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aventinus mediaevalia Nr. 2 (Winter 2006) 

 

Waltraud Künstler 

Die Juden in der mittelalterlichen Stadt 

Eine besondere Gruppe 

 

Die mittelalterliche Gesellschaft war in verschiedene Gruppen, sogenannte Zünfte, Gilden, Rechts- und Sozialgemeinschaften etc., unterteilt. Wer einer solchen Gruppe angehören wollte, musste bestimmte Voraussetzungen mitbringen und die Regeln der jeweiligen Gruppe einhalten.  

Eine besondere Gruppe stellten die Juden dar. Nicht Standeszugehörigkeit oder die Ausübung eines bestimmten Berufes, sondern allein die Religionszugehörigkeit machte die Juden zu einer eigenen Gruppe.  

Die älteste jüdische Gemeinde lebte seit ca. 1100 n. Chr. in der erzbischöflichen Metropole Mainz, der Mutterstadt der jüdischen Gemeinschaft im Römischen Reich. Aber auch in Städten wie Worms, Köln oder Regensburg sind Zeugnisse jüdischen Lebens vorhanden. Dass sich die Juden vor allem in Städten niederließen hat mehrere Gründe:  

Zunächst ist anzuführen, dass sich die Juden, wie eingangs bereits angedeutet, nicht so recht in die mittelalterliche Gesellschaftsstruktur einfügen ließen. Das zeigt sich vor allem in ihrer rechtlichen Stellung. Bindend für diese Gruppe war das sogenannte Judenrecht. Dieses Recht besagt, dass für sie einerseits die Rechte des Reiches, in dem sie leben, verbindlich waren, aber gleichzeitig sichert es ihnen zu, nach ihren eigenen Regeln, dem jüdischen Recht, zu leben. Gewährleistet wurde das Judenrecht durch den König.  

Mit dem Wormser Privileg Heinrichs IV. aus dem Jahre 1090 n. Chr. wurde der Rechtsstatus der Juden  – als direkt dem König unterstellt –, bezüglich des Schutzes von Leben und Eigentum, sowie der Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung und der Religionsausübung, verbindlich festgelegt. Im Jahre 1236 wurde dieses Privileg unter Friedrich II. auf alle jüdischen Gemeinden des Römischen Reiches ausgeweitet. Dieser sogenannte Judenschutz war unter anderem durch das Verbot des Waffenrechts für Juden nötig geworden. Um den Schutz zu erhalten mussten die Juden Abgaben leisten. Dadurch gerieten sie immer mehr in die Abhängigkeit des Kaisers bzw. Königs. Einige Juden gelangten sogar als Kammerknechte bzw. Hofjuden an den Kaiserhof. Dort unterstanden sie zwar als servi direkt dem Kaiser, gleichzeitig führten sie aber, sozusagen als verlängerter Arm des Herrschers, dessen Befehle aus.

Neben der Tatsache, dass die Juden in den Städten besonderen Schutz bekamen, spricht für diesen Lebensraum, dass sie dort Arbeit fanden. Von den meisten handwerklichen Berufen ausgeschlossen, spezialisierten sie sich auf den Handel, unter anderem mit Luxusgütern aus dem Orient, und das Geldgeschäft. Letzteres durften die Christen aufgrund des Zinsverbotes, dass ihnen verbot, Glaubensbrüdern und -schwestern gegen Zinsen Geld zu verleihen oder bei Wechselgeschäften Geld zu verlangen, nicht ausüben. 

Ein weiterer Grund, der für das Leben in der Stadt spricht, ist, dass die Juden in den Städten ihre Religion ausüben konnten. Um die Synagoge, dem religiösen Zentrum, herum gruppierten sich der Synagogenhof, der als Versammlungs- und Gerichtshof diente, sowie das Gemeindehaus, das Hospital und die Wohnhäuser.  

Die wichtigsten jüdischen Körperschaften waren die Judenbischöfe. Sie wurden nach der Wahl durch die jüdische Gemeinde vom Herrscher bestätigt. Ihre Aufgabe war es die Abgaben der einzelnen Gemeindemitglieder festzusetzen. Eine jede jüdische Gemeinde war nämlich verpflichtet als Ganzes einen bestimmten Betrag zu zahlen. Bei religiösen Fragen aber, wurde der Rabbiner zu Rate gezogen. Des weiteren gab es jüdische Metzger und Bäcker, die auf die Verwendung koscherer Zutaten achteten.  

Dass die Juden unter sich in eigenen Stadtvierteln nach den Gesetzen, die ihnen das Judentum vorschrieb, lebten, war im Mittelalter nichts Besonderes. Eine jede Gruppe blieb, so weit wie möglich, unter sich.  

Im Allgemeinen waren die Juden im gesellschaftlichen Leben verankert. So bekamen die  Frauen der am Hof Ludwigs des Frommen arbeitenden Juden von Angehörigen der Kaiserfamilie Geschenke. Ein weiteres Indiz für ihre hohe soziale Stellung sind die jüdischen Namen in den Zeugenlisten der Stadt Köln aus dem 11. und 12. Jahrhundert n. Chr. Aber durch die zeitgleich beginnenden Kreuzzüge sollte sich dies ändern. Trotz des Judenschutzes durch den Herrscher und der oberen Bürgerschicht, konnte ihre Ausbeutung und Ermordung durch die Unterschicht, die neben religiösen Wahn vor allem durch Habsucht gelenkt wurden, nicht verhindert werden.

Verwendete Literatur: 

David Abulafia: Der König und die Juden – Juden im Dienst des Herrschers, in: Europas Juden im Mittelalter. Beiträge des internationalen Symposiums in Speyer vom 20. – 25. Oktober 2002, hrsg. von Christoph Cluse, Trier 2004, S. 61–85. 

Klaus Geissler: Die Juden in Deutschland und Bayern bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, München 1976, S. 123–162. 

Empfohlene Zitierweise

Künstler, Waltraud: Die Juden in der mittelalterlichen Stadt. Eine besondere Gruppe. aventinus mediaevalia Nr. 2 (Winter 2006), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7554/

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Erstellt: 15.05.2010

Zuletzt geändert: 27.05.2010

ISSN 2194-1955