Stadtgeschichte

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aventinus bavarica Nr. 9 (Winter 2006) 

 

Alexa Thun  

Kleiner Streifzug durch die Geschichte Bayerns: Brechts Jugendjahre in Augsburg.  

Brecht-Haus, Brecht-Forschungsstätte, Brecht-Straße – Augsburg hat ihn nicht vergessen, seinen berühmten Sohn Bert Brecht, den großen Dichter, der jedermann ein Begriff ist: Dreigroschenoper, episches Theater, Verfremdungseffekt, Marxismus, intensiver Lebensstil. Wer hat sich nicht schon einmal mit ihm beschäftigt, sei es mit seinen Werken, seiner Dramentheorie, seiner politischen Einstellung oder mit seiner Biographie. 

Doch bevor all diese unterschiedlichen Dinge entstanden, die heutzutage mit Brecht verbunden werden, vor Berlin, Prag oder Zürich, vor Dänemark oder den USA, verbrachte Brecht die ersten Jahre seines Lebens in Augsburg, später dann auch in München. 

„B.s Geburtsstadt, als Umfeld seiner Sozialisation, aber auch in Form von Verwandten, Freunden und Bekannten, hinterließ im Werk umfangreiche und tiefgreifende Spuren.“ [1] So beginnt der Artikel über Augsburg in einem 2006 erschienen Brecht Lexikon.

Genau 50 Jahre zuvor, am 14. August 1956, endete in Berlin Brechts bewegtes Leben, das am 10. Februar 1898 im Augsburger Lechviertel begann. 

Eugen Berthold Friedrich Brecht wird als Sohn Sophie und Berthold Brechts, eines kaufmännischen Angestellten, Auf dem Rain Nummer 7 in Augsburg geboren. Brecht besucht den Kindergarten der Barfüßer-Gemeinde, wird 1904 eingeschult, beendet die Volksschule nach vier Jahren mit der Gesamtnote 1 und geht nun auf das Königliche Realgymnasium zu Augsburg, das er 1917 – mitten im Ersten Weltkrieg – mit dem Notabitur abschließt. Im Oktober desselben Jahres immatrikuliert sich Brecht in München an der Philosophischen Fakultät der LMU (behält jedoch seine Augsburger Wohnung), muss aber ein Jahr später sein Studium unterbrechen und Kriegsdienst in einem Augsburger Lazarett leisten. Nach der Revolution im November 1918 wird Brecht in den Soldatenrat gewählt. Die Brecht Chronik Werner Hechts zitiert einen Rückblick Brechts aus dem Jahre 1928: „In jener Zeit war ich Soldatenrat in einem Augsburger Lazarett, und zwar wurde ich das nur auf dringendes Zureden einiger Freunde, die behaupteten, ein Interesse daran zu haben. (Wie sich dann herausstellte, konnte ich jedoch den Staat nicht so verändern, wie es für sie gut gewesen wäre.) Wir alle litten unter einem Mangel an politischen Überzeugungen und ich speziell noch dazu an meinem alten Mangel an Begeisterungsfähigkeit.“ [2] Im Januar 1919 nimmt Brecht sein Studium in München wieder auf, wird allerdings im November 1921 exmatrikuliert, da er im Sommersemester keinerlei Vorlesungen mehr belegt hatte.

Eine offenbar weitaus größere Rolle als das Studium spielte für Brecht zu diesem Zeitpunkt wohl bereits das literarische Schaffen. 

Als Brecht 1911 in der Schule Caspar Neher kennen lernt, ahnt er zwar wohl nicht, dass dieser ihn über viele Jahrzehnte hinweg nicht nur privat, sondern vor allem auch künstlerisch begleiten wird, aber Brecht sieht doch bereits den Literaten in sich. 1913 notiert er: „Nur manchmal mehr fühle ich in verloren Stunden, dass ich ein Dichter bin. Dann versinken die Welten. Die Zeit steht.“ [3] 1914 veröffentlicht Brecht sein erstes Stück Die Bibel in der Schülerzeitung Die Ernte und erste Texte – Berichte, Gedichte, aber auch eine erste Buchrezension – in den Augsburger Neuesten Nachrichten und in der München-Augsburger Abendzeitung. Bereits früh zeigt sich Brecht kritisch gegenüber dem tobenden Weltkrieg, veröffentlicht am 2. Dezember 1914 in der literarischen Beilage der Augsburger Neuesten Nachrichten die Moderne Legende, die mit den Versen endet: „In der Nacht noch spät / Sangen die Telegraphendräht’ / Von den Toten, die auf dem Schlachtfeld geblieben - - - / Siehe, da ward es still bei Freunden und Feinden. / Nur die Mütter weinten / Hüben - und drüben.“ [4] Brecht selbst schätzt seine dichterische Zukunft im Jahre 1917 folgendermaßen ein: „Schreiben kann ich, ich kann Theaterstücke schreiben, bessere als Hebbel, wildere als Wedekind. Ich bin faul. Berühmt werden kann ich nicht.“ [5] Ein Jahr später, 1918, schreibt Brecht Baal und Die Legende vom toten Soldaten. 1919, als Brecht nach Krieg und Revolution wieder das Studium in München aufgenommen hat, beginnt er die Arbeit an Spartakus, das später Trommeln in der Nacht heißt.

In Brechts Privatleben ereignen sich in der kommenden Zeit einschneidende Geschehnisse: Am 30. Juli 1919 tritt ein Mensch in Brechts Leben ein, Frank Banholzer, Brechts erster Sohn, dessen Mutter Brechts erste große Liebe, die Augsburger Arzttochter Paula Banholzer, ist. Eine Heirat der beiden lehnt Paula Banholzers Vater ab und schließlich beendet sie zu Beginn der 20er Jahre die Beziehung zu Brecht, wohl nicht zuletzt wegen dessen beginnender Affaire mit der Schauspielerin Marianne Zoff, die Brecht 1922 heiratet und die einige Monate später, am 12. März 1923 Brechts zweites Kind, Hanne Brecht, zur Welt bringt. 

Ein knappes Jahr nach der Geburt des ersten Kindes verlässt jedoch ein sehr wichtiger Mensch Brechts Leben: Am 1. Mai 1920 verstirbt seine Mutter nach zweijährigem Brustkrebsleiden. Am Tag darauf schreibt Brecht in einem Gedicht: „Meine Mutter ist seit gestern Abend tot, ihre Hände wurden allmählich kalt, als sie noch schnaufte, sie sagte aber weiter nichts mehr, sie hörte nur zu schnaufen auf.“ [6]

Brecht setzt sein literarisches Schaffen fort, beginnt 1921 mit Im Dickicht. 1922 wird zum ersten Mal ein Stück Brechts aufgeführt: In den Münchener Kammerspielen wird Trommeln in der Nacht gespielt, 1923 im Residenztheater Im Dickicht. 1924 beginnt Brechts Arbeit an der Hauspostille und an Mann ist Mann. 

Zudem reist Brecht zwischen Frühjahr 1920 und Sommer 1924 insgesamt neun Mal nach Berlin. Hier tritt er im Januar 1921 unter anderem mit der Legende vom toten Soldaten im Kabarett Wilde Bühne auf. 1922 wird erstmals ein Stück Brechts in Berlin gespielt: Am 20. Dezember feiert Trommeln in der Nacht im Deutschen Theater Premiere. 

Im September 1924 enden Brechts Jahre in Augsburg endgültig, als er schließlich ganz nach Berlin zieht und dort als Dramaturg im Deutschen Theater arbeitet.

Im Februar 1925 bezieht er das Atelier der Schauspielerin Helene Weigel, die ihren späteren Ehemann von nun an für den Rest seines Lebens – trotz seinen zahlreichen Affären – durch die ganze Welt begleitet: Nach beinahe 10 Jahren in Berlin beginnt 1933 mit der Machtergreifung Hitlers das lange Exil Brechts. Als am 27. Februar der Reichstag brennt, geht er zunächst nach Prag, weiter nach Wien und in die Schweiz, schließlich für einige Jahre ins dänische Svendborg, 1939 nach Stockholm, 1940 nach Helsinki, 1941 dann über Moskau in die USA nach Santa Monica, nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 wieder nach Europa, zunächst über Paris nach Zürich, ehe er 1949 nach (Ost-) Berlin zurückkehrt. 

Hier endet 1956 das unruhige Leben Bert Brechts, das ihn an unzählige Orte auf der ganzen Welt geführt hatte.Dort, wo es 58 Jahre zuvor begonnen hatte, erinnert heute noch vieles an ihn: das Haus, die Forschungsstätte, die Straße – in Augsburg. 

Literatur 

Hecht, Werner: Brecht Chronik. Frankfurt am Main 1997. 

Hecht, Werner / Bunge, Hans-Joachim / Rülicke-Weiler, Käthe: Bertolt Brecht. Sein Leben und Werk. Berlin 1969. 

Kugli, Ana / Opitz, Michael (Hgg.): Brecht Lexikon. Stuttgart 2006. 

Anmerkungen

  • [1]

     Jürgen Hillesheim: Augsburg. In: Brecht Lexikon. Hrsg. von Ana Kugli und Michael Opitz. Stuttgart 2006, S. 10f.

  • [2]

     Werner Hecht: Brecht Chronik. Frankfurt am Main 1997, S. 61.

  • [3]

     Ebd., S. 26.

  • [4]

     Werner Hecht / Hans-Joachim Bunge / Käthe Rülicke-Weiler: Bertolt Brecht. Sein Leben und Werk. Berlin 1969, S. 13f.

  • [5]

     Werner Hecht: Brecht Chronik. Frankfurt am Main 1997, S. 89.

  • [6]

     Werner Hecht: Brecht Chronik. Frankfurt am Main 1997, S. 89.

Empfohlene Zitierweise

Thun, Alexa: Kleiner Streifzug durch die Geschichte Bayerns: Brechts Jugendjahre in Augsburg. aventinus bavarica Nr. 9 (Winter 2006), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7728/

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Erstellt: 23.05.2010

Zuletzt geändert: 26.05.2010

ISSN 2194-198X

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