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aventinus recensio Nr. 16 (Sommer 2008) 

Zarka, Attila 

Matthias Becher: Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchhards von Ursberg. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) Darmstadt 2007. 328 Seiten. EUR 99,90. ISBN: 978-3-534-07564-5 

Seit 1998 ist der Autor Matthias Becher Professor für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Bonn. Er verfasste u.a. drei Aufsätze über die Welfen, deren Schwerpunkt die Historia Welforum war. [1] Die meisten Publikationen der Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe haben den sehr ansprechenden Hardcover-Einband im schlichten und funktionalem Design. Die Struktur ist chronologisch nach Entstehung der einzelnen Quellen gewählt, was sinnvoll erscheint. Nach einer Einleitung, die ebenfalls thematisch geordnet ist, werden die Quellen zweisprachig, in der gewohnten Aufteilung (linke Seite: Original - rechte Seite: Übersetzung) abgedruckt. Dadurch, dass die Fußnoten immer auf beiden Seiten markiert sind, wird das Durcharbeiten der Quellen auch für Leser, die nicht so handfeste Lateinkenntnisse haben, sehr erleichtert.

Wenn man sich ernsthaft mit dem Frühmittelalter beschäftigt, wird man kaum verhindern können, sich auch mit den Welfen zu befassen. In vielerlei Hinsicht ist das Geschlecht der Welfen sehr bemerkenswert. Es gilt heute als die älteste europäische Dynastie, die mit Ernst August Prinz von Hannover, Herzog zu Braunschweig u. Lüneburg, einen mehr oder weniger prominenten Vertreter bis in unsere Zeit hinein historisch fassbar ist. Die Welfen waren die ersten, die die Wichtigkeit einer Familienchronik für das Selbstbewusstsein des eigenen Geschlechtes erkannten. Matthias Bescher möchte mit dem vorliegenden Band diese äußerst wichtige Verschriftlichung adeligen Selbstverständnisses aufzeigen. Diese sind die Genealogia Welforum, Anhang IV der Sächsischen Weltchronik, die Historia Welforum mit der Steingadener Fortsetzung, die welfischen Annalen aus Weingarten, die Weingartener Fortsetzung der Chronik des Hugo von St. Viktor und die Chronik von Burchhard von Ursberg. Vor allem ist sehr lobenswert, dass Matthias Becher die letztgenannte Chronik in das vorliegende Werk mit aufgenommen hat. Sein Vorgänger Erich König hat im Jahre 1938 diesen Schritt noch nicht gewagt. Burchhard schrieb zwar nicht im Auftrag der Welfen, allerdings hat er in dem Kapitel De generatione Welfonum einige vorher genannten Quellen verarbeitet, weswegen Matthias Becher zu Recht diese Quelle als „eigenständiger Zweig der welfischen Hausüberlieferung“ (S.10) bezeichnet. 

Jeder Student, der ein Seminar zum Mittelalter belegt hat, weiß, dass Quellen zu einem Themenschwerpunkt fast niemals in einer Edition vorzufinden sind. Zudem ist eine Übersetzung für das erste Verständnis aller Quellen äußerst hilfreich. Durch die zweisprachige Edition ist aber eine Überprüfung kritischer Stellen jederzeit am Original möglich. Aus Sicht der Studenten ist das vorliegende Werk von sehr großem Wert, das für den Studenten nur durch den Kaufwert entbehrlich werden muss.

Die Arbeit, die hinter der Erstellung einer Edition steckt, ist mit Nichten eine leichte. Daher ist es verständlich, dass zum einen sich der Veröffentlichungstermin des vorliegenden Bandes um einige Monate nach hinten verschoben hat. Zum anderen ist es daher auch nicht verwunderlich, dass sich Fehler bei der ersten Auflage einschleichen. Diese Unachtsamkeiten, wenn man sie so nennen darf, überraschen aber dennoch. In der Kurzbeschreibung der Edition, die auf dem Buchrücken und bereits vor der Veröffentlichung auch auf der Internetseite des WBG-Verlages zu lesen war, steht, dass die Historia Welforum am Hof Welf VI. verfasst wurde. Diese Information macht(e) Hoffnung auf mehr, da gerade Mathias Becher in seinen Aufsätzen (vgl. Fußnote 1) ernsthafte Überlegungen angestellt hatte, dass man nicht ohne weiteres Welf VI., sondern eher Heinrich den Löwen als Auftraggeber für die Abfassung der Historia Welforum anzunehmen hat. Leider fehlt in dieser Ausgabe jede Anmerkung zu diesem Punkt. Vielmehr wird der Leser im Unklaren gelassen, da die Einleitung sich sehr zurückhält und keine konkrete Aussage trifft. 

Eine weitere Ungereimtheit macht stutzig. In Kapitel 31 der Historia Welforum wird vom lacus lemmanus, dem Genfer See gesprochen. Bereits Erich König ist in der Edition von 1938 aufgefallen, dass die Bezeichnung des Sees an dieser Stelle nicht den Genfer, sondern vielmehr den Bodensee betreffen muss. Gerade Matthias Becher hat deutlich gemacht, dass die Wortverwechslung keine Seltenheit war und somit keineswegs nur in der Kanzlei von Welf VI. vorkam. Dies behauptete noch Erich König, da er nur eine einzige Parallelüberlieferung gefunden hat, die eben im Umfeld von dem besagten Welfen entstanden ist. Leider übersetzt Matthias Becher lacus lemmanus mit Genfer See, was an und für sich noch erklärbar wäre, aber dass noch nicht einmal eine Fußnote auf die eben dargestellte Tatsache hinweist, ist überraschend. 

Dennoch soll der Wert dieser Edition nicht geschmälert werden. Der emsige Student würde anhand der Quellen- und Literaturangabe auf die Lücken aufmerksam und könnte ohne Probleme damit umgehen. Zudem ist die Zusammenstellung der Quellen für die Edition in dieser Form als einzigartig zu bewerten, was über die Fehler hinwegsehen und auf die Korrektur in der zweiten Auflage hoffen läßt. 

Anmerkungen

  • [1]

     Becher, Matthias: Welf VI., Heinrich der Löwe und der Verfasser der Historia Werlforum. In: Ay, Karl-Ludwig; Meier, Lorenz; Jahn, Joachim (Hg.): Die Welfen. Landesgeschichtliche Aspekte ihrer Herrschaft. Konstanz 1998. S,151-172. Ders.: Der Verfasser der Historia Welforum zwischen Heinrich de, Löwen und den süddeutschen Ministerialen des welfischen Hauses. In: Fried, Johannes; Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Heinrich der Löwe. Herrschaft und Repräsentation. Stuttgart 2003. S.347-380. Ders.: Der Name Welf zwischen Akzeptanz und Apologie. Überlegungen zur frühen welfischen Hausüberlieferung. In: Bauer, R; Becher, Matthias (Hg.): Schlüsselfigur einer Wendezeit. Regionale und europäische Perspektiven. München 2004. S.156-198.

Empfohlene Zitierweise

Zarka, Attila: Rezension Matthias Becher: Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchhards von Ursberg. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) Darmstadt 2007. 328 Seiten. EUR 99,90. ISBN: 978-3-534-07564-5. aventinus recensio Nr. 16 (Winter 2009), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7643/

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Erstellt: 18.05.2010

Zuletzt geändert: 05.12.2010

ISSN 2194-2137