Neueste Geschichte

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aventinus bavarica Nr. 24 [31.01.2013] / Bayernspiegel Nr. 5-6/2012 

Andreas C. Hofmann 

Denkmäler erzählen Geschichte(n)! Die Feldherrnhalle in München 

Nationale Begeisterung Instrumentalisierung Alltagsgeschehen


1. Die Feldherrnhalle: Der Ausdruck eines ‚Kulturimperialismus‘ Ludwigs I. und seine Wirkung in den folgenden Jahrhunderten

Überquert man als Münchner in Zeiten hektischer Betriebsamkeit den Odeonsplatz, wird die Feldherrnhalle für gewöhnlich nur am Rande wahrgenommen. Ihre facettenreiche Geschichte bleibt zumeist im Verborgenen oder wird auf Hitlers Marsch auf die Feldherrenhalle reduziert. Dabei kann sie für die Zeit ihrer Existenz wie eine Quelle Aufschluss über die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse einer Zeit geben. Denn: Denkmäler erzählen Geschichte(n)! An der Feldherrenhalle spiegeln sich hierbei verschiedene Punkte der deutschen und bayerischen Geschichte wider. Sie wurde erbaut in Zeiten, als eine bayerische Kulturpolitik einen Ausgleich für gescheiterte Großmachtbestrebungen darstellte und wurde in der Revolution 1848/49, der Reichsgründung 1871 sowie zu Beginn des 1. Weltkrieges zum Schauplatz nationaler Begeisterung. Während der Weimarer Republik nutzten nationale Agitationsverbände die Feldherrnhalle für Kundgebungen, wobei sie sich von dem ‚braunen Anstrich‘ der im Dritten Reich erfolgten Mythisierung von Hitlers Marsch auf die Feldherrenhalle bis weit in die bundesrepublikanische Zeit nicht befreien konnte. So erzählt sie entlang einschneidender Punkte deutscher und bayerischer Geschichte ihre eigene Geschichte. 

Bayern war aus den Versuchen, sich nach dem Wiener Kongress (1814/15) direkt an die Spitze des ‚Dritten Deutschlands‘ der Klein- und Mittelstaaten zu stellen, außenpolitisch geschwächt hervorgegangen. Hierauf verstand der bayerische König Ludwig I. (1786-1868) durch eine spezifische „Eigenstaatlichkeitsideologie“ (H.-M. Körner) den Ausbau der Künste als einen Versuch, um anderen Staaten – zumindest auf kulturellem Bereich – Konkurrenz zu bieten und europaweit Ruhm zu erlangen. Der Bau der Feldherrenhalle verfolgte aber auch innenpolitische Zwecke: Sie war den bayerischen Feldherren Johann t´Serclaes Tilly (1559-1632) und Carl Philipp von Wrede (1767-1838) und somit Bayerns Erfolgen im Dreißigjährigen Krieg sowie den Napoleonischen Befreiungskriegen gewidmet. Das von Einsparmaßnahmen betroffene Militär sollte eine symbolische Anerkennung erfahren. Am Odeonsplatz waren durch die Residenz, die Theatinerkirche und die Feldherrnhalle mit Dynastie, Kirche und Militär somit die konstitutiven Elemente der Monarchie vereint. Für die Feldherrnhalle diente die Florentiner Loggia dei Signori thematisch und architektonisch als Vorbild. Diese wurde zwischen 1376 und 1382 als Bühne für öffentliche Zeremonien, wie Friedensschlüsse, Empfänge und Kriegserklärungen erbaut. Seit der Machtübernahme Herzog Cosimos I. de Medici im Jahre 1532 diente sie als Unterkunft für dessen mit Lanzen bewaffnete Leibgarde und trägt seitdem den Namen Loggia dei Lanzi. Bereits 1835 erhielt der Architekt Friedrich von Gärtner (1791-1847) den Auftrag, einen architektonischen Abschluss der heute zwischen Feldherrnhalle und Siegestor verlaufenden Münchner Ludwigstraße zu planen. Die Grundsteinlegung und Fertigstellung der mit 230.000 fl veranschlagten Feldherrnhalle erfolgte schließlich an geschichtsträchtigen Tagen: Der Baubeginn am 18. Juni 1841, dem Jahrestag der Schlacht bei Waterloo, sowie die Einweihung und Enthüllung der Statuen am Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, dem 18. Oktober 1844, erinnerten an Napoleons militärische Niederlagen. Auch wenn dieser Bayern erst 1806 zum Königreich erhoben hatte, steht die Feldherrnhalle somit klar in einer antinapoleonischen Tradition.

2. Nationale Begeisterung. Die Feldherrnhalle als ‚nationale Kulisse‘ in Revolution, Reichseinigung und Kriegen. 

In der Revolution von 1848/49 machten sich die in den vergangenen Jahrzehnten angestauten Forderungen nach einer Liberalisierung und Demokratisierung des Gemeinwesens auch in Bayern Luft. Nach der Erfüllung vieler dieser sogenannten Märzforderungen und dem Rücktritt Ludwigs I. in Folge der Affäre um die Tänzerin Lola Montez hissten am 30. März 1848 Münchner Bürger die schwarz-rot-goldene Fahne auf der Feldherrenhalle. Das Symbol der in Deutschland vormals verfolgten liberalen Nationalbewegung und der nunmehr stattfindenden Revolution war nun auf einem nach Thomas Nipperdey „national-dynastischen Denkmal“ zu sehen. Nachdem die Fahne anfangs nur toleriert worden war und Beamte der Bauinspektion sie zeitweise auch wieder eingeholt hatten, fiel sie später sogar unter die Schirmherrschaft der ‚landesväterlichen Fürsorge‘. Um sie zu schonen, sollte die Fahne nur an bestimmten Wochen- und Festtagen gehisst werden – eine Praxis, die auch aus der Gegenwart bekannt ist. Diese Umwandlung in ein „wittelsbachische[s] Festtagsfähnchen“ (U. Laufer) missfiel allerdings ihren Stiftern, weshalb die schwarz-rot-goldenen Farben bald wieder jeden Tag auf der Feldherrenhalle zu sehen waren. Da die Flagge den Witterungsbedingungen allerdings nicht standhielt, beauftragte der König höchstpersönlich die Bauinspektion mit der Anschaffung eines neuen, haltbareren Exemplars. Da dieses den Staatshaushalt allerdings mit 164 fl 54 x – dem Jahresgehalt eines unteren Beamten – belastete, wurde eigens eine ‚Fahnenverordnung‘ erlassen: Die hierin eigentlich gut gemeinte Pflicht, die Fahne bei schlechter Witterung abzunehmen, degradierte diese allerdings zu einer „Schönwetterfahne“ (U. Laufer).  

Aber auch die Zustimmung König Ludwigs II. (1845-1886) zur Reichsgründung machte die Feldherrnhalle zu einem Schauplatz nationaler Begeisterung. Nachdem der König durch den sogenannten Kaiserbrief den Weg zur Reichsgründung frei gemacht hatte und am 30. Januar 1871 die Verträge über den Beitritt Bayerns zum Deutschen Reich verkündete, fand am 2. Februar 1871 vor der Feldherrnhalle ein Triumphzug mit dem Motto „Hoch unserm Deutsch gesinnten König“ statt. Darüber hinaus wurde der Sieg über Frankreich im deutsch-französischen Krieg 1870/71 symbolträchtig vor dem Denkmal gefeiert, indem die nach Bayern heimkehrenden Truppen an erbeuteten französischen Kanonen und Waffen vorbeizogen. Diese symbolische Handlung wurde 1914 zu Beginn des 1. Weltkrieges wiederholt, als König Ludwig III. (1845-1921) die begeisterten Truppen in die Schlacht verabschiedete. 

3. Nationalistische Instrumentalisierung und ihre Folgen. Die Feldherrnhalle in der Weimarer Republik, dem Dritten Reich und der frühen Bundesrepublik

Doch von der anfänglichen Kriegseuphorie war vier Jahre später nichts mehr zu sehen. Der verlorene Krieg und die Revolution zwangen im November 1918 die Dynastien, abzudanken. Da sie in der Vergangenheit als Symbol nationaler Begeisterung gedient hatte, wurde die Feldherrnhalle nun von den Sozialisten gemieden – ein Grund, weshalb die Revolution in Bayern an der Theresienwiese ihren Lauf nahm. In der Weimarer Republik diente das Denkmal häufig als Bühne für antisemitische und deutschnationale Bewegungen, sowie um gegen den Versailler Vertrag oder die Besetzung des Ruhrgebiets zu protestieren. Das wohl bekannteste Kapitel seiner Geschichte begann mit dem sogenannten Hitlerputsch am 8. und 9. November 1923. Nachdem Adolf Hitler am 8. November im Bürgerbräukeller die Regierung für abgesetzt erklärt hatte, zogen die Putschisten am folgenden Tag über die Feldherrenhalle Richtung Kriegsministerium, wobei es zu einer Schießerei mit der bayerischen Landespolizei kam. Hierbei wurden 16 Putschisten getötet und Hitler verhaftet.  

Die nationalsozialistische Propaganda instrumentalisierte im Dritten Reich die Feldherrnhalle schließlich als die ideale Bühne, um „die 16 Putschisten, die am 9. November 1923 auf dem Weg vom Bürgerbräukeller zum Kriegsministerium mehr aus Zufall ausgerechnet an der Feldherrnhalle getötet wurden“ (U. M. Saekel), zu nationalsozialistischen Märtyrern hochzustilisieren. Der Jahrestage des Hitlerputsches wurde an der Feldherrnhalle durch Massenveranstaltungen gedacht und zahlreiche Rekruten leisteten an dieser Stelle ihren Eid. Passanten wurden unter der Androhung von Strafe gezwungen, der getöteten Putschisten beim Vorbeigehen an dem Denkmal mit dem Hitlergruß zu gedenken – eine Pflicht, die ortskundige Münchner vermieden, indem sie einen Umweg über die Viscardigasse nahmen, um diese als „Drückebergergasse“ (U. M. Saekel) zu verwenden.  

Nach Kriegsende wurden verschiedene Versuche unternommen, um das Denkmal von seiner nationalsozialistischen Vergangenheit zu befreien. Am 3. Juni 1945 wurde die Gedenktafel für den Hitlerputsch entfernt und im September 1947 an dieser Stelle erstmals der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Die Vergangenheit blieb jedoch weiter in Erinnerung, weshalb sich beispielsweise bis in die 1960er Jahre die Bundespräsidenten weigerten, die Feldherrenhalle als Rednerkulisse zu verwenden. Mit den Jahren wandelte sie sich allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung von einem ‚Denkmal für‘ die nationalsozialistische Vergangenheit zu einem ‚Mahnmal gegen‘ die nationalsozialistische Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise eine 1980 an der Feldherrnhalle erfolgte Demonstration gegen die NPD zu sehen. Aber erst 1994 errichtete die Öffentlichkeit den beim Hitlerputsch getöteten Polizisten ein Denkmal, um damit ein unmissverständliches Zeichen gegen die ‚braune Vergangenheit‘ der Feldherrenhalle zu setzen. 

4. Ausblick und Fazit  

Die Feldherrenhalle war und bleibt allerdings auch ein Teil des Münchner Alltagslebens. Sie war bereits um 1900 ein Platz des Flanierens und der Stadtkonzerte und bis in die 1930er Jahre befand am Odeonsplatz das nach ihr benannte das Café Feldherrenhalle. In der Gegenwart spiegeln sich an ihr die teilweise widersprüchlichen Teile des Münchner Alltags wider: Sie bildet einen zentralen Treffpunkt für Verabredungen, wurde für zahlreiche Demonstrationen verwendet und gerät – als Zeichen des geänderten Alltags – immer mehr zum Platz der hektischen Betriebsamkeit. Ferner stand sie als Kulisse für Trauerzüge verschiedener Persönlichkeiten wie von Mitgliedern des Königshauses und des bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß (1915-1988) zur Verfügung. 

Unabhängig von einer wissenschaftlichen Typologisierung, kann man die Feldherrnhalle als ein Denkmal der Vergangenheit, einen Schauplatz der Gegenwart und als ein Mahnmal für die Zukunft wahrnehmen. Sie zeigt – wie der Streifzug durch ihre Geschichte verdeutlichte – viele Punkte der deutschen und bayerischen Geschichte auf. Aber das Bauwerk erzählt nicht nur Geschichte, sondern auch Geschichten. Als solche sind die Anekdoten über die „Schönwetterfahne“ in der Revolution von 1848/49 und die „Drückebergergasse“ im Dritten Reich zu verstehen. Sie ist allerdings genauso ein Schauplatz der Gegenwart, wie ein Denkmal der Vergangenheit: Um die Feldherrnhalle als Spiegel des geänderten Alltagsleben zu begreifen, genügt es, das Treiben auf dem Odeonsplatz zu beobachten. Durch ihre Vergangenheit ist sie auch ein Mahnmal für die Zukunft. Sie erinnert daran, das schlimmste Kapitel deutscher Geschichte nicht zu vergessen, und sich der Gefahren des politischen Extremismus, insbesondere von rechts bewusst zu sein.

Verwendete Literatur: 

Kunz-Ott, Hannelore / Andrea Kluge (Hrsg.): 150 Jahre Feldherrnhalle. Lebensraum einer Großstadt. München 1994. 

Laufer, Ulrike: Bayerisch Schwarz-Rot-Gold oder die Schönwetterfahne auf der Feldherrenhalle, in: Hans Ottomeyer: (Hrsg.): Biedermeiers Glück und Ende: ... die gestörte Idylle 1815-1848. München 1987, S. 255-257. 

Nipperdey, Thomas: Nationalidee und Nationaldenkmal im 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 206 (1968), S. 529-585. 

Scharf, Helmut: Die Feldherrnhalle in München. Ein Beitrag zur Rezeption durch die Nationalsozialisten, in: Jutta Schuchard / Horst Claussen (Hrsg.): Vergänglichkeit und Denkmal. Beiträge zur Sepulkralkultur. Bonn 1985, S. 151-156. 


Durchges. Zweitpubl. v. Andreas C. Hofmann: Denkmäler erzählen Geschichte(n)! Die Feldherrnhalle in München. Nationale Begeisterung, Instrumentalisierung, Alltagsgeschehen, in: Bayernspiegel. Zeitschrift der Bayerischen Einigung und Bayerischen Volks­stiftung Ausg. 5-6/2012, S. 19-21, langzeitarch. bei Open-Access LMU,
http://epub.ub.uni-muenchen.de/14325.

Mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Einigung e.V.

Empfohlene Zitierweise

Hofmann, Andreas C.: Denkmäler erzählen Geschichte(n)! Die Feldherrnhalle in München. Nationale Begeisterung — Instrumentalisierung — Alltagsgeschehen. aventinus bavarica Nr. 24 [31.01.2013] / Bayernspiegel Nr. 5-6/2012, in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/9770/

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Erstellt: 01.02.2013

Zuletzt geändert: 01.02.2013

ISSN 2194-198X