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aventinus archivalia Nr. 1 (Winter 2005) 

Scherrer, Andreas 

Warum heißt unsere Zeitung Aventinus? 

 

Wahrscheinlich haben sich das schon viele gefragt. Der Name Aventinus leitet sich ab vom ersten bayerischen Geschichtsschreiber bzw. Landeshistoriker. Die meisten wissen allerdings kaum etwas über ihn - wenn sie den Namen überhaupt schon einmal gehört haben. Im Folgenden soll unser Namensgeber daher kurz vorgestellt werden: 

Johannes Georg Turmeier wurde am 04.07.1477 in Abensberg (Niederbayern) als Sohn eines Weinwirtes geboren. (Erst später latinisierte er seinen Namen vom lateinischen Namen seiner Heimatstadt Abensberg in Aventinus.) Er starb am 09.01.1534 in Regensburg. 

Eine Zeit großer Umbrüche 

Johannes Georg Turmeier wurde in eine Zeit großer Umbrüche hineingeboren. Die Erfindung des Buchdrucks, die Entdeckung Amerikas, die Türkengefahr, die Aufteilung Baierns in mehrere Herzogtümer, der Streit zwischen habsburgischem und wittelsbachischem Haus, später die Reformation Luthers: Die Zeitenwende also vom Mittelalter zur Neuzeit. 

Auch in Baiern begann eine Zeit der innenpolitischen Reformen, des wirtschaftlichen Wohlstandes und des sozialen Friedens, was als Grundlage für die Blütezeit der Künste und Wissenschaften diente. Bewegte Zeiten also, die auch Johannes Georg Turmeier prägten: Er wurde einer der großen Humanisten im deutschsprachigen Raum, der in mancherlei Hinsicht neue Maßstäbe setzte... 

"Der Abensberger" 

Durch Karmelitermönche in Abensberg gefördert, konnte er ab 1495 zunächst an der Universität zu Ingolstadt (aus der die heutige LMU entstand), später auch in Wien, Krakau und Paris studieren. Sein bereits durch die Karmeliter geprägter Interessenschwerpunkt lag dabei auf den humanistischen Fächern. Offenbar auch durch die Mönche hatte Turmeier Lateinkenntnisse erworben, so daß er in allen Studienorten zahlreiche Vorlesungen auf Latein hörte und später selbst über profunde Kenntnisse der lateinischen Schrift verfügte. In Ingolstadt und Wien schloß er sich dem großen deutschen Humanisten und Dichter Konrad Celtis an, der sein Interesse auf die deutsche Geschichte lenkte. Bereits mit 17 Jahren war Aventinus ein großer deutscher Humanist und in der führenden Schicht Baierns zu finden. Seine Magister-Würde erhielt er in Paris und konnte so ab 1507 an der Ingolstädter Universität Privatvorlesungen geben. 

Aus seiner Studienzeit stammt auch sein latinisierter Name "Aventinus", den er sich nach guter humanistischer Tradition gab. Fortan nannte er sich Johannes Aventinus ("der Abensberger"). 

Der erste Landeshistoriker Bayerns 

1508 trat Aventinus in den Dienst des Hauses Wittelsbach. Er wurde auf Geheiß von Herzog Wilhelm IV. der Erzieher und Lehrer von dessen beiden jüngeren Brüdern, den Prinzen Ludwig - dem späteren Herzog Ludwig X. - und Ernst. Zu Unterrichtszwecken schrieb er eine lateinische Grammatik. Ab 1514 wurde Aventinus in die Regierung des neuen Herzogs Ludwigs X. berufen und unterrichtete fortan nur noch Prinz Ernst, mit dem er 1515 eine Italienreise unternahm. 1517 endete seine Erziehertätigkeit - Prinz Ernst war zum Administrator des Bistums Salzburg gewählt worden.

Während seiner Zeit am Hofe wurden die Wittelsbacher, die die aufblühenden schönen Künste und Wissenschaften förderten, auch schnell zu seinen Mäzenen und er gewann zusehends an Einfluß in Hofkreisen. Dies wird neben seiner Regierungsbeteiligung auch an weiteren Aspekten deutlich: Herzog Ludwig X. scharte in seiner Regierungszeit (1508 - 1545) einen erlesen Kreis an Gelehrten und Kennern der Antike um sich, in Baiern blühten die neuen wissenschaftlichen und künstlerischen Strömungen der Renaissance auf und im Jahr 1534, im Todesjahr seines Hofgelehrten, ließ der Baiern-Herzog in Landshut - nach dem Vorbild der klassischen Architektur - den ersten Renaissance-Palast auf deutschem Boden errichten. Die klassische Architektur war die letzte der großen humanistischen Künste, die von Italien nach Deutschland gebracht worden waren. 

Auch das Geschichtsinteresse von Aventinus förderten die bairischen Herzöge. 1517, in seinem 40. Lebensjahr, wurde er zum ersten bairischen Hofchronisten und Hofhistorigraphen ernannt. Er war also der erste offizielle Landeshistoriker Bayerns! Die große Zeit des Aventinus begann. Er setzte die Tradition der bairischen Landesgeschichtsschreibung fort und betrachtete sie v.a. unter dem deutschem Gesichtspunkt - eine damals völlig neue Denkweise. Dank der bairischen Herzöge konnte er sich auf dem Gebiet der Geschichtsforschung voll entfalten; er erhielt weitgehend Zugang zu Stadt- und Klosterarchiven. Auch unternahm er lange Forschungs- und Bildungsreisen durch Europa. 

In der damaligen gelehrten Fachwelt genoß er hohes Ansehen. Regen Gedankenaustausch pflegte er mit Gelehrten wie Martin Luther und Philipp Melanchthon. 

Auf die Nachwelt, seine Freunde und natürlich seine Schüler hatte Aventinus großen Einfluß. Tschudi, der Begründer der schweizerischen Geschichtsschreibung etwa, war sein Schüler und ein großer Bewunderer. 

Ab 1519 arbeitet er vorwiegend in Abensberg und warnte in seinen Arbeiten besonders vor der Türkengefahr aus dem Osten. 

Der Universalgelehrte 

Sein Hauptwerk, die "Annales ducem Boiariae" - die "Jahrbücher der Herzöge Baierns" - entstand zwischen 1517 und 1522 und behandelt die Geschichte Baierns bis 1460. 

Von diesem existiert auch eine volkstümliche, auf deutsch gehaltene Bearbeitung, die "Bairische Chronik" (1526 - 1533). Später lobte selbst Johann Wolfgang von Goethe dieses Werk, das sich durch eine unabhängige und freie Denkweise in klerikalen wie nationalen Fragen auszeichnet. Aventinus wurde dadurch einer der prägenden Autoren der deutschen Sprache. In der "Bairischen Chronik" spiegelt sich auch seine europäische Perspektive der Landesgeschichte wider, die bis heute für Landeshistoriker bestimmend ist. 

Aventinus verfaßte auch die "Annales Schyrenses" (Scheyern) (1517), die "Altöttinger Chronik" (1519) und ein Werk über die "Ursachen des Türkenkrieges" (1526). 

Die erste Landkarte Baierns stammt ebenfalls von Aventinus: er gab sie 1523 heraus. Es waren allerdings nur Ober- und Niederbaiern erfaßt - die Territorien seiner Auftraggeber und Förderer, der Wittelsbacher Herzöge aus der bairischen Linie. Die Oberpfalz gehörte zum Territorium der pfälzischen Linie der Wittelsbacher und blieb in Bayerns erster Karte unberücksichtig.

Auf philologischem Gebiet erforschte er antike Autoren, v.a. in der Benediktinerabtei zu St. Emmeram in Regensburg, gab Textsammlungen römischer Inschriften und anderer archäologischer Fundstücke heraus und verfaßte seine "Lateinische Grammatik", die "Grammatica nova fundamentalis" von 1512. Letztere hatte er während seiner Tätigkeit als Erzieher und Lehrer der Wittelsbacher Prinzen geschrieben. Später wurde die "Grammatica nova fundamentalis" zum Lehrbuch an der Ingolstädter Universität. 

Aventinus war ein wahrer Universalgelehrter. Er verfaßte ein Lehrbuch über Musik, den "Abacus" im mathematischen Bereich und ein Werk über das römische Rechenwesen. Er beschäftigte sich auch mit der Ethnologie und gilt als einer der Väter dieser wissenschaftlichen Disziplin. 

Viele Quellen sind uns heute nur durch Aventinus überliefert. Seine umfangreiche Materialiensammlung ist bislang noch nicht vollständig ausgewerteten worden. 

Seine letzten Jahre... 

... verbrachte er vorwiegend in Regensburg. Am Münchner Hof war er u.a. wegen seiner Sympathien für Martin Luther zusehends in Ungnade gefallen. Seine Aufgeschlossenheit gegenüber der Reformation wird auch in seinem Verhältnis zu seinen Erziehern deutlich: Von der Zeit in der Mönchsschule der Karmeliter sprach Aventinus eher lieblos - der Strom der Zeit wendete sich gegen alles was eine Kutte hatte. Seine "Annales Boiorum" und die "Baierische Chronik" hatten einen teilweise papstkritischen Inhalt und wurden daher erst nach seinem Tod veröffentlicht. 1528 war er sogar, wegen angeblicher antikatholischer Propaganda in Abensberg verhaftet und erst nach elf Tagen, durch das Einschreiten des Kanzlers Leonhard von Eck, eines Jugendfreundes von Aventinus, wieder freigelassen worden. Dieser Vorfall prägte das weitere Leben von Aventinus; er zog sich immer öfter in die Reichsstadt Regensburg zurück. Gezeichnet von Resignation, Zurückgezogenheit und Krankheit heiratete er 1529 dort. Nach einem Hauskauf in Regensburg 1531 bemühte sich Aventinus um verschiedene Arbeitsstellen, ehe er 1532 nach mehrmaligen Angeboten von Leonhard von Eck einwilligte der Erzieher von dessen Sohn Oswald zu werden. Ein Jahr später ging Aventinus mit Oswald an die Universität in Ingolstadt. Als er an Weihnachten 1533 nach Regensburg zurückritt zog er sich eine Erkältung zu, die kurz darauf zu seinem Tod führte. In Regensburg verstarb Johannes Aventinus am 09. Januar des Jahres 1534 56jährig, ein Jahr nachdem er seine "Bairische Chronik" fertiggestellt hatte. Er wurde im Kloster St. Emmeram in Regensbug von den Benediktinermönchen begraben. 

Aventinus heute 

Neben den angesprochenen wissenschaftlichen Leistungen, die bis heute anerkannt und präsent sind, begegnet uns Aventinus heute in vielfältigen Formen wieder: Als Namenspatron von bayerischen Schulen, von Straßen und von einem Starkbier. 1986 wurde eine Stiftung mit dem Namen "Aventinum" gegründet, die sich der altbayerischen Geschichte und Kultur widmet. 

Besonders Abensberg, seine Geburtsstadt, pflegt bis heute sein Andenken: So existiert ein Denkmal, ein nach ihm benanntes Museum, ein Aventinus-Saal, Gedenkmedaillen, etc.

Seine Grabplatte findet man am Eingang der St. Emmerams-Basilika in Regensburg. 

Aventinus in der Walhalla 

1841 erfuhr Aventinus eine besondere Würdigung: König Ludwig I. ließ seine Büste in der Walhalla an der Donau aufstellen, wo sie bis heute einen der Großen Bayerns ehrt, der einen wesentlichen Beitrag Altbayerns zum deutschen Humanismus geleistet hat und als Vorbild der Landesgeschichtsschreibung unter deutschem Gesichtspunkt gilt. 

Literatur: 

Über Aventinus findet man mannigfaltige Literatur und Quellen. Wer einen möglichst genauen Überblick erhalten will, sollte einen Blick auf die Internetseite der Stiftung "Aventinum" werfen: www.aventinum.com/index.php?id=5 

In der UB der LMU und in der Bibliothek des Historicums ist eine Menge an Literatur vorhanden. 

Hier nur eine kleine Auswahl: 

Dünninger, Eberhard : Johannes Aventinus. Leben und Werk des bayerischen Geschichtsschreibers, Rosenheim 1977. 

Aventinus, Johannes: Johannes Turmair's, genannt Aventinus, sämmtliche Werke, hrsg. von Matthias Lexer, München o.J. 

Sitzmann, Gerhard-Helmut (Hrsg.): Aventinus und seine Zeit. 1477 - 1534, Abensberg 1977. 

Ausgaben der "Annales Boiorum" und der "Baierischen Chronik" in der UB der LMU und im Historicum (0900/NS 1100/A951) 

Empfohlene Zitierweise

Scherrer, Andreas: Warum heißt unsere Zeitung Aventinus. aventinus archivalia Nr. 1 (Winter 2005), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7608/

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Erstellt: 17.05.2010

Zuletzt geändert: 29.05.2010