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aventinus bavarica Nr. 25 [24.05.2013] / Bayernspiegel vsl. Nr. 4/2013
Andreas C. Hofmann
Ein Königreich auf dem Weg in die Revolution
Monarchie, Universität und Studierende in Bayern 1847/48
1. Der „Kampf des Herzens mit der Königswürde“ und seine Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb
Ob es ein „Kampf des Herzens mit der Königswürde“ (H. Gollwitzer), ein „Trauerspiel“ (E. Corti) oder Teil einer „vorrevolutionäre[n] Krise“ (K.-J. Hummel) war: Das viel beachtete und gut erforschte Verhältnis des bayerischen König Ludwigs I. zu Lola Montez entwickelte sich seit der Jahreswende 1846/47 immer mehr zu einer ‚Staatsaffäre‘. Nachdem Ludwig I. ihr gegen die Empfehlung des Staatsrats das bayerische Heimatrecht — die Voraussetzung zur Erhebung in den Adelsstand — verliehen hatte, trat die Regierung um Innenminister Carl von Abel am 16. Februar 1847 geschlossen zurück. Die Veröffentlichung einer zuvor von Abel verfassten und von allen Ministern unterzeichneten Erklärung brachte den König in Verlegenheit und nährte in ihm den Verdacht, dies sei eine bewusst regierungsfeindliche Aktion Abels ultramontaner, also papsttreuer Partei gewesen. Diese ,Staatsaffäre‘, die Studierenden und die Universität spielten eine zentrale Rolle bei Bayerns Weg in die Revolution von 1848/49, die letztlich im Rücktritt Ludwigs I. gipfelte.
Im Februar 1847 regten der eigentlich für seine ausgeprägte Treue zum monarchischen System bekannte Regierungsbevollmächtigte an der Universität München Anton von Braunmühl und der Professor für Philologie und Ästhetik Peter Ernst v. Lasaulx im Senat der Hochschule an, Abel für seinen Schritt die Hochachtung „der Universität als der ersten sittlichen Korporation der Hauptstadt“ (M. Doeberl) zu bezeugen. Dies brachte das Fass zum Überlaufen, weshalb Ludwig I. nun die „Unschädlichmachung der ‚Partei‘ als innenpolitisches Hauptziel ins Auge“ (H. Gollwitzer) fasste. Bereits Ende Februar 1847 leitete der König eine Untersuchung gegen Laslaux ein, begnügte sich aber schließlich mit dessen Ruhestandsversetzung. Am 1. März 1847 begaben sich einige Studenten zu Laslaux’ Haus, um ihm ein ,Lebehoch‘ darzubringen, worauf der größte Teil weiter zu Lola Montez’ Wohnung zog und die Demonstration in Tumulte ausartete. Braunmühl ging nach eigenen Aussagen mit Gefahr für Leib und Leben sogar selbst unter die Studierenden, um diese zu beruhigen, was dem Ministerium allerdings nicht genügte. Die Unruhen selbst endeten so schnell, wie sie begonnen hatten, zumal ihnen keine politischen Motive, sondern der Hass gegen Lola Montez zugrunde lag.
2. Der Privatdozent und ‚sein‘ Regierungsbevollmächtigter. Johann Nepomuk Sepp und Theodor von Zwehl
Braunmühls Nachfolger als Regierungsbevollmächtigter Theodor v. Zwehl trat sein Amt am 3. März 1847 in schwierigen Zeiten an. Zum einen musste er die Untersuchung der vorangegangenen Unruhen zu Ende führen, zum anderen bildete Laslaux’ Ruhestandsversetzung nur den Auftakt zu weiteren Amtsenthebungen. Für Zwehls weitere, bis Oktober 1848 dauernde Amtszeit erscheint das Verhältnis zum damaligen Privatdozenten für Geschichte und späteren Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Johann Nepomuk Sepp einer Untersuchung besonders wert. Der Privatdozent, der seine Kollegien zeitweise sogar im Englischen Garten abhielt, hatte ein sehr offenes Verhältnis zu den Studierenden, was das Misstrauen der Regierung hervorgerufen hatte. Nachdem er allerdings auch noch Beifall erntende Kritik an der Regierung geäußert hatte, schickte die Regierung Zwehl bis Ende Juli 1847 in Sepps Vorlesungen, um seine Lehrtätigkeit zu überwachen. Folgt man allerdings Sepps veröffentlichten Erinnerungen (B. Sepp), verkehrte der Regierungsbevollmächtigte,
„aufs freundschaftlichste mit dem Privatdozenten und suchte ihn sogar mehrmals in seiner Wohnung [...] auf. Der König wurde unruhig und begehrte Sepps Vorlesehefte zu sehen. Da solche nicht existierten, diktierte Sepp Herrn v. Zwehl einen Vortrag in die Feder.“
Ein Dozent sagt seinem Überwacher, was dieser über ihn zu schreiben hat? Mag diese Darstellung auch anekdotischen Charakter haben, dürfte doch ein wahrer Kern enthalten sein. Da der Nachlass Theodor v. Zwehl im Geheimen Hausarchiv leider keine Quellen zu dieser Zeit bietet, würde sich zu einer weiteren Überprüfung eine Einsicht der handschriftlichen Erinnerungen Sepps in der Bayerischen Staatsbibliothek München anbieten. Die zu seinen veröffentlichten Erinnerungen 1917 im Historischen Jahrbuch erschienene Rezension geht auf die Validität dieser Ansichten nicht ein. Obwohl Zwehl in einem vorläufigen Bericht vom Mai 1847 an das Rektorat der Universität hervorhob, keinen Anlass zu weiteren Maßnahmen zu sehen, versetzte der König Sepp im September — trotz der noch nicht abgeschlossenen Untersuchung — als Lyzealprofessor nach Bamberg. Aber auch als Sepp im Oktober um seine Wiederzulassung als Privatdozent bat, konnte Zwehl in dem fertiggestellten Abschlussbericht „die Fortsetzung der Vorlesungen des Dr. Sepp geradezu als gefährlich nicht“ erachten.
3. Zwischen Disziplin und Machtfaktor. Zur politischen Bedeutung des studentischen Verbindungswesens
Um die Disziplin unter den Studierenden zu festigen, strebte der Regierungsbevollmächtigte eine Hebung ihres Ehrgefühls als Universitätsbürger an und beantragte im Oktober 1847, Hochschüler fortan nicht mehr im Gebäude der Polizeidirektion, sondern in der Universität selbst polizeilich zu behandeln. Auch von der Universität verhängte Karzerstrafen sollten im Universitätsgebäude vollzogen werden, wodurch Zwehl versuchte, der Universität einen Teil ihrer früheren Polizeigewalt über die Studierenden zumindest symbolisch zurückzugeben.
Die Landsmannschaften hatten sich der Unruhen des 1. März 1847 enthalten. Die nach Abels Rücktritt eingesetzte, wegen ihrer liberalen Gesinnung als ‚Ministerium der Morgenröte‘ bezeichnete, Regierung erachtete sie deswegen als eine verlässliche politische Stütze und versuchte, durch ihre aktive Unterstützung Boden an der Universität zu gewinnen. So fand das Gesuch zur Gründung eines Corps Isaria — trotz der Namensgleichheit mit einer 1832 verbotenen Verbindung — neben der Genehmigung durch die Regierung auch die Zustimmung des von „,regem Wohlwollen für die Studierenden‘“ (F. Kaufmann) geprägten Regierungsbevollmächtigten, der sich im weiteren auch für die Genehmigung weiterer Landsmannschaften einsetzte. Aber auch Lola Montez hatte die Universität als Machtfaktor erkannt, weshalb sie einige Mitglieder der Palatia um sich scharte. Nachdem die Verbindung diese allerdings wegen des Umgangs mit der Tänzerin ausgeschlossen hatte, intervenierte Lola Montez zu Gunsten ihrer Schützlinge. Die Vertreter der Pfälzer wurden zu Regierungsbevollmächtigten und Minister zitiert, die ihnen den ausdrücklichen Willen des Königs mitteilten, die beiden Verstoßenen unverzüglich wieder aufzunehmen, da andernfalls die Auflösung des Corps verfügt werden müsse. Aber waren die Regierungsvertreter mit dem Vorgehen des Königs einverstanden? Der Verbindungshistoriker Ferdinand Kurz schreibt hierzu in seiner Chronik:
„Man konnte es den beiden Männern ansehen, wie ungern sie sich des ihnen widerstrebenden Auftrags entledigten; und als die Deputirten Palatias im Namen des Corps die unumwundene Erklärung abgaben, dass die Pfälzer nie und nimmer den eingeschlagenen Weg verlassen und lieber das Aergste erwarten als diesen unehrenhaften Schritt thun wurden, da drückten sie, sichtlich erfreut, den Chargierten die Hand und glückwünschten dem Corps, es ihrer Achtung versichernd.“
Die weiterhin ausgeschlossenen Pfälzer bildeten die Landsmannschaft Allemannia, die der König unter dem Einfluss Lola Montez‘ genehmigte. Das Vorgehen der anderen Corps gegenüber der Allemannia hatte sich bisher auf den Verruf beschränkt — heute würde man von einer studentischen Boykotterklärung sprechen. Dies änderte sich, nachdem der Ministerverweser des Innern Franz v. Berks bei dem Eröffnungskommers der ‚monteztreuren‘ Allemannen diese „als Muster an Fleiß und Sittlichkeit im Vergleich zu ihren teilweise völlig verdorbenen Kommilitonen“ (G. v. Pölnitz) bezeichnet hatte. In der Folgezeit wurden von Allemannen besuchte Vorlesungen ostentativ gemieden, an der Universität fanden sich anzügliche Gedichte und Karikaturen über den König und Lola Montez und es kam zu Unruhen.
Ob Zwehl der vom König am 9. Februar 1848 verfügten Schließung der Universität ähnlich entschlossen entgegentrat, wie der seinen Rücktritt anbietende Kultusminister Oettingen-Wallerstein, bleibt unklar. In den folgenden Tagen nahm der König unter dem Druck von Regierungsmitgliedern und der Münchner Bürgerschaft die Schließung der Universität zurück, verfügte die Auflösung der Allemannia und stimmte sogar der Ausweisung Lola Montez’ zu.
4. Ausblick: Monarchie, Universität und Studierende in den ersten Revolutionswochen
Hatte drei Wochen zuvor die Universität noch geschlossen werden sollen, erwiesen sich die Studenten in den Wochen des Revolutionsausbruchs als eine Stütze der Regierung, die sich sodann auch um ihre Gunst bemühte. Am 4. März 1848 sollten sie als „die eigentliche Ordnungsmacht“ (K.-J. Hummel) auftreten, da sie zwar mit der Masse vereint das Zeughaus stürmten, es im Folgenden allerdings verstanden, den Aufruhr in geregelte Bahnen zu lenken. Hierauf überzeugte die Regierung den König, die Studierenden durch die Genehmigung eines Studenten-Freikorps an sich zu binden. Der Regierungsbevollmächtigte setzte sich auch hier für die studentischen Belange ein, indem er Anträge auf Befreiung vom regulären Militärdienst unterstützte und bei der Regierung für eine bessere Ausstattung des Freikorps eintrat. Auch wenn Zwehl die für das Waffendepots des Freikorps eingerichtete studentische Hauptwache als eine Gefahr für die Sitte der Studierenden erachtete — sie habe jene vom Besuch der Vorlesungen abgehalten und zu Trinkgelagen verleitet — stellte er ausdrücklich klar, dass diese Ansicht kein Zeichen eines grundsätzlichen Misstrauens sei.
5. Quellen und Literatur (in Auswahl):
BayHStA, MInn 45838; BayHStA, MK 17890; GHA, NL Ludwig I., XXI/586c; UAM, NL Max Huber, Box 4
Doeberl, Michael: Entwicklungsgeschichte Bayerns. 3 Bde., Bd. 3 hrsg. v. Max Spindler. München 1906-1931.
Gollwitzer, Heinz: Ludwig I. von Bayern. Königtum im Vormärz. Eine politische Biographie. München 21987, ND 1997.
Hummel, Karl-Joseph: München in der Revolution von 1848/49. Göttingen 1987.
Kaufmann, Fritz: Geschichte des Korps Isaria Landshut-Munchen, Bd. 1: 1823-1871 [mehr nicht erschienen]. München 1953.
Kurz, Ferdinand: Der Antheil der Münchener Studentenschaft an den Unruhen der Jahre 1847 und 1848 (Lola Montez — Studentenfreicorps). München [1893].
Pölnitz, Götz v.: Die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung in der Münchener Studentenschaft (1826-1850) (=Kultur und Geschichte: Freie Schriftenfolge des Stadtarchivs München Bd. 5). München 1930.
[Sepp, Bernhard]: Dr. Johann Nepomuk Sepp (1816-1909). Ein Bild seines Lebens nach seinen eigenen Aufzeichnungen. Xenium zum Hundertsten Geburtstag (7. August 1816), Bd. 1: Von der Geburt bis zum Abschluß der öffentlichen Tätigkeit [mehr nicht erschienen]. Regensburg 1916.
Vorabpubl. v. Andreas C. Hofmann: Ein Königreich auf dem Weg in die Revolution. Monarchie, Universität und Studierende in Bayern 1847/48, erscheint in: Bayernspiegel. Zeitschrift der Bayerischen Einigung und Bayerischen Volksstiftung Ausg. 3/2013.
Mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Einigung e.V.
Empfohlene Zitierweise
Hofmann, Andreas C.: Ein Königreich auf dem Weg in die Revolution. Monarchie, Universität und Studierende in Bayern 1847/48. aventinus bavarica Nr. 25 [24.05.2013] / Bayernspiegel Nr. 3/2013, in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/9806/
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Erstellt: 24.05.2013
Zuletzt geändert: 26.06.2013
ISSN 2194-198X
Index
- 2. Der Privatdozent und ‚sein‘ Regierungsbevollmächtigter. Johann Nepomuk Sepp und Theodor von Zwehl
- 3. Zwischen Disziplin und Machtfaktor. Zur politischen Bedeutung des studentischen Verbindungswesens
- 4. Ausblick: Monarchie, Universität und Studierende in den ersten Revolutionswochen
- 5. Quellen und Literatur (in Auswahl):