Nachkriegszeit und Kalter Krieg (1945-1989)

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aventinus nova Nr. 30 [30.04.2011] 

Frank Hüther 

Stasi und KGB 

Das Komitee für Staatssicherheit und das Ministerium für Staatssicherheit im Vergleich 

 

1. Einleitung 

„Nicht die nationale Kultur‘ haben wir auf unser Banner geschrieben, sondern die internationale Kultur, die alle Nationen zu einer höheren, sozialistischen Einheit verbindet und durch die internationale Vereinigung des Kapitals schon heute vorbereitet wird.“ [1]

So schrieb Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt als Lenin, 1913. Es sollte in der Revolution also gar nicht eine nationale Kultur, sondern eine internationale Kultur des Sozialismus durchgesetzt werden. Gerade nach dem Großen Vaterländischen Krieg schien es, als würde die Sowjetunion versuchen, ihr neues Einflussgebiet, vor allem in Deutschland, gezielt zu „russifizieren“. Dies versuchte man unter anderem durch die Installation sowjetischer Institutionen. Hiervon dürfte eine der Bekanntesten das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sein. Doch lässt sich in einem Land wirklich ein System etablieren, welches über 40 Jahre von den nationalen Eigenarten – seien sie der Mentalität der Bewohner, der Landesgeschichte oder vielleicht der geographischen Lage des Landes geschuldet – unberührt bleibt?

Die vorliegende Arbeit will die Dienstkultur der beiden Nachrichtendienste vergleichen und erörtern, ob es sich beim MfS schlicht um eine Kopie des sowjetischen Nachrichtendienstes und seiner Staatssicherheit gehandelt hat, oder ob sich Tendenzen zu einer kulturellen Eigenständigkeit finden lassen. Als Vergleichsobjekt wird hierzu fast ausschließlich das sowjetische Komitee für Staatssicherheit (KGB) dienen. Dieses wurde zwar später als das ostdeutsche MfS gegründet, bietet sich aber aufgrund der langen Zeit der Koexistenz mehr zum Vergleich an als die sowjetischen Vorgängerorgane.

Um die kulturellen Zusammenhänge zwischen zwei Nachrichtendiensten zu untersuchen, ist es zu Beginn notwendig, sich einer Kulturdefinition zu bedienen. Anhand dieser können dann Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden. Als Kultur des Nachrichtendienstes wird im Folgenden die Gesamtheit der spezifischen Formen der Organisation, Struktur und Zielsetzungen, der strategischen, operativen und taktischen Arbeit eines Dienstes bezeichnet.

Diese Faktoren werden natürlich maßgeblich von der zu betrachtenden Zeit sowie der Gründungszeit eines Dienstes, aber auch von dem der Regierung zugrunde liegenden System beeinflusst. Weiterhin wirken sich nationalspezifische Besonderheiten ebenso aus, wie gewisse dem Nachrichtendienst eigene Umgangsformen. Denn derselbe Geheimdienst kann sich schließlich innerhalb weniger Jahre durch Einflüsse wie Krieg oder Frieden, den Wechsel des politischen Systems oder auch nur der generellen Regierungspolitik grundsätzlich wandeln. So unterscheiden sich trotz der historischen Verwurzelung des amerikanischen Geheimdienstwesens in der britischen Tradition die Geheimdienste beider Länder stark voneinander. Aber auch der heutige deutsche Bundesnachrichtendienst unterscheidet sich grundlegend von seinen Vorgängerdiensten wie der Organisation Gehlen.

Die Arbeit hat also ihre Aufgabe darin, die Nachrichtendienstkultur des sowjetischen KGB und des ostdeutschen MfS zu vergleichen, um dadurch Aussagen über eine kulturelle Abhängigkeit oder Eigenständigkeit der Stasi vom sowjetischen Bruderdienst treffen zu können, da diese Nachrichtendienstkultur in der bisherigen Forschung noch nicht systematisch beleuchtet wurde. Hierbei stützt sich die Arbeit vornehmlich auf die sogenannte Überläuferliteratur, da die meisten Quellen gerade für den sowjetischen Kontext auch 18 Jahre nach dem Niedergang der Sowjetunion noch immer nicht frei zugänglich sind. Zwar sind im Falle des MfS die meisten Akten erhalten, jedoch sind diese beispielsweise im Fall des Wachregiments „Feliks Dzierzynski“ längst noch nicht gänzlich erschlossen. Auch die verarbeiteten Zahlen sind meist nur im Westen erstellte Schätzwerte. Allerdings handelt es sich hier vornehmlich um Schätzungen des CIA zur Feindanalyse oder Aussagen desertierter Nachrichtendienstmitarbeiter aus dem Ostblock, was den Zahlen eine gewisse Qualität verleiht. Ein weitläufiger Vergleich der Dienstkulturen des gesamten Warschauer Paktes untereinander und die Untersuchung der Eigenständigkeit der Dienste der einzelnen Paktstaaten müssen der weiteren Forschung überlassen werden.

2. KGB und MfS im Vergleich 

Im Folgenden werden die Aufgaben von KGB und MfS sowie ihre Struktur und Geschichte herausgearbeitet und verglichen. Des Weiteren gilt es, die Arbeitsweise der beiden Nachrichtendienste zu analysieren und gegenüber zu stellen, um so Rückschlüsse auf die nationale Kultur ziehen zu können. 

2.1 Aufgaben-, Struktur- und Traditionsvergleich von KGB und MfS 


2.1.1 Ikonographie und Tradition

Betrachtet man die öffentliche Darstellung beider Dienste, so drückt sich die Aufgabe des 1954 gegründeten KGB bereits in seinem Emblem aus, welches an die Aufgaben seines Vorgängerdienstes, der „Allrussischen Außerordentlichen Kommission für den Kampf gegen Konterrevolution und Sabotage“ (abgekürzt: Tscheka) [2] angelehnt ist. Es zeigt einen Schild mit davor platziertem Schwert und den roten Stern mit Hammer und Sichel sowie einem verzierten Namensbanner. Der sowjetische Nachrichtendienst sollte also sowohl Schild des Vaterlandes sein und diesen vor imperialistischen Attacken schützen, wie auch mit dem Schwert Hiebe gegen Kapitalismus und Konterrevolution austeilen.


Das 1950 entstandene Emblem des Ministeriums für Staatssicherheit jedoch zeigt ein Wappen, auf dem sich eine Hand mit Gewehr befindet. Es handelt sich um ein russisches Simonow SKS 45, an dessen aufgepflanztes Bajonett eine rote Fahne angehängt ist. Hierauf prangen das Staatswappen der DDR (Hammer und Zirkel) und ein schwarz-rot-goldener Streifen. Auch hier drückt sich der Schutz-und-Trutz-Gedanke des Dienstes aus, da die SED-Führung das MfS ebenfalls als „Schild und Schwert der Partei“ postulierte. Viel stärker jedoch zeigt sich hier der Bezug auf die Schutzmacht Sowjetunion, die der DDR nicht nur sinnbildlich, sondern auch real die Waffen zur Verteidigung der Revolution lieferte. Durch die Verwendung des Gewehrs anstelle von Schild und Schwert drückt sich der programmatische Fortschrittswille der SED-Führung aus. Dadurch präsentierte sich der damals jüngste Staat im sozialistischen Verbund als zukunftsorientiert und der Überwindung des Sozialismus zum Kommunismus hin zugewandt.

Betrachtet man die Tradition beider Dienste, so fällt auf, dass sie sich auf den sowjetischen Revolutionsdienst Tscheka sowie das tschekistische Weltbild beriefen [3] und sich dementsprechend auch als Tschekisten bezeichneten. Gerade für den KGB spielte diese Tradition eine starke Rolle. Dies äußerte sich teils bereits in Kleinigkeiten. So machte der KGB den „Tschekistentag“, also den 20. eines Monats, zu seinem Zahltag, da die Tscheka am 20. Dezember 1917 gegründet worden war.

Ein weiteres bestimmendes Traditionselement des sowjetischen Geheimdienstes war die mal mehr, mal weniger stark praktizierte Huldigung dem Gründer der Tscheka, Felix Edmundowitsch Dserschinski. Diese äußerte sich beispielsweise darin, dass „in einem Sitzungssaal im Offiziersklub des KGB [...] in einen gläsernen Sarg eine Art Puppe Dserschinskis aufgebahrt [wurde], die aus einer Totenmaske seines Gesichts, Abgüssen seiner Hände und seiner Uniform zusammengesetzt [war].“ [4] Diese war ähnlich den Bildnissen des Tschekaführers gerade in den sechziger Jahren Teil einer kultischen Verehrung.

Doch auch die ostdeutschen Staatssicherheitsdienstler fühlten sich dem „Tschekismus“ verpflichtet und wurden daher nicht müde, sich ebenfalls als Tschekisten zu bezeichnen und sich somit in die Tradition der Revolutionsinstitution zu stellen. [5] Des Weiteren benannte das Ministerium für Staatssicherheit sein Wachregiment, welches später noch eingehender behandelt werden wird, im Jahre 1967 nach Dserschinski. Außerdem widmete die DDR ihm 1977 einen Briefmarkenblock. Ein weiterer Traditionsbezug auf die so genannte „Deutsche Tscheka“, eine sowjetisch inspirierte sozialistische Parteischutzorganisation der Weimarer Republik, lässt sich zwar vermuten, aber nicht zweifelsfrei belegen.

Es ist also offenbar, dass sich beide Dienste starker Traditionen bedienten, die sich weitestgehend auf den sowjetischen Dienst Tscheka beriefen. Dies ist augenscheinlich, weil sich der KGB wie selbstverständlich auf seinen Vorläufer berief und dem MfS auch die weiteren Vorbilder fehlten, da ein Bezug auf die Dienste der Kaiserzeit oder gar das Reichssicherheitshauptamt sich politisch natürlich verbot. 

2.1.2 Aufgaben 

Aufgabengebiete beider Dienste jedoch waren bei Weitem umfassender, als die jeweiligen Embleme es vermuten ließen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit lag zwar tatsächlich in den „klassischen“ nachrichtendienstlichen Bereichen, nämlich Auslandsaufklärung und Spionageabwehr, ging in seiner Gesamtheit aber weit darüber hinaus. So gehörte es auch zu den Aufgaben des KGB, innerparteiliche und inländische Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu zerschlagen, Presse, Film und Post zu zensieren, Partei- und Staatsfunktionäre zu bewachen und Staatsministerien, volkswirtschaftliche Betriebe, das Verkehrs- und Touristikwesen sowie nicht zuletzt die bewaffneten Organe wie Armee und Polizei abzusichern und zu kontrollieren. [6] Gleiches galt auch für das MfS. [7] Auch Aufklärung von politisch motivierten Straftaten fiel durchaus in die Zuständigkeit von KGB und MfS. Gerade im Fall des MfS liegt dies besonders nahe, da es sich maßgeblich aus der Abteilung 5 der Kriminalpolizei (politische Polizei) entwickelte. [8] Einen weiteren, sehr wichtigen Bereich stellte die Versorgung der Warschauer-Pakt-Staaten mit aus dem Westen gestohlener Technologie, vor allem militärischer Natur, dar. Dafür gab es in beiden Diensten jeweils gut finanzierte Unterabteilungen, die in großer Zahl Technologie und Grundlagenpläne stahlen und dadurch den Rückstand der Paktstaaten auf dem Technologiesektor zu verkürzen suchten. [9]

Diese Fülle an Aufgabenbereichen ist zwar schon sehr umfassend, wurde jedoch durch die Art und Weise der Auslegung bestimmter Aufgaben noch einmal stark erweitert. Zum Beispiel beschränkte sich das Bewachen von Partei- und Staatsfunktionären nicht nur auf den Personenschutz, sondern wurde sogar so engmaschig verstanden, dass in der Wandlitzer „Politbürosiedlung“ von den Wachsoldaten bis zu den Verkäuferinnen der Lebensmittelläden alle Mitarbeiter für das MfS arbeiteten. [10] So war um die Führungsriege der DDR eine Art Kokon der Staatssicherheit gewoben, der den Kontakt mit der normalen Bevölkerung verhinderte.

Aber auch die sowjetische Staatsführung verlangte Mithilfe vom KGB, um zumindest gesellschaftliche Großereignisse wie Lenins Geburtstag zu einem „sozialistischen Erfolgserlebnis“ [11] zu machen. Dies beinhaltete zum einen die Sicherung der Veranstaltung, schloss aber auch organisatorisches Engagement nicht aus. Das Aufgabenspektrum erstreckte sich aufgrund der Sicherheitsrisiken sogar bis in die Energieerzeugung. Hier warnte der KGB bereits 1979 vor Bau- und Funktionsmängel unter anderem im Atomkraftwerk Tschernobyl. [12]

Viele Wirtschaftsfunktionäre betrachteten gerade in der Spätzeit des Kalten Krieges „Lubjanka“ [13](Lexikon der Geheimdienste) und „VEB Horch und Guck“, [14] wie die beiden Dienste gelegentlich scherzhaft im Volksmund genannt wurden, als einen „Rettungsanker [...], um beim Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission zusätzliche Mittel locker zu machen“. [15]

Durch die angeführten Beispiele und den Verzicht beider Staaten, In- und Auslandsdienst zu trennen, wie dies unter anderem die Bundesrepublik mit ihrer Aufteilung in Bundesnachrichtendienst für den Auslandseinsatz und Bundesamt für Verfassungsschutz zur Überwachung im Inland praktiziert, waren eine große Machtkumulation in den Händen von KGB und MfS sowie geringe Transparenz für Außenstehende verbunden. Dies machte die beiden Dienste zwar zu wichtigen Zentren der Staatsmacht, führte sie aber auch weg von ihren eigentlichen Arbeiten an der „geheimen Front“ und hin zu den „Grenzen der operativen Belastbarkeit“ wie Erich Mielke es 1988 ausdrückte. [16]

Trotz der schieren Aufgabenfülle verfügte der KGB bis in die späten sechziger Jahre nicht über eine autonome Analyseabteilung, denn „schon Stalin verstand sich [...] immer als kompetentester Analytiker von Geheimdienstinformationen, und auch Chruschtschow konnte sich dieser Versuchung kaum erwehren.“ [17] Dies führte oft zu einer Fehleinschätzung der Lage, da die vom KGB so zahlreich gesammelten Daten nicht oder nur unvollständig genutzt wurden. Nach Etablierung von Analysestrukturen zeichneten sich die hierfür verantwortlichen Personen jedoch durch starke ideologische Schablonen aus, die wohl bis 1990 maßgebend waren. [18]

Das MfS verfügte hingegen über die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG), die unter anderem die Analyse der gewonnenen Informationen bewältigte sowie die Mitarbeiter anderer Abteilungen in der Informationsanalyse anleitete. Zwar schließt dies eine stark ideologisch geprägte Analyse der Daten nicht aus, da die Mitarbeiter der Staatssicherheit meist stark ideologisiert waren, jedoch zeigt das Vorhandensein einer zentralen Stelle eine höhere Wertschätzung der Informationsanalyse als dies beim KGB der Fall war. 

Beide Dienste hatten also einen sehr weiten Aufgabenbereich zu betreuen und waren geradezu Superinstitutionen, da in ihnen gleich die Aufgabenbereiche mehrerer Institutionen verschmolzen. Aufgrund der historischen Wurzeln des MfS waren die Aufgaben und Organe sehr ähnlich, sieht man von der ZAIG ab, welche in ähnlicher Weise vom KGB erst sehr viel später eingerichtet wurde. [19]

2.1.3 Bindung an die Partei 

Sowohl KGB als auch MfS unterstanden de facto dem Generalsekretär der jeweiligen Kommunistischen Partei ihres Landes. De jure war das MfS zwar von Juli 1953 bis November 1955 dem Innenministerium unterstellt, blieb faktisch aber stets nur dem Generalsekretär verpflichtet. Diese Autonomie eines Ministeriums, welches eher dem Vorsitzenden des Ministerrates unterstehen müsste, mag genau wie die direkte Bindung an die regierende Partei anfangs verwundern. Berücksichtigt man jedoch, dass die Sowjetunion wie auch die DDR als Einparteiensysteme konzipiert waren, erscheint diese Hierarchie keineswegs ungewöhnlich. 

Auch bei innerparteilichen Differenzen waren die Schwerter und Schilde von KPdSU sowie SED stets zur Stelle, um die Verhältnisse zu ordnen und die Partei somit wieder zu befrieden. Ein Beispiel ist der XXI. Parteitag der KPdSU 1961, als Chruschtschow „seinen Konflikt mit seinen Gegnern aus der ‚parteifeindlichen Gruppe‘ noch einmal auf die Spitze trieb [... und] ihm der damalige KGB- und Sicherheitschef A. Schelepin mit Materialien der Staatssicherheit [assistierte].“ [20]

Gerade die KPdSU behielt sich weitläufige Einflussmaßnahmen auf den KGB vor. So konnten KGB-Generäle nur durch das Zentralkomitee in diesen Rang gehoben werden. [21] Das zeigt zum einen die Bedeutung der Staatssicherheit, da sich die Partei auch noch bei Personalentscheidungen eine Einflussmöglichkeit sicherte, zum anderen bot sich auch eine Möglichkeit, sich der Loyalität der KGB-Führungsebene gegenüber der Partei zu versichern. Denn bekanntermaßen entschied über Beförderungen im Sozialismus weniger die Fähigkeit, denn die ideologische Ausrichtung.

Auch das MfS war direkt durch die Parteiführung beeinflusst. So berichtete Erich Mielke keineswegs vor dem Zentralkomitee, sondern erstattete seinen Bericht direkt an Honecker. [22] Also waren sowohl KGB als auch MfS eng an die Partei und deren Führer gebunden und waren keineswegs vollkommen autonom in Zielsetzungen und Personalfragen.

2.1.4 Personalstärke 

Um jedoch den Stellenwert eines Geheimdienstes in seinem Staat zu bestimmen, muss die Personalstärke betrachtet werden. Denn durch sie lässt sich nicht nur der Umfang an Aufgaben ausdrücken, sondern im Verbund mit den Aufgaben auch die Wichtigkeit, die dem Dienst durch die Politik beigemessen wird. Hierzu müssen für die Sowjetunion großteils zwar Schätzungen genügen, diese geben jedoch wenigstens einen ungefähren Anhaltspunkt der Personalstärke an.

Für den Februar 1954 werden die operativen Verwaltungen und Abteilungen der sowjetischen Staatssicherheit mit über 79.780 Personen angegeben. Diesen Personalbestand baute sie bis 1967 auf 166.000 hauptamtliche Mitarbeiter aus, wobei hauptamtliche Mitarbeiter die Grenztruppen sowie die unterstellten Truppen des MWD nicht beinhalten. So ergeben sich 1456 Einwohner auf einen hauptamtlichen Tschekisten. Zwar hatte der KGB in diesen 13 Jahren seinen Personalbestand fast verdoppelt, sollte die größten Phasen des Ausbaus jedoch noch vor sich haben. 1973 sollten es bereits 400.000 sein. Seine vermutlich größte Ausdehnung jedoch erreichte der Tschekistenapparat 1986, als er 700.000 Mitarbeiter beschäftigte. Selbst nach Perestroika und Glasnost 1991 blieben von diesem riesigen Personalbestand immer noch 400.000 Mitarbeiter übrig. [23]

Betrachtet man im Vergleich das Ministerium für Staatssicherheit, so nehmen sich nur die absoluten Zahlen kleiner aus – im prozentualen Vergleich sieht dies jedoch ganz anders aus. 1954 standen circa 15.000 Personen hauptamtlich (also ohne die Angehörigen des Wachregiments sowie der inoffiziellen Mitarbeiter) im Dienste des MfS. Bis 1967 belief sich das Personal auf 28.000 Mitarbeiter und hatte sich ähnlich zur sowjetischen Entwicklung fast verdoppelt. Dies entsprach einem Verhältnis von 607 DDR-Bürgern auf einen Hauptamtlichen, wohingegen ein Hauptamtlicher des KGB rechnerisch 1456 Bürger überwachen musste. Die Aufgabe der Hallstein-Doktrin und die damit verbundene Eröffnung diplomatischer Botschaften seitens der DDR führten zu neuen Aufgaben für die Stasi – infolgedessen stieg der Personalbestand, bis auf eine kleine, eher symbolische, Kürzung im Jahre 1983, stetig an. 78.000 Personen standen 1986 als hauptamtliche Mitarbeiter auf der Lohnliste der deutschen Staatssicherheit. Ein jeder von ihnen musste rechnerisch gesehen 214 seiner Mitbürger überwachen. In der Sowjetunion waren es mit 400 Mitbürgern pro KGB-Mann fast doppelt so viele. Dieses Netz wurde, bis zum Kollaps des sozialistischen Staates auf deutschem Boden noch enger gesponnen, weshalb 1989 nur noch ein Verhältnis von 180 zu eins bestand. [24]

Hier wird nicht nur das Maß der Überwachung in beiden Staaten deutlich, sondern es zeigt sich auch der Wahn des deutschen Satelliten, seinem großen sozialistischen Bruderstaat nachzueifern – und ihn sogar zu übertreffen. Dies mag gerade in der Endphase der DDR mit den Spannungen zwischen beiden Ländern zusammenhängen. Hierdurch ergab sich gewissermaßen eine Zweifrontensituation für die reformfeindliche DDR. Sie bekämpfte nicht nur den kapitalistischen Klassenfeind im Westen, sondern musste sich auch teilweise vor dem reformorientierten Bruderstaat im Osten abschirmen. Dies geschah indem sie beispielsweise Teile der sowjetischen Presse, wie die Zeitschrift „Sputnik“ zensierte.

So zeigt sich an den großen Personalaufwendungen in beiden Ländern eine große Wertschätzung für Schwert und Schild der Partei. Die Regierenden in der DDR wussten jedoch den Wert einer politischen Polizei zur Herrschaftsstabilisierung besser zu nutzen, mussten ihn unter Umständen auch aufgrund ihrer Frontlage an der unsichtbaren Front stärker ausbauen, um sich hier ihrer Führungsrolle zu versichern. Des Weiteren darf natürlich nicht unbeachtet bleiben, dass eine Überwachung in der Engmaschigkeit der DDR in der Sowjetunion aufgrund der Größe und Besiedlungsdichte nur mit sehr viel höherem Personalaufwand möglich gewesen wäre.

2.1.5 Rolle der Frauen 

Obwohl schon Lenin der Ansicht war „ohne die Heranziehung der Frauen zur selbstständigen Teilnahme [...] am ständigen, von allen zu leistenden öffentlichen Dienst [könne] von Sozialismus keine Rede sein“, [25] setzte sich diese Doktrin nicht bis in die sozialistischen Geheimdienste fort. So gehörte die werktätige Frau zwar schon in der Gründungszeit der DDR fest zum Alltagsbild auch der akademischen Schichten, bildete aber in den Reihen der Staatssicherheit stets eine sehr kleine Minderheit. Das Ministerium für Staatssicherheit wies für das Jahr 1954 einen Frauenanteil von 23% aus, der jedoch bereits 1957 unter 20% sank und diese Marke 1967 mit beispielsweise 14,2% und im Wendejahr mit 15,5% nie wieder erreichte. [26] Hinzu kam, dass die Frauen aus den Reihen des MfS sich nie von den tradierten Rollenbildern lösten. Sie bekleideten weitestgehend Sekretärinnenposten oder wurden als Schwalben, also zur sexuellen Annäherung an Zielpersonen zwecks Kompromittierung oder Anwerbung, eingesetzt. Ebenso arbeiteten Frauen teilweise mit ihren Ehemännern als Spionagepaar zusammen, jedoch nur selten und stets unter Führung des Mannes. Ein Beispiel hierfür stellt der Fall Günther und Christel Guillaume dar. Als Führungsoffiziere kam weibliches Personal praktisch nicht vor.

Auch der KGB war in Personalfragen, trotz der sozialistischen  Geschlechtergleichstellung, eher konservativ veranlagt. Schätzungen zufolge waren nur circa 10% der Angestellten Frauen, wobei der Frauenanteil unter Stalin höher zu liegen schien als unter Gorbatschow. Genauere Untersuchungen hierfür stehen bislang aber noch aus. [27] Zieht man folgende Äußerung in Betracht, so belegt dies zumindest den geringen Anteil an Frauen in Entscheidungspositionen.

„Es war ein seltenes Erlebnis, auf dem Flur einer wichtigen Abteilung eine Frau zu treffen. Eine der wenigen, die eine Stelle im Offiziersrang innehatten, arbeitete in der französischen Sektion von Dienst A (Aktive Maßnahmen). Sie war ständig sexistischen Witzen ausgesetzt und war bekannt als die ‚Dame, die es gern französisch macht‘.“ [28]

Zwar wurden Frauen auch hier zur Provokation sexueller Verwicklungen eingesetzt, arbeiteten großteils aber als Sekretärin, Kantinenhilfe oder Putzfrau, da man sie für „zu gesprächig“ hielt. [29] Aus diesem Grund wurden Frauen durch die Sowjetunion erst 1983 Frauen als operative Offiziere eingesetzt. [30]

Hier zeigt sich also eine starke Divergenz zwischen sozialistischer Doktrin und Realität. Für die DDR sind die Gründe hier vermutlich in der Fortsetzung der konservativen Geschlechtermodelle aus Zeiten des Kaiserreiches und des Dritten Reichs zu suchen, die sich auch in der Bundesrepublik noch lange fortsetzten. Und auch in der Sowjetunion, wo das Bild der unabhängigen sozialistischen Frau schon mindestens seit der Oktoberrevolution Zeit hatte, sich zu etablieren, dürften die Vorbehalte gegen weibliche Verschwiegenheit und Leistungsfähigkeit in der Kontinuität alter patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen begründet liegen.

Mit Fragen der zwischenmenschlichen Beziehungen gingen beide Länder jedoch unterschiedlich um. So war etwa der illegale Londoner KGB-Resident Konon Trofimowitsch Molodi der Meinung, „ein Nachrichtendienstoffizier kann nicht ohne Frau auskommen, aber er wird feststellen, daß es mit einer einzigen unmöglich ist!“ [31] Der hier ausgedrückte Hang zu Playboytum und sittlicher Nichterfüllung der Ehepflichten nimmt sich beim deutschen Bruderstaat deutlich anders aus. Hier hielt man die Agenten dazu an, „ein moralisches Leben zu führen und außereheliche Beziehungen zu vermeiden“. [32] Der später in den Westen geflüchtete Doppelagent Werner Stiller berichtete auch, sein Führungsoffizier habe ihn, nachdem er Wind von seiner Affäre bekommen hatte, ermahnt, sich „korrekt zu verhalten und an seine Familie zu denken“. [33]

Die Gründe hierfür mögen zum einen in gesellschaftlichen Unterschieden liegen. Deutschland war in Teilen immer noch sehr religiös geprägt. So hatte die Ehe noch einen höheren Stellenwert als in der Sowjetunion, wo durch die längere Wirkungszeit der atheistischen Staatsdoktrin und ihrer intensiveren Bewährung, Religion und die religiöse Eheschließung offiziell keine Schlüsselrolle mehr spielten. 

Zum anderen ergibt sich eine operative Tragweite. Es mag hinter dem Rat von Stillers Führungsoffizier, besser ohne Affären auszukommen, ein konservatives Gesellschaftsbild stehen, aber auch die operative Problematik spielt hier eine Rolle. Zwar setzte der Osten die bereits erwähnte Schwalbentaktik weit öfter als der Westen zum Informationsgewinn ein, jedoch machte sich ein ehelich monogam lebender Agent sehr viel weniger erpressbar. Des Weiteren vermied diese Art der Lebensführung, die Ehefrau vor den Kopf zu stoßen, die sich eventuell an ihrem Gatten rächen konnte, indem sie ihr bekannte Operationen oder eventuelle Tarnnamen, gegenüber westlichen Geheimdiensten offenbarte. Diese Umsicht war sicher der Frontstellung der DDR im Krieg an der unsichtbaren Front geschuldet, welche den Austausch von Informationen seit jeher begünstigte und so zur Vorsicht mahnte. 

Es wird also deutlich, dass Frauen in beiden Diensten eher eine untergeordnete Rolle spielten, ihre Beschäftigungsrate aber gerade in der Sowjetunion variierte. In Bezug auf Eheverhältnisse sind allerdings nationale Differenzen erkennbar. 

2.1.6 Finanzierung 

Der Stellenwert, den ein Nachrichtendienst im Staatsgefüge einnimmt, drückt sich jedoch nicht nur durch die Personalstärke aus, sondern ist auch an der Menge der zur Verfügung stehenden Finanzmittel abzulesen. Diese Zahlen sind aber nicht zur Veröffentlichung bestimmt und deswegen oft Jahre später nur schwer ermittelbar, weshalb sie meist der öffentlichen Selbstdarstellung des Staates entspringen (durch Veröffentlichung des Staatshaushaltes beispielsweise) oder auf Schätzungen anderer Geheimdienste beruhen. Nur im Fall des MfS liegen die Quellen etwas sicherer, keinesfalls jedoch ganz klar. Daher sind die angebrachten Zahlen bestenfalls als Richtgrößen zu sehen und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie noch durch verdeckte Zahlungen vermehrt oder schlicht falsch geschätzt wurden.

Betrachtet man den Etat des MfS für das Jahr 1968, so standen 101.700.000.000 Mark (Ost) [34] aus dem Staatshaushalt zur Verfügung. Dies entsprach 0.98% des Bruttosozialproduktes. [35] Da sich die gesamten Verteidigungsausgaben der DDR in diesem Jahr auf 5,7% des BSP beliefen, [36] lässt sich hier bereits analog zur Personalsituation eine große Wertschätzung seitens der Staatsführung ablesen. Im Gegensatz hierzu verfügte der KGB 1970 einer Schätzung von Igor Birman zufolge über 561.600.000 Rubel [37] oder 0,087% des BSP der Sowjetunion. [38] Da diese monetären Zuwendungen sich nicht einmal auf ein Zehntel der DDR Ausgaben beliefen, lässt sich ableiten, dass Schild und Schwert der Partei in der DDR einen höheren Stellenwert als in der Sowjetunion genossen. In der Folgezeit gelang es dem MfS, sein Budget konstant zu steigern und 1979 bereits 1,46% des BSP zu erreichen, [39] wobei die gesamten Verteidigungsausgaben mit 5,8% des BSP [40] fast konstant blieben. Auch nach den bereits erörterten Kürzungen Anfang der achtziger Jahre nahm der Etat der Staatssicherheit immer noch 1,27% des BIP der DDR ein. [41]

Aufgrund der Unzugänglichkeit der Zahlen für den sowjetischen Fall lassen sich leider keine klaren Vergleiche treffen. Vor allem ist es zweifelhaft, dass der führende Staat des Warschauer Paktes, der wie zuvor gezeigt circa zehnmal mehr Personal beschäftigte als sein deutscher Satellitenstaat, gemessen an der Wirtschaftskraft seines Landes, nur ein Zehntel der Mittel aufgewendet haben soll, um die weitreichenden Operationen des KGB zu finanzieren. So dürften in Birmans Berechnungen wohl einige der oft verschleiert durchgeführten Umbuchungen zugunsten des KGB fehlen.

Jedoch ist anzunehmen, dass auch hier das Staatssicherheitsbudget konstant stieg. Dies liegt nahe, da auch das Personal des KGB massiv ausgebaut wurde und somit alleine die Personalkosten zwingend steigen mussten. Des Weiteren erhöhten sich die sowjetischen Verteidigungsausgaben im Kalten Krieg von 9% des BSP [42] im Jahre 1965 auf 11-14% des BSP [43] im Jahre 1979. Hierbei ist zu vermuten, dass sich schon aufgrund des Streitkräftestatus der Grenztruppen der Sowjetunion, welcher nachfolgend erläutert wird, die finanziellen Zuteilungen unter anderem aus den Mitteln des Verteidigungsfonds für den KGB stark erhöhten.

Es ist allerdings zu unterstellen, dass die Differenz zwischen geschätztem und tatsächlichem Budget des KGB nicht um den Faktor zehn auseinanderklafft. Deshalb lässt sich eine, gemessen am BSP und im Vergleich zum KGB, bessere Finanzierung des MfS bei stetig steigendem Etat beider Dienste nur vermuten. 

2.1.7 Bewaffnete Organe 

Eine Besonderheit der sozialistischen Dienste stellte der Oberbefehl über bewaffnete Truppen eines Nachrichtendienstes dar. So unterstanden dem KGB die Grenztruppen der Sowjetunion, die zur Sicherung der sowjetischen Außengrenzen vor Grenzprovokationen und Flucht dienten. Des Weiteren verfügte er über die Truppen des sowjetischen Innenministeriums (MWD). [44] Mit diesen Truppen bestritt der KGB unter anderem auch die Bewachung der Waffenlager der Streitkräfte sowie der Atomwaffen. [45] Um diese Aufgaben zu erfüllen, standen zwischen 430.000 (1975) und 600.000 Mann (1985) bereit. [46] Diese wurden auch nominell aufgrund von Ausbildung und Bewaffnung den „Streitkräften der Sowjetunion“ hinzugerechnet, [47] da sie über Panzer und Artillerie verfügten. [48]

Das MfS verfügte über das „Wachregiment Feliks Dzierzynski“, ein nach dem Gründer der Tscheka benanntes Infanterieregiment. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Partei- und Regierungsgebäude, sowie die Politbürosiedlung Wandlitz zu sichern, da es aufgrund seiner Zugehörigkeit zum MfS entgegen dem Stationierungsverbot auch in Berlin stationiert werden durfte. [49] Die hohe Truppenstärke des Regiments von zuletzt 11.426 Mann (1989) und die Ausrüstung sogar mit Maschinengewehren, Panzerabwehrkanonen, Flugabwehrwaffen und Granatwerfern [50] lassen aber auf eine weitläufige Interpretation des Sicherungsauftrages schließen. Ab 1962 unterstanden dem MfS auch die an den Grenzübergängen Passkontrolleinheiten, die sich offiziell jedoch als Angehörige der Grenztruppen ausgaben.

Durch das Ausstatten der Nachrichtendienste mit Waffenträgern zeigt sich erneut das weitläufige sozialistische Verständnis von Staatssicherheit, welches auch die Sicherung der Staatsgrenze mit einschloss. Ebenso ist hier zu erkennen, dass die Partei ihrem Schwert und Schild uneingeschränkt vertraute, da man den Diensten eigene Truppen zur Verfügung stellte. Die Erteilung des Oberbefehls über eigene Truppen zeigt die große Wertschätzung und das starke Vertrauen in die deutschen und sowjetischen Tschekisten seitens der Obrigkeit. Denn dieser Oberbefehl erleichterte zwar die Aufgabenpflege der Staatssicherheit enorm, wäre aber keineswegs zwingend notwendig gewesen, da die Wach- und Sicherungsaufgaben auch von Polizei oder Armee direkt hätte übernommen werden können oder durch Unterstellung zu lösen gewesen wären.

Der status quo lässt sich jedoch wohl durch den Elitecharakter der Nachrichtendiensttruppen erklären. So waren die meisten Mitglieder dieser Einheiten Parteimitglieder und rekrutierten sich analog zum übrigen Dienstapparat beider Staaten zu großen Teilen aus der „Neuen sozialistischen Klasse“. Dieser Terminus beschreibt, was Gieseke die „Arbeiter honoris causa“ [51] nennt. Menschen mit starker ideologischer Bindung, Parteimitgliedschaft (meist auch der Eltern) und absolutem Gehorsam gegenüber der politischen Führung. Sie wurden gut ausgebildet, stark ideologisch geschult und waren somit perfekt geeignet, auch sensible Aufgaben wie die Bewachung der Grenzen und militärischen Komplexe sowie notfalls das Niederschlagen von Aufständen ohne Zwischenfälle wie Flucht oder Befehlsverweigerung zu versehen.

2.2 Nachrichtendienstliche Arbeitsweise 

2.2.1 Rekrutierung und Ausbildung 

Betrachtet man den unbewaffneten Teil der hauptamtlichen Nachrichtendienstler, so werden auch hier Parallelen offenbar. Unmittelbar nach Gründung des Dienstes rekrutierte sich das Personal meist aus einfachen Arbeitern und ehemaligen Partisanenkämpfern bis hin zu Kriminellen. So wurden bis 1957 bereits „über 18.000 Tschekisten der Stalin-Ära offiziell wegen Unfähigkeit beziehungsweise krimineller Vergehen (Amtsmissbrauch u.Ä.) entlassen.“ [52] und auch das Personal des Stasivorläufers K5 wies in der Anfangsphase hohe Fluktuation aufgrund mangelhafter Kaderwerbung auf. [53]

Denn auch hier wurden für die Ausführung der politischen Polizeiaufgaben meist verdiente deutsche Exilkommunisten, die den Krieg an Ideologieschulen in der Sowjetunion verbracht hatten, wie auch Partisanenkämpfer herangezogen. Gerade die letzte Gruppe dürfte durch ihre Methoden für lange Zeit maßgebend gewesen sein. Da sich aber die großen Personallücken nicht nur mit linientreuen Kommunisten füllen ließen und man nicht auf alte Gestapo-Kader zurückgreifen wollte, wurden auch einfache Arbeiter rekrutiert, die der ungewohnten Büroarbeit jedoch selten gewachsen waren. Deren Motivation, für die Staatssicherheit zu arbeiten war aber selten ideologischer Natur, sondern meist viel eher durch die herrschende Not bedingt. Reichten diese Personalreservoirs nicht aus, griff man auch gelegentlich zu eher zweifelhaften Personen. [54] Hierzu stellte die Parteileitung 1953 fest: „Wir haben Sittenstrolche, Diebstähler, notorische Trinker, ausgesprochene Rowdys in unser Ministerium eingestellt.“ [55]

Zieht man aufgrund der besseren Vergleichbarkeit der Situation, statt des KGB, die sowjetische Tscheka als Mutter des KGB heran, so ergeben sich hier sicherlich aufgrund des provisorischen Charakters ähnliche personelle Zusammensetzungen. Es verfügten also beide Staatssicherheitsorgane in ihrer Anfangszeit über wenig Personal mit Geheimdiensterfahrung. Außerdem waren Schlüsselpositionen, wie die des K5-Chefs in Brandenburg, mit ehemaligen Partisanen besetzt, was die Untersuchungsmethoden maßgeblich beeinflusst hat. Denn da die meisten Mitarbeiter eher die „Schule des Lebens“, statt gezielter Geheimdienstausbildung durchliefen, fehlte es ihnen oft an Methodik, welche sie mit Brutalität auszugleichen suchten. [56] Des Weiteren wurde seitens der Vorgesetzten mit Partisanenerfahrung sicher auch ein brutaleres Vorgehen gefordert, da sich Gewalt für sie bereits im Krieg als schnellstes Mittel zur Problemlösung erwiesen haben dürfte und diese somit eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber ihren Untergebenen hatten.

Nachdem die Verhältnisse sich jedoch stabilisiert hatten und die Staatssicherheit alltägliches Organ der Regierungsgeschäfte wurde, legten sie sehr viel Wert darauf ihre Ausbildung zu verfeinern, zu akademisieren und auch ihr Personal sehr viel sorgfältiger auszuwählen. Hatten 1946 noch nur 29,7% der leitenden Mitarbeiter des NKDV-MGB eine abgeschlossene Hochschulbildung, so steigerte sich dies zwischen 1980 und 1984 auf 68%. [57] Auch die Bildung der einfachen Mitarbeiter wurde erhöht. Bereits 1952 gab es Versuche, wenigstens einen mittleren Schulabschluss obligatorisch zu machen. [58]

Das MfS unternahm ähnliche Bestrebungen. So hatten 1961 noch 91,4% aller Mitarbeiter eine maximal achtjährige Schulzeit hinter sich und nur 1,8% einen Hochschulabschluss. Dies veränderte sich bis zum Zusammenbruch der DDR jedoch grundlegend. 1989 hatten 61,9% eine zehnjährige Schulzeit hinter sich und sogar 11,9% einen Hochschulabschluss. [59] Erreicht wurde diese enorme Steigerung des Bildungsniveaus in beiden Ländern durch Etablierung von Aus- und Weiterbildungsinstitutionen. So unterhielt der KGB mit der Dserschinski-Hochschule, dem Andropow-Institut und der Militärpolitischen Hochschule der Grenztruppen eigene Hochschulen. Ergänzt wurde dieses Angebot durch zahlreiche Fern- und Abendschulen. Analog hierzu verfügte auch das MfS über die Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit, einer Direkt- wie auch Fernschule für Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Sie verfügte auch über das Promotionsrecht. [60]

Durch diese Institutionen gelang es beiden Diensten, ihre Mitarbeiter weitläufig zu qualifizieren und ihnen anstatt purer Gewalt, welche vorher oft mangelnde Ausbildung kompensieren musste, raffinierte operative Methoden an die Hand zu geben. Besonders für die Angehörigen der deutschen Hauptverwaltung Aufklärung und der sowjetischen Ersten Hauptverwaltung (Auslandsaufklärung) wurden raffinierte Trainingsprogramme ersonnen in welchen sie auf ihre Agententätigkeit im Ausland vorbereitet wurden und auch in Geschichte, Geographie und Kultur ihres Einsatzlandes geschult wurden. 

Zur Rekrutierung neuer Tschekisten griff man mit zunehmender Akademisierung auch im Hauptapparat auf die Angehörigen der „Neuen sozialistischen Klasse“ zurück. So traten zwischen 1968 und 1982 62,2% aller neu eingestellten Arbeiter innerhalb von zwei Jahren vor oder nach der Einstellung in die SED ein, [61] 77,2% ihrer Väter waren bereits SED Mitglieder. „Faktisch war die SED-Mitgliedschaft der Eltern [...] beinahe zwingende Einstellungsvoraussetzung“. [62] Eine Tätigkeit der Eltern in den Reihen des MfS oder des Parteiapparates half in den meisten Fällen, sich der Treue der neuen Mitarbeiter zu versichern, da diese bereits in sozialistischem Sinne erzogen schienen. [63]

Insgesamt lässt sich also nach der anfänglichen sehr unsorgfältigen Rekrutierung beider Dienste, die der Kürze der Zeit und dem daraus resultierenden Mangel an fähigem Personal geschuldet war, eine starke Tendenz zur sorgfältigeren Personalauswahl und Kaderschulung erkennen. Des Weiteren waren beide Dienste stets bemüht, ihren Akademikeranteil zu erhöhen, was sich unter anderem in den Gründungen des Andropow-Instituts und der Juristischen Hochschule als hausinternen Universitäten zeigte. 

2.2.2 Planung 

In Bezug auf die Organisation ihrer Unternehmungen waren auch die sozialistischen Nachrichtendienste den Zwängen der Planwirtschaft unterworfen. Dies dürfte im Besonderen für die Auslandsaufklärung gelten, da diese mit weit größerer Vorlaufzeit für die Ausbildung der Agenten und die Beschaffung von Gerätschaften verbunden war. Barron stellt hierzu fest: 

„Jedes Frühjahr muß die als Kollegium bekannte KGB-Spitze dem Politbüro die operative Planung für das am 1. Juli beginnende Arbeitsjahr vorlegen. [...] Ist der Generalplan erst einmal in Moskau verabschiedet, so bindet und belastet er jeden einzelnen Offizier im Außendienst mit Produktionsquoten oder Normen.“ [64]

Hier zeigt sich die Unflexibilität des KGB, dem ähnlich der Wirtschaft starre Quoten auferlegt wurden, deren Erfüllung losgelöst von der realen Lage über Stehen und Fallen des leitenden Personals entschied. Denn ähnlich den übrigen Gesellschaftsbereichen, in denen der Staat die Produktivität durch festgesetzte Quoten zu bestimmen versuchte, bestand die wahre Kunst für den Sowjetbürger nicht in der Erfüllung seiner Quote, sondern darin, sie noch möglichst um ein Vielfaches zu übertreffen. Da dieses System beispielsweise auch für das Anwerben von inoffiziellen Mitarbeitern galt, wurden oft Personen rekrutiert bei denen klar war, dass sie wenig nützlich sein würden. Dieses Fehlen von spontaner Reaktionsfähigkeit stellte auch einen der größten Mankos der sowjetischen Auslandsspionage dar. Denn so mussten alle Aktionen von langer Hand geplant werden und kurzfristige Änderungen der politischen Großwetterlage konnten nur schwer berücksichtigt werden. Darüber hinaus bestand natürlich die ständige Gefahr, dass ein Spionagezirkel ausgehoben würde. Waren jedoch die Kapazitäten für das Arbeitsjahr bereits erschöpft, war es nicht ohne Weiteres möglich, den entsprechenden Bereich neu zu infiltrieren und weiterhin dort Informationen abzuschöpfen. 

In der DDR stand man vor derselben Problematik. Hier kam es beispielsweise 1974 zu einer Überproduktion, unter anderem von westdeutschen Ausweispapieren. Ab Anfang der siebziger Jahre arbeiteten der Operativ-Technische Sektor (OTS) der Hauptverwaltung Aufklärung und die Industrie verstärkt zusammen. 

„Um sich darauf einzustellen, musste auch der OTS verstärkt langfristig planen. Wenn die Industrie plante, dem Geheimdienst und der inneren Sicherheit zuzuarbeiten, war der OTS gezwungen sich darauf einzustellen und nicht nur für das kommende, sondern für die nächsten vier Jahre zu planen.“ [65]

Hier wird deutlich, dass die deutschen Tschekisten ihre Operationen nicht nur ein, sondern sogar vier Jahre im Voraus planen mussten, um mit hundertprozentiger Sicherheit über das notwendige Gerät zu verfügen. Von spontaner Planung oder dem direkten Ersatz verlorener Agenten darf hier also nur in den wenigsten, für sehr wichtig befundenen, Fällen ausgegangen werden. 

Alles in allem muss die Planung der sozialistischen Nachrichtendienste und hier besonders ihrer Auslandsabteilungen als träge bezeichnet werden. Die langfristigen Planungen und festen Rekrutierungszahlen boten zahlreiche Hürden für die effiziente Arbeit. Gerade die fehlende Möglichkeit, flexibel auf die aktuelle Weltpolitik reagieren zu können, und die Rekrutierung teilweise nutzloser Informanten zur Quotenerfüllung dürften sich nachteilig auf die Effizienz ausgewirkt haben; die lange Planungsphase stellte selbstverständlich eine enorme Sicherheitslücke dar. Gerade an den sehr langen Planungszeiträumen des OTS lässt sich jedoch auch erkennen, dass die HV A zwar durchaus zur Gegneraufklärung im Ausland dienen sollte, aber die Anzahl der mit ernsthaften Absichten infiltrierten Länder eher gering war, ja sich sogar fast ausschließlich auf die BRD beschränkte. Bei starkem multilateralem Einsatz wäre diese Planung sonst nicht zu halten gewesen. 

2.2.3 Durchführung und Methoden

Zwar setzten auch die Ostblockstaaten durchaus Technik ein, um ihre Spionageziele zu erreichen und „weil der Westen zum Beispiel den erfolgreichen Einsatz von Technologie beim Abfangen und Abhören von Radionachrichten durch den Osten unterschätzte, erhielt dieser dadurch [auch] eine Überraschungswaffe“, [66] den größten Teil bewältigte man aber mit Human Intelligence. Darunter ist der Einsatz von Menschen zu Spionagezwecken zu verstehen, deren Arbeit jedoch durchaus von Technik wie beispielsweise Kameras oder Funkgeräten unterstützt sein kann.

Durch den starken Einsatz von Menschen boten sich natürlich gewisse Methoden zur Informationsgewinnung verstärkt an. So verstanden es die Ostblockstaaten, geschickt Menschen für sich anzuwerben, indem sie ihre persönlichen Schwächen wie Geldprobleme oder Alkoholismus analysierten und diese gezielt ausnutzten. [67] In wenigen Fällen konnte man zwar auch im Westen kommunistisch ideologisierte Menschen anwerben oder ideologiefernen Personen einreden, sie seien Botschafter des Friedens, wenn sie dem Warschauer Pakt halfen, das Kräftegleichgewicht durch Spionage zu wahren. In den meisten Fällen aber musste mit harter Währung nachgeholfen werden.

Sehr beliebt zur Informationsgewinnung war die vom MfS entwickelte „Romeo-Taktik“, bei der ein Agent einer Dame, vornehmlich einer Sekretärin in einer wichtigen Institution, Avancen machte und sie, nachdem er sie an sich gebunden hatte, zur Beschaffung von Informationen drängte. [68] Diese Taktik kam zwar auch in der Sowjetunion zum Einsatz, hier setzte man aber vielmehr auf den Einsatz von Schwalben, einem der wenigen operativen Einsatzgebiete für Frauen im KGB. Hierbei galt es, Frauen auf westliche Würdenträger, vor allem Diplomaten, anzusetzen und diese beim Beischlaf in möglichst verwerflichen sexuellen Spielarten zu fotografieren und die Diplomaten hiermit zu erpressen. [69]

Das MfS nutzte diese Methode meist während der Leipziger Messe, um westdeutsche Geschäftsleute zu diskreditieren. [70] Gerade der sowjetische Nachrichtendienst operierte schwerpunktmäßig wie früher schon die Briten, von seinen Auslandsbotschaften aus, [71] was der DDR aufgrund der Hallstein Doktrin bis 1969 zu großen Teilen verwehrt blieb. Anschließend jedoch reagierte das MfS, wie bereits beschrieben, mit verstärktem Personalausbau, um diese Methode des sozialistischen Bruders zu kopieren. Der CIA hingegen durfte beispielsweise bis 1953 überhaupt keine Offiziere in der Moskauer Botschaft stationieren. [72]

Gerade in der Auslandsaufklärung waren die Arbeitsmethoden der beiden Bruderdienste durchaus ähnlich, wenn auch große Teile der landeskundlichen Ausbildung für HV A-Agenten meist entfallen konnten, da diese für einen Einsatz in der BRD nicht benötigt wurde. War es der Sowjetunion von Anfang an möglich, ihre diplomatischen Botschaften als Ausgangspunkt der Operationen zu benutzen, so musste die DDR bis 1969 aufgrund der Hallstein Doktrin darauf verzichten und sich Illegaler, also eingeschleuster Agenten, bedienen, deren Geheimschrift sich oft von Regionalbüro zu Regionalbüro unterschied. „In diesem Prozess zeigte sich operatives Verständnis, aber auch der Hang zu typisch deutscher Bürokratie.“ [73] Nach 1969 stationierte zwar auch das MfS zahlreiche Agenten in ihren Botschaften, jedoch arbeitete es großteils weiter mit den bereits eingeschleusten Illegalen. Des Weiteren spielten diese eine gewichtige Rolle, wenn es darum ging, Technologie von West nach Ost zu transferieren, was neben der Bespitzelung und Beeinflussung der Bundesrepublik sowie der Ausbildung afrikanischer Guerillatruppen die außendienstliche Hauptaufgabe des MfS darstellte.

Auch im Innendienst war die Verwandtschaft der beiden Organisationen deutlich zu spüren. Beide wurden von der Parteiführung dazu genutzt, ihr Volk zu bespitzeln und ideologisch auf Linie zu halten, oder wie Dserschinski feststellte: „Wir treten für organisierten Terror ein ... Die Tscheka ist kein Gerichtshof ... Die Tscheka ist verpflichtet, die Revolution zu verteidigen und den Gegner zu vernichten, selbst wenn ihr Schwert manchmal durch Zufall die Häupter Unschuldiger trifft.“ [74]

Dies bewerkstelligte man in Sowjetunion und DDR durch Observation, Postzensur und gesellschaftliche Diffamierung. Hierzu bediente man sich beispielsweise in der Sowjetunion des Passsystems. Jeder sowjetische Bürger bekam einen Pass zugeteilt in welchem jeder Umzug sowie Aufenthalt, der länger als 72 Stunden dauerte, verzeichnet werden musste, in Verbindung mit den Arbeitsausweisen, die Beurteilungen über die politische Zuverlässigkeit des Arbeiters und dessen Fähigkeiten beinhaltete. Durch nicht Herausgabe des Ausweises oder der Androhung einer schlechten Beurteilung konnten Sowjetbürger von einem Wechsel des Arbeitsplatzes abgehalten werden, ohne welchen sie auch keinen Umzug vollziehen durften. [75]

Jedoch auch das breit ausgebaute sowjetische Gulagsystem oder das MfS-Gefängnis in Hohenschönhausen waren sehr dienlich, um Oppositionelle einzuschüchtern oder notfalls zu internieren. Aber auch die medizinischen Institutionen wurden von beiden Staaten instrumentalisiert, um unliebsame Bürger zu verwahren. So hatten viele Nervenheilanstalten eine Abteilung für politische Patienten. Dem KGB unterstanden sogar einige Anstalten wie das Serbski-Institut in Moskau komplett. Über die Behandlung in den Anstalten sagte Alexander Solchenizyn: „Die Einweisung freidenkender Menschen in Nervenkrankenhäuser ist geistiger Mord; sie ist eine andere Version der Gaskammer, sogar noch grausamer: Die Leiden der Mordopfer sind schmerzhafter und dauern länger.“ [76] Die dort eingelieferten Patienten wurden verwahrt und man versuchte gezielt, ihren Willen zu brechen, indem man sie mit starken Medikamenten behandelte, nachdem bei ihnen meist eine Abart von Schizophrenie diagnostiziert wurde.

Trotz der exponierten Stellung beider Dienste im Staat waren sie aber nicht frei von Erfolgsdruck. Auch hier galten die typischen Muster der Quotenerfüllung und am besten Übererfüllung. So äußerte sich General Titow, Leiter einer Sonderabteilung des KGB in der DDR wie folgt: „Ich verstehe vollständig, daß es schwer ist, Spione zu fangen [...]. Gibt es aber keine Spione, müssen sie antisowjetische und andere interne Gegner aufdecken. Wenn sie gar keine finden, fabrizieren sie eben welche.“ [77]

Fanden sich also nicht genug Regimegegner oder ließen diese sich nicht fangen, mussten sie produziert werden, wenn es politisch notwendig wurde. So beispielsweise im Fall des Yale Professors Frederick Barghoorn, der sich als Tourist in der Sowjetunion aufhielt. Durch Unterschieben falscher Beweise wurde er als Spion gebrandmarkt, um ihn gegen gefangen genommene sowjetische Agenten auszutauschen. [78] Durch diese Maßnahmen war sichergestellt, dass sich stets ein Regimegegner fand, sobald er notwendig wurde, und die Staatssicherheit somit niemals ihre Rechtfertigung verlor. Hierbei half auch die Interpretation jeglichen oppositionellen Verhaltens als vom Westen instruierte Konterrevolution, wie die offizielle DDR-Geschichtsschreibung den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zeigt.

Im Umgang mit jüdischer Bevölkerung zeigte sich das MfS vorsichtiger als ihr sozialistischer Bruder. So kam es nur 1952/53 zu einem verstärkten Vorgehen gegen jüdische Gemeinden und der darauf folgenden Emigration von 400 Juden, [79] wohingegen diese in der Sowjetunion vor allem in der Stalin-Ära, aber auch später, als Klassenfeinde und zionistische Agenten bekämpft wurden. Die mag mit der internationalen Darstellung der DDR zu tun haben, für die als antifaschistischer Staat der explizit keine Fortsetzung des Dritten Reichs sein wollte, eine jüdische Gemeinde als Vorzeigeobjekt unbedingt notwendig war. Die Juden stellten aber in der DDR auch nur einen verschwindend geringen Teil der Bevölkerung dar. 1989 gab es nur fünf jüdische Gemeinden mit insgesamt 400 Mitgliedern in der DDR. [80]

Zwar ähnelten sich auch die Methoden der sozialistischen Geheimdienste stark, jedoch gab es hier bei Weitem keine genaue Übereinstimmung. So verfügten zwar KGB und MfS über dieselben Methoden, setzten sie aber mit unterschiedlicher Gewichtung ein, was sich beispielsweise bei den Schwalben- und Romeo-Methoden zeigt. Auch das striktere sowjetische Meldewesen stellte Möglichkeiten zur Verfügung, die in dieser Härte in der DDR nicht angewandt werden konnten. Die Unterdrückung der Bevölkerung mithilfe eines organisierten Lager- oder Gefängnissystems ist zwar ähnlich, jedoch ist für den KGB eine stärkere Instrumentalisierung von Nervenheilanstalten zur Aufbewahrung von Oppositionellen belegt als durch das MfS, obwohl auch dieses auf solche Methoden zurückgriff. Zuletzt musste sich natürlich der Umgang mit der jüdischen Bevölkerung unterscheiden. Eine Vorgehensweise gegen Juden wie in der Sowjetunion gerade unter Stalin war aufgrund der kleineren Anzahl an jüdischen Gemeinden sowie deren Notwendigkeit für die Außenlegitimation der DDR undenkbar.

3. Fazit 

Betrachtet man nun die analysierten Punkte, so ergibt sich ein klares Bild der Nachrichtendienstkultur des Ministeriums für Staatssicherheit. Durch seine Installation durch die Sowjetunion und die Übernahme eines großen Teiles der Aufgaben und Arbeitsweisen bestand teils frappierende Ähnlichkeit zwischen der sowjetischen und der deutschen Staatssicherheit. Doch wäre es zu undifferenziert, zu behaupten, es handele sich bei der Stasi um eine bloße Kopie, denn sie „entwickelte sich nach dem Vorbild des KGB mit deutschem Charakter.“ [81] So erscheint es logisch, dass sich die Arbeitsweisen in den gemeinsamen Arbeitsbereichen kaum unterschieden, wenn diese auch durch die verschiedenen Dienste unterschiedlich wertgeschätzt wurden (siehe “Romeo-“ und „Schwalbentaktik“). Betrachtet man jedoch die teilweise unterschiedliche Dienstkultur und Umgangsweise beispielsweise mit Fragen der außerehelichen Verhältnisse, so ergeben sich bereits nationale Spezifika wie auch ein anhand der Geheimschrift gezeigter deutscher Hang zur Bürokratie. Spätestens jedoch in der Ära Gorbatschow, als der KGB massiv versuchte, sich zu öffnen und seine Arbeit transparenter zu gestalten, ja KGB-Offiziere sogar im Fernsehen auftraten [82] und die Regierung der DDR wie auch das MfS vermehrt mit Abschottung reagierten, werden die nationalspezifischen Methoden, mit dem Nachrichtendienst umzugehen, offenbar. Sucht man weiter nach den Schlüsselpunkten der Gemeinsamkeiten zwischen KGB und MfS so fällt auf, dass diese zwar zahlreich sind, zum einen jedoch trivial, da historisch bedingt, und zum anderen dem politischen System geschuldet. Gerade die Art der Planung in Jahres- oder gar Vierjahresplänen war massiv durch die kommunistische Planwirtschaft bedingt und somit keine solitär sowjetische Idee. Auch die Verfügbarkeit eigener Truppen fußte in der sozialistischen Vorstellung der wehrhaften Revolution, denn „die Grundfrage jeder Revolution ist die Frage der Macht im Staate“ [83] und genau diese sollte mit der Staatssicherheit und ihren Waffenträgern beantwortet werden. Die gemeinsame traditionelle Berufung auf die Tscheka ist zwar teilweise der sowjetischen Kulturdominanz in der DDR geschuldet, stellt jedoch auch eine Einordnung in die Reihen der Verteidiger der sozialistischen Revolution dar. Wäre das sowjetische oder hier präziser das russische Element das bestimmende gewesen, so hätte man sich historisch auch gegenüber der zaristischen Ochrana oder des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) abgrenzen müssen. Da sich die Stasi jedoch als deutscher sozialistischer Nachrichtendienst sah, war die Abgrenzung zum vorrevolutionären Dienst eines fremden Landes nicht notwendig und der Gegensatz zum RSHA offensichtlich. Auch die Personalstärke und Etatgröße unterschieden sich in Anbetracht der verfügbaren Daten stark, was eine viel bessere Versorgung des MfS mit Personal und Geld nahelegt; daraus lässt sich eine größere Wertschätzung der DDR für ihre Staatssicherheit erkennen lässt. Deswegen und aufgrund der nationalen Unterschiede ist das Ministerium für Staatssicherheit der DDR keineswegs als sowjetische oder gar russische Kopie zu verstehen, sondern nur als sozialistischer Nachrichtendienst deutscher Prägung mit sowjetischem Vorbild.

4. Quellen- und Literaturverzeichnis 

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Roewer, Helmut u.a.: (Hrsg.): Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert, München 2003 

„Zentralrat der Juden in Deutschland/Der Zentralrat/Geschichte/Judentum in der DDR“, URL: http://www.zentralratdjuden.de/de/topic/65.html [letzter Zugriff: 29.04.2011].

Anmerkungen

  • [1]

    Zit. nach Inge Kuschel/Peter Läuter: Lenin. Worte, Berlin 1980, S. 161. 

  • [2]

    Vgl. Helmut Roewer u.a. Art. Tscheka, in: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert, München 2003, S. 466. 

  • [3]

    Vgl. Jens Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit: Personalstruktur und Lebenswelt 1950-1989/90, Berlin 2000, S. 464. 

  • [4]

    Christopher Andrew/Oleg Gordiewsky: KGB. Die Geschichte seiner Auslandsoperationen von Lenin bis Gorbatschow, 2. Aufl., München 1990, S. 60.

  • [5]

    Vgl. Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter, S. 126-128. 

  • [6]

    Vgl. John Barron: KGB. Arbeit und Organisation des sowjetischen Geheimdienstes in Ost und West, München/Bern 1973, S. 459-464. 

  • [7]

    Vgl. Jens Gieseke: Deutsche Demokratische Republik, in: Łukasz Kamiński u.a. (Hrsg.): Handbuch der kommunistischen Geheimdienste in Osteuropa 1944-1991, Göttingen 2009 (= Analysen und Dokumente, Bd. 33), S. 199-264, hier S. 233-237. 

  • [8]

    Vgl. Ders.: Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945-1990, München 2006, S. 39-47. 

  • [9]

    Vgl. Kristie Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse. Methoden und Technik der DDR-Spionage, München 2009, S. 36-72. 

  • [10]

    Vgl. Gieseke: Deutsche Demokratische Republik, S. 227. 

  • [11]

    Andreas Hilger: Sowjetunion (1945-1991), in: Łukasz Kamiński u.a. (Hrsg.): Handbuch der kommunistischen Geheimdienste in Osteuropa 1944-1991, Göttingen 2009 (= Analysen und Dokumente, Bd. 33), S. 43-141, hier S. 109. 

  • [12]

    Für den Abschnitt vgl. ebd. 

  • [13]

    Vgl. Roewer u.a. Art. Tscheka, S. 275.

  • [14]

    Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 19. 

  • [15]

    Gieseke: Deutsche Demokratische Republik, S. 240. 

  • [16]

    Vgl. ebd. 

  • [17]

    Hilger: Sowjetunion, S. 92. 

  • [18]

    Ebd. 

  • [19]

    Ebd. 

  • [20]

    Astrid von Borcke: KGB, die Macht im Untergrund, Neuhausen/Stuttgart 1987, S. 102. 

  • [21]

    Vgl. Hilger: Sowjetunion, S. 71. 

  • [22]

    Vgl. Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 100. 

  • [23]

    Vgl. Hilger: Sowjetunion, S. 81 

  • [24]

    Vgl. Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 317. 

  • [25]

    Kuschel/Läuter: Lenin. Worte, S. 71. 

  • [26]

    Eigene Berechnungen aufgrund von Gieske: Deutsche Demokratische Republik, S. 214. 

  • [27]

    Vgl. Andrew/Gordiewsky: KGB. Die Geschichte seiner Auslandsoperationen, S. 793. 

  • [28]

    Zit. nach ebd. 

  • [29]

    Vgl. Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse, S. 324. 

  • [30]

    Vgl. Hilger: Sowjetunion, S. 80. 

  • [31]

    Zit. nach Andrew/Gordiewsky: KGB. Die Geschichte seiner Auslandsoperationen, S. 573. 

  • [32]

    Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse, S. 87. 

  • [33]

    Ebd. 

  • [34]

    Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 316. 

  • [35]

    Eigene Berechnung aufgrund von Gieseke: Der Mielke-Konzern sowie Institute for Strategic Studies (Hrsg.): The military balance 1969-1970, London 1969, S. 5 u. 12. 

  • [36]

    Vgl. ebd. 

  • [37]

    Igor Birman: Secret incomes of the Soviet State Budget, Den Haag u.a. 1981, S. 230 u. 236. 

  • [38]

    Eigene Berechnung aufgrund von ebd. 

  • [39]

    Eigene Berechnung aufgrund von Gieseke: Der Mielke-Konzern sowie Arbeitskreis für Wehrforschung (Hrsg.): Streitkräfte 1979/80: die „military balance“ des Internationalen Instituts für Strategische Studien, München 1980, S. 29 u. 42. 

  • [40]

    Ebd. 

  • [41]

    Eigene Berechnung aufgrund von Gieseke: Der Mielke-Konzern sowie Institute for Strategic Studies (Hrsg.): The military balance 1987-1988, London 1987, S. 31 u. 49. 

  • [42]

    The military balance 1969-1970. 

  • [43]

    The military balance 1987-1988.

  • [44]

    Borcke: KGB, die Macht im Untergrund, S. 105. 

  • [45]

    Vgl. Hannes Adomeit (Hrsg.): Die Sowjetunion als Militärmacht, Stuttgart u.a. 1987, S. 84. 

  • [46]

    Für den Absatz vgl. ebd. S. 84 u. 88. 

  • [47]

    Günter Poser: Militärmacht Sowjetunion 1980. Daten, Tendenzen, Analyse, München u.a. 1980 (= Geschichte und Staat, Bd. 237), S. 88 

  • [48]

    Vgl. Barron: KGB. Arbeit und Organisation, S. 115. 

  • [49]

    Vgl. Joachim Nawrocki: Bewaffnete Organe in der DDR. Nationale Volksarmee und andere militärische Verbände sowie paramilitärische Verbände. Aufbau, Bewaffnung, Aufgaben. Berichte aus dem Alltag, Berlin 1979, S. 157. 

  • [50]

    Vgl. ebd. 

  • [51]

    Vgl. Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 102. 

  • [52]

    Hilger: Sowjetunion, S. 84. 

  • [53]

    Vgl. Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 43. 

  • [54]

    Vgl. ebd. S. 42f. 

  • [55]

    Zitiert nach: Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter, S. 134. 

  • [56]

    Vgl. Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 42. 

  • [57]

    Hilger: Sowjetunion, S. 84f. 

  • [58]

    Für den Abschnitt: Vgl. Hilger: Sowjetunion, S. 83f. 

  • [59]

    Vgl. Gieseke: Deutsche Demokratische Republik, S. 217. 

  • [60]

    Vgl. Ders.: Die hauptamtlichen Mitarbeiter, S. 189f. 

  • [61]

    Ebd., S. 337. 

  • [62]

    Ebd., S. 338. 

  • [63]

    Für den Abschnitt vgl. ebd., S. 337f. 

  • [64]

    Barron: KGB. Arbeit und Organisation, S. 100. 

  • [65]

    Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse, S. 222. 

  • [66]

    Ebd., S. 15.

  • [67]

    Vgl. Barron: KGB. Arbeit und Organisation, S. 426-459.

  • [68]

    Vgl. Gieseke: Der Mielke-Konzern, S. 216. 

  • [69]

    Vgl. Barron: KGB. Arbeit und Organisation, S. 163f. 

  • [70]

    Vgl. Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse, S. 324-328. 

  • [71]

    KGB, die Macht im Untergrund, S. 51. 

  • [72]

    Vgl. Andrew/Gordiewsky: KGB. Die Geschichte seiner Auslandsoperationen, S. 587. 

  • [73]

    Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse, S. 283. 

  • [74]

    Zitiert nach Barron: KGB. Arbeit und Organisation, S. 90. 

  • [75]

    Für den Abschnitt vgl. ebd., S. 129-132. 

  • [76]

    Ebd., S. 145. 

  • [77]

    Zitiert nach Borcke: KGB, die Macht im Untergrund, S. 100. 

  • [78]

    Vgl. Barron: KGB. Arbeit und Organisation, S. 88. 

  • [79]

    Gieseke: Deutsche Demokratische Republik, S. 249. 

  • [80]

    Angabe entnommen von „Zentralrat der Juden in Deutschland/Der Zentralrat/Geschichte/Judentum in der DDR“, URL: http://www.zentralratdjuden.de/de/topic/65.html [letzter Zugriff: 29.04.2011].

  • [81]

    Macrakis: Die Stasi-Geheimnisse, S. 15. 

  • [82]

    Vgl. Andrew/Gordiewsky: KGB. Die Geschichte seiner Auslandsoperationen, S. 794. 

  • [83]

    Zitiert nach Kuschel/Läuter: Lenin. Worte, S. 249. 

Empfohlene Zitierweise

Hüther, Frank: Stasi und KGB. Das Komitee für Staatssicherheit und das Ministerium für Staatssicherheit im Vergleich. aventinus nova Nr. 30 [30.04.2011], in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/8588/

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Erstellt: 30.04.2011

Zuletzt geändert: 30.04.2011

ISSN 2194-1963