer) bezeichnet. Dies sollte allerdings keiner Geringschätzung gleichkommen. Vielmehr mussten teilweise bis ins 19 Jahrhundert die Studenten in der Artistischen Fakultät die artes liberales erlernen, um einen Abschluss in einer der höheren Fakultäten erwerben zu können. Das Studium der artes liberales umfasste nach antiker Tradition ein sprachlich-formales Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) sowie ein mathematisches Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie). Im Laufe des 16. Jahrhunderts wandelte sich die Artistische Fakultät zu einer Philosophischen Fakultät im modernen Sinne, da sie durch eine Änderung des Fächerkanons ein Spektrum an geistes- und naturwissenschaftlichen Fächern erhielt.

In den letzten Jahren der Universität in Ingolstadt sollte sich eine bereits seit langem im Fächerkanon abzeichnende Änderung auch in der Organisation widerspiegeln. In Deutschland wurde die Güterverwaltung bereits früh den so genannten Kammern überwiesen, welche sich letztendlich zu Vorläufern heutiger Behörden der Mittelstufe entwickelten. Die Wissenschaften, welche einem Kammerbeamten die zur Ausübung seines Amtes notwendigen Kenntnisse vermittelten, wurden als Kameralwissenschaften bezeichnet. Dies waren namentlich die Nationalökonomie (Volkswirtschaftslehre), die Gewerbewissenschaft (Betriebswirtschaftslehre), die Polytechnik (Ingenieurswissenschaften) sowie die Polizeiwissenschaft (Verwaltungswissenschaften). Ende des 18. Jahrhunderts wies das Vorlesungsverzeichnis die von den Fakultäten auf dem Bereich der Kameralwissenschaften gehaltenen Vorlesungen im Stile einer ‚virtuellen‘ fünften Fakultät bereits gesondert aus. Im Jahre 1799 erhielten die Kameralwissenschaften schließlich mit der Gründung des keiner Fakultät zugeordneten Kameralinstituts erstmals eine institutionelle Heimat.  

II. Landshut und frühe Münchener Zeit bis Ende des 19. Jahrhunderts 

Nach der Translokation der Universität nach Landshut 1800 führte Kurfürst Max IV. Joseph 1804 im Geiste der Aufklärung eine Gliederung der Universität in zwei Klassen mit jeweils vier Sektionen ein: 1. die Klasse der Allgemeinen Wissenschaften mit den Sektionen für Philosophie, Mathematik und Physik, Geschichte und Geographie sowie die schönen Künste; 2. die Klasse der Besonderen Wissenschaften mit den Sektionen der für die Bildung des religiösen Volkslehrers erforderlichen Kenntnisse, der Rechtskunde, der staatswirtschaftlichen Kenntnisse sowie der Heilkunde. Während die Klasse der Allgemeinen Wissenschaften die Fächer der früheren Philosophischen Fakultät beinhaltete, bot die Klasse der Besonderen Wissenschaften den Kanon der bisherigen höheren Fakultäten an und war auf die Ausbildung der Staatsdiener ausgerichtet. Die nun als Staatswirtschaften firmierenden Kameralwissenschaften erreichten mit einer eigenen Sektion nun eine Gleichstellung mit den weiteren Fächern der Klasse der Besonderen Wissenschaften. 

Doch die Gliederung in Klassen und Sektionen sollte nicht lange Bestand haben. Mit der Verlegung der Universität nach München 1826 führte König Ludwig I. die Fakultätsgliederung wieder ein. Die Universität hatte in der Haupt- und Residenzstadt München nun eine theologische, juristische, staatswirtschaftliche, medizinische und philosophische Fakultät, wobei die Staatswirtschaften ihre in der Sektionsgliederung zwischenzeitlich erreichte Gleichstellung mit den höheren Fakultäten erhalten konnten. Das Jahr 1833 brachte schließlich die Keimzelle der späteren Technischen Universität München: Zur Weiterbildung auf dem polytechnischen Bereich wurde 1833 als Experiment eine Technische Hochschule bei der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität eröffnet, welche allerdings nicht lange Bestand hatte. Ersatzweise wurde 1840 an der Polytechnischen Schule München ein weiterführender Ingenieurkurs eingerichtet. 1868 gründete König Ludwig II. schließlich in München eine Polytechnische Schule mit Hochschulstatus, welche ab 1877 die Bezeichnung Technische Hochschule führte.

Wegen der zunehmenden Größe der Philosophischen Fakultät wurde diese 1865 in eine Sektion I (geisteswissenschaftliche Fächer) und eine Sektion II (naturwissenschaftliche Fächer) unter einem gemeinsamen Dekanat unterteilt. Nachdem die beiden Sektionen zwischenzeitlich einen jeweils eigenen Dekan hatten und dadurch faktisch zu eigenen Fakultäten aufstiegen, kam es 1937 endgültig zur Aufteilung in eine Philosophische Fakultät und eine Naturwissenschaftliche Fakultät. Eine Erweiterung erfuhr die Universität bereits im Jahre 1914 durch die Übernahme der 1790 gegründeten Tier-Arzney-Schule, welche 1890 zur Königlichen Tierärztlichen Hochschule erhoben wurde. Diese wurde nun als Tierärztliche Fakultät nach der Medizinischen Fakultät in die Universität eingegliedert. 

III. Die Alma Mater in München im 20. Jahrhundert

Größere Änderungen erfuhr in der Nachkriegszeit die Theologie. Bereits in den 1950er Jahren gab es Forderungen, an der Universität München eine zweite evangelisch-theologische Fakultät einzurichten, um der sich ändernden Bevölkerungsstruktur Rechnung zu tragen. Bestand im Freistaat zu diesem Zeitpunkt doch nur die Evangelisch-theologische Fakultät der Universität Erlangen. Nach Verhandlungen in Politik und Kirche nahm die Evangelisch-theologische Fakultät an der Universität München schließlich im Oktober 1967 ihren Betrieb auf. Sie bildete nach der nun Katholisch-theologisch genannten vormaligen Theologischen Fakultät die zweite Fakultät. Einen Zuwachs sollte 1969 für die Katholische Theologie die Übernahme von Professoren nach der Auflösung der Philosophisch-theologischen Hochschule Freising im Jahr 1966 bringen. Das ehemalige Freisinger Lyzeum ereilte dasselbe Schicksal wie die anderen bayerischen Philosophisch-theologischen Hochschulen, die entweder aufgelöst oder als theologische Fakultäten in neu gegründete Universitäten integriert wurden.

Die Universität München bestand zu Ende des Jahrzehnts nun aus acht Fakultäten (katholisch-theologische, evangelisch-theologische, juristische, staatswirtschaftliche, medizinische, tierärztliche, philosophische und naturwissenschaftliche Fakultät). 1969 wurde die aus dem Institut für Lehrerbildung hervorgegangene Pädagogische Hochschule München-Pasing der Universität gleichgestellt und als Pädagogische Hochschule der Universität München in diese eingegliedert. 1973 verlor sie schließlich auch das letzte Symbol institutioneller Eigenständigkeit und wurde in eine Erziehungswissenschaftliche Fakultät umgewandelt, welche als neuer Fachbereich der Universität nach der Naturwissenschaftlichen Fakultät angegliedert wurde. Aufgrund der Größe der Universität und der zunehmenden Ausdifferenzierung ihres Fächerkanons war eine Neugliederung der drei großen Fakultäten (staatswirtschaftliche, philosophische und naturwissenschaftliche Fakultät) absehbar. Bereits 1969 wurden die Geisteswissenschaften in eine Philosophische Fakultät I und II unterteilt; 1971 wurden die etwa die Hälfte der Staatswirtschaften ausmachenden Forstwissenschaften in eine eigene Fakultät ausgegliedert. 

Zu einer Neuordnung der Fakultätsgliederung kam es im Rahmen der großen Hochschulreform des Jahres 1974, indem die Staatswirtschaftliche, Philosophische und Naturwis­senschaftliche Fakultät in mehrere Fakultäten geteilt wurden. Hierbei entschied man sich, die Staatswirtschaften in jeweils eine Fakultät für Betriebswirtschaftslehre (Nr. 4) und für Volkswirtschaftslehre (Nr. 5) zu unterteilen, welche nach der Juristischen (Nr. 3) und vor der Forstwissenschaftlichen Fakultät (Nr. 6) nun den Platz der Staatswirtschaftlichen Restfakultät einnahmen. Die Politikwissenschaft, die Soziologie und die Kommunikationswissenschaft bil­deten die Sozialwissenschaftliche Fakultät. Da dieser auch das Amerika-Institut der Philosophischen Fakultät II angeschlossen wurde und die Sozialwissenschaftliche Fakultät darüber hinaus das Promotionsrecht für den Dr. phil. erhielt, wurde sie nach den Nachfolgefakultäten der Philosophischen Fakultäten I und II (Nr. 9 bis 14) eingegliedert (Nr. 15).

Diese wurden in jeweils drei Fakultäten aufgeteilt: Die Fächer der Philosophischen Fakultät I bildeten nach der tierärztlichen Fakultät (Nr. 8) die Fakultäten für Geschichts- und Kunstwissenschaften (Nr. 9), Philosophie, Statistik und Wissenschaftstheorie (Nr. 10) und Psychologie und Pädagogik (Nr. 11), während die sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Fächer der Philosophischen Fakultät II die Fakultäten für Kulturwissenschaften (Nr. 12) sowie Sprach- und Literaturwissenschaften I (Nr. 13) und II (Nr. 14) bildeten. Die Naturwissenschaftliche Fakultät wurde in die Fakultäten für Mathematik und Informatik (Nr. 16), Physik (Nr. 17), Biologie (Nr. 18), Chemie und Pharmazie (Nr. 19) und Geowissenschaften (Nr. 20) aufgeteilt. Die vormals nach der Naturwissenschaftlichen Fakultät eingereihte Erziehungswissenschaftliche Fakultät (Nr. 21) wurde 1977 aufgelöst und auf die jeweiligen „Fachfakultäten“ bzw. die Fakultät für Psychologie und Pädagogik verteilt. Die Universität München hatte nun mit einer Gliederung in 20 Fakultäten ihr heutiges Gesicht erlangt, auch wenn vor allem das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends massive Änderungen „hinter der Fassade“ brachte. 

IV. Institutionelle Besonderheiten und gegenwärtige Entwicklungen 

Eine institutionelle Besonderheit stellt die Hochschule für Politik dar. 1950 noch auf Anregung der US-Militärregierung als Hochschule für Politische Wissenschaften gegründet sollte sie der ‚Erziehung zur Demokratie‘ dienen. Durch das Gesetz über die Hochschule für Politik München vom 27. Oktober 1970 erhielt sie den Status einer institutionell selbständigen Einrichtung an der Universität München und wurde 1981 zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts erhoben. Die Besonderheit besteht darin, dass das an der Hochschule für Politik absolvierte Studium mit dem von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität vergebenen Grad eines Dipl. sc. pol. Univ. abgeschlossen wird. Seit 2007 besteht darüber hinaus die Möglichkeit, für eine an der Hochschule für Politik erbrachte Promotion von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität den Grad eines Dr. sc. pol. zu erhalten. Sie besitzt somit kein eigenes Graduierungs- oder Promotionsrecht, sondern vergibt in einem gemeinsamen Prüfungsverfahren akademische Grade der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität. 

Ein im westeuropäischen Raum einmaliges Angebot bietet die Ausbildungseinrichtung Orthodoxe Theologie bei der Katholisch-theologischen Fakultät, die 1994 aus dem Institut für Orthodoxe Theologie hervorging. Denn die dort gebotene Möglichkeit eines vollständigen Studiums mit dem Abschluss eines Dipl. theol. Univ. sowie einer Promotion zum Dr. theol. in Orthodoxer Theologie war bislang an einer westeuropäischen Universität nicht möglich. Die Ausbildungseinrichtung besitzt hierbei eine hochschulrechtliche Autonomie: So tritt die ihr vorstehende, vom Senat auf Vorschlag der beteiligten Einrichtungen und universitären Gruppen bestellte Gemeinsame Kommission für Orthodoxe Theologie in Studien-, Promotions-, Habilitations- und Berufungsangelegenheiten in die Rechte eines Fakultätsrats. Die Ausbildungseinrichtung besitzt somit auf diesen Gebieten Befugnisse einer Fakultät, ohne selbst den Rang einer Fakultät inne zu haben.

Den Verlust eines Faches, welches zum klassischen Kanon der Universität gehörte, brachte das Jahr 1999: Mit Wirkung zum 1. Oktober 1999 wurde die Forstwissenschaftliche Fakultät Teil der Technischen Universität München. Die LMU erhielt als Ausgleich von der TUM den Studienbereich Vorklinik aus dessen medizinischer Fakultät. 2003 ging die Forstwissenschaftliche Fakultät schließlich im Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität auf und besteht dort als Studienfakultät für Forstwissenschaft und Ressourcenmanagement fort. Von ihrer Existenz an der Universität München zeugte bis 2002 der an der Stelle der vormaligen Fakultät 06 aufrecht erhaltene Eintrag im Vorlesungsverzeichnis. Ferner wurden die Fakultäten für Sprach- und Literaturwissenschaften I und II zu einer Fakultät (Nr. 13/14) zusammengelegt. Da die Zählung der Fakultäten sich mittlerweile in der Hochschulöffentlichkeit etabliert hatte, wurde diese aufrechterhalten. So kommt es, dass die LMU München zwar eine Fakultät 20 (Geowissenschaften) zählt und sich trotzdem nur in 18 Fakultäten gliedert. 

Zu fundamentalen Änderungen hinter der Fassade der Fakultäten kam es im letzten Jahrzehnt: Die 1998 initiierte Gründung von Departments als wissenschaftlichen Betriebseinheiten innerhalb der Fakultäten führte zu einer Bereinigung des streckenweise bestehenden Wildwuchses an Instituten und Seminaren sowie der Zusammenfassung verwandter Fächer unter einer zentralen Verwaltung. So sind beispielsweise sämtliche, vor 1998 auf sechs Institute verteilte historische Fächer im Historischen Seminar organisiert. Aber auch weniger verwandte Fächer wie Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Musikwissenschaft und Musikpädagogik mussten sich in einem gemeinsamen Department zusammenfinden. Die Bündelung der Ressourcen führte zwar zweifelsohne zu einer besseren Performance und Koordination der Fächergruppen. Durch den Verlust der institutionellen Unabhängigkeit sind allerdings kleinere Fächer nicht davor geschützt, von ihren eigenen Departments als Einsparpotential vorgeschlagen zu werden. Haben innerhalb der Departments weiterbestehende Institute oder Abteilungen doch nur den Status rechtlich unselbständiger Einrichtungen. Da nach den bestehenden Departmentsordnungen die Departments in fachbezogenen Angelegenheiten den Fakultäten Vorschläge unterbreiten, wird die Diskussion von den nach Mitgliedergruppen gebildeten Fakultätsräten in die zumindest theoretisch rein professoralen Departmentsleitungen verlagert. Ein Prozess, der nicht zuletzt wegen der die gegenwärtige Präsidentenwahl mit bestimmenden Diskussion um die Universität als Republik durchaus kritisch gesehen wird. 

Während die Departmentsbildung nicht zuletzt seit der von der Hochschulleitung forcierten Einführung universitätsweit einheitlicher Departmentsordnungen die vertikale Gliederung der Universität stark homogenisierte, findet seit 2008 in Form der Bildung von Zentren eine horizontale Strukturbildung statt: Mit dem sogenannten 50/40/10 Prozess stieß die Hochschulleitung eine Profilbildung an, die den Fakultäten Einsparungen abverlangte, welche durch die Bildung interdisziplinärer Zentren ausgeglichen werden sollten. Das Prinzip ist einfach: Den Fakultäten wurden durchschnittlich 10 % ihres frei werdenden Stellenvolumens eingezogen und ihnen nach Begutachtung ihrer Anträge in Form von Mittel zur Zentrenbildung zurückgegeben. Zentren stellen hierbei eine fakultätsübergreifende Koordinierung fachverwandter Ressourcen dar und haben einen gezielt interdisziplinären Charakter. So vereint beispielsweise das Zentrum für Mittelalter- und Renaissancestudien unter seinem Dach die Mediävistiken der Theologien, der Geschichtswissenschaften, der Philologien und der Kunstwissenschaften. Inwiefern die Zentren neben den Departments und Fakultäten Bestand haben oder diese gar ersetzen, wird die Zeit zeigen.

V. Fazit 

Doch welche bildungsgeschichtlichen Rückschlüsse lassen sich aus dieser eher organisationshistorischen Skizze ziehen? Betrachtet man insbesondere die Entwicklung der letzten 200 Jahre, lassen die Ergebnisse sich thesenartig zusammenfassen: 

1. Die Vergrößerung der Studentenzahlen und der Ausbau der Universität führten zu einer Ausdifferenzierung des klassischen Fächerkanons von Theologie, Jura, Staatswirtschaften, Medizin und Philosophie zur heutigen Struktur von 18 Fakultäten. Einzig die Juristische Fakultät sollte in der Universitätsgeschichte keine Fusion, Aufsplittung oder Umbenennung erfahren. Die Medizinische Fakultät wurde schließlich mit der Hochschulreform des Jahres 2006 des bereits vorher als Staatsbetrieb geführten Klinikums endgültig beraubt, indem dieses in eine eigene Anstalt öffentlichen Rechts ausgegliedert wurde. Relikte der alten Fakultätsgliederung zeigen die Vergabe gleicher Doktortitel in den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten (Dr. oec. publ.), den philosophischen Fakultäten (Dr. phil) und den naturwissenschaftlichen Fakultäten (Dr. rer. nat.). 

2. Der Ausbau der Universität fand teilweise auf Kosten vormals institutionell selbständiger Einrichtungen statt. Hierbei ist feststellbar, dass diese meist kurze Zeit nach ihrer Erhebung zu Hochschulen ihre Autonomie verloren. Die 1890 zur Tierärztlichen Hochschule erhobene Tier-Arzney-Schule wurde 1914 als Tierärztliche Fakultät der Universität eingegliedert; einige Lehrstühle des 1923/24 zur Philosophisch-theologischen Hochschule erhobenen Freisinger Lyzeums kamen 1969 zur Universität und die seit 1958 im Rang Pädagogischer Hochschulen stehenden ehemaligen Lehrerbildungsinstitute wurden endgültig 1973 der Universität einverleibt. Einzig die Hochschule für Politik scheint wegen ihres Status als „Abend-Hochschule“ und ihres nebenamtlichen Lehrkörpers hiervon geschützt. 

3. Während es auf der Fakultätsebene zu einer Ausdifferenzierung des Fächerkanons kam, zeichnet sich darunter in den letzten Jahren ein gegenläufige Entwicklung ab: Die Departmentsgründungen führten zu einer Zusammenfassung fachverwandter Ressourcen innerhalb der Fakultäten; die Zentren forcieren darüber hinaus die universitätsweite Koordinierung fachlicher Ressourcen im modernen Geiste der Interdisziplinarität. Die Universität gliedert sich somit faktisch nur noch in Departments auf der vertikalen Ebene und Zentren auf der horizontalen Ebene. Die Fakultäten als „organisatorische Grundheiten“ der Hochschule, wie sie das Bayerische Hochschulgesetz noch nennt (Artikel 27 Abs. 1 BayHSchG) scheinen nicht zuletzt mit der Vorbereitung fachbezogener Entscheidungen durch die Departments an Verantwortung zunehmends zu verlieren. Einzig die Habilitations- und Berufungsverfahren scheinen noch in ihrem ureigendstem Zuständigkeitsbereich verblieben zu sein.

Inwiefern die althergebrachte Ordnung der Fakultäten somit ausgedient hat, wird daher wohl erst die Zukunft zeigen.  

Literaturhinweise: 

[–]: Hochschule für Politik München. Körperschaft öffentlichen Rechts und Institutionell selbständige Einrichtung an der Universität München, http://www.hfp.mhn.de/index.php (29.5.2010).

[–]: Portrait der Ausbildungseinrichtung (Institut) für Orthodoxe Theologie der Universität München, http://www.orththeol.uni-muenchen.de/ueber_uns/portrait (29.5.2010).

Bock, Irmgard:  So kommen auch Frauen schon auf die verrückte Idee, Hochschullehrer zu werden.“ Frauen in den Fächern Psychologie und Pädagogik, http://www.paed.uni-muenchen.de/~mitschau/source/videoonline/veranstaltungen/infos/VortragBock.pdf (29.5.2010).

Möller, Hans: Über die Volkswirtschaftliche Fakultät der LMU, in: VAC Kurier München. Mitteilungen des Mün­chener Volkswirte Allumni Clubs 1/1995, http://www.alumni-muenchen.de/_pdf/kurier/95_1.pdf (29.5.2010).

Peters, J. / V. Weidenhöfer: Geschichte der Tierärztlichen Fakultät München, http://www.vetmed.uni-muenchen.de/fakultaet/geschichte (29.5.2010).

Prantl, Carl v.: Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität in Ingolstadt, Landshut, München. Zur Festfeier ihres vierhundertjährigen Bestehens verfaßt, Bd. 1. München 1872, ND Aalen 1968. 

Schröder, Ingo: Die staatlichen philosophisch-theologischen Hochschulen in Bayern von 1923 bis 1978. Phil. Diss. [online] München 2004, http://edoc.ub.uni-muenchen.de/2415 (29.5.2010).

Spörl, Johannes: Aus der Geschichte der Fakultäten, in: Ludwig-Maximilians-Universität München. Personen und Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1960/61. München 1960, S. 3-8. 

Vorlesungsverzeichnisse der Ludwig-Maximilians-Universität in Ingolstadt, Landshut und München. http://epub.ub.uni-muenchen.de/view/subjects/vlverz.html (29.5.2010).

Empfohlene Zitierweise

Hofmann, Andreas C.: Warum die LMU München (keine) 20 Fakultäten hat. Zur Ausdifferenzierung des Wissens an der Ludovico-Maximilianea im Spiegel der Geschichte ihrer Fakultäten. aventinus bavarica Nr. 15 [29.5.2010], in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7838/

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Erstellt: 28.05.2010

Zuletzt geändert: 22.02.2011

ISSN 2194-198X