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aventinus archivalia Nr. 12 [15.04.2012] / aventinus varia Nr. 2 (Winter 2005/06) 

Ernst, Andrea 

Abenteuer Ausgrabung 

 

Da denkt manch einer womöglich zuerst an den Peitschen schwingenden Frauenhelden Indiana Jones, bei dem der Schwerpunkt aber mehr auf Abenteuer als auf Ausgrabung liegt, dann an Hitze, Schweiß, viel Schmutz und Dreck. In der vorlesungsfreien Zeit des letzten Sommersemesters machte ich mich schließlich auf, die Wahrheit herauszufinden. Seitdem ich im WS 04/05 mit meinem Studium der Klassischen Archäologie begonnen hatte, hatte mich der Wunsch nach Praxis umgetrieben. Endlich, im vergangenen Sommer war die Gelegenheit günstig. 

Als Arbeitsstelle hatte ich mich für das Drusus-Theater in Mainz, dem römischen Mogontiacum, entschieden. Ich bewarb mich per Email und schnell war telephonisch ein Termin ausgemacht. Schließlich begann am 22.08. mein erster, voller Spannung erwarteter, Grabungstag. 

Sogleich habe ich eine unliebsame Arbeit kennen gelernt. In Erwartung große Funde zu machen, sofort losgraben zu dürfen, wartete ich auf meine Aufgabe. So fiel ich auch aus allen Forscherträumen als es hieß, heute müsse der Boden des Paraodos ausgegrast werden. Und so saß ich mit anderen Freiwilligen auf der bloßen Erde, zupfte Unkraut heraus und dachte sehnsüchtig an die schillernden Marmorskulpturen der Glyptothek,die ich die letzten zwei Semester so genau betrachtet hatte. Doch Putzarbeiten sollten mich die nächsten drei Wochen noch oft begleiten; denn eine solche archäologische Anlage, die auch publikumswirksam werden wollte, musste in Stand gehalten werden. Außerdem wurden Photos gemacht, folglich musste alles sauber sein. So waren wir dafür zuständig, alle Stellen, die noch photographiert werden sollten, zu entgrasen, Erde abzuziehen, staubzusaugen. 

So begann mein Praktikum, das mit einem neuen Tagesrhythmus drei Wochen dauern sollte. Und so hieß es nun von Montag bis Freitag um 8:00 Uhr auf der Matte stehen und die Instruktionen für den Tag beim Grabungsleiter erfragen. Um 9:30 eine erste Pause, die Frühstückspause, in der es meistens dann Fleischkäsebrötchen vom nächstgelegenen Metzger gab. Nach einer halben Stunde ging es wieder an die Arbeit. Die Mittagspause begann um 12:30 und dauerte eine Stunde. Ende des Tages war um 16:00 Uhr (15:00 am Freitag) und wurde mit dem Reinigen und Aufräumen der Gerätschaften eingeläutet. 

Obwohl ich in den drei Wochen viel Putzarbeit leisten musste (Moos mit Spitzkelle und Staubsauger von Steinen entfernen, Unkraut jäten, etc.), da neben den Hebekranbildern auch ein Luftbild vom Flugzeug aus geplant war und der Tag des offenen Denkmals vor der Tür stand, habe ich einen schönen Einblick in die archäologische Ausgrabungsarbeit gewonnen. 

Und so möchte ich nun wenigstens kurz die wesentlichen Begriffe dieser Tätigkeit vorstellen: 

Zuerst habe ich das Planum kennen gelernt. Um eine Stelle abgraben zu können, muss zuerst eine Planum erstellt werden. Dabei ist das Ziel die Fläche glatt abzuziehen, um die Schichtenfolge sichtbar zu machen. Aus diesen Schichten sind schließlich archäologische Erkenntnisse zu ziehen. Hierfür nimmt man einen Abzieher zur Hand und beginnt die zu bearbeitende Fläche bis zu einer vorher bestimmten Tiefe abzuziehen. Dabei ist es sehr wichtig, dass das ganze Areal schließlich völlig auf gleichem Niveau liegt. Gemachte Funde werden eingetütet und schon erkennbaren Erdschichten zugeordnet. Ist die gewünschte Tiefe erreicht, beginnt die Feinarbeit. Die komplette Fläche wird abgesaugt (wobei die arbeitende Person darauf achten sollte, nicht mehr auf die gesaugte Fläche zu treten; manchmal wird diese Arbeit auch auf Socken betrieben.) Ist das Planum vollständig von Staub und losen Erdbrocken/Steinen gereinigt, wird es bei sommerlichen Temperaturen mit Wasser befeuchtet, damit die Schichten der Erde gut in Erscheinung treten. Anschließend erfolgt die Dokumentation. Hierfür wird das Planum photographiert; da diese Art der Aufnahme neben Vorteilen auch Schwächen hat, wird das Planum noch zeichnerisch (hier kann man vor allem Farbunterschiede explizit kennzeichnen) aufgenommen. Hierfür ritzt man die sichtbaren Schichtgrenzen mit einem Nagel nach, um sie dann mit Hilfe eines Pantographen zu zeichnen. Es zeichnet Strukturen auf ein Blatt Papier, die man mit Hilfe eines Metallstiftes nachfährt. Diese Zeichnung nützt man auch um Messpunkte und Niveaustufen einzutragen. Als Messpunkte dienen Nägel, die ins Planum geschlagen und dann mit Hilfe eines Messgeräts, einem elektronischen Theodoliten/Tachymeter, in das örtliche Vermessungsnetz eingemessen werden. Die ermittelten Werte werden ausgedruckt. Mit diesen Werten und der erstellten Schichtzeichnung wird die Zeichnung per Hand am Leuchttisch auf Millimeterpapier übertragen. Ist diese Arbeit beendet, wird das Planum nivelliert. Das Niveau wird an einzelnen Stellengemessen, mit Hilfe eines Messstabs und einem einfachen Theodoliten. Hat man das Planum perfekt abgezogen, müsste es überall das gleiche Niveau haben. Stimmt die Zeichnung schließlich, werden die verschiedenen Schichten bestimmt (z.B. Lehm, Sand, etc.) und auf der Zeichnung farbig eingetragen.

So ähnlich wie ein Planum funktioniert auch ein Profil. Es wird nur nicht horizontal, sondern senkrecht an einem Erdabschnitt erstellt. Die Erde wird auch glatt abgezogen, abgesaugt, nur die Zeichnung muss dieses Mal im Gegensatz zur Planumszeichnung komplett per Hand erstellt werden. Mit Hilfe der Stratigraphie ist letztlich eine chronologische Einordnung möglich. 

Die für mich spannendste Arbeit war aber das Befunden, also das Abgraben von Schichten und das Eintüten der Funde. Hierfür nimmt man sich die Zeichnungen zur Hand und gräbt vorsichtig Schicht für Schicht ab. Die Funde werden dann nach Schicht sortiert verpackt. Dieses Befunden hat mir am meisten Spaß gemacht. Die Spannung etwas zu finden, die Freude etwas gefunden zu haben. Vorsichtig an einer Scherbe herumzukratzen, bis man sie aus der Erde lösen kann, einen Fund schließlich in der Hand zu halten. Fast die ganze letzte Woche meines Praktikums durfte ich mit einer kleinen Gruppe Studenten/innen befunden. Obwohl unsere Funde nicht so atemberaubend waren, wie manch einer vielleicht erwartet und erhofft hatte, war es ein schönes, einmaliges Erlebnis. Wir haben viele Scherben der unterschiedlichsten Art (Terra Sigillata, Terra Nigra,..) entdeckt, Metallnägel verschiedener Größe, unzählige Tierknochen, zwei Münzen. Meine schönste Entdeckung war ein kleiner Ring aus Bronze. 

Der letzte Tag meines Praktikums war der 11.09., der Tag des offenen Denkmals. Hier wurde das Theater der Öffentlichkeit präsentiert. Um alles für den großen Tag vorzubereiten mussten wir um 7:30 da sein, die Stände aufbauen, etc. Es gab eine große Anzahl an Ständen (Antikes Brotbacken, Nachbau und Verkauf von Öllämpchen, Dokumentation und Information, Film zum Theater, Vorträge, Getränke). Die eigentliche Attraktion war ein Gang von der Bastion Albani (1655-1678), der dieses Jahr ausgegraben worden war und sich am römischen Theater entlang zieht. Es fanden den ganzen Tag Führungen durch diesen Gang statt, die zahlreich besucht wurden; meine Aufgabe war es, als Aufpasser hinterherzumarschieren und darauf zu achten, dass alle die Leiter heil hinunter- und hinaufgelangten. Mit Helmen ausgestattet, konnten so viele Gäste dem Abenteuer Archäologie nachspüren. Der Tag endete spät und somit auch mein Abenteuer...

Die praktische Archäologie ist wirklich dreckig, meist sehr staubig, im Sommer schweißtreibend, die Funde meist klein und nicht aus purem Gold. Anders als im Film ist sie aber keine One-man-Show, sondern exzellente Teamarbeit. Das ganze Ausgrabungsteam, vom Grabungsleiter, Festangestellten, Zivildienstleistenden, Studenten, Schülern und anderen Freiwilligen, war einfach spitze. Jeder kann sich auf den anderen verlassen und gemeinsam gelingt es, jeden Tag ein Stück Vergangenheit wieder zu entdecken. 

Empfohlene Zitierweise

Ernst, Andrea: Abenteuer Ausgrabung. aventinus archivalia Nr. 12 [15.04.2012] / aventinus varia Nr. 2 (Winter 2005/06), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7600/

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieses Beitrags hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse.



Erstellt: 16.05.2010

Zuletzt geändert: 15.04.2012

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