Stadtgeschichte

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aventinus bavarica Nr. 4 (Sommer 2006) 

 

Alexa Thun 

Kleiner Streifzug durch die Geschichte Bayerns. 

Die Steinerne Brücke in Regensburg - vom Sagenhaften und vom Historischen ihrer Entstehung. 

„Die Wahrzeichen Regensburgs sind am Dome zu finden und an der Brücke. Am Dome ein Mann von Stein, der sich herunter stürzt, und an der Brücke ein kleiner Mann, der nach jenem schaut, die Hand über die Stirn haltend. Das sind die Baumeister des Domes und der Brücke; beide wetteten mit einander, wessen Bau zuerst vollendet sein werde. Und soll der Baumeister der Brücke des Dombaumeisters Lehrling gewesen sein. Der Lehrling nun ging einen Bund mit dem Teufel ein, und versprach ihm die ersten drei Seelen, die über die vollendete Brücke gehen würden, zum Eigenthum, wenn er sie eher vollende, als sein Meister den Dom. Da schleppte der Teufel als bekannter Steinschlepper und Lastesel Steine in Massen herbei und half bauen was das Zeug hielt, und ward die herrliche Brücke gebaut mit funfzehn graniten Schwibbogen und drei Thürmen aus lauter Quadersteinen, 470 Schritte lang und 33 Schuh breit. Und unversehens war sie fertig, und da der Dombaumeister auf seinem Gerüste stand und das Werk vollendet sah, so that er wie der Baumeister des Doms zu Köln, dem ähnliches widerfuhr, er stürzte sich vom Gerüste herab, worauf sein steinern Bild am Dom angebracht wurde. Der Brückenbaumeister aber sperrte die Brücke, so wie sie vollendet war, daß kein Mensch darüber gehen durfte, und trieb zuerst einen Hund, einen Hahn und eine Henne darüber, welche der Teufel in Empfang nahm.“ [1]

Der Teufel, so sagt man, war darüber so wütend, dass er ein Loch in die Brücke riss. Andere behaupten, er habe versucht, die Brücke aus ihren Fundamenten zu reißen, weshalb sie heute noch in der Mitte ansteigt. Beobachter des Geschehens soll das kleine Männchen gewesen sein, das noch heute auf der Brücke sitzt und in Richtung Dom schaut. 

Auch wenn in den letzten Jahrzehnten eher im Zusammenhang mit Sprengungen, Sanierungen oder Fahrverboten von der Steinernen Brücke in Regensburg die Rede war [2], so umgibt sie doch etwas Sagenhaftes, das spätestens in ruhigen Nächten wieder erwacht, wenn das Brückenmandl zum Dom herüber späht und unter ihm leise die schwarze Donau vorüber fließt.

Harte Realisten weisen jedoch erbarmungslos darauf hin, dass die große, würdevolle alte Brücke und der Regensburger Dom mit einer zeitlichen Differenz von mindestens einhundert Jahren erbaut wurden. [3] Oder darauf, dass das Brückenmandl ursprünglich an einer Stelle angebracht war, von der aus es den Dom gar nicht hätte sehen können. [4]

Daher wollen wir uns denn doch von der Sage ab- und den vorhandenen Tatsachen über die Entstehung der Brücke zuwenden. Weder der Bauherr, noch die Zeit der Erbauung und der Fertigstellung sind genau bekannt, doch lassen sie sich aus Quellen und historischem Hintergrundwissen wenigstens in etwa vermuten. 

In einigen Quellen der frühen Neuzeit wird als Bauherr Herzog Heinrich der Stolze genannt, der bis 1138 Herzog von Bayern war. So zum Beispiel 1632 bei Martin Zeiler: "Heinricus Hertzog auß Bayern vnnd Sachsen / solle solche [die Brücke] mit hilff der Burger zu Regenspurg / vnd des Bischoffs daselbst / im Jahre 1135 erbawet haben". [5] Auch in der Ratisbona Politica von Coelestin Vogl und Anselm Godin aus dem Jahre 1729 [6] und den Reiseschilderungen von Friedrich Nicolai, entstanden 1783 [7], sowie bei Albrecht Christoph Kayser im Jahr 1797 [8] ist Herzog Heinrich als Baumeister genannt. Der Historiker Wilhelm Volkert kommt auf Grund differenzierter Betrachtungen zu dem Schluss, dass hinter dem Bau der Brücke - wie auch von Martin Zeiler schon angesprochen - eher Bürger und Bischof, genauer gesagt die Bischofsdienstleute und die Großkaufleute gestanden haben mussten, da sie die Führungsschicht der Stadt bildeten und Einfluss auf die öffentlichen Entscheidungen hatten. [9]

Über den Zeitpunkt der Erbauung sagen die Quellen beinahe alle dasselbe aus; Lediglich Hartmann Schedel schreibt, der Bau der Brücke sei "angefengt nach der gepurt christi tausent hundert vnd in dem XV iar". [10] Doch neben den vier obengenannten Quellen stimmen sowohl Hans Sachs aus dem 16. Jahrhundert, als auch Johann Georg Keyssler, der im 18. Jahrhundert lebte, mit dem ersten bayerischen Landeshistoriker überein: mit Johann Turmair, genannt Johannes Aventinus. Dieser schreibt in seiner Bayerischen Chronik um 1530: "Diser zeit, als man zelt von Christi unseres lieben herrn geburt tausent ainhundert fünfunddreissig, ist gar ein haisser und dürrer sumer gewesen [...]. Dises jar hat der allerreichist fürst, herzog Hainrich der zehent [...], mitsambt den burgern zu Regenspurg die stainen pruck daselbs über die donau angefangen; ist vollpracht worden, als man zelt nach Christi geburt ainhundert sechsundvierzig." [11]

Das wahrscheinliche Jahr des Baubeginns kann also um 1135 vermutet werden. Auch das von Aventinus angesprochene Jahr der Fertigstellung, 1146, deckt sich mit anderen Aussagen. In der bereits erwähnten Ratisbona Politica steht, 1135 sei der Bau begonnen worden und "in dem eylfften hernach vollendt". [12] Auch Friedrich Nicolai nennt dieses Datum [13], sowie Albrecht Christoph Kayser. [14] Spätestens 1148 muss die Brücke bereits fertig gewesen sein, denn Odo von Deuil berichtet in diesem Jahr vom Aufbruch des zweiten Kreuzzugs aus Regensburg: "Bei dieser Stadt überschritten alle die Donau auf einer vortrefflichen Brücke" [15].

Aus den Quellen lässt sich also schließen, dass zum einen die öfter erwähnten Bürger beim Bau eine Rolle spielten, wenn auch als offizieller Bauherr Herzog Heinrich der Stolze galt, zum anderen die Zeit der Erbauung zwischen 1135 und 1146 lag. Auch die heutigen Forscher, nicht nur Wilhelm Volkert, der aus den historischen Hintergründen auf Bischofsdienstleute und Großkaufleute als eigentliche Baumeister schließt, auch Helmut Braun [16], Felix Mader [17], Katrin Ehmann, Karin Schlaffer und Rainer Fürst [18], sowie Helmut-Eberhard Paulus [19], sehen die Bauzeit in etwa in dieser Zeitspanne. So kann man aus der Kombination von Quellen und historischen Hintergründen durchaus auf die historischen Tatsachen schließen.

Auch wenn die Steinerne Brücke somit aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 1135 und 1146 erbaut wurde, der Dom hingegen erst um 1260 entstand, so bleiben dennoch die Fragen offen, weshalb die Brücke in der Mitte ansteigt und welche Bedeutung das kleine Mandl hat. Vielleicht jedoch wissen um die Antworten auf diese Fragen auch nicht die historischen Quellen, sondern eher das steinerne Brückenmandl, unter dem nachts die schwarze Donau ruhig dahin fließt. 

Quellenverzeichnis 

Alle Quellen zitiert nach: 

Dünninger, Eberhard: Weltwunder Steinerne Brücke. Texte und Ansichten aus 850 Jahren. Amberg 1996. 

Literaturverzeichnis 

Braun, Helmut: Zum Bau der Steinernen Brücke. In: Die Steinerne Brücke in Regensburg. Hrsg. von Edith Feistner. Regensburg 2005, S. 30-41. (= Forum Mittelalter. Band 1). 

Ehmann, Katrin / Schlaffer, Karina / Fürst, Rainer: Die teuflische Wette. Sagenhaftes zum Bau von Dom und Steinerner Brücke in Regensburg. Regensburg 2000. 

Die Kunstdenkmäler der Oberpfalz. Stadt Regensburg. Profanierte Sakralbauten und Profangebäude. Bearb. von Felix Mader. München 1933. (= Die Kunstdenkmäler von Bayern XXII, 3. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege). 

Paulus, Helmut-Eberhard: Steinerne Brücke. Mit Regensburger und Amberger Salzstadel und einem Ausflug zur historischen Wurstküche. Regensburg 1993. 

Schöller, Wolfgang: Die Steinerne Brücke heute: Denkmalpflege und historisches Gedächtnis. In: Die Steinerne Brücke in Regensburg. Hrsg. von Edith Feistner. Regensburg 2005, S. 42-52. (= Forum Mittelalter. Band 1). 

Volkert, Wilhelm: Die Steinerne Brücke in der mittelalterlichen Geschichte Regensburgs. In: Die Steinerne Brücke in Regensburg. Hrsg. von Edith Feistner. Regensburg 2005, S. 9-29. (= Forum Mittelalter. Band 1).

Anmerkungen

  • [1]

     Ludwig Bechstein, 1853. Zitiert nach: Dünninger: Weltwunder, S. 46.

  • [2]

     Vgl. Wolfgang Schöller: Die Steinerne Brücke heute: Denkmalpflege und historisches Gedächtnis. In: Die Steinerne Brücke in Regensburg. Hrsg. von Edith Feistner. Regensburg 2005, S. 42-52. (= Forum Mittelalter. Band 1), sowie Helmut-Eberhard Paulus: Steinerne Brücke. Mit Regensburger und Amberger Salzstadel und einem Ausflug zur historischen Wurstküche. Regensburg 1993.

  • [3]

     Vgl. Katrin Ehmann / Karina Schlaffer / Rainer Fürst: Die teuflische Wette. Sagenhaftes zum Bau von Dom und steinerner Brücke in Regensburg. Regensburg 2000.

  • [4]

     Vgl. Paulus: Steinerne Brücke, S. 38.

  • [5]

     Zitiert nach: Eberhard Dünninger: Weltwunder Steinerne Brücke. Texte und Ansichten aus 850 Jahren. Amberg 1996, S. 17.

  • [6]

     Ebd., S. 21.

  • [7]

     Ebd., 28.

  • [8]

     Ebd., S. 32.

  • [9]

     Wilhelm Volkert: Die Steinerne Brücke in der mittelalterlichen Geschichte Regensburgs. In: Die Steinerne Brücke in Regensburg. Hrsg. von Edith Feistner. Regensburg 2005, S. 9-29, hier S. 20-22. (= Forum Mittelalter. Band 1).

  • [10]

     Zitiert nach Dünninger: Weltwunder, S. 12.

  • [11]

     Ebd., S. 13.

  • [12]

     Ebd., S. 21.

  • [13]

     Ebd., S. 28.

  • [14]

     Ebd., S. 32.

  • [15]

     Ebd., S. 10.

  • [16]

     Helmut Braun: Zum Bau der Steinernen Brücke. In: Die Steinerne Brücke in Regensburg. Hrsg. von Edith Feistner. Regensburg 2005, S. 30-41, hier S. 35f. (= Forum Mittelalter. Band 1).

  • [17]

     Die Kunstdenkmäler der Oberpfalz. Stadt Regensburg. Profanierte Sakralbauten und Profangebäude. Bearb. von Felix Mader. München 1933, S. 238. (= Die Kunstdenkmäler von Bayern XXII, 3. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege).

  • [18]

     Ehmann [u.a.]: Die teuflische Wette, S. 5.

  • [19]

     Paulus: Steinerne Brücke, S. 55.

Empfohlene Zitierweise

Thun, Alexa: Kleiner Streifzug durch die Geschichte Bayerns. Die Steinerne Brücke in Regensburg - vom Sagenhaften und vom Historischen ihrer Entstehung. aventinus bavarica Nr. 4 (Sommer 2006), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7727/

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Erstellt: 23.05.2010

Zuletzt geändert: 26.05.2010

ISSN 2194-198X