Geschlechtergeschichte

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aventinus varia Nr. 21 [05.11.2010] 

Gabriel Brass 

Eine Geschichte des Fußballs aus der Genderperspektive 

(kurze) Einführung 

Die Soziologin Marion Müller (2007, 2009) macht darauf aufmerksam, dass der Androzentrismus des Fußballsports, der sich im Sprachgebrauch (Fußball, Frauenfußball) kenntlich macht, die im Alltagswissen weit verbreitete Vorstellung impliziert, dass es sich beim Fußball seit je her um (Männer-)Fußball handelt, also auch in seinen antiken, mittelalterlichen und vormodernen Vorläufern, und Frauen erst in den vergangen 30 Jahren angefangen haben, gegen den Ball zu treten. Müller (2007a, S. 114) und Diketmüller (2006) stellen fest, dass Teile der sportwissenschaftlichen Literatur dieses Verständnis unhinterfragt übernommen haben, wodurch Frauen aus der Geschichte des Fußballspiels von vornherein ausgeschlossen wurden und werden. So finden Frauen in der sozialwissenschaftlichen und historischen Fußball-Fachliteratur z.T. gar keine Erwähnung (z.B. Hopf, 1979) oder werden lediglich auf wenigen Seiten meist in einem Extra-Kapitel abgehandelt (z.B. Giulianotti, 1999 oder Eisenberg u.a., 2004). Diese geschlechterspezifische Segregation der wissenschaftlichen Fußballforschung zeigt sich auch in zahlreichen Werken, die sich mit der „Entstehung des Frauenfußballs“ erst ab Anfang der 1970er Jahre beschäftigen. Indem in diesen auf Vorläufer des Fußballs im Altertum und im Mittelalter rekurriert wird, entsteht der Eindruck, als wären Frauen schon immer aus dem Spiel ausgeschlossen gewesen (vgl. Müller, 2007a, S, 114f.). Dass dem nicht so gewesen ist, soll im folgenden Artikel über die Geschichte des Fußballspiels veranschaulicht werden. 

1 Fußballähnliche Ballspiele im Altertum und im Mittelalter  

1.1 Die Ursprünge des Fußballspiels im Altertum 

Als das erste historisch nachweisbare „Fußballspiel“ gilt das sogenannte „Ts`uh-küh“ [1], das der Kaiser Huang-ti in China vor mehr als zweitausend Jahren kultiviert haben soll (vgl. Rohr, 2006, S. 23; Umminger, 2007, S. 16). In der ersten Phase fand dieses ausschließlich als Konditionstraining der Truppen für den Kampfeinsatz Verwendung [2]. Im 2. Jahrhundert n. Chr. breitete sich Ts`uh-küh, das bereits verblüffende Ähnlichkeit mit dem heutigen Fußball zu haben schien, im Volk aus (vgl. Derichs, 2007, S. 33; Umminger, 2007, S. 16) [3]. Es handelte sich bis dato um ein reines Männerspiel. Mit der Entwicklung hin zu einem populären Volkssport, wurde es zum beliebten Freizeitvergnügen von Männern, Frauen, Jungen und Mädchen, bei dem Unterhaltung und Vergnügen im Vordergrund standen und offenbar keinerlei Berührungsängste zwischen den Geschlechtern existierten (vgl. Brinker, 2006, S. 13-140) [4].

Um 600 v. Chr. wurde auch von den Griechen ein Ballspiel nach festen Regeln betrieben, das sogenannte „Episkyros“, was mit „Ballschlacht“ übersetzt werden kann. Wie der Name schon verrät, zeichnete sich dieses Spiel, welches wohl eher mit dem heutigen „American Football“ als mit dem uns bekannten Fußballspiel zu vergleichen ist, durch körperliche Härte aus [5]. Vor allem die Spartaner betrieben es als vormilitärische Übung. Episkyros galt als Männlichkeitsprobe und musste von jedem männlichen Bewohner Spartas vor dem dreißigsten Lebensjahr bestanden werden, „was [allerdings] nicht ausschloss, dass zu Sparta auch die Jungfrauen sich lustig daran beteiligten“ (Koch, 1894, S. 70; vgl. Schulz, 2008, S. 8; Umminger, 2007, S. 17f).

Es wird angenommen, dass die Römer im 1. bis 5. Jahrhundert eine Form des Episkyros von den Spartanern übernommen und dieser den Namen „Harpastum“ („Raff-Ball“) gegeben haben sollen. Die Meinungen divergieren bezüglich der Frage, ob der Ball von den Römern schon vermehrt mit den Füßen getreten wurde [6]. Uneinigkeit besteht ebenso hinsichtlich der Verbreitung des Spiels in Europa durch die römischen Legionäre. Einige sehen das Harpastum als Ahnherrn der Ballspiele an, die im Mittelalter in England, Frankreich, Italien und Deutschland gespielt wurden. Andere behaupten, dass sich eine derartige Kontinuität nicht belegen ließe (vgl. Brändle/Koller, 2002 S. 21; Koch, 1894, S. 69ff.; Rohr, 2006, S. 23; Umminger, 2007, S. 18). Funde dieser Zeit weisen eindeutig auf eine Beteiligung von Frauen am Harpastum hin (vgl. Eisenberg u.a., 2004, S. 12).  

Seit altersher sollen auch die Eskimos einen Ball aus Robben- oder Rentierleder über eine bis zu 400 m lange ebene Eisfläche „gekickt“, gestoßen oder geworfen haben. Neben Männern nahmen auch Frauen, teilweise sogar mit ihren Neugeborenen auf dem Rücken, an diesem Spiel teil (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 6; Umminger, 2007, S. 18) [7].

1.2 Fußballspiele im Mittelalter 

Im mittelalterlichen Europa entstand der Fußball ursprünglich in der französischen Bretagne, Normandie und Pikardie im 12. Jahrhundert. Es wird vermutet, dass dieses Ballspiel mit dem Namen „Soule“, bei dem tödliche Unfälle und Verwüstungen keine Seltenheit waren, aus dem mittelalterlichen Turnier hervorgegangen ist. An diesem rituellen „Volksfußballspiel“ sollen auch Frauen mitgewirkt haben (vgl. Gillmeister, 2008, S. 15ff.; Rohr, 2006, S. 24; Schulz, 2008, S. 8) [8].                       

Seit dem 10. Jahrhundert sind in England, Schottland, Wales und Irland Ursprünge von Volksballspielen nachweisbar. Man vermutet aber, dass die Ballspielvarianten, die für die Entwicklung des modernen Fußballs ausschlaggebend waren, aus dem französischen Soule hervorgingen und über Nordfrankreich auf die britischen Inseln kamen (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 21; Rohr, 2006, S. 24; Schulze-Marmeling, 2000, S. 11). Beim damaligen Folk oder Village Football [9], der zahllose lokale Besonderheiten aufwies, spielten meist komplette Dörfer, Stadtviertel oder Pfarreibezirke gegeneinander, wobei des Öfteren keine Unterscheidung zwischen Zuschauern und Spielern existierte. Stadttore fungierten als „Fußballtore“ und das Spielfeld belief sich auf die gesamte Stadt oder die Wiesen, Felder und Wälder zwischen zwei Dörfern. Folk Football erfreute sich großer Beliebtheit, da mit dessen Hilfe lokale Identität gestiftet und demonstriert sowie nachbarschaftliche Rivalität ausgetragen werden konnte (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 22; Dunning, 1979; S. 13; König, 2002, S. 8; Schulze-Marmeling, 2000, S. 11). Charakteristisch für den Folk Football war eine fehlende präzise Begrenzung des Spielfeldes, der Spieldauer und der Teilnehmerzahl [10]. Auch die Spielregeln variierten regional und blieben meist simple, ungeschriebene Gewohnheitsregeln (vgl. Dunning, 1979, S. 17) [11]. Gemäß den Überlieferungen setzten sich die Spieler doch meist über die Regeln hinweg, was schwere Verletzungen zur Folge haben konnte. Vereinzelt kam es sogar zu Todesfällen [12]. Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Volksspiele waren geprägt von einer spontanen Angriffslust und einer weitgehend tolerierten Gewalttätigkeit [13] (vgl. Elias/Dunning, 1984a, S. 96-103; Schulze-Marmeling, 2000, S. 12). Dennoch blieb der Folk Football nicht ausschließlich ein Spiel unter Männern, sondern wurde auch mit und gegen Frauen oder in Form eines rituellen Frauen-Fußballspiels ausgetragen, wie folgender Auszug belegt:

„Die beiden Gruppen stehen einander gegenüber – verheiratete Frauen auf der einen Seite und unverheiratete Mädchen auf der anderen. Wie in jedem Jahr, so ist auch dieses Mal das Spielfeld von Männern umrundet. Sie sind hergekommen, um sich aus dem Team der unverheirateten Ladies eine Braut auszuwählen“ (Williamson, in Fechtig, 1995, S. 11). 

Folk Football betrieben ausschließlich junge Männer und Frauen der unteren Schichten, während sich die besseren Stände von dieser Betätigung fernhielten und sich lieber der Jagd oder dem Reiten widmeten. Die Obrigkeit bekämpfte die Fußballspiele regelrecht, was die jungen Männer und Frauen aus den Unterschichten zunächst nicht daran hinderte, an „ihren“ Spielen festzuhalten [14] (vgl. Dunning, 1984, S. 124; Müller, 2007a, S. 121; Rohr, 2006, S. 24; Schulz, 2008, S. 8; Schulze-Marmeling, 2000, S. 14).

1.3 Das Geschlecht des Fußballs im Altertum und im Mittelalter 

Die Soziologin Marion Müller macht darauf aufmerksam, dass in populärwissenschaftlichen Beschreibungen, jedoch auch in Abhandlungen namhafter Wissenschaftler zur Entstehungsgeschichte des Fußballs häufig angenommen wird, dass es ausschließlich Männer waren, die fußballähnliche Ballspiele im Altertum und im Mittelalter bestritten haben (vgl. Müller, 2007a, S. 120). So behauptet der Weltfußballverband FIFA [15] beispielsweise:

„The rough and tumble of the early versions had held no attractions for the fairer sex, and male dominance in most societies had acted to contain what little enthusiasm women may have shown for playing the sport” (FIFA, in Müller, 2007a, S. 120).  

Die bisherigen Ausführungen widersprechen diesem Befund. Es konnte gezeigt werden, dass die fußballähnlichen Ballspiele des Altertums und des Mittelalters auch für Frauen durchaus attraktiv erscheinen konnten, die sich meist unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform an den Spielen beteiligten. Die Geschlechtszugehörigkeit scheint für die Frage des Zugangs zu diesen vormodernen Bewegungsformen nur von sekundärer Bedeutung gewesen zu sein. In der Tat gibt es keinerlei Belege dafür, dass Frauen in irgendeiner Form vom Fußball ausgeschlossen waren (vgl. Giulianotti, 1999, S. 152). So existierten beim Fußballspiel in China vor mehr als zweitausend Jahren, wie in Kapitel 1.1 belegt, „keinerlei Berührungsängste zwischen den Geschlechtern“ (vgl. Brinker, 2006). Zwar blieben die Männer in der männerbündischen Gesellschaft des archaischen Griechenlands in den meisten Bereichen des gesellschaftlichen und geselligen Lebens überwiegend unter sich (vgl. Winterling, 1990, S. 15) [16], doch bedeutete dies nicht gleichzeitig den Ausschluss der Frauen vom Ballspiel „Episkyros“. Es existieren Überlieferungen, die besagen, „dass zu Sparta auch die Jungfrauen sich lustig daran beteiligten“ (Koch, 1894, S.70). Dies belegen auch Bilder auf Vasen und Fresken aus dieser Zeit, die Mädchen bzw. Frauen bei fußballähnlichen Ballspielen erkennen lassen. Ähnliches gilt für das Harpastum der Römer. Auch hier weisen Funde der Antike auf die Beteiligung von Frauen am Spiel hin (vgl. Eisenberg u.a., 2004, S. 12). Bei den Eskimos nahmen Frauen sowohl am Walfang, als auch an den fußballähnlichen Ballspielen ganz selbstverständlich teil. Dies lag in ihrer Kultur begründet, die keine strikte Geschlechtertrennung kannte (vgl. Fechtig, 1995, S. 11; Hoffmann/Nendza, 2005, S. 6; Rousselot, 1990, S. 229; Umminger, 2007, S. 18) [17]. Die Teilnahme von Frauen am volkstümlichen Fußballspiel „Soule“ im 12. Jahrhundert in Frankreich kann durch Quellenbelege mehrfach bestätigt werden (vgl. Fechtig, 1995, S. 11; Guttmann, 1991, S. 47; Schulz, 2008, S. 8). Ähnlich verhält es sich mit Überlieferungen, die von rituellen Frauen-Fußballspielen im mittelalterlichen England berichten (vgl. Fechtig, 1995, S. 11; Hoffmann/ Nendza, 2005, S. 6).

Es lässt sich also anhand historischer Belege zeigen, dass Frauen im Altertum und im Mittelalter keinesfalls von den Ballspielen exkludiert wurden. Sie spielten sowohl gemeinsam mit den Männern als auch gegen diese. So scheint die Geschlechtszugehörigkeit für die Frage der Inklusion lediglich von sekundärer Bedeutung gewesen zu sein. Primäres Strukturprinzip war z.B. in den stratifikatorisch differenzierten Gesellschaften des Mittelalters v.a. die Standeszugehörigkeit (vgl. Müller, 2007a, S. 121). Diese stellte das entscheidende Kriterium für die Frage der Spielberechtigung dar und weniger die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht [18]. Dementsprechend betrieb lediglich das einfache Volk den englischen Village Football, wohingegen der Adel diesem fernblieb (vgl. 1.2).

Die Soziologin Marion Müller (2007a, S. 120) namhaften Sozialwissenschaftlern zum Vorwurf, dass diese die in modernen, primär funktional differenzierten Gesellschaften geltenden Deutungsmuster von Geschlecht unhinterfragt auf die Sozialstruktur vormoderner, primär stratifikatorisch differenzierter Gesellschaften übertragen. Sie kritisiert z.B. nachfolgende Aussage über den Folk Football in England von Eric Dunning, der zusammen mit Norbert Elias die Entwicklung des Sports vor dem Hintergrund von Zivilisationsprozessen untersuchte: 

„Spiele dieses Typs entsprachen offenkundig der Struktur einer Gesellschaft, […] in der sich die Machtbalance zwischen den Geschlechtern stärker zugunsten der Männer neigte. Kurzum, diese volkstümlichen Spiele waren Ausdruck einer recht extremen Form des Patriarchats. Als solche verkörperten sie Macho-Werte in einer relativ ungezügelten Form“ (Dunning, 2003, S. 480f). 

Müller wirft Dunning vor, dass dieser die Geschlechterdifferenz unhinterfragt als universell gültige soziale Teilungsdimension versteht, von der selbstverständlich angenommen wird, dass diese auch für den Sport Geltung hatte (ebd., S. 120). Wie bereits geschildert, scheint jedoch die Geschlechtszugehörigkeit für die Frage des Zugangs zu den vormodernen Bewegungsformen nur von sekundärer Bedeutung gewesen zu sein. Diese fungierte nicht als Ausschlusskriterium, sondern stand lediglich für eine von mehreren Möglichkeiten der Mannschaftsbildung, genauso wie Alter, Familienstand oder auch die örtliche Herkunft (ebd., S. 122). Aufgrund des hohen Gewaltpotentials des Folk Footballs wird in der Literatur auch des Öfteren unterstellt, dass ein solch rohes und gewalttätiges Spiel für Frauen ungeeignet gewesen sein musste und diese sich deswegen davon fernhielten. So stellt die vorherrschende Gewalt z.B. für Schulze-Marmeling einen wesentlichen Grund dar, warum die Akteure des Volksfußballs in der Regel Männer gewesen seien mussten (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 13). Tatsächlich beteiligten sich aber auch Frauen gleichermaßen an diesen rauen Spielen:  

„They pushed, shoved, kicked, and frolicked with as much reckless abandon as their fathers, brothers, husbands, and sons; and they seem to have suffered as many broken bones and cracked crowns as the men did“ (Guttmann, 1991, S. 47f). 

Ähnlich äussert sich Giulianotti über die Fußballbeteiligung der Frauen am Folk Football: „[T]heir play was no less hardy than the men’s, and they suffered the same injuries” (Giulianotti, 1999, S. 152). Marion Müller deutet diesen Tatbestand als Beleg für eine deutlich geringer ausgeprägte Geschlechterdifferenz innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft. Für Müller (2007a) ist erst eine Bedeutungsverschiebung bzw. „Erfindung“ der Geschlechterdifferenz im 18. und 19. Jahrhundert für die spätere Exklusion der Frauen aus dem Fußball und die Entwicklung des Fußballs zum Männersport verantwortlich.

2 Das moderne Fußballspiel in England 

2.1 Die „Erfindung“ der Geschlechterdifferenz (Müller)

Im semantischen Alltagswissen der heutigen Gesellschaft sind die Personenkategorien Frau und Mann als transhistorische Phänomene verankert, deren Bedeutung zeitlos und unveränderbar erscheint, so Hirschauer:  

„Der Geschlechtsunterschied“ ist in unseren zeitgenössischen Gewissheiten „eine biologische Konstante […], ein natürliches Fundament aller Geschichte, außerkulturell und ahistorisch“ (Hirschauer, 1996, S. 240). 

Im Folgenden soll nach Müller aufgezeigt werden, dass die Geschlechterdifferenz weder im Alltag noch in vormodernen Formen der Bewegungskultur immer schon als universal gültiges Strukturprinzip fungiert hat (vgl. Müller, 2007a, S. 116). Geschlecht stellte zwar so wie heute auch in der Vormoderne eine Ordnungsdimension dar – es existierte also eine Unterscheidung zwischen Mann und Frau –, allerdings erhielt die Geschlechterdifferenz erst im 19. Jahrhundert diese neue und wesentlich radikalere Qualität als zentrales Strukturprinzip (ebd., S. 116).  

Mittels einer Begriffsanalyse von historischen Konversationslexika, wie sie Hausen (1976, S. 366ff.) und Frevert (1995, S. 17-60) vorgelegt haben, lässt sich die Bedeutungsverschiebung der Geschlechterdifferenz deutlich nachweisen. Der Analyse zufolge bezeichnete das Wort „Geschlecht“ in deutschen Lexika bis zum 18. Jahrhundert die gemeinsame Abstammung und diente damit v.a. der Beschreibung der Gemeinsamkeiten von Menschengruppen. Diese rein genealogische Bedeutung trat erst Ende des 18. Jahrhunderts gegenüber einer biologischen Deutung des Begriffs zurück. Geschlecht bezeichnete nun primär die Unterscheidung zwischen Frauen und Männern. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde auch der soziale Kontext und nicht die Natur als Definitionskriterium der Begriffe „Mann“ und „Frau“ herangezogen (vgl. Frevert, 1995, S. 25ff.). In den Lexika vormoderner Gesellschaften lassen sich keine universellen Aussagen über die Frauen und die Männer finden, sondern lediglich vom sozialen Stand der Personen abhängige Definitionen (vgl. Hausen, 1976, S. 370). Somit hatte die Geschlechterdifferenz zu dieser Zeit noch keine standesübergreifende Bedeutung und wurde auch nicht als Folge körperlicher Unterschiede betrachtet (vgl. Laqueur, 1992, S. 20f). Die Hierarchie der Geschlechter trat hinter die Hierarchie der Stände zurück und bildete folglich nur ein sekundäres Ordnungsprinzip.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts ersetzten neue universelle Charakterbeschreibungen die soziale Komponente aus den Geschlechterdefinitionen (vgl. Frevert, 1995, S. 30f). Damit wurde aber ein „partikulares“ durch ein „universales“ Ordnungsprinzip ersetzt, wie es Hausen beschreibt:  

„Statt des Hausvaters und der Hausmutter wird jetzt das gesamte männliche und weibliche Geschlecht und statt der aus dem Hausstand abgeleiteten Pflichten werden jetzt allgemeine Eigenschaften der Personen angesprochen“ (Hausen, 1976, S. 370). 

Von nun an besaßen alle Männer und Frauen geschlechterspezifisch polarisierende psychische und soziale Wesenseigenschaften. Demnach galt der Mann nun als mutig, tapfer, kraftvoll, für das öffentliche Leben bestimmt und wies Ratio sowie die Fähigkeit zum abstrakten Denken auf. Die Frau hingegen war schwach, wankelmütig, passiv, bescheiden, für das häusliche Leben bestimmt und besaß einen übermäßigen Hang zur Emotionalität (vgl. Hausen, 1976, S. 368). Die neue Geschlechterphilosophie fungierte nun als eine Art Bildungsprogramm, durch welches vorweggenommene Geschlechtsunterschiede bestätigt und in soziale Unterschiede transformiert werden konnten. Dadurch begann sich die durch die Festschreibung der neuen Geschlechtscharaktere noch proklamierte Gleichrangig- und Gleichwertigkeit von Frau und Mann allmählich aufzulösen (ebd., S. 373-388). Dies machte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts v.a. im Bildungssystem bemerkbar, das den Frauen sukzessive den Zugang zu höherer Bildung verwehrte. Für den größten Teil der Frauen blieb einzig die Erziehung und Ausbildung zum „eigentlichen“ Beruf von Frauen: Zur Gattin, Hausfrau und Mutter. Frauen wurden auf den privaten und Männer auf den öffentlichen Bereich fixiert (vgl. Kleinau/Mayer, 1996, 11-73; Schlüter, 1987, S. 48-101).

Um den Ausschluss der Frauen aus dem öffentlichen Bereich zu legitimieren, wurde versucht, eine kausale Verknüpfung zwischen der Existenz körperlicher und daraus abgeleiteter psychisch-sozialer Geschlechtsunterschiede herzustellen. Durch diesen Vorgang sollte sich die soziale Geschlechterordnung als naturgegeben und daher unveränderbar rechtfertigen lassen, so Schiebinger (1993, S.300ff.). Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestand daher die Hauptaufgabe der noch jungen Disziplinen der Medizin und der vergleichenden Anatomie, körperliche Differenzen zwischen Männern und Frauen ausfindig zu machen, was aus Sicht der damaligen Medizin noch keineswegs selbstverständlich erschien (ebd., S. 300ff.).  

Seit der Zeit Galens (Anatom der Antike) bis ins Mittelalter war man der Meinung, Frau und Mann unterscheiden sich körperlich lediglich in der Ausprägung der Geschlechtsteile und auch hier nicht wesentlich voneinander (ebd., S. 231ff.) [19]. Erst im späten 18. Jahrhundert wurde Kritik an dieser Körpertheorie laut: „Geschlechtlichkeit beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Organ, sondern erstreckt sich über mehr oder weniger bemerkbare Abstufungen auf jeden Körperteil“ (Roussel, in Schiebinger, 1993, S. 268). Im Jahr 1788 beschrieb der deutsche Anatom Jakob Ackermann in seinem Buch „Über die körperliche Verschiedenheit“ jeden nur denkbaren Unterschied zwischen Mann und Frau, der sich in Knochen, Haar, Mund, Augen, Stimme, Blutgefäßen, Schweiß und Gehirn seiner Ansicht nach erkennen lassen konnte und forderte die Anatomen dazu auf, „noch andere mehr wesentliche“ zu entdecken (Ackermann, in Schiebinger, 1993, S. 268).

Laqueur zufolge entstanden eine Anatomie und Physiologie der Inkommensurabilität, in denen die Beziehung von Mann und Frau nun als Beziehung der Differenz gesehen wurde (ebd., S. 269). Dieser beschreibt den Wandel, der die Mutation der Frau und ihrem Körper zu einem Wesen sui generis bedeutete, als Wechsel vom „Ein-Leib-ein-Geschlecht-Modell“ der Vormoderne, in dem die Beziehung zwar hierarchisch, aber innerhalb derselben Parameter gedacht wurde, hin zum „Zwei-Leiber-zwei-Geschlechter-Modell“ der Moderne. Ab diesem Zeitpunkt wurde das soziale durch das biologische Geschlecht als erstrangige Kategorie ersetzt (vgl. Laqueur, 1992).  

2.2 Die Einlagerung der Geschlechterdifferenz in den Fußball  

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts existierten einige Varianten des englischen Folk Footballs nicht mehr. Neben der Bekämpfung des Fußballs durch die Krone, begegnete auch die Kirche dem Spiel mit Ablehnung [20]. Vor allem aber bedeuteten einschneidende Veränderungen der englischen Gesellschaft in dieser Zeit, wie etwa der Vormarsch der industriellen Revolution, die fast flächendeckende Auflösung der frühen Formen der Volksfußballspiele (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 13ff.) [21]. Zu dieser Zeit fand ein Verbürgerlichungsprozess statt, der die Grenzen zwischen den Ständen durchlässiger werden ließ. Dieser Prozess bedeutete die Umstellung von einer stratifikatorischen auf eine funktional differenzierte Gesellschaftsform. Dadurch waren die sozialen Positionen nicht mehr an die soziale Herkunft gebunden, sondern basierten auf Leistung (vgl. Luhmann, 1997, S. 739ff.).

Einzig an den elitären Public Schools [22], den englischen Internatschulen, die als reine Männergesellschaften geführt wurden, überlebten die alten, wilden Volksspiele, da sie hier nicht als Bedrohung von Eigentum und öffentlicher Ordnung eingestuft wurden [23]. Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert wurden die Fußballspiele an den Public Schools noch in volkstümlicher Tradition ausgetragen. Sie waren nach wie vor wild und roh. Gespielt wurde nach mündlich überlieferten Regeln, ohne Schiedsrichter, feste Begrenzung der Spielerzahl und Festlegung der Platzgröße.

Es bestand allerdings ein entscheidender Unterschied zu den traditionellen Volksspielen, der für die weitere Entwicklung maßgebend war: Die Spiele an den Public Schools standen in enger Verbindung mit dem sogenannten „Primaner-Fuchs-System“, einem System der Selbstverwaltung der Schüler, das sich wesentlich auf die Herrschaft der älteren über die jüngern und schwächeren stützte. Das Fußballspiel an den Internatschulen wurde also von den herrschenden Schülern und nicht aus pädagogischen Gründen von Lehrern eingeführt und diente der Ermittlung und Festigung der jeweiligen Hackordnung innerhalb der Schülerschaft (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 25ff.; Dunning, 1979, S. 42; Schulze-Marmeling, 2000, S. 17f). Die schulische Autorität an den Public Schools war gering. Dies lag daran, dass im Laufe des 18. Jahrhunderts immer mehr Schüler aus der Aristokratie von Public Schools aufgenommen wurden und Schüler aus den unteren Klassen sukzessive ablösten. Somit lag der Status der Lehrer meist deutlich unter dem ihrer Schüler. Die sozial besser gestellten Kinder sollten die Internatschulen in erster Linie nicht wegen der formalen Schulausbildung, sondern vielmehr zum Zwecke einer informellen Erziehung besuchen. Die Mehrheit der Eltern hielt die selbstorganisierten Fußballspiele der männlichen Schüler, die von Macht- und Prestigekämpfen dominiert wurden, für ein nützliches Training für Männlichkeit, Führertum und Unabhängigkeit [24]. Man verfolgte das Ziel, „[e]ine Rasse von robusten Männern mit Initiative, regem Kreislauf, männlichem Edelmut und einem vitalen Geist“ hervorzubringen (Dewey, in Mason, 1997, S. 25).

Gemäß der „Deszendenztheorie“ Darwins und seiner Maßregel „Survival of the Fittest“ sollten die Jungen durch das Sportspiel Fußball zu starken, lebensfähigen Individuen ausgebildet und „auf das Leben draußen“ vorbereitet werden. Um und nach 1830 änderte sich der Fußball an den Public Schools in Richtung einer strikteren und formaleren Organisation sowie einer Steigerung der Komplexität und des Spielniveaus. Regeln wurden schriftlich festgelegt und den Spielern wurde ein höheres Maß an Selbstkontrolle abverlangt. Das Spiel wurde folglich „zivilisierter“, indem die wilden Züge beseitigt oder unter strikte Kontrolle gebracht wurden.  

Dieser Modernisierungsprozess des Fußballs war eine „unbeabsichtigte“ Folge der sozialen Veränderungen, die mit der Industrialisierung verbunden waren. Denn durch diese veränderte sich die Machtbalance zwischen den Klassen zugunsten der Bourgeoisie, der industriellen Mittelklasse, im Verhältnis zur Aristokratie. Aus diesem Verbürgerlichungsprozess folgte eine Intensivierung der Statusrivalität zwischen den oberen und mittleren Klassen, gleichzeitig ein Anwachsen der Statusrivalität zwischen den Public Schools. Dieser Prozess führte aber auch z.T. zu einer Verschmelzung der etablierten und aufsteigenden Klassen und ihrer Wertvorstellungen.

Als Konsequenz wurden die Public Schools ab 1830 mit dem Ziel reformiert, die Autorität der Lehrer wieder herzustellen und gleichzeitig den Jungen ein ausreichendes Maß an Freiheit zu gewähren. So wurde das „Primaner-Fuchs-System“ allmählich in ein indirektes Herrschaftssystem verändert, bei dem der Direktor der Schule nun wieder die Kontrolle über seine Schüler inne hatte. Dies entsprach dem sogenannten „Mid-Victorian-Compromise“, der gegenseitigen Anpassung von etablierter und aufsteigender Macht (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 23ff.; Dunning, 1979, S. 42-49; Schulze-Marmeling, 2000, S. 21). Die Jungen sollten nun nach dem neu entstandenen „Gentleman“-Ideal, einer Synthese aus den alten, aristokratischen und neuen, bürgerlichen Vorstellungen, erzogen werden. Dieses neue Bildungsprogramm interferierte mit den kürzlich etablierten Vorstellungen der polarisierenden Geschlechtscharaktere. Diese waren mittlerweile, wie oben erwähnt, in Form geschlechterspezifischer Lehrinhalte im Schulsystem festgeschrieben und verbanden sich nun im Schulfußball mit bürgerlichen Tugenden, wie individuelle Tüchtigkeit, Eigeninitiative oder Disziplin. Demzufolge hatte das neue Konzept von Männlichkeit die Funktion einen „aufrechten“, vernünftigen, gesunden und charakterfesten Mann, kurz einen Gentleman, hervorzubringen, der jederzeit seine Gefühle und seinen Körper unter Kontrolle haben sollte.  

„Diese Eckpfeiler männlicher Identität unterschieden die Angehörigen der bürgerlichen und aristokratischen Eliten in ihrer Selbstwahrnehmung sowohl von den als kränklich und gefühlsbestimmt betrachteten Frauen als auch von Angehörigen der Unterschichten, den Homosexuellen, den Männern der kolonisierten Gesellschaften und den Juden, die man allesamt als emotional, moralisch zweifelhaft und in physischer Hinsicht entweder als kränklich oder aber durch einen übermässigen Sexualtrieb bestimmt ansah“ (Brändle/Koller, 2002, S. 24) [25].   

Die „zivilisierende“ Umwandlung des Fußballs an den Public Schools kann somit als eine Umwandlung in Richtung des dem Gentleman angemessenen Verhaltens als Teil des Verbürgerlichungsprozesses gedeutet werden (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 24ff.; Dunning, 1979, S. 48; Müller, 2007a, S. 123). Als erstes fand die Verwandlung des Fußballs in einen Wettkampf auf höherem Zivilisationsniveau an der Public School of Rugby im Jahre 1845 durch die Festschreibung von Regeln statt. In diesen Regeln wurden viele brutale Praktiken der früheren Spiele verboten und Gebote zur Spieleinstellung („Fairness“) sowie Sanktionsnormen im Falle von Regelverstößen eingeführt (vgl. Dunning, 1979, S. 48ff.; Väth, 1994, S. 49) [26]. Dennoch blieb die Gewaltanwendung relativ hoch, wodurch eine Befriedigung durch die Teilnahme an einem „männlichen“ Wettkampf gewährleistet werden sollte (vgl. Dunning, 1979, S. 51ff.) [27]. Im Jahre 1849 wurden auch an der Public School von Eton die Regeln für das Spiel schriftlich proklamiert. Diese verboten nun zum ersten Mal in der Geschichte des britischen Fußballs den Gebrauch der Hände. Die sich nun abzeichnende Trennung zwischen dem Rugby- und Fußballspiel erwies sich als Ausdruck der Statusrivalität zwischen den Public Schools von Eton und Rugby, so Dunning. Die Entstehung des Fußballsports als ausschließlich mit dem Fuß praktiziertes Spiel, wurde also durch gesamtgesellschaftliche Prozesse im viktorianischen England in Bewegung gesetzt (vgl. Dunning, 1979, S. 51ff.).

2.3 Die Exklusion der Frauen und die Entstehung des (Männer-)Fußballs

In den 1850ern verbreiteten sich Varianten des Fußballs, die sich an verschiedenen Public Schools entwickelt hatten, in den oberen und mittleren Klassen der britischen Gesellschaft. Im Jahr 1863 wurde die „Football Association“ (FA) gegründet, nach deren einheitlichen Regeln schon bald die ersten Fußballclubs spielen sollten [28]. Die entgültige Trennung in „Association Football“ (kurz „Soccer“ [29]) und „Rugby Union Football“ (kurz „Rugby“) wurde allerdings erst durch die 1871 gegründete Rugby Union besiegelt (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 28; Dunning/Sheard, 1979, S. 82f.; Eisenberg, 1997, S. 8; Schulze-Marmeling, 2000, S. 24). Um diese Zeit wurde die Herauslösung des Sportspiels Soccer aus seiner aristokratischen und bürgerlichen Exklusivität in Gang gesetzt. Fußball wurde nun auch Bürgern aus der Mittel- und Arbeiterklasse zugänglich [30]. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das Fußballspiel in England u.a. auch dank eines gut entwickelten Telegraphen-, Post- und Transportsystems zu einem professionellen Zuschauersport der Arbeiterklasse [31] geworden. (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 30ff.). Soccer galt nun als „ein Volksspiel im vollsten Sinne des Wortes“ (Koch, 1894, S. 5), an dem sich Angehörige aus allen gesellschaftlichen Gruppierungen sowie nach wie vor auch Frauen beteiligten.

Dies impliziert, dass die Geschlechterdifferenz um diese Zeit für den Fußball noch kein zentrales Strukturprinzip markiert haben muss (vgl. Müller, 2007a, S. 123). Zwar bedeutete die im 19. Jahrhundert bereits fest institutionalisierte geschlechterspezifische Segregation des Bildungssystems und der Ausschluss der Mädchen von höherer Schulbildung eine gleichzeitige Segregation des Sports, aber noch keinen systematischen Ausschluss der Frauen aus dem Soccer. Obwohl an den Mädchenschulen v.a. Netzball und an den Public Schools der Jungen v.a. Fußball gespielt wurde, fanden die Mädchen und jungen Frauen dennoch Zugang zum Soccer [32]. Im Jahr 1894 wurde das erste englische Frauenfußballteam, die „British Ladies“, gegründet, das ein Jahr später vor 10.000 Zuschauern ein erstes offizielles Match austragen konnte. Der „Manchester Guardian“ prophezeite dem Frauenfußball daraufhin folgendes:

„Wenn die Neuigkeitswirkung verflogen sein wird, […] wird Frauenfußball wohl keine Massen anziehen, aber es scheint keinen Grund zu geben, warum Frauen sich nicht dieses Spiels bemächtigen sollten als eine neue und gesunde Form der Entspannung […]“ (Williamson, in Fechtig, 1995, S. 13) [33].

Philipp Heineken, einer der ersten Sportjournalisten Deutschlands, berichtete bereits 1896 ganz selbstverständlich darüber, „dass Fußball [in England] längst auch von Mädchen gespielt wird, und dass sie sich ganz wohl dabei fühlen“ (Heineken, in Müller, 2007a, S. 124) [34]. Die Frauen spielten nach den offiziellen Regeln der FA über die gleiche Dauer, mit dem gleichen Ball, auf dem gleichen Platz wie die Männer und wohl auch regelmäßig gegen diese. Anders lässt sich das 1902 von der FA auferlegte Verbot nicht erklären, in dem die Männer-Mitgliedsvereine aufgerufen werden, nicht mehr mit und gegen „Lady-Teams“ zu spielen (vgl. Arndt, 2006a, S. 17; Brändle/Koller, 2002, S. 217f.; Fechtig, 1995, S. 12ff.; Hoffmann/Nendza, 2005, S. 7; Müller, 2007a, S. 123ff.; Schulze-Marmeling, 2000, S. 95ff.).

Dieses Verbot kann historisch als Geburtsstunde der Geschlechtersegregation im britischen Fußball angesehen werden, welches nach Müller (2007a, S. 125) einerseits die Frauen zu unwürdigen Gegnern degradierte und andererseits die Geschlechterdifferenz explizit sichtbar machen und nachhaltig betonen sollte. Dennoch hatte das Verbot von 1902 immer noch nicht die vollständige Exklusion der Frauen aus dem Fußballsport zur Folge. Der Frauenfußball in Großbritannien erlebte während des 1. Weltkrieges einen regelrechten Aufschwung. Gründe für diese ungeahnte Popularität waren zum einen das temporäre Einstellen des gesamten Spielbetriebs der Männerfußball-Wettbewerbe und zum anderen die Übernahme der männlichen Arbeitsplätze in den Fabriken durch Frauen [35]. Die Rüstungsfabriken avancierten folglich zur Keimzelle des organisierten Frauenfußballs. Die FA stellte diesem nun, da er relativ zügig eine hohe Zuschauernachfrage generieren konnte, geeignete Stadien zur Verfügung. Dies geschah aber nicht, um den sportlichen Wettkampf unter Frauen zu fördern, sondern aufgrund der „patriotischen“ Ausrichtung des Sports: Die Spiele sollten die Moral an der „Heimatfront“ stärken und Geld für kriegsbedingte karitative Projekte einspielen. Für die Öffentlichkeit bedeutete der „Ladies Football“ eine Sensation mit „Show-Charakter“, der Zuschauermassen in die Stadien lockte. Das FA-Verbot von 1902 wurde kurzfristig gelockert und gemischtgeschlechtliche Fußballspiele waren nun auch wieder möglich (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 218; Fechtig, 1995, S. 17ff.; Müller, 2007a, S. 125; Schulze-Marmeling, 2000, S. 96). In den Nachkriegsjahren kam es zu einem regelrechten Frauenfußballboom, obwohl zeitgleich der nun neu organisierte Männerfußball einen kräftigen Aufschwung erfuhr [36].

Professionelle Trainer und regelmäßiges Training können als Indizien für Professionalisierungstendenzen der Frauenfußballteams dieser Zeit gewertet werden. Bereits 1921 existierten im Zuge dieser Entwicklung ca. 150 Frauenfußballklubs in England.

Zeitgleich mit der um sich greifenden Fußballbegeisterung der Frauen Anfang der 1920er Jahre, wurden jedoch auch viele ablehnende Reaktionen auf das Fußball-Engagement der Frauen publik. Man(n) befürchtete, der Frauenfußball würde einen Teil der Aufmerksamkeit für die Männerteams absorbieren und auch die FA sah im Frauenfußball eine Konkurrenz für den (Männer-)Fußball. Insbesondere aber sorgte man(n) sich um die Aufrechterhaltung der traditionellen Geschlechterordnung, so Brändle und Koller (2002, S. 219). Frauen sollten, wie diejenigen die während des Krieges in klassische Männerberufe nachgerückt waren, auch im Fußball den Männern wieder Platz machen. In der Öffentlichkeit wurde zudem darüber diskutiert, ob Frauen wirklich Fußballspielen sollen und v.a. auch können. Im Jahre 1921 machten sich Gerüchte breit, es seien Spieleinnahmen von Spielerinnen und ganzen Teams veruntreut worden und nicht in wohltätige Zwecke geflossen [37]. Diese Gerüchte lieferten der FA den Vorwand, um offiziell gegen fußballspielende Frauen vorzugehen, obwohl es weder Beweise noch Zeugen gab [38]. Kurze Zeit später fasste die FA als Konsequenz auf die geschilderten Anschuldigungen den Beschluss, dass die Männermitgliedsvereine auf ihrem Gelände Frauenfußballspiele nur mehr unter einer Reihe von Auflagen dulden durften [39]. Noch am Ende des Jahres 1921 sprach die FA schließlich mit dem entscheidenden Argument der angeblichen Ungeeignetheit des Fußballspiels für Frauen das grundsätzliche Verbot aus, Frauenteams auf den Plätzen ihrer Männermitgliedsvereine spielen zu lassen (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 119f.; Fechtig, 1995, S. 19ff.; Müller, 2007a, S. 126ff.; Schulze-Marmeling, 2000, S. 97f).

Um den Ausschluss der Frauen aus dem Fußball zu legitimieren, wurde v.a. die weibliche Physis in den Mittelpunkt gerückt. Man griff nun auf Belege von Ärzten zurück, die besagten, dass der weibliche Körper den Anstrengungen eines Fußballspiels nicht gewachsen sei. Im Zentrum der medizinischen Argumentationen stand v.a. die Gebär- und Mutterfunktion der Frau, die als Widerspruch zum sportlichen Leistungsgedanken interpretiert wurde [40]. Es wurden aber auch ästhetische Einwände vorgetragen: So mache es das Fußballspiel den Frauen nicht mehr möglich, weiblich-attraktiv auszusehen.

Dennoch meldeten sich auch Befürworter des Frauenfußballs zu Wort, die die genannten Gründe als nicht legitim für den Ausschluss der Frauen aus dem Fußball ansahen (vgl. Williamson, in Müller, 2007a, S. 126). Diese waren allerdings in der Unterzahl und die Mehrheit deutete den Fußball zunehmend als männliche Angelegenheit, aus dem die Frauen vollständig exkludiert werden sollten. Es wurde begonnen, Fußball entschieden als männlichen Kampfsport zu definieren, was als Versuch der Institutionalisierung der „polarisierenden Geschlechtscharaktere“ in den Fußball interpretiert werden kann (vgl. Müller, 2007a, S. 127).

Die Diskussionen über die Frauenbeteiligung im britischen Fußball belegen, dass es in dieser Frage damals noch keine allgemein anerkannte und selbstverständliche Antwort gab. Die Vehemenz, mit der die Frauenfußball-Gegner ihre Behauptungen, der Sport sei für Frauen unangemessen, vortrugen, verdeutlicht, dass es damals auch keineswegs selbstverständlich war, ob die Frauen sich widerstandslos dieser Deutung fügen würden. Die Ansicht, dass Fußball ausschließlich von Männern gespielt werden sollte, musste also erst im allgemeinen gesellschaftlichen Wissensvorrat verankert werden, was man mit dem Verweis auf die Unangemessenheit des Fußballs für Frauen zu erreichen versuchte (ebd., S. 127). Mit dem grundsätzlichen Verbot für Frauenteams, auf Plätzen der Männerteams zu spielen, schaffte die FA 1921 auf diese Weise Fakten, denen sich die Frauen kaum widersetzen konnten. Zwar gründeten wenig später 25 Frauenteams ihren eigenen Dachverband, die „English Ladies Football Association“ (ELFA), doch bedeutete der FA-Beschluss das faktische Ende des Frauenfußballs in England, da nur die FA-Clubs über Rasenflächen verfügten und Frauen somit keine Spiele mehr austragen konnten [41] (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 8; Müller, 2007a, S. 126ff.; Schulze-Marmeling, 2000, S. 98).

Kurz nach dem 2. Weltkrieg erfuhr der englische Frauenfußball, bedingt durch die verbesserte gesellschaftliche Stellung der Frau während und nach dem Krieg und ähnlich wie nach dem 1. Weltkrieg, nochmals eine kleine Hochphase. Diese war allerdings nicht vergleichbar mit dem Boom zwischen 1915 und 1921 und fand kurz darauf bereits wieder ihr Ende (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 99).  

3 (Männer-)Fußball in Deutschland 

Um die Jahrhundertwende kam es zur globalen Ausbreitung des Fußballsports als Begleiterscheinung des britischen Imperialismus. Soccer gelangte nicht nur in Länder, in denen das britische Empire eine Direktherrschaft ausübte, sondern auch in jene, in denen Briten lediglich lebten und arbeiteten, somit auch nach Deutschland (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 46) [42]. Es waren englische Studenten und Kaufleute, die den Fußball in die deutschen Handelszentren, Residenzstädte und Bäder brachten. Deutsche Gymnasien wurden in der Folge zur Keimzelle des einheimischen Fußballs (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 38).

3.1 Der hohe Erziehungswert des (Männer-)Fußballs  

Pioniere waren der Gymnasialprofessor Konrad Koch [43] und der Turnlehrer August Hermann, die das Spiel nach britischem Vorbild bereits 1874 an einem Braunschweiger Gymnasium einführten (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 38; Gillmeister, 2008, S. 34f). Aus Sicht der Lehrer bot das englische Spiel zwei wesentliche Vorteile gegenüber dem Turnen, das an den deutschen Schulen im 19. Jahrhundert unterrichtet wurde. Dieses war durch Übungen geprägt, die in großen Gruppen gemeinsam durchgeführt wurden, was eine hohe Disziplin, vielfach auch Drill seitens der Turnlehrer erforderte. Erstens sollte das Fußballspiel von den Schülern weitestgehend selbst gemäß dem englischen Vorbild an der Public Schools organisiert werden. Die Lehrer sollten nur im Notfalle einschreiten. Damit wollten Koch und Hermann den Schwerpunkt von der Fremddisziplinierung auf die Selbstdisziplinierung der Schüler verlagern, um diese zu mehr Selbständigkeit zu erziehen. Zweitens sollte das dem englischen Fußball innewohnende Leistungs- und Mannschaftsprinzip eingeführt werden, welches den Turnspielen gänzlich fehlte, da diese keine Mannschaftsaufteilung im eigentlichen Sinne kannten und auch nicht auf ein Spielziel ausgerichtet waren. Beim Turnen war die besondere Leistung Einzelner und deren Herausragen aus der Gruppe ebenso verpönt wie der leistungsorientierte Wettkampf. Im Vordergrund stand die möglichst harmonische und gemeinsame Durchführung von Übungen, bei denen es lediglich auf gute Haltung und korrekte Ausführung ankam. Hierbei sollten die Leistungen aller anerkannt werden und nicht nur derjenigen, die sich wegen besserer körperlicher Voraussetzungen gegen andere durchsetzen konnten.

Der Fußball verkörperte geradezu das Gegenteil und somit eine attraktive Alternative zum Turnen. So trat an die Stelle einer eher amorphen Gemeinschaft eine klar abgegrenzte Mannschaft, die nicht nur gegen andere Mannschaften spielte, sondern diese auch im Sinne des Wettkampfgedankens besiegen wollte. Außerdem bot der Fußball die Möglichkeit, den Körper viel exzessiver, unkontrollierter und freier einzusetzen, als dies beim Turnen möglich war (vgl. Brüggemeier, 2002, S. 3ff.; Eisenberg, 1997a, S. 95; Hopf, 1979, S. 71ff.). Die vormals „volkliche und erzieherische Gebrauchskunst“ Turnen war mit der Einführung als Schulsport und der damit verbundenen Verlagerung vom Freien in geschlossene Turnhallen in Deutschland in Verruf geraten und zu einer schlichten „Bewegungsschule“ degradiert worden (Hueppe, in Naumann, 2008, S. 32) [44]. Konrad Koch war der Überzeugung, dass „beim Fußballspiel unsere deutsche, des frischen Spiels im freien entwöhnte Jugend am schnellsten und leichtesten ihre verlorene Spiellust wiederfindet“ (Koch, in Court, 2004, S. 43). Der Fußball sollte aber das Turnen nicht vollends ersetzen, sondern „neben das Turnen zur Ergänzung“ treten „oder besser: unter die Turnübungen aufgenommen“ werden [45].

Koch und Hermann verfolgten mit der Einführung des Fußballspiels an den deutschen Schulen ein weiteres Ziel, nämlich „dass es zur Erstarkung der Sittlichkeit in unserem leider zum Teil verweichlichten und erschlafften Geschlechte mitwirkt“ (Koch, 1894, S. 208). Der Koch`sche Appell an die Sittlichkeit bezog sich auf die Trinkrituale der Schülerverbindungen, die zu dieser Zeit im ganzen Volke weit verbreitet waren und die v.a. die älteren Schüler im Gegensatz zu Koch als besonders „männlich“ bewerteten. Das Fußballspiel sollte dem Sittenverfall entgegenwirken, galt aber wiederum bei den höheren Klassen als „unmännlich“. So genierten sich die Schüler ab der Mittelstufe, in aller Öffentlichkeit beim Fußballspielen – und zudem lediglich mit einer kurzen Hose bekleidet – gesehen zu werden [46].

Um diese jedoch zum Schulsport zu bewegen, wurde zunächst die „derbere“ Variante des Fußballs, das Rugbyspiel, am Braunschweiger Gymnasium eingeführt, was auf folgenden Überlegungen Kochs basierte: Das „männliche Geschlecht will männliche Spiele. Um sich auszuleben, will es Gefahren.“ (Koch, in Hopf, 1979, S. 72). Hierfür schien Rugby ob seiner „Gefährlichkeit“ zunächst geeigneter als Fußball. Aber genau diese Eigenschaft des Rugbys veranlasste Koch und Hermann wiederum in der Folge dem Fußball Vorrang zu geben, da Rugby auf „eine körperlich erziehlich bedenkliche Holzerei“ (Koch in Hopf, 1979, S. 73) hinauslief. Deshalb führten sie die Fußballspielpflicht für die oberen Klassen ein, die den Fußball im Vergleich zum harten Rugby zunächst immer noch als „unmännlich“ bewerteten (vgl. Hopf, 1979, S. 68-75; Koch, 1894, S. 208). Die Braunschweiger Lehrer hofften deshalb auf eine Entwicklung des Fußballs in Deutschland zu einem „männlichen“ (Volks-)Sport, damit die „jungen Handwerker,[…] Kaufleute und […] die Arbeiterbevölkerung für die freien Stunden aus dem Dunste schlechter Kneipen in die frische Luft herausgezogen werden“. Fußball eigne sich zum männlichen (Volks-)Sport vortrefflich, so Koch,  

„weil sich große Massen daran beteiligen können, und weil Knaben, Jünglinge und junge Männer gleichmäßig dadurch zu hoher Spiellust und zu großem Spieleifer fortgerissen werden. Möge auch in unserem Volksleben Fußball eine „sittliche Triebfeder“ werden!“ (Koch, 1894, S. 208).  

3.2 Die Verbreitung des (Männer-)Fußballs  

Das preussische Unterrichtsministerium billigte das Spiel im Jahre 1882 an den deutschen Schulen. Es fand aber zunächst nur in den technisch-naturwissenschaftlichen und neusprachlichen Gymnasien sowie einigen höheren Schulen Verbreitung [47]. Allgemein hatte es das Fußballspiel im Wilhelminischen Deutschland zunächst schwer, da es aus den Reihen der Turnerschaft auf erbitterten Widerstand stieß [48]. Die Turner versuchten mit allen Kräften den Fußballsport, der eine ernsthafte Konkurrenz darstellte, als ausländisch zu brandmarken und lächerlich zu machen [49] (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 39ff.). Insgesamt verdammten sie alles, was sich mit dem Begriff „Sport“ verband und insbesondere die Aufladung des Sports mit englischer Eigenart [50]. Deswegen waren Verfechter des Fußballsports wie Konrad Koch darum bemüht, „alles Undeutsche fernzuhalten“ und „die Kunstausdrücke im Spiele gut deutsch“ zu wählen sowie „alle Sprachmengerei“ zu vermeiden (Koch in Naumann, 2008, S. 39, 42) [51]. Dieser Versuch, „dem Fußball das englische Trikot aus- und ein deutsches anzuziehen“ (Naumann, 2008, S. 43), erwies sich als hilfreich, um den englischen Sport v.a. für die älteren, konservativen und nationalistischen Generationen in Deutschland allmählich attraktiv werden zu lassen (vgl. Naumann, 2008, S. 39ff.). Für die jüngeren, liberalen Generationen hingegen, so Brüggemeier (2002, S. 5f), war wohl gerade die englische Herkunft für die Beliebtheit des Fußballs ausschlaggebend, da England für viele Jugendliche als Vorbild in Sachen Trends und Moden galt [52]. Demnach ist es auch nicht verwunderlich, dass die ersten deutschen Fußballvereine häufig unter Mitwirkung von Engländern in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts aus Schülermannschaften entstanden. Das Bildungsbürgertum bildete die soziale Heimat dieser Vereine [53]. Jugendliche und Erwachsene aus dem Arbeitermilieu bevorzugten hingegen zunächst das traditionelle Turnen, nicht zuletzt aufgrund des geringeren finanziellen Aufwandes [54] (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 41; Eisenberg, 1997a, S. 98ff.).  

Am 28. Januar 1900 wurde in Leipzig der „Deutsche Fußball-Bund“ (DFB) gegründet und zwei Jahre später fand die erste deutsche Fußballmeisterschaft statt [55]. Im DFB kristallisierten sich schon bald zwei rivalisierende Strömungen heraus, eine nationalistische, die sich an die Ideologie der Turner anlehnte, und eine kosmopolitische, die im Fußball ein Mittel der Völkerverständigung und der Überwindung nationaler Vorurteile sah. Erstere gewann in den unmittelbaren Vorkriegsjahren die Oberhand [56]. Der Fußball, der individuelle Initiative und kollektives Zusammenspiel zugleich schule, wurde 1910 in die Ausbildungspläne der deutschen Armee aufgenommen und schien den modernen militärischen Ausbildungsanforderungen angemessener als das Turnen [57]. Die Eigenschaften der Persönlichkeit des idealen Fußballspielers, wie beispielsweise „Kaltblütigkeit“, „Ruhe und Überlegungsfähigkeit“, „klarer Kopf“ und „klarer Blick“, „Entschlossenheit“ und „Ausdauer“, sollten den bevorzugten Eigenschaften des modernen Soldaten entsprechen [58] (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 38ff.; Eisenberg, 1997a, S. 94-102).

An der Schwelle zum 1. Weltkrieg blieb dem Fußball in Deutschland allerdings noch der ganz große Durchbruch zu einem Massenphänomen verwehrt. Dies änderte sich erst mit Verlauf des Krieges, der zu einer immensen Verbreitung des Sports beitrug. Der Weltkrieg schuf Bedingungen, unter denen der Fußball seine Faszinationskraft über den kleinen Kreis der Sportbegeisterten hinaus zu entfalten vermochte. Dies galt in erster Linie für die Millionen von Soldaten, die an der Front zum ersten Mal überhaupt Bekanntschaft mit dem Ballspiel machten [59]. Als die Soldaten 1918 in ihre Heimat zurückkehrten, hatten Millionen von ihnen Fußballerfahrungen gesammelt. Auf dieser Basis gelang dem Fußball in den darauffolgenden Jahren der Sprung von einer Randdisziplin zu einem Zuschauersport und Volksvergnügen mit schon bald enormer ökonomischer Bedeutung.

In Deutschland wiederholten sich nun verschiedene Prozesse, die sich in Großbritannien bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts abgespielt hatten. So streifte der Fußballsport in der Zeit der Weimarer Republik seine Mittelschichtpräferenz ab und expandierte in die Kreise der Arbeiterschaft, deren Mitgliedern es nun möglich war, durch die Verbesserung der Löhne und der Kürzung der Arbeitszeiten, sich am Sport zu beteiligen (vgl. Koller, 2006, S. 35; Pyta, 2004, S. 13ff.; Schulze-Marmeling, 2000, S. 31, 74). Das „englische Spiel“ wurde nun zum deutschen (Volks-)Sport, das milieumäßige Zuordnungen sprengte und dadurch einen Beitrag zur kulturellen Egalisierung der sich allmählich verbreitenden Massengesellschaft leistete. Auch die Massenmedien entdeckten den Fußball für sich und ließen ihn innerhalb kürzester Zeit – zunächst auf dem Printwege, dann über das Radio – zum Medienereignis werden, weshalb er auch nicht länger von der Politik ignoriert werden konnte [60]. Der schleichende, bereits in der Weimarer Republik begonnene Prozess der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Fußballsports schritt auch im Dritten Reich ungebrochen voran (vgl. Eisenberg, 1997a, S. 113) [61]. In den 1950er Jahren bot sich der Fußballsport, laut Pyta (2004, S. 26), besonders gut als Ausdruck regionaler Identitätspflege an [62]. Im Jahr 1963 eröffnete der inzwischen wiedergegründete DFB die noch heute bestehende Fußball-Bundesliga und erst 9 Jahre später, am 8. Mai 1972, wurde der Professionalismus für den deutschen Fußball entgültig und offiziell eingeführt [63]. Mit der Professionalisierung des Fußballs ging auch seine Kommerzialisierung einher (vgl. Eisenberg, 1997a, S. 115ff.).

Auch der Fußball in der DDR durchlief den Prozess der Professionalisierung, allerdings erschwerten bestimmte Faktoren eine ähnlich florierende Entwicklung wie in Westdeutschland [64] (ebd., S. 119f). Im Westen zeichnete sich der Fußball hingegen durch eine Kontinuität des Vereinswesens und eine fruchtbare Wechselwirkung von Tradition und Kommerz aus [65]. Die regionale Fußballkultur geriet jedoch in den 1980er Jahren mit der Entstehung eines globalen Marktes für Fußballspieler erheblich ins Wanken [66]. Europaweit war nun ein Trend zur nationalen Aufladung des Fußballs zu verzeichnen (vgl. Pyta, 2004, S.28ff.). Nach der Wiedervereinigung Deutschlands trat der Deutsche Fußball Verband der DDR im November 1990 dem DFB bei. In den 1990er Jahren setzte die „Globalisierung“ des Fußballsports vollends ein und immer mehr Spieler aus dem Ausland drängten nun in die Bundesliga [67]. Zu einer von den Bundesliga-Profis seit Jahren geforderten Trennung zwischen Profi-Fußball und Amateurbereich kam es im Jahr 2001 [68]. In der Folge wandelten sich einige Bundesliga-Spitzenvereine in Aktiengesellschaften um oder gingen an die Börse (vgl. Derichs, 2007, S. 36; Schröder/Kalb, 2007, S. 60ff.).   

4 Frauenfußball in Deutschland 

Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war in Deutschland eine Zeit, in der die fixierte Stellung beider Geschlechter in Gesellschaft und Familie nicht mehr selbstverständlich war, sondern von neuem legitimiert werden musste. Die geschlechterspezifische Arbeitsteilung, die sich v.a. im Bürgertum ausbreitete, wies nun eindeutig dem Mann die Berufs- und der Frau die Familienarbeit zu. Die Theorie der polarisierenden Geschlechtscharaktere bildete die Grundlage dieser Aufgabenverteilung. Das neue Verständnis bezüglich der naturgegebenen, gegensätzlich angelegten Wesensmerkmale der Geschlechter fand Eingang in alle gesellschaftlichen Bereiche. So blieb auch das sich um diese Zeit neu herausbildende Funktionssystem Sport von dieser Entwicklung nicht unberührt (vgl. Pfister, 1988, S. 39ff.).  

4.1 Die Relevanz der polarisierenden Geschlechtscharaktere 

Wie bereits in den Kapiteln 3.1 und 3.2 erwähnt, war der beliebteste „Sport“ in Deutschland um diese Zeit das Turnen, der vornehmlich ein Männersport darstellte. Die „körperliche Ertüchtigung“ der Frauen und Mädchen widersprach den gängigen Weiblichkeitsvorstellungen und ließ sich nur gegen viele Widerstände und auch nur z.T. durchsetzen. Erst um 1830 begann man sich theoretisch und praktisch um das Mädchenturnen zu kümmern, wobei die Sorge um Gesundheit, Schönheit und Anmut im Mittelpunkt der Bemühungen standen und auch medizinische Argumente eine Rolle spielten [69]. Dennoch schritt die Verbreitung des Mädchen- und Frauenturnens institutionell nur sehr langsam voran. Um 1850 versuchten Ärzte und Turnlehrer den Turnunterricht an Mädchenschulen einzuführen, da der Gesundheitszustand vieler Mädchen aufgrund des Mangels an Bewegung und der hautengen Kleiderordnung besorgniserregend schlecht war [70]. Trotz aller Bemühungen betrieben aber Frauen bis etwa 1880 so gut wie gar nicht und Mädchen nur in sehr eingeschränktem Rahmen Leibesübungen. Dies lag v.a. daran, dass die medizinischen Vorbehalte gegen das Mädchen- und Frauenturnen doch überwogen [71]. Es wurde ein erfolgreicher Kampf gegen Unweiblichkeit im Turnen geführt, meist mit dem Hinweis versehen, dass auf den „feiner Schonung bedürftigen weiblichen Körper“ (Kloß, in Pfister, 1988, S. 41) Rücksicht genommen werden müsse. Die medizinischen Vorbehalte gegen das Mädchen- und Frauenturnen waren v.a. deshalb wirksam, weil sie sich mit ästhetischen und moralischen Bedenken zu relativ widerspruchsfreien – im Alltagswissen verankerten – Vorstellungen verbanden (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 12; Pfister, 1988, S. 39ff.).

Als Koch und Hermann den englischen Fußball an einem Braunschweiger Gymnasium im Jahr 1874 einführten, legten sie großen Wert darauf, dass sich das Spiel, wie bereits in Kapitel 3.1 beschrieben, zu einem „männlichen“ Spiel, einem Jungensport, entwickeln sollte. Für Hermann stand sogar fest: „Fußball wird wohl niemals von Mädchen oder Frauen bei uns gespielt“ (Hermann, in Hoffmann/Nendza, 2005, S. 14). Dennoch zog der Fußball-Pionier gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Erwägung, als „Ausgleich für das populäre Fußballspiel“ ein entsprechendes Spiel für Mädchen zu entwickeln (ebd., S. 14). Vermutlich basierten diese Überlegungen darauf, körperliche Betätigungsmöglichkeiten für Mädchen zu schaffen, um deren gesundheitliche Situationen zu verbessern. Die Lebensbedingungen der Mädchen und Frauen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren, v.a. in den schnell gewachsenen Großstädten, äußerst gesundheitsschädlich [72]. Die um diese Zeit eingeführte Schulpflicht für Mädchen sollte das mittlerweile weitverbreitete Engagement der Ärzte für eine Ausweitung und Intensivierung der körperlichen Erziehung von Mädchen unterstützen. Namhafte Ärzte sprachen nun sogar davon, dass es keine stichhaltigen Gründe gebe, die einer „völligen Gleichstellung beider Geschlechter in den Leibesübungen“ auch im „reiferen Alter“ entgegenstünden [73] und dass auch Frauen prinzipiell zu hohen sportlichen Leistungen fähig seien.

Hinter diesen Bemühungen standen jedoch insbesondere völkische und nationalistische Argumente: Die Frau hat ihrer „Wesensbestimmung“ als gesunde Mutter gerecht zu werden und soll gesunde und starke Kinder gebären, um die Wehrkraft des deutschen Volkes sicherzustellen. Trotz dieser traditionalistischen Sichtweise geriet der Mythos der weiblichen Schwäche um diese Zeit immer mehr ins Wanken. Dieser Prozess wurde durch die veränderte Rolle der Frau um die Jahrhundertwende hervorgerufen. Immer mehr Frauen aus allen sozialen Schichten wurden erwerbstätig, wodurch die traditionellen Frauenideale langsam in Frage gestellt zu werden schienen. Das Interesse der Frauen an der körperlichen Ertüchtigung wuchs nun rasch an. Ärzte und nun auch Ärztinnen [74] rieten den Frauen und Mädchen nach Belieben sportlich aktiv zu werden und empfahlen auch das Fußballspielen [75]. Viele Männer führten nun erneut die im Alltagswissen verankerten biologistischen und „sittlichen“ Argumente gegen Leibesübungen für Mädchen und Frauen in Feld, um den Status der ins Wanken geratenen traditionellen Frauenideale wiederherzustellen. Man(n) betonte nun die vermeintliche psychische und physische Vermännlichung des „schwachen Geschlechts“ durch die Leibesübungen und behauptete außerdem, dass die Prinzipien des Kampfes und des Rekordes dem Weiblichkeitsideal widersprächen. Die vorherrschenden Schönheits- und Weiblichkeitsideale steckten dem Mädchen- und Frauenturnen sowie den ersten Frauenfußballbewegungen im wilhelminischen Deutschland somit enge Grenzen [76]. Sporttreibende Mädchen und Frauen blieben vor dem 1. Weltkrieg eine verschwindend geringe Minderheit (vgl. Fechtig, 1995, S. 11ff.; Hoffmann/Nendza, 2005, S. 12ff.; Pfister, 1988, S. 42ff.).

4.2 „Sportgirls“ und „Wilde Mädels“  

Während des 1. Weltkrieges wurden die Frauen aufgrund der Abwesenheit der Männer zu verstärkter Verantwortung im öffentlichen Leben und Berufsleben genötigt. Somit ermöglichte die Zäsur des Krieges und die damit verbundenen politischen und sozialen Veränderungen den Frauen den Zugang zum öffentlichen Leben auch nach dem Krieg [77]. Frauen erlangten in dieser Zeit durch demokratische Gleichstellungsversuche ein entscheidendes Maß an Selbstbestimmung und -entfaltung. Trotz der Probleme bei der Umsetzung des Gleichstellungspostulats und trotz des weiterhin vorherrschenden Weiblichkeitskonzeptes erfuhren die Frauen zu Zeiten der Weimarer Republik einen Emanzipationsschub. Entsprechend ließen sie sich von der aufkommenden Massenbegeisterung für den Sport anstecken und interessierten sich v.a. für die modernen, aus England importierten Sportarten wie den Fußball.

„Wilde Mädels“ gründeten nun insbesondere im Arbeitermilieu reine Frauenfußballteams [78], spielten aber auch in gemischten Mannschaften mit und gegen Männer. Indem Mädchen und Frauen nun typische Männersportarten für sich entdeckten, so Hoffman und Nendza, opponierten sie gegen die klassischen Rollen- und Geschlechter-Festschreibungen und erprobten ein Stück gesellschaftlicher Gleichstellung [79]. Frauen drangen nun in vielen gesellschaftlichen Bereichen in Männerdomänen ein, was zu einer Infragestellung der traditionellen Weiblichkeitsvorstellungen und zu einer Veränderung des Frauentyps führte: Die vormals zurückhaltende, schutzbedürftige, zarte Frau mutierte nun zur selbstbewussten, erwerbs- und belastungsfähigen Frau, kurz: zur „Neuen Frau“ und im Bereich des Sports zum „Sportgirl“ (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 221f.; Fechtig, 1995, S. 22f.; Hering, 2002, S. 358; Hoffman/Nendza, 2005, S. 15ff.). Das neue weibliche Körperbewusstsein der Sportgirls, die Reform der züchtigen Kleidervorschriften im Frauensport und die Auflockerung sexueller Tabus waren Ausdruck des Emanzipationserfolgs der Frauen.

Sport und Emanzipation gingen zu dieser Zeit Hand in Hand. So war die Bewegung auf dem Gebiet des Frauensports ein Kampf um allgemeine Frauenrechte innerhalb der patriarchalischen Gesellschaft [80]. Die Emanzipationsbewegung in den 1920er Jahre geriet jedoch schnell vonseiten konservativer Männer und Frauen unter Beschuss, die das traditionelle bürgerliche Frauen- und Mutterbild hochhielten. Man diskutierte allerdings nicht mehr wie im 19. Jahrhundert darüber, ob Sport überhaupt für Frauen geeignet sei, sondern welche Inhalte und Formen für eine weibliche Körperkultur in Frage kommen. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Frage über die Eignung des weiblichen Geschlechts für Wettkampf und Leistung. Mediziner warnten vor sportlichen Dauerleistungen der Frauen, hervorgerufen durch die „weibliche Rekordsucht“, und die daraus resultierenden gesundheitlichen Schäden, welche in erster Linie die Gebärfähigkeit gefährden würden [81]. Man(n) sagte den Frauen nun auch nach, dass ihre „seelische Veranlagung auf Harmonie, und nicht auf Kampf“ (Körting, in Pfister, 1988, S. 44) ausgelegt sei, weshalb der männliche „Kampfsport“ Fußball für Frauen ungeeignet wäre. Der Kampf galt nach patriarchalischer Doktrin als männliche Eigenschaft und als Einbuße an Weiblichkeit:

„Sport ist Kampf (…). Die Funktionen des männlichen Körpers entsprechen dem männlichen Charakter und stimmen mit der Forderung auf Kampf und Höchstleistung überein. (…) Der Mann kann im Kampf heldische Größe erreichen, das echte Weib nie, denn die weibliche Eigenart entbehrt des Kampfmomentes. Dadurch wird das Weib das ergänzende Wesen. (…) Das Weib darf nicht zum sportlichen Wettkampf antreten“ (Dawin-Herne, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 16) [82].

Diese und ähnliche Beispiele [83] lassen sich als Versuche zur Institutionalisierung der polarisierenden Geschlechtscharaktere analysieren. Man versuchte nun den Fußballsport als ausschließlich männliche Angelegenheit zu deuten, aus dem die Frauen und Mädchen entgültig exkludiert werden sollten (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 221f.; Hoffman/Nendza, 2005, S. 15ff.; Müller, 2007a, S. 127; Pfister, 1988, S. 44f).

4.3 „Mannsweiber“: Die Angst vor der Vermännlichung der Frauen 

In der Weimarer Republik hagelte es Spott und Polemik gegen die fußballspielenden „Mannsweiber“ und gelegentlich sogar echte „Steine“ [84]. Der „Mainstream“ der Medizin fing an, den ins Wanken geratenen Mythos der weiblichen Schwäche erneut zur anthropologischen Konstante zu erheben. Die größte Sorge war nun, dass das „schwache Geschlecht“ durch das Fußballspiel vermännliche, was verheerende Folgen mit sich bringen würde. So schreibt z.B. Krieg 1922:

„Die vermännlichte Frau [verliert] das ihr ureigene Gefühl für den ihr eigensten Beruf der Frau und Mutter […]. Das notwendige weibliche Gefühlswesen wird abgestumpft und hart, der Sinn für all die kleinen […] Verrichtungen des Haushalts geht verloren (…), ja das echt weibliche Bedürfnis nach einem Kinde schwindet (…) […]. Eine Frau mit gestörtem Geschlechtscharakter kann keine rein geschlechtlichen Kinder erzeugen! Ihre Kinder werden der Gefahr perverser Anlagen und Neigungen ausgesetzt“ (Krieg,  in Pfister, 1988, S. 46) [85].

In den medizinischen Diskursen dieser Zeit wurde die angebliche körperliche und psychische Geschlechterdifferenz immer wieder betont, weil die Polarität der Geschlechter, als Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft angesehen wurde [86]. Die „weibliche Schwäche“, die Gefahr der Vermännlichung und des Verlustes der geschlechterspezifischen physischen und psychischen Unterschiede sowie die Bedrohung der Gebärfähigkeit veranlassten viele Ärzte dazu, den Wettkampfsport und insbesondere den Fußball für Frauen abzulehnen [87]. Aus Ergebnissen von Untersuchungen mit sporttreibenden Frauen von 1934, die von Ärztinnen unternommen wurden, ergaben sich keinerlei Fakten, die die Bedenken der Ärzte gegen den weiblichen Wettkampfsport stützten [88]. Diese Ärztinnen mit ihren auf eine Überwindung des biologischen Essentialismus abzielenden emanzipatorischen Vorstellungen mussten sich in der Folge, obwohl sie empirisch abgesicherte Daten lieferten, den Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit und der Minderwertigkeitskomplexe gefallen lassen, weil sie an den herrschenden Vorstellungen über die Geschlechterordnung rüttelten. Der Fußball als „männlich“ konnotierte Sportart sollte ein Privileg des „starken“ Geschlechts bleiben (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 223; Fechtig, 1995, S. 23f.; Hoffman/Nendza, 2005, S. 18ff.; Pfister, 1988, S. 44ff.).

Im nationalsozialistischen Deutschland wurden ähnliche Argumente gegen den Frauensport vorgebracht wie in der Weimarer Republik [89]. Lediglich nicht-wettkampfmäßig betriebene Leibesübungen wie Turnen oder Gymnastik wurden gefördert, um einen gesunden und starken arischen Frauentyp zu formen. Die Geschlechterpolarität wurde in Verbindung mit rassenbiologischen Zielen untermauert [90]. Der Frauenfußball widersprach dem nationalsozialistischen Leitbild. Demzufolge wurden Frauen, neben Beruf und Bildung, auch systematisch aus dem Fußball gedrängt, damit sie ihre Mutteraufgaben erfüllen konnten (vgl. Hoffman/Nendza, 2005, S. 24; Müller, 2007a, S. 129) [91].

4.4 Die Exklusion der Frauen aus dem Fußball 

Nach dem 2. Weltkrieg und mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland dominierte nach wie vor das patriarchalische Denken, obwohl die grundsätzliche Gleichberechtigung von Mann und Frau festgeschrieben wurde. So galt der Fußballsport immer noch als „unweiblich“ und nichtfraugemäß“ [92]. Nun stemmte sich der DFB, der sich bereits in der Weimarer Republik gegen eine Einführung des Frauenfußballs aussprach, „aus grundsätzlichen Erwägungen und ästhetischen Gründen“ entschieden gegen den Fußballsport der Frauen [93] (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 20-28). Unterstützung fand der DFB in einer wissenschaftlichen Studie über das Fußballspiel des niederländischen Psychologen Fred J. J. Buytendijk von 1952, in dessen Überlegungen sich die polarisierenden Geschlechtscharaktere des 19. Jahrhunderts übertragen auf den Fußball wiederfinden:

„Das Fußballspiel als Spielform ist also wesentlich eine Demonstration der Männlichkeit, so wie wir diese auf Grund unserer traditionellen Auffassungen verstehen, und wie sie zum Teil durch die körperliche Anlage (die hormonale Irritation) hervorgerufen wird. Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen […]. Das Treten ist wohl spezifisch männlich; ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich! Im Fußballspiel zeigt sich in spielender Form das Grundschema der männlichen Neigungen und der Werte der männlichen Welt“ (Buytendijk, 1952, S. 20).  

Am 30. Juli 1955, erging durch den Bundestag des DFB folgender Erlass an alle Mitgliedsvereine: 

„Der Bundestag des DFB hat sich einstimmig gegen die Einführung des Frauenfußballs ausgesprochen und grundsätzlich festgelegt, daß es den DFB-Vereinen nicht gestattet ist, Frauenfußballabteilungen zu bilden und Vereinsplätze für Frauenfußballspiele zur Verfügung zu stellen. Es ist auch den Schiedsrichtern der Regional- und Landesverbände nicht gestattet, Frauenfußballspiele zu leiten“ (DFB, in Novak, 1999, S. 493).

Als Argumente für dieses bundesweite Verbot des Frauenfußballs [94] wurden die weibliche Physis und Psyche sowie ästhetische Erwägungen genannt (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 28; Müller, 2007a, S. 130). Als Reaktion auf das Verbot wurden, ähnlich wie in England, kurz darauf Dachverbände für den Frauenfußball gegründet und Frauen spielten unverdrossen auf einigen wenigen kommunalen Fußballplätzen bis in die 60er Jahre hinein weiter Fußball [95]. Es wurden sogar inoffizielle Länderspiele mit bis zu 18.000 Zuschauern nach offiziellen FIFA-Regeln ausgetragen, über die positiv in der Presse berichtet wurde [96]. Die „Fußballbräute“ [97] zogen Befürworter des Frauensports, Schaulustige, aber auch Skeptiker und entschiedene Gegner an, von denen Spielerinnen „schon mal angespuckt“ (Nell, in Hoffmann/Nendza, 2005, S. 36) wurden. Dennoch überwog die Zustimmung und Begeisterung der männlichen Zuschauer [98]. Die Frauen demonstrierten, „dass sie durchaus Fußball spielen können, ohne dabei etwas von ihrer Weiblichkeit einzubüßen oder gar zum Gespött der neugierigen Männerwelt zu werden“ (Der Tagesspiegel, vom 16.10.1957, in Hoffmann/Nendza, 2005, S. 38). Der DFB aber blieb bei seiner Einstellung und rückte den Frauenfußball immer wieder in die Nähe von geschmacklosen Showveranstaltungen (ebd., S. 40).

4.5 Frauenfußball: Die Etablierung einer neuen Sportart

Die strikte Einhaltung des Verbots schien sich allerdings um die Mitte der 1960er Jahre verbandsintern allmählich aufzuweichen. Im Zuge der „neuen Frauenbewegung“ der 68er-Revolution wurden Stimmen laut, die „im Zeitalter der Gleichberechtigung“ die offizielle Erlaubnis des Frauenfußballs vom DFB einforderten (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 42ff.). 1970 fand in Italien die erste inoffizielle Frauenfußball-Weltmeisterschaft auch mit deutscher Beteiligung statt [99]. Dieses Ereignis sowie die offizielle Anerkennung des Frauenfußballs durch die UEFA und die FIFA 1970 und die Sorge, die immer zahlreicher werdenden Frauenmannschaften könnten eigene Verbände gründen, was zu einer unerwünschten Konkurrenz für die Männer hätte werden können, veranlassten den DFB am 30. Oktober 1970, das Frauenfußballverbot von 1955 aufzuheben [100]. Man führte als Begründung die veränderten Umstände und v.a. den Wegfall „medizinischer und ästhetischer Bedenken“ an sowie die Tatsache, dass es schon einige hundert Frauenmannschaften gebe. Es sollte aber auch zu Regeländerungen kommen, „um die Frauen bei der Ausübung ihres Sports vor Schäden zu bewahren“ (DFB, in Müller, 2007a, S. 132). Bei der Abänderung des Regelwerks wurde v.a. die weibliche Brust symbolisch aufgeladen und unter besonderen Schutz gestellt. So sollte die Abwehr des Balles mit angelegten Händen erlaubt werden [101]. Außerdem wurde die Spielzeit von 90 Minuten auf 60 Minuten verkürzt, mit einem leichteren Jugendball gespielt und Stollenschuhe verboten. Ferner durften lediglich weibliche Betreuerinnen eingesetzt werden und die Spiele nur bei bestmöglichen Platzverhältnissen zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober stattfinden.

Diese Regeländerungen belegen, so Müller, dass es sich bei der Aufnahme der Frauen in den DFB nicht um eine Re-Inklusion der Frauen in den Fußball, sondern um die Etablierung einer neuen Sportart, den Frauenfußball, handelte. Auf diese Weise sollte Inkommensurabilität geschaffen werden: Der Frauenfußball ließ sich nun nicht mehr mit dem (Männer-)Fußball vergleichen und die Frauen konnten somit nicht in Konkurrenz zu den Männern treten. Die umfassenden Regeländerungen betonten den Unterschied zwischen den Geschlechtern und zeigten auf, dass die Geschlechterdifferenz nach wie vor als legitimes Diskriminierungsmerkmal erachtet wurde. Die meisten der spezifischen Frauenfußball-Regeln wurden zwar zwischen 1980 [102] und 1990 wieder abgeschafft, dennoch gelten die Leistungen von Frauen und Männern seitdem als unvergleichbar, so Müller (vgl. Fechtig, 1995, S. 33; Hoffmann/Nendza, 2005, S. 46ff.; Müller, 2007a, S. 131ff.).

Auch über die Frage, wer die Frauenpartien als Referee leiten sollte, wurde 1970 entschieden: „Die Spiele sollen von guten, gegebenenfalls auch älteren Schiedsrichtern geleitet werden. Weibliche Schiedsrichter sind heranzubilden“ (Spielausschuss des DFB, in Fechtig, 1995, S. 33). Dieser Beschluss kann als offizielle Geburtsstunde des Berufes der Schiedsrichterin in Deutschland angesehen werden. Allerdings wurde dieser nicht aus einem emanzipatorischen Denken heraus getätigt, sondern war vielmehr einem bundesweiten Mangel an Schieds- und Linienrichtern geschuldet, so Fechtig (1995, S. 95). Vorerst wurden Schiedsrichterinnen lediglich im Juniorenbereich eingesetzt. Erst nach einiger Zeit wurde ihnen erlaubt, auch höherklassig zu pfeifen, ehe ihnen der Zugang zum (Männer-)Fußball bis zu Regionalliga und als Assistentinnen in der 2. Liga und Bundesliga gewährt wurde (vgl. Kemper, 1998, S. 174). Heute dürfen Frauen auch als Haupt-Schiedsrichterinnen in der 1. und 2. Liga eingesetzt werden, wobei, wie einleitend geschildert, bis dato lediglich eine Schiedsrichterin, Bibiana Steinhaus, in der 2. Liga des (Männer-)Fußballs tätig ist. Der DFB bemüht sich seit den 1990er Jahren verstärkt Frauen für die Leitung oder Assistenz bei Spielen im Frauen- und Männerfußball zu gewinnen (ebd., S. 174). Heute sind unter den 78.251 SchiedsrichterInnen lediglich 2.489 Frauen vertreten. Immerhin ist ein Zuwachs von knapp 14% zum Vorjahr zu verzeichnen (vgl. Schiedsrichter-Statistik im DFB, 2009).                

Zurück zum Frauenfußball: Seit 1984 finden offiziell Europa [103]- und seit 1991 Weltmeisterschaften im Frauenfußball statt. 1990 nimmt die deutsche Frauenfußball-Bundesliga ihren Spielbetrieb auf, 1996 wird Frauenfußball offizielle Disziplin der Olympischen Spiele und 2001 gelangte erstmals eine europäische „Champions League“ der Frauen zur Austragung. Das deutsche Frauen-Nationalteam wurde 1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005 und 2009 Europameister, 1995 Vizeweltmeister sowie 2003 [104] und 2007 Weltmeister. Bei den olympischen Wettbewerben 2000, 2004 und 2008 konnte die DFB-Auswahl der Frauen jeweils die Bronzemedaille gewinnen (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 231; Hoffmann/Nendza, 2005, S. 52-74; Müller, 2007, S. 133).

Trotz der größeren Erfolgsbilanz des Frauenfußballs im Vergleich zum (Männer-)Fußball, gehört dieser noch lange nicht so selbstverständlich zu unserer Alltagskultur wie der Fußball der Männer. Die mediale Aufmerksamkeit ist abseits der Großereignisse des Frauenfußballs äußerst gering [105]. Der Großteil der Bundesliga-Spielerinnen sind immer noch „Vertragsamateurinnen“, während die meisten Bundesliga-Herren zu den Topverdienern des Landes gehören. Für Hoffmann und Nendza besteht allgemeiner Handlungsbedarf für eine Verbesserung der Bedingungen des Frauenfußballs in Deutschland (vgl. Fechtig, 1995, S. 42f.; Hoffmann/Nendza, 2005, Vorwort, S. 68ff.).

Zusammenfassung 

Aus der historischen Analyse zur Entwicklung des Fußballspiels geht hervor, dass dieses in seinen frühen Formen im Altertum und im Mittelalter durchaus von Männern und Frauen betrieben wurde. Entgegen der auch in der sozialwissenschaftlichen Literatur häufig angenommen Vermutung, dass Frauen den vormodernen Spielen ob deren gewaltvollen Ausformungen fernblieben, konnte aufgezeigt werden, dass das Geschlecht im vormodernen Fußball keine Exklusionskategorie darstellte. Erst mit der „Erfindung der polarisierenden Geschlechtscharaktere“ (vgl. Müller, 2007a) im ausgehenden 18. Jahrhundert und der Einlagerung dieser dogmatischen Vorstellung in den Fußballsport, begann schließlich der vormals „neutrale“ Fußball zum (Männer-)Fußball zu mutieren und als „Männlichkeitsgenerator“ (Meuser, 2008, S. 118) propagiert zu werden. Erst in dieser Zeit setzte ein schleichender Verdrängungsprozess von Frauen aus dem (Männer-)Fußball ein, der letztlich in der entgültigen Exklusion von Frauen auch in gesetzlicher Form besiegelt wurde. Der später eingeführte Frauenfußball wurde mittels massiver Regeländerungen inkommensurabel zum Fußball der Männer gehalten, um die Geschlechterunterschiede möglichst auffällig erscheinen zu lassen (vgl. Müller, 2007a). Das folgende Kapitel will aufzeigen, dass die Funktion des (Männer-)Fußballs als „Männlichkeitsgenerator“ bis heute von Bedeutung ist.

5 Das Fußballspiel als „Männlichkeitsgenerator“ (Meuser) – Damals und Heute 

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel geschildert wurde, haben die Pädagogen des 19. Jahrhunderts die Bedeutung der damals neuen körperlichen Praktiken des Sports für die Konstruktion moderner Männlichkeiten früh erkannt [106] (vgl. Kreisky/Spitaler, 2006, S. 8). Der Sport – und in Deutschland zunächst das Turnen – entwickelte sich zum herausragenden Erziehungsfeld für die männliche Jugend [107]. Die strikte homosoziale Grenzziehung der jahnschen Turnergruppen sollte, so Klein (1990, S. 138ff.), die Inszenierung von „Männlichkeit“ erhöhen, indem sie das männliche Gruppenerlebnis sicherte, welches v.a. in der gemeinsamen Generierung von Tagträumen „männlicher Grandiosität“ bestand [108]. Die Inszenierung „männlicher Grandiosität“ wurde aber nicht nur in der Turnerbewegung vorgenommen, sondern galt entsprechend für den aufkommenden „männlichen Sport“ des 19. Jahrhunderts in seiner „permanenten Abfolge von Prüfung und Bewährung, Heldentum und Scheitern“ (Klein, 1990, S. 147) [109]. Brüggemeier vermutet, dass der Sport für Männer damals und heute derart attraktiv erscheint, da dieser eine Art „emotionales Ventil“ verkörpert. Demnach haben Männer durch den Sport die Möglichkeit, Gefühle auszuleben, was in den meisten anderen gesellschaftlichen Teilsystemen für „unmännlich“ gehalten wird [110]. So konnte sich der Sport zu einer den Männern vorbehaltenen Welt entwickeln, in der diese Emotionen und Formen der Körperlichkeit erfahren und ausleben konnten, die ansonsten gesellschaftlich nicht gestattet waren und dies teilweise bis heute noch nicht sind (vgl. Brüggemeier, 2002, S. 8). Auf der anderen Seite sollte der Sport – und in Deutschland insbesondere der Fußball – zur „Willenszucht“ beitragen (vgl. 3.1) [111]. Die Einführung des Fußballs in Deutschland hatte also eine zweischneidige Funktion: Zum einen stellte dieser eine gesellschaftliche Nische dar, in der Männer Gefühle zeigen und Aggressionen ausleben konnten, zum anderen wurde der Fußball als Mittel eingesetzt, um die „Selbstkontrollapparatur“ der Männer zu stärken, damit diese ihre Gefühle zu unterdrücken lernen. Dies war auch nach Hopf in einer sich immer schneller ausdifferenzierenden Gesellschaft von Nöten, in der mit einem zunehmenden Zivilisationsprozess (im Elias`schen Sinne; vgl. Elias, 1969) und einer immer stärkeren Entfaltung des „gesellschaftlichen Zwangs zum Selbstzwang“, die Fähigkeit zur Selbstkontrolle immer bedeutsamer wurde (vgl. Hopf, 1979, S. 75). Die Erziehungsinhalte des Fußballs und die „männlichen“ Werte, die dieser zu vermitteln in der Lage zu sein schien, konnten die Leibesübungen in einigen Punkten ebenfalls aufweisen [112]. Der entscheidende Unterschied zwischen dem Turnen und dem Fußballspiel lag jedoch darin, so Koch, dass Letzteres als „durchgebildetes Kampfspiel“ (Koch, in Court, 2004, S. 44) für die „[männliche] Erziehung zum Mute“ (Koch, in Hopf, 1979, S. 74) geeignet war:

„Fußball kommt als ein durchgebildetes Kampfspiel dem Bedürfnisse der kräftigen [männlichen] Jugend nach einem solchen am besten entgegen, denn immer wieder hat sie dabei […] Mut zu bewähren“ (Koch, in Court, 2004, S. 44).

Der Mut der jungen Männer als „wesentliche Objektivation des Willens“ (Court, 2004, S. 44) sollte somit systematisch durch das Fußballspiel geschult werden [113]. Koch sah deshalb im Kampfspiel Fußball das einzig wertvolle Mittel für die Charakterbildung der heranwachsenden männlichen Jugend [114]. Hinzu kommt ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen dem Turnen und dem Fußballspiel, der zunächst als „englische Eigenart“ abgetan wurde, jedoch fest in den Fußballsport eingeschrieben ist und somit auch den „deutschen Fußball“ charakterisiert. Dieser Unterschied betrifft die kompetitive Komponente des Fußballs. Es geht um die Logik des Wettbewerbs, um das „gleichzeitige [] Streben nach einer besseren Leistung“ (Witte, in Naumann, 2008, S. 41), welches den Fußball von den Leibesübungen unterscheidet, die diesen Aspekt nicht fokussierten. Beim Fußball geht es „zu jeder Zeit“ um das „Besterreichbare“ [115] (Anonym, in Naumann, 2008, S. 42) und „gegen einen möglichst starken Gegner möglichst schnell und möglichst oft zu gewinnen“ (Benary, in Court, 2004, S. 53) [116]. Auch für Steinitzer besteht der einzige Zweck des Sportes, zu dem er den Fußball, aber nicht das Turnen zählt, in den „genauesten Messungen und Vergleiche[n] der Kräfte und Fähigkeiten“: „Das Wesen des Sports ist somit ein Messen und Vergleichen oder in einem Worte: der Wettbewerb in irgend einer Form“ (Steinitzer, in Court, 2004, S. 41). Was den Fußballsport gegenüber dem Turnen auszeichnet, ist demnach die einzigartige Form seiner Konstruktionsmechanismen von Maskulinität durch die Erziehung zum „Mute“ und die Einübung in die kompetitive Logik. Der Fußball bildete und bildet also, so Marschik, zweifellos eine männliche Identität aus, deren Wirkung das Terrain des Sportes weit übersteigt:

„Als populares Massenereignis werden seine Werte in vielerlei Weise in die Gesellschaft eingeschrieben, […] wobei der Körper selbst den primären Ort der Verankerung sozialer Regeln bildet. […] Sport reproduziert und produziert durch seine Erscheinungsformen und besonders durch seine Heldenfiguren ein Wissen über die Welt, er kreiert oder verändert Wertvorstellungen und prägt oder relativiert Normensysteme. Sport bildet also eine eigenständige Kultur aus, er ist Teil, nicht Abbild von ´Welt`“ (Marschik, 2003, S. 13f).  

Marschik betont, dass der Sport keineswegs als „Spiegelbild der Gesellschaft“ missverstanden werden darf, sondern „aktive Beiträge liefert, die […] in einer Transmission hegemonialer Werte und Normen an ein `Massenpublikum’“ (Marschik, 2003, S. 11) liegen. Für Marschik ist hier zu Lande der Nationalsport Fußball konstitutiv für die Ausformung, Erhaltung und Perpetuierung männlicher Normen und Werte, einer männlichen Hegemonie (ebd., S. 9ff.).  

Der historische Abriss konnte belegen, dass dem Fußball in der Frage gesellschaftlicher Geschlechtsrelationen und -konstruktionen eminente soziale Bedeutung zukommt. So spielte der Fußball in seiner elitären Phase bereits im 19. Jahrhundert eine bedeutsame Rolle bei der Etablierung und Reproduktion eines ganz bestimmten Konzeptes von Männlichkeit, dem Ideal des „Gentleman“. Zwar änderten sich mit der Wandlung des Fußballs zum Massensport z.T. auch die ihm zugrundeliegenden Männlichkeitsideale, an seiner Funktion als „Männlichkeitsgenerator“ (Meuser, 2008, S. 118) änderte sich hingegen nichts. Demzufolge handelt es sich bei der Dimension Männlichkeit, so Kreisky, um eine kontingente, veränderliche und nicht homogene Kategorie. Ihrer Ansicht nach gibt es weder ein „ewig Männliches“ noch „die Männlichkeit“ schlechthin. Formen von Männlichkeit sind vielmehr soziale und politische Konstrukte, die kulturelle Differenzen aufweisen und historischen Veränderungen unterliegen. Männlichkeitskonstruktionen werden in gesellschaftlichen Diskursen und in sozialen Praktiken wie dem (Männer-)Fußball erzeugt und generiert (vgl. Kreisky, 2006, S. 28f.).

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Naumann, Marek (2008): Zur Geburt des deutschen Fußballs aus dem Geiste des Turnens. S. 30-48 in: Rautenberg, Michael / Tillmann, Angela / Böhnisch, Lothar (Hrsg.): Doppelpässe: Eine sozialwissenschaftliche Fußballschule. Weinheim und München: Juventa Verlag. 

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Winterling, Aloys (1990): Symposion und Knabenliebe: Die Männergesellschaften im archaischen Griechenland. S. 15-22 in: Vögler, Gisela / von Welck, Katrin (Hrsg.): Männerbande Männerbünde: Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Band 2. Köln: Rautenstrauch-Joest-Museum. 

Anmerkungen

  • [1]

     Die Wortzeichen „ts`uh“ und „küh“ bedeuten „mit dem Fuß stoßen“ und „Ball“ (vgl. Umminger, 2007, 16).

  • [2]

     Es galt als körperlich anstrengend und sollte die Fitness, Kraft, Technik, Begabung und Geschicklichkeit der Soldaten fördern sowie deren Gefühl für Solidarität und mannschaftliche Geschlossenheit stärken (vgl. Brinker, 2006, S. 55ff.).

  • [3]

     Zu dieser Zeit soll es sogar zur Gründung von ersten „Fußballclubs“ und zur Ausarbeitung eines festen Regelwerks gekommen sein (vgl. Brinker, 2006, S. 13, 67).

  • [4]

     Um die Mitte des 7. Jahrhunderts soll in Japan zum ersten Mal eine aus China exportierte Variante des Fußballs, das sogenannte „Kemari“, gespielt worden sein. Kemari kann als ein nicht wettkampfmäßig betriebenes Kreis-„Fußballspiel“ verstanden werden, bei dem 4 bis 8 Personen versuchen, ohne Gegner und Tore den Ball möglichst lange ohne Bodenberührung in der Luft zu halten. Das Spiel soll in einigen Hofadels-Familien traditionell als Haus-Sport praktiziert worden sein und sich in der Folge aber auch bei der Kriegerklasse und der breiten Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut haben. Beim Kemari steht v.a. der zeremonielle Charakter im Vordergrund. Ob und in welcher Weise sich Frauen an dem Spiel beteiligten, ist nicht überliefert (vgl. Brinker, 2006, S. 153; Rohr, 2006, S.23; Schulz, 2008, S. 8; Trautz, 1979, S. 38f.).  

  • [5]

     Der Vergleich zwischen dem damaligen Episkyros und dem heute bekannten  American Football trifft sogar in etwa auf die martialische Ausrüstung zu. Die Soldaten sollen ihre Ballschlacht mit Helm und Harnisch ausgetragen haben (vgl. Umminger, 2007, S. 18).

  • [6]

     Konrad Koch schließt aus den Schriften Senecas über das Harpastum, dass „[wir in ihm] ein dem heutigen Fußball gleiches oder mindestens sehr ähnliches Spiel sehen müssen“ (Koch, 1894, S. 69).  

  • [7]

     Auch auf dem amerikanischen Kontinent und im ozeanischen Raum konnte eine Fülle an völkischen Ballspielen nachgewiesen werden, die in vorkolumbianischer Zeit stattgefunden haben sollen. Beispiele hierfür sind das kultische Ballspiel „Tlaxtli“ der Maya und Azteken, die Gummiballspiele der Olmeken, die Kopfballspiele der Inkas und Otomaken, das „Linao“ der Araukaner oder das „Pe-ku-ki-ni-po-po“ („Trennball“) der Hawaiianer. Über die jeweiligen Spielweisen und Regelwerke ist allerdings nur sehr wenig bekannt. Dennoch deuten Indizien darauf hin, das bei einigen dieser Spiele der Ball bereits mit dem Fuss gespielt wurde. So haben Ethnologen allein in Nordamerika bei 31 Stämmen eine Variante des Fußballspiels festgestellt. Bezüglich der Frauenbeteiligung an diesen Ballspielen bestehen jedoch Überlieferungsmängel (vgl. Rohr, 2006, S. 23f.; Umminger, 2007, S. 18f.).

  • [8]

     Das Soule der Franzosen erhielt in Italien den Namen „Calcio“ und wurde insbesondere von Adeligen in den Städten Florenz, Padua, Vicenza und Venedig ausgetragen. Über die in Florenz gespielte Form, das „Calcio Fiorentino“, ist bekannt, dass die Teams je 27 Spieler zählten, die sich in je 4 Reihen gegenüberstanden. Es existierten feste Regeln, deren Einhaltung ein Schiedsrichter überwachte. Ein Werfen und Fangen des Balles war untersagt, einzig das Fausten war neben dem Treten erlaubt. Im Gegensatz zum volkstümlichen Soule, ließ das Calcio Italiens schon deutliche Züge des modernen Fußballspiels erkennen. Auch bezüglich dieser Fußballspielvariante bestehen Überlieferungsmängel hinsichtlich der Frauenbeteiligung (vgl. Gillmeister, 2008, S. 19ff.; Rohr, 2006, S. 25; Umminger, 2007, S. 20).

       

  • [9]

     Der mittelalterliche Begriff „Football“ bezieht sich genaugenommen auf einen besonderen Ball (eine luftgefüllte Tierblase, die manchmal mit einer Lederhülle versehen war). Village Football ist somit nicht als reines Fußballspiel zu verstehen (vgl. Elias/Dunning, 1984a, S. 95).   

  • [10]

     Die Anzahl der Spieler soll sehr hoch und oftmals auf beiden Seiten unterschiedlich gewesen sein (vgl. Mason, 1997, S. 22).

  • [11]

     Formelle schriftliche Regeln waren dem mittelalterlichen Folk Football unbekannt, da der überwiegende Teil der Bevölkerung des Lesens und Schreibens unkundig war (vgl. Elias/Dunning, 1984a, S. 94).  

  • [12]

     Im Jahr 1280 wird der Spieler H. de Ellington während eines „Fußball“-Spiels beim Zusammenprall mit dem Spieler David de Ken durch dessen heraushängendes Messer tödlich verletzt (vgl. Rohr, 2006, S. 24).

  • [13]

     Folgende Beschreibung des „Hurling“, eine Mischung aus Handball und Fußball, von R. Carew aus dem Jahre 1602 kann als stellvertretend für alle spätmittelalterlichen Ballspiele in England, die äußerst raue und brutale Ereignisse darstellten, angesehen werden: „Wenn das Hurling beendet ist, dann kann man sie nach Hause zurückgehen sehen wie von einer regelrechten Feldschlacht, mit blutigen Schädeln, mit gebrochenen und verrenkten Knochen und solchen Quetschungen, wie sie ihnen das Leben zu kürzen geeignet sind“ (Carew, in Elias/Dunning, 1984b, S. 113).

  • [14]

     Bereits im Jahr 1314 stellte der Lord Mayor von London das „Fußball“-Spielen in der Stadt unter Strafe, da es zu großen Aufruhr verursachte. In der Folge soll es bis ins 19. Jahrhundert hinein mehrfach zu weiteren Spielverboten durch die Obrigkeit gekommen sein, stets von der Angst getrieben, die Fußballspiele würden die öffentliche Ordnung gefährden: Verbote gegen das Fußballspiel wurden 1331, 1349, 1365 (Eduard III), 1388 (Richard II), 1401, 1409, 1410 (Heinrich IV), 1415 (Heinrich V), 1491 (Heinrich VII)  erlassen (Schulze-Marmeling, 2000, S. 14). Selbst 1845 soll es noch Verbote gegen das Spiel gegeben haben (vgl. Dunning, 1984, S. 124). Eine Ausnahme stellte offenbar Königin Elisabeth I. dar, die im Jahre 1577 eine „Week of Sports and Pastimes“ mit „Fußball“ veranstaltet haben soll.

  • [15]

     FIFA ist die Abkürzung für Fédération Internationale de Football Association  

  • [16]

     Die männliche Prägung der griechischen Gesellschaft begann in archaischer Zeit, als der Adel in Form von militärisch-politischen Männerbünden eine städtische Öffentlichkeit konstituierte. Die Gesellschaft wurde in „oikos“ und „polis“ geschieden,wobei den Männern die Politik vorbehalten blieb, während die Frauen auf den Bereich des Hauses beschränkt waren (vgl. Winterling, 1990, S. 15).

  • [17]

     Neben den männerbündischen „Militär-Gesellschaften“ der Plains- und Prairie-Indianer (vgl. Wilderotter, 1990, S. 237) lebten auch indianische Gesellschaften auf dem amerikanischen Kontinent, bei denen eine strikte Trennung der Geschlechtersphären gegenüber dem Prinzip der Kooperation zwischen Männern und Frauen zurücktrat. Diese Gesellschaftsformen waren also nicht männerbündisch organisiert, sondern standen beiden Geschlechtern grundsätzlich offen (vgl. Sanner, 1990, S. 248f.). Bei der Vielzahl von fußballähnlichen Spielen, die es nachweislich auf dem amerikanischen Kontinent gegeben hat, kann durchaus angenommen werden, dass v.a. in indianischen Gesellschaften, deren Geschlechterverhältnis auf Gleichheit beruhte, sich Frauen daran beteiligt haben könnten. Belege dafür konnten allerdings nicht ausfindig gemacht werden.

  • [18]

     So konstatiert auch Guttmann: „In a hierarchical society, social status determined who did what“ (Guttmann, 1991, S. 47).

  • [19]

     Man betonte mehr die Analogien denn die Differenzen zwischen den Geschlechtsorganen: „Alle Teile des Mannes hat auch die Frau, nur in einem unterscheiden sie sich,…dass bei den Frauen die Teile im Inneren des Körpers liegen, bei den Männern außerhalb des Körpers“ (Galen, übersetzt aus dem Lateinischen, in Schiebinger, 1993, S. 234). Männlichkeit und Weiblichkeit wurden also nicht mit der Genitalität in Verbindung gebracht, sondern waren das Ergebnis einer besonderen Mischung von vier verschiedenen „Körpersäften“ (ebd., S. 232).    

  • [20]

     So sorgten v.a. die Puritaner für eine Zurückdrängung des Fußballs. Diese sahen das „teuflische“ Spiel, das hauptsächlich an Sonntagen gespielt wurde, als ernsthafte Konkurrenz für die Religionsausübung an. Als eine weitere Ursache für den Niedergang der Spiele kann der zunehmende Einfluss „französischer Sitte“ auf die mittleren und höheren Kreise der britischen Gesellschaft benannt werden, welcher die Volksspiele in Misskredit brachte (vgl. Koch, 1894, S. 166f.).

  • [21]

     Im Zuge der industriellen Revolution wurde die Urbanisierung vorangetrieben und die Unterklasse in ein Fabriksystem gepresst. Eine Grundvoraussetzung für den Folk Football war die naturorientierte Zeiteinteilung der Agrargesellschaft. Die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung bedeuteten für die Volksspiele einen zunehmenden Mangel an Platz, Zeit und Spielern (Schulze-Marmeling, 2000, S. 13ff.).  

  • [22]

     Es handelt sich bei den Public Schools nicht um öffentliche, wie der Name suggeriert, sondern um private Einrichtungen, die als unabhängige Stiftungen betrieben wurden und ursprünglich begabten Kindern aus dem Bürgertum eine gute Schulbildung ermöglichen sollten (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 17f.).

  • [23]

     Es existieren Annahmen, dass das Ballspiel an den Public Schools nicht aus den Volksspielen Englands, sondern aus dem Calcio Fiorentino hervorgegangen sein soll. Vittorino da Feltre, der berühmteste Erzieher der italienischen Renaissance und Begründer der mit den Public Schools vergleichbaren Casa Giocosa, soll das Calcio im 15. Jahrhundert zum italienischen Schulspiel gemacht haben. Im 16. Jahrhundert sollen es mit da Feltres Schulspiel vertraute Italiener und englische Studenten gewesen sein, die das Spiel als Erziehungsmittel an die Public Schools gebracht haben sollen (vgl. Gillmeister, 2008, S. 26ff.; Umminger, S. 20). Auch Koch sieht im italienischen Calcio das „fehlende Mittelglied“ zwischen dem antiken Harpastum der Römer und der Entstehung des Fußballs in England (vgl. Koch, 1894, S. 108). Lanfranchi hingegen weist eine derartige Kontinuitätsthese mangels eindeutiger Quellenbelege zurück (vgl. Lanfranchi, 1997, S. 41).    

  • [24]

     Außerdem sollten sich die Kinder durch körperliche Betätigungen zum Schutz vor psychischen Erkrankungen und Seuchen gesund halten, die durch das rasche Anwachsen großer Industriestädte im England des 19. Jahrhunderts begünstigt wurden (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 23).

  • [25]

     Der Fußball galt zudem als probates Mittel, die physischen Energien der pubertierenden Jungen in nichtsexuelle Bahnen zu lenken und die homoerotischen Praktiken sowie die Onanie einzudämmen, die an den Public Schools als reine Jungenschulen vorherrschten und im Gegensatz zum Idealbild des selbstdisziplinierten und verantwortungsbewussten Gentleman standen (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 27).

  • [26]

     Es existierten nun auch feste Regeln bezüglich der Anzahl der Spieler, der Maße des Spielfeldes und der Tore sowie eine Präzisierung der Spielzeit (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 22).

  • [27]

     In der Folge wurde der brutale Krafteinsatz immer mehr durch spielerische und technische Fähigkeiten abgelöst. Dennoch blieb noch genügend Raum für die „männliche“ direkte Auseinandersetzung, aber nun eben auch für „Individualität“ (vgl. Dunning, 1979, S. 51ff.).

  • [28]

     Die FA schloss das Tragen des Balls und das „Hacking“, das Treten in die Beine, zwei zentrale Kennzeichen des Rugby-Spiels, für immer aus. Von nun an blieb das Fußballspiel auf sich selbst bezogen und konnte einen Eigenweltcharakter entfalten.

  • [29]

      Der Ausdruck „Soccer“ ist eine studentische Verballhornung des Wortes „Association“ (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 24).   

  • [30]

     Dies war eine Folge des Industrialisierungsprozesses und der damit einhergehenden Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Den Arbeitern stand nun vermehrt freie Zeit für sportliche Betätigungen zur Verfügung. Durch die zunehmende Organisation der Arbeiterschaft und deren „soziale Kämpfe“ erreichte ihr Lohnniveau einen Standard, der minimale Anschaffungen für Sportkleidung zuließ. Die anwachsende Macht der Arbeiterklasse führte zu einer direkten Konfrontation mit den oberen Klassen, die sich als die Hauptträger der Fußballentwicklung erwiesen hatten. Die aristokratische und bürgerliche Fußballelite begann sich nun mehr und mehr in exklusive Zirkel zurückzuziehen. Sie vertrat das „Amateur-Ideal“, bei dem der Sport das alleinige Ziel verfolgen sollte, Spass und Freude, also Zustände angenehmer Erregung, herbeizuführen. Ein solches Ethos sollte den Wohlstand und die Unabhängigkeit der oberen Klassen demonstrieren und zugleich der Abgrenzung von den unteren Schichten dienen, deren Angehörige mit zunehmender Popularität des Fußballs in den Arbeiterkreisen dessen Professionalisierung und Kommerzialisierung vorantrieben. Die Elite hatte die Befürchtung, dass der Berufsfußball, der durch die im Jahre 1888 gegründete Profi-Liga organisiert wurde, aus dem Sportspiel, das lediglich der Muße zu dienen habe, ausschließlich Arbeit machen und so sein Wesen zerstören würde. Mit der wachsenden Popularität des Soccers unter den Aktiven nahm auch die Zahl der Zuschauer zu. Die Bürger aus den gehobenen gesellschaftlichen Kreisen lehnten Fußball als professionellen Zuschauersport ab, da das Verhalten des Arbeiterpublikums der von der Public School Elite propagierten Affektkontrolle, der Beherrschung der Emotionen, nicht entsprach. Die Angehörigen der oberen und mittleren Klassen konnten beim Fußballspiel die Wert- und Verhaltensmuster, die einem Gentleman angemessen erschienen, nicht mehr zum Ausdruck bringen. Sie wandten sich folglich mehr und mehr vom Fußball ab und den einem Gentleman angemesseneren Disziplinen v.a. den Individualsportarten zu, deren Ausübung soziale Privilegien voraussetzte (vgl. Arndt, 2006b, S. 56; Dunning/Sheard, 1979, S. 87ff.; Mason, 1997, S. 29; Schulze-Marmeling, 2000, S. 30ff.).

  • [31]

     Erklärungsansätze für die ungemeine Popularität von Fußball in der Arbeiterschaft bietet Schulze-Marmeling (2000, S. 35ff.). Er liefert auch Antworten auf die Frage, warum ausgerechnet der Fußball zum beliebten Massensport avancierte und nicht etwa eine andere Mannschaftssportart wie Rugby oder Cricket (ebd., S. 27ff.).

  • [32]

     Offensichtlich ließen sich die Schülerinnen von den Vorbehalten ihrer Lehrerinnen, die den Fußball gemäß dem weiblichen Geschlechtscharakter für völlig unpassend für Mädchen hielten, nicht abschrecken und spielten trotzdem (vgl. Fechtig, 1995, S. 12).

  • [33]

     Die Zeitungskommentatoren fragten sich auch, welche Kleidung – „weibliche“ unpraktische Röcke oder „männliche“ sportive Kniehosen – den fußballspielenden Frauen angemessen sei. Diese Diskussion, die in der Folge geführt wurde, konnten die sporttreibenden Damen mit der als „Rational Dress Movement“ bekannt gewordenen Bewegung zu ihren Gunsten beenden und sich schließlich von den einengenden Kleidervorschriften befreien (vgl. Fechtig, 1995, S. 12f.).

  • [34]

     Im selben Jahr sollte eine englische Frauennationalelf ihr Debüt gegen eine niederländische Frauenauswahl geben, doch das Spiel wurde vom niederländischen Fußballbund verboten. Auch in Schottland organisierte v.a. die Frauenrechtlerin Lady Florence Dixey Benefizspiele zwischen Frauenteams (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 218;  Schulze-Marmeling, 2000, S. 95).  

  • [35]

     Es kam also vorübergehend zur Aufweichung der klassischen Rollenverhältnisse. Die durch die Industriearbeit bewirkte klassenübergreifende Frauensolidarität führte nun zu einer zeitweise anhaltenden Auflösung der „passiven und zurückhaltenden weiblichen Eigenart“ und förderte die Gründung weiterer Frauenteams (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 218; Schulze-Marmeling, 2000, S. 96).

  • [36]

     So schreibt Williamson: „Anfang 1921 war es, als ob ein Frauenfußball-Fieber das ganze Land ergriffen hätte. Jedes größere Dorf hatte nun ein eigenes Frauenteam, in den Städten […] gab es sogar mehrere gleichzeitig“ (Williamson, in Fechtig, 1995, S. 17). Die „Dick, Kerr`s Ladies“, eine 1917 gegründete Auswahl der Dick & Kerr`s Maschinenbaufabrik in Preston, avancierte zu dieser Zeit zum bekanntesten und erfolgreichsten Team des Frauenfußballs und bestritt auch internationale Partien, u.a. in den USA siegreich gegen Männermannschaften. Zum Spiel der „Dick, Kerr`s Ladies“ gegen die „St. Helen Ladies“ im Dezember 1920 in Everton kamen rund 53 000 Zuschauer, wobei weitere 10 000 Frauenfußballinteressierte nicht mehr ins Stadion hineingelassen wurden (vgl. Fechtig, 1995, S. 17ff.; Schulze-Marmeling, 2000, S. 96ff.).

  • [37]

     Frauen sollten zu dieser Zeit also immer noch nur für einen guten Zweck Fußballspielen, während Männer inzwischen damit Geld verdienen durften (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 119).

  • [38]

     Dieser Sachverhalt ließ den Frauenfußball-Historiker David Williamson vermuten, dass es sich um ein gezieltes Komplott gegen den Frauenfußball gehandelt haben muss: „Wer auch immer es war, man hatte nur eine simple Absicht: das öffentliche Vertrauen in das Spiel mit dem Namen ,Frauenfußball’ zu untergraben und das bisherige Image, nämlich das einer zwar bizarren, aber harmlosen Art, Gelder für gute Zwecke zu sammeln, in einem völlig anderen Licht erscheinen zu lassen“ (Williamson, in Fechtig, 1995, S. 20).

  • [39]

     Die FA verfolgte offenbar mit diesem zusätzlichen bürokratischen Aufwand, den organisatorischen Behinderungen und der Androhung hoher Strafen bei Nichteinhaltung der Auflagen, das Ziel, den Männervereinen alle Anreize zu nehmen, den Frauen Fußballplätze zur Verfügung zu stellen (vgl. Müller, 2007a, S. 128).

  • [40]

     So würde eine „heftige Leibeserschütterung“ die „Verlagerung und Lockerung der Gebärmutter […] bewirken und als deren Folge Sterilität, also den eigentlichen Lebenszweck der Frau, das Gebären kräftiger Nachkommenschaft, zeitlebens vereiteln“ (Gerson, in Pfister, 1988, S. 43f.).

  • [41]

     Eine damalige Spielerin äußerte sich auf das rückständige Verbot der FA folgendermaßen: „Der Kontrollausschuss der Football Association ist einhundert Jahre hinter der Zeit zurück, und seine Haltung ist pure Diskriminierung“ (Boultwood, in Fechtig, 1995, S. 21).

  • [42]

     Quellen belegen jedoch, dass hierzulande bereits im Mittelalter fußballähnliche Spiele existiert haben sollen, die vermutlich aus dem französischen Soule oder dem italienischen Calcio hervorgingen. So gedenkt z.B. Walther von der Vogelweide gerne eines „heiteren Ballspiels“ und erfreut sich am Anblick der „Mägde, die an der Strasse den Ball spielen“ (Koch, 1984, S. 107). Auch der mittelalterliche Minnesang beinhaltete Lieder über ein dem römischen Harpastum ähnliches Spiel in Deutschland, an welchem sich, nach Koch, nicht nur „Jünglinge allein“, sondern auch „die Jungfrauen des Dorfes […] kräftig daran und nicht ohne Erfolg [beteiligten], wenn sie auch von den kräftigen Stößen der gegen das schöne Geschlecht wenig Rücksicht nehmenden Burschen gelegentlich hart getroffen und sogar umgeworfen [wurden] (ebd., S. 108). Derartige Nachweise, die von ballspielenden Männern und Frauen in Deutschland berichten, fehlen für das 18. Jahrhundert gänzlich. Die widrigen gesellschaftlichen Bedingungen nach dem Dreißigjährigen Krieg hatten die Ballspiele aus dem deutschen Alltag vertrieben. Erst via England gelangte das Ballspiel, genauer der Fußball, wieder nach Deutschland (vgl. Eisenberg, 1997a, S. 95).  

  • [43]

     Koch „kämpfte“ praktisch, organisatorisch, publizistisch und wissenschaftlich fast 40 Jahre für die Durchsetzung des Fußballs in Deutschland (vgl. Hopf, 1979, S. 54).  

  • [44]

     Durch diesen Prozess hatte man das im Volk sehr beliebte und in seiner Ausübung durchaus grobe Turnen, so die Vorwürfe, nach und nach „entmannt“, ja das einst so wilde „Tierchen […] eingefangen, an den Krallen sorgsam beschnitten und in ein Schulfach gesteckt“ (Planck, 1982, S. 11). Die Kritiker behaupteten, dass das Turnen eine „den meisten Schülern […] verhasste Beschäftigung in geschlossenen Räumen“ sei, bei der jeder eine „willenlose Maschine unter dem Kommando eines […] Lehrers“ ist, wohingegen der Sport im Allgemeinen und der Fußball im Besonderen, ein „frohes Bewegungsspiel unter freiem Himmel“ sei, bei dem sich „das Einzelbewusstsein durch eine gewisse Freiheit des Handelns […] entwickeln kann“ (Fendrich, in Court, 2004, S. 37).

  • [45]

     Denn „gerade dies Spiel erzieht wie kaum ein anderes zu einem mäßigen und sittenreinen Leben, ohne welches das ganze Turnen hinfällig ist“ (Koch, 1894, S. 208).

  • [46]

     „Sexta und Quinta erschienen von Anfang an in großer Zahl auf dem Spielplatze; bei den anderen Klassen zeigte sich aber bereits die Macht der grundfalschen Ansichten, welche unsere Jugend beherrschten. Die Quartaner schämten sich bereits, so öffentlich zu spielen, und erst nach und nach legten sie die falsche Scham ab […]. Die Schüler der oberen Klassen waren vollends von dieser Scham noch mehr eingenommen und lernten diese erst auf einem verborgenen, den Augen neugieriger Zuschauer entzogenen Platze abzulegen“ (Bormann, in Hopf, 1979, S. 68).  

  • [47]

     In Bayern wurde es bis 1913 gänzlich verboten (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 41).   

  • [48]

     Die Turnbewegung war unter der Führung von Friedrich Ludwig Jahn Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland entstanden. Sie besaß von Beginn an einen nationalistischen Charakter und verfolgte den militärischen Zweck, die deutschen Männer für den Aufstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft (1806-1813) in Deutschland vorzubereiten. Ab 1869 wurde die „Deutsche Turnerschaft“ (DT) zu einer wichtigen Sozialisationsinstanz des deutschen Nationalismus (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 39).  

  • [49]

     1898 publizierte der deutsche Turnlehrer Professor Karl Planck ein Pamphlet über den Fußball mit dem Titel „Fusslümmelei: Über Stauchballspiel und englische Krankheit“ (vgl. Brändle/Koller, 2002, S.40).  

  • [50]

     Es wurde behauptet, dass „Sport (…) fremdes Wesen [sei], dem leider der Deutsche zuneigt, vielfach ohne sich bewusst zu werden, wie sehr er dadurch das Deutschtum erniedrigt“ (Nawroth, in Naumann, 2008, S. 40).

  • [51]

     So wurde der „Captain“ zum „Spielkaiser“, das „Goal“ zum „Tor“ oder das „Match“ zum „Wettspiel“ umbenannt. Koch erstellte eine Liste mit deutschen Fußballbegrifflichkeiten, die er mit dem Ziel der Fixierung beim Allgemeinen deutschen Sprachverein einreichte (vgl. Naumann, 2008, S. 42).   

  • [52]

     So wurde auch der Fußball Teil einer neu entstandenen Jugendkultur, die den neuen aus dem Ausland kommenden Trend bereitwillig aufnahm. Dies lässt sich an den hohen Exportabsatzzahlen von Bällen, Trikots und Schuhen aus England nach Deutschland ablesen (ebd., S. 5f.).

  • [53]

     Aber nicht nur Schüler und Studenten, sondern auch junge Berufstätige, insbesondere die vergleichsweise gutsituierten technischen und kaufmännischen Angestellten, die bereit waren, einen hohen Anteil ihres Einkommens für „Vergnügen“ und „Erholung“ aufzuwenden und die sich zu einer durch heterogene Berufe und hohe geographische Mobilität gekennzeichneten „traditionslosen“ Gruppe formierten, versuchten sich mit dem gleichermaßen (zumindest in Deutschland) „traditionslosen“ Fußballspiel zu vergesellschaften. Hinzu kam, dass die Angestellten mit dem Fußball Anschluss an das als Referenzgruppe betrachtete Bürgertum suchten (Eisenberg, 1997a, S. 98ff.).  

  • [54]

     Warum in Deutschland die Mitglieder der höheren gesellschaftlichen Kreise den Fußball im Gegensatz zum Rugby, der wiederum in Großbritannien als Spiel der Eliten galt, bevorzugten, hatte mehrere Gründe: Zum einen erschien Fußball weniger gefährlich und rau und deshalb in seinem gesellschaftlichen Entstehungsmilieu akzeptabler. Zum anderen wurde Rugby, zumindest im Lager der nationalistischen Fußballanhänger, als noch „englischer“ angesehen. So sollte Fußball zu einem „deutschen“ Spiel deklariert werden, das dem „englischen“ Rugby gegenübergestellt werden konnte. Die Durchsetzung des Fußballs gegenüber dem Rugby wurde somit durch deutschtümlerische Vorbehalte v.a. in den nationalistischen Kreisen befördert. Fußball erschien gewissermaßen als das kleinere Übel. Ein weiterer Grund war organisatorischer Natur: Die ersten deutschen Vereine waren oft sehr klein, die Mühe hatten, ein komplettes Team aufzustellen. Ein Rugby-Team benötigte jedoch noch vier Spieler mehr als eine Fußballelf (Schulze-Marmeling, 2000, S. 71).

  • [55]

     Im Mai 1904 wurde der Internationale Fußball-Verband (FIFA) in Paris gegründet. Gründungsmitglieder waren Frankreich, Belgien, Spanien, Schweiz, Dänemark und die Niederlande. Deutschland trat kurze Zeit später der FIFA bei, England erst im Jahr 1906 (vgl. Derichs, 2007, S. 35).    

  • [56]

     Der Fußball zeichnete sich somit bereits in seinen Anfangsjahren als besonders staatsorientiert aus (vgl. Eisenberg, 1997a, S. 94).  

  • [57]

     Dem Fußballspiel wurde nun bescheinigt, dass es einem „kleinen Manöver“ gleichkäme und „zur selbstlosen Opferwilligkeit des Einzelnen und zur Zurückstellung persönlichen Ehrgeizes im Interesse des gemeinschaftlichen Erfolges erziehe“. Die heute im Fußball geläufigen Begriffe wie „Angriff“, „Verteidigung“, „Flügeln“, „Flanken“ oder „Deckung“ entstammen der Sprache des Militärs des frühen 20. Jahrhunderts. In der von sozialer Militarisierung geprägten Atmosphäre der bürgerlichen Gesellschaft dieser Zeit, so Eisenberg, bezeichneten jene Ausdrücke ganz konkret den „Kriegszustand“, den das Fußballspiel symbolisierte. Die militärischen Metaphern im Fußball hatten in erster Linie die Funktion, das Zusammenspiel zu fördern (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 42; Eisenberg, 1997a, S. 101f.).

  • [58]

     Im Jahre 1911 trat der DFB dem paramilitärischen Jungdeutschlandbund bei, der die Jugend kriegstauglich machen sollte. Dies bedeutete einen Sieg für die Nationalisten innerhalb des Verbandes und ist Ausdruck der wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz, die der Fußball als Phänomen in Deutschland erlangte. Auch die männlichen Mitglieder der kaiserlichen Familie interessierten sich nun für das Spiel (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 42).

  • [59]

     Eingezogene Fußballsportler richteten sogar in ruhigen Abschnitten der Westfront, an denen praktisch keine direkte Feindberührung stattfand, einen halbwegs geregelten Spielbetrieb ein. Die Kölnische Zeitung berichtete sogar in der 2. Morgenausgabe vom 2. April 1916 von regelrechten Fußballplatzgründungen an der Front: „Wo sich nur irgendeine Gelegenheit dazu bot, entstanden in den Ruhestellungen, oft genug sogar mitten im Bereich der Feuerzone Fußballplätze, auf denen unsere Feldgrauen ihren Körper und ihre Lebensgeister in zwanglos fröhlichem Spiel wieder auffrischten“ (Kölnische Zeitung, in Pyta, 2004, S. 14).  

  • [60]

     Diese unterstützte nun den Fußballsport in Deutschland in Gestalt des Neubaus von Sportplätzen und bot den Fußballvereinen so überhaupt erst die Möglichkeit, die wachsende Popularität des Sports auszuschöpfen. Der Fußball erreichte einen derart hohen Beliebtheitsgrad in Deutschland, so Pyta, da er es vermochte, an eine tief verwurzelte Regionalkultur anzuknüpfen, die mit dem Prozess der Milieuauflösung in den Großstädten korrespondierte. Der Mannschaftssport Fußball stellte eine geeignete Möglichkeit zur Identifikation einer Region mit ihrem Verein dar (vgl. Pyta, 2004, S. 16ff.). Zur Reaktion der traditionellen Milieus, sprich der sozialistischen Arbeiterbewegung und der katholische Kirche auf die Herausforderung des Fußballs in Deutschland siehe Pyta (2004, S. 20ff.).  

  • [61]

     Ein Grund hierfür lag in dem Anliegen Hitlers, die Leistungsfähigkeit der deutschen Nationalmannschaft zu erhöhen und dies konnte nur mittels „hauptamtlicher“ Spitzenspieler gelingen, die wohl unter der Hand bezahlt wurden. Allgemein gilt es über den Fußball in der NS-Zeit festzuhalten, dass dieser zu politischen und propagandistischen Zwecken missbraucht wurde. Der deutsche Fußball wurde als Maßnahme der kriegerischen Expansionspolitik betrachtet, die mit stimmungsvollen Sportveranstaltungen einen harmlosen und friedvollen Anschein erhalten sollte. Der internationale Fußballbetrieb diente dazu, um den Eindruck der Isolation des Deutschen Reiches zu vermeiden. Im Innern wurde der Fußball zur Zerstreuung eingesetzt und um den Bürgern einen Eindruck von Normalität zu vermitteln (vgl. Eisenberg, 1997a, S. 112f.; Havemann, 2008, S. 63f.).

  • [62]

     Dieser knüpfte an das während der NS-Zeit intakt gebliebene Heimatbewusstsein an, welches in der Nachkriegszeit nicht als ideologisch kontaminiert galt. Auf diese Weise konnte der Fußball sein identitätsstiftendes Potential in der sich nun allmählich herauskristallisierenden Moderne entfalten (vgl. Pyta, 2004, S. 25). Im Jahr 1954 wurde der europäische Fußball-Dachverband UEFA (Union des Associations Europeennes de Football) gegründet (vgl. Derichs, 2007, S. 35).  

  • [63]

     Ein moderner Profi-Ligabetrieb erschien nun aussichtsreich, da sich in den 60er Jahren die Rahmenbedingungen für den Fußballsport außerordentlich verbessert hatten. Die Bürger der mittlerweile zur „Wohlstandsgesellschaft“ aufgestiegenen Bundesrepublik erfreuten sich nun eines freien Samstagnachmittags und konnten so ihre Lieblingsvereine, die zu dieser Zeit in den Stadien spielten, nicht nur lauthals, sondern auch finanziell unterstützen. Auch der Staat zeigte sich kooperativ und unterstützte das Projekt Bundesliga durch indirekte Subventionen (vgl. Eisenberg, 1997a, S. 116f.).

  • [64]

     Dem DDR-Fußball fehlte z.B. ein breiter Unterbau mitgliederstarker Vereine und ein Spielbetrieb bis hinunter zur dritten Kreisklasse, da das Vereinswesen systematisch behindert wurde (vgl. Eisenberg, 1997a, S. 119f.).

  • [65]

     Die traditionellen und regionalen Strukturen des ehemaligen Amateursports Fußball nutzte der nun kommerzielle Fußball als „Nährboden“. Umgekehrt erneuerte die Kommerzialisierung die traditionellen Strukturen, indem sie diese an die Marktentwicklung band. Auf diese Weise konnten neue Gemeinschaftsbeziehungen zwischen den Zuschauern und dem modernen Fußball entstehen, die mithilfe der Medien und der fortschreitenden Kommerzialisierung immer wieder von neuem gebildet wurden (ebd., S. 120f.).  

  • [66]

     Der Fußball löste sich allmählich von seinem regionalen „Nährboden“ und leiste nun seinen Beitrag zur Identitätsstiftung auf der Ebene der Nation (vgl. Pyta, 2004, S. 29).

  • [67]

     Dies wurde durch das sogenannte „Bosman-Urteil“ von 1995 begünstigt, das mit dem Argument der „freien Wahl des Arbeitsplatzes“ alle Beschränkungsklauseln für Ausländer im Fußball beseitigte. Hunderte Topspieler v.a. aus Südamerika und Afrika wurden nun von europäischen Spitzenvereinen unter Vertrag genommen. Heute sind einheimische Spieler in den meisten europäischen Elite-Clubs in der Unterzahl (vgl. Derichs, 2007, S. 36; Schröder/Kalb, 2007, S. 60ff.).   

  • [68]

     Ab diesem Zeitpunkt war die Bundesliga, allerdings weiterhin unter dem Dach des DFB, für sich selbst verantwortlich, der DFB hingegen weiterhin für die Nationalmannschaft, die Schiedsrichteransetzungen und das Sportgericht (vgl. Derichs, 2007, S. 36; Schröder/Kalb, 2007, S. 60ff.).   

  • [69]

     So schreibt z.B. Werner: „Die erhöhte Muskelkraft wird sie (die Frau) aufrechterhalten unter des Lebens Mühseligkeiten und vor Verunstaltungen schützen, […]; und ihre Schönheit wird sich erhöhen durch die reizende Blüte und Fülle, welche die Gesundheit über den zarten Körper ausgießt, durch die ungezwungene Grazie, die mit allen ihren Bewegungen sich verschwistern wird“ (Werner, in Pfister, 1988, S. 40).     

  • [70]

     Dies korrespondierte mit dem gängigen Frauenbild als kränkelndes, schwaches, schutzbedürftiges und unselbständiges Wesen. So sah man(n) den Grund für die häufigen Erkrankungen der Mädchen v.a. in der „schwächlichen Organisation“ der weiblichen Körper (vgl. Pfister, 1988, S. 41).   

  • [71]

     So schreibt z.B. Kloß um 1880: „Jedes stoß- und ruckweise Ausführen von Übungen muss hier bedenklich erscheinen. Das fordert schon die eigentümliche Lage der weiblichen Sexualorgane. Man darf nicht übersehen, dass der weibliche Körper seiner Bestimmung gemäß nach unten geöffnet ist, so dass bei heftigen Leibesübungen gar leicht Vorfälle entstehen können“ (Kloß, in Pfister, 1988, S. 41).  

  • [72]

     Viele Frauen und Mädchen litten zu dieser Zeit an Muskel- und Organschwäche, Bleichsucht oder Tuberkulose (vgl. Pfister, 1988, S. 42).  

  • [73]

     Siehe hierzu Profé: „Es gibt kein männliches und kein weibliches Turnen. Die gleichen Übungen haben auf den menschlichen Organismus auch die gleiche Wirkung“ (Profé, in Pfister, 1988, S. 43).

  • [74]

     Erst an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war es Frauen erlaubt den Arztberuf auszuüben und sich so für die Interessen der Mädchen und Frauen einzusetzen (vgl. Pfister, 1988, S. 42f.).  

  • [75]

     Demzufolge wurde eine Frauenfußball-Variante eingeführt, bei der die Frauen einen Kreis bildeten und sich den Ball mit dem Fuss zu spielten. Diese „brave Variante des harten Männersports“ (Fechtig, 1995, S. 11) glich wohl eher einer gymnastischen Übung und erfüllte den Zweck der körperlichen Ertüchtigung der Frauen, bewegte sich aber dennoch am Rande des Erlaubten, da die beim Spiel auftretenden Spreiz- und Grätschbewegungen sowie Hiebe und Stöße für die meisten Männer immer noch unakzeptabel waren.

  • [76]

     Dennoch fingen viele sportbegeisterte Frauen an, sich in selbständigen Vereinen zu organisieren. Unter der Leitung von Turnlehrerinnen waren sie frei in der Auswahl ihrer Übungen, die von volkstümlichen Leibesübungen über Stabhochsprung bis hin zu Hockey, Rudern oder Radfahren reichten. Zu dieser Zeit soll es auch bereits im hessischen Frankfurt ein Frauenfußball-Team gegeben haben (vgl. Fechtig, 1995, S. 14).

  • [77]

     Die traditionelle Hausfrauen- und Mutterrolle wurde nun einmal mehr durch neue Frauenberufe wie Stenotypistin, Fliessbandarbeiterin, Verkäuferin, Volksschullehrerin oder Sozialarbeiterin in Frage gestellt (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 221).

  • [78]

     Lotte Specht, die Gründerin des Frauenclubs 1. DFC Frankfurt, berichtet von der Motivation der Frauenrechtler, die sie zur Gründung des Vereins veranlasst hat: „Meine Idee, die kam nicht nur aus Liebe zum Fußballsport, sondern vor allen Dingen frauenrechtlerisch. Ich habe gesagt, was die Männer können, können wir auch“ (Specht, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 20).

  • [79]

     So schrieb z.B. Annemarie Kopp 1927: „Aufgabe des Sports soll sein, die künstlich aufgebaute Trennung und Entfremdung der Geschlechter zu vermindern. Er soll die Geschlechter auf der Basis reiner Menschlichkeit einander wieder näher bringen“ (Kopp, in Koller/Brändle, 2002, S. 222).

  • [80]

     Frauensport sollte ein Mittel sein, „um der Frau sich selbst zu helfen [und], um sich unabhängig vom Mann zu denken“ (Verständig, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 18).

  • [81]

     Durch Leistungssport drohe der „Frauenkörper und auch der Frauengeist schweren Schaden“ zu nehmen und die Frau könne deshalb ihrer „ureigensten Aufgabe“ der Mutterschaft nicht mehr nachkommen (Westmann, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 16).

  • [82]

     Ähnlich äußert sich Walter Huith in einem Artikel der Zeitschrift „Sport und Sonne“ aus dem Jahre 1925: „Das Fußballspiel ist ein Männerspiel, und seine Spielweise bleibt für das Weib immer mit rohen Momenten durchsetzt. Sollten diese auch im weiblichen Kampfe abgeschwächt sein, seine Ausführung ist es, die der deutschen Frau und dem deutschen Mädchen nie zusagen wird“ (Huith, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 19).

  • [83]

     In diesem Zusammenhang ist auch der Beitrag mit dem Titel „die Fußballerin“ aus der Zeitschrift „Die freie Turnerin“ des Arbeiter- Turn- und Sportbundes von 1925 zu nennen, in dem zu lesen steht: „Das Fußballspiel ist ein männliches Kampfspiel mit all den Begleiterscheinungen, die der Kampf mit sich bringt. […] Was für den Mann ein Ausdruck der Kampftüchtigkeit ist, das wird hier bei der Frau zur lächerlichen […] „Fratze“, zur „Karikatur“. Darum fort damit“ (anonym, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 19). Ferner ist folgender Ausspruch von 1926 zu erwähnen: „Der Kampf gebührt dem Mann, der Natur des Weibes  ist er wesensfremd“ (Kuhn, in Fechtig, 1995, S. 23).

  • [84]

     „Die Zuschauer und die Männer, die haben sogar Steine nach uns geworfen“ (Specht, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 20).

  • [85]

     Ähnlich argumentiert Sellheim, für den „Weiblichkeit und männlicher Anbau des Körpers Feinde sind“: „Durch zuviel Sport nach männlichem Muster wird der Frauenkörper direkt vermännlicht (…). Die weiblichen Unterleibsorgane verwelken und das künstlich gezüchtete Mannweib ist fertig“ (Sellheim, in Pfister, 1988, S. 46f.).  

  • [86]

     „Aller Kulturfortschritt [liegt] in der steigenden Differenzierung der Geschlechter“ (Matthias, in Pfister, 1988, S. 45).

  • [87]

     Aus heutiger Perspektive ist anzunehmen, dass die Ablehnung der Mediziner durch den in ihren Augen unästhetischen Anblick der sporttreibenden und fußballspielenden Frauen verursacht wurde. Durch heute nicht mehr nachvollziehbare medizinische Argumente wurde diese Beobachtung nachfolgend legitimiert. Diese Vermutung äußerte aber auch schon die überwiegende Mehrzahl der Ärztinnen der damaligen Zeit. Sie waren sich wohl aufgrund der Erfahrungen mit dem eigenen Körper einig, dass Frauen nicht schwächliche, unbrauchbare und nur auf einen einzigen Zweck, die Mutterschaft, ausgerichtete Geschöpfe seien und bemühten sich nun, entsprechende empirische Belege anzuführen (vgl. Pfister, 1988, S. 44ff.). So schreibt A. Kopp 1927: „Der Grund, den Wettkampf für die Frau abzulehnen, weil er die Weiblichkeit in Gefahr bringe, ist abzulehnen, weil die heute noch als weiblich geltenden Begriffe nicht zu Recht bestehen, vielmehr allgemein menschliche Eigenschaften bezeichnen“ (Kopp, in Brändle/Koller, 2002, S. 223).

  • [88]

     So schreibt z.B. die Ärztin Alice Profé: „Die heute als sicher festgestellten sexuellen Unterschiede im Körperbau sind so geringfügig, dass sie eine verschiedene Art von Leibesübungen nicht rechtfertigen. Es gibt keinen weiblich gebauten und arbeitenden Muskel, der in ganz besonderer Weise auf die Anstrengungen durch Leibesübungen antwortet; es gibt kein anders geartetes weibliches Blut, keine weibliche Atmung [...]. Keine der Behauptungen ist wissenschaftlich belegt. So wenig Frauen anderes essen als die Männer, um zu Kräften zu kommen, so wenig brauchen sie zu ihrer Kräftigung eine andere Art und einen anderen Betrieb von Leibesübungen“ (Profé, in Pfister, 1988, S. 49 und in Fechtig, 1995, S. 24).  

  • [89]

     Durch einen Wettkampfsport, wie den Frauenfußball, befürchteten auch die Nazi-Sportideologen eine Vermännlichung des weiblichen Körpers und die Bedrohung der Gebärfähigkeit (vgl. Hoffman/Nendza, 2005, S. 24).

  • [90]

     So galt die Frau in der NS-Ideologie als „hilfsbereite Kameradin“ des Mannes, die ihre naturgesetzliche und „völkische Bestimmung“ im „Muttersein“ zu finden hatte (vgl. Hoffman/Nendza, 2005, S. 24).    

  • [91]

     So hieß es in einer Mitteilung des Fußball-Pressedienstes des NS-Reichbunds für Leibesübungen (NSRL) von 1936 zum Thema „Frau und Fußballsport“: „Es gibt Sportarten, in denen wir die Frau nicht als Sportausübende treffen, weil ihre Eigenarten nicht dem Wesen der Frau entsprechen. Zu diesen Sportarten gehört auch der Fußball […]. [Z]u gross sind die Anstrengungen, die […] an den Körper gestellt werden müssen, als dass die Frau sie als Durchschnittsleistung je erreichen könnte. Oft aber widerspricht der männliche Kampfcharakter der einzelnen Sportart dem Wesen der Frau, die wir von Sportarten bewusst ausgeschaltet sehen wollen, die ihr die Würde des Weibes im Wettkampf nehmen müsste“ (NSRL-Fußball-Pressedienst, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 24). Die Argumentation erfolgte hier mit Verweis auf weibliche Wesenmerkmale, die Polarität der Geschlechter und die sportliche Leistungsfähigkeit, die aus der Perspektive des Funktionssystems Sport das einzig legitime Exklusionskriterium darstellt, so Müller (vgl. Hoffman/Nendza, 2005, S. 24; Müller, 2007a, S. 129).

  • [92]

     Dennoch versammelten sich „fußballverrückte Grazien“ und „ballhungrige junge Damen überall in Deutschland“, v.a. aber im Ruhrgebiet, zum Fußballspielen (Bild-Zeitung vom 27.4.1955, in Hoffman/Nendza, 2005, S. 26).

  • [93]

    Der damalige DFB-Präsident Bauwens war davon überzeugt, dass „Fußball kein Frauensport“ und ohnehin indiskutabel sei, und dass er als solcher aus Mangel an Sportplätzen und aufgrund der Verletzungsgefahr abgelehnt werden sollte (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 28).                            

  • [94]

     Einen Tag nach dem Verbot des Frauenfußballs durch den DFB sollte ein schon vorher festgelegtes Frauenfußballspiel stattfinden, welches aber von dem Vorsitzenden des ansässigen Herrenvereins und der Polizei abgebrochen wurde. Die Frauen wurden vom Platz getrieben und die Westdeutsche Allgemeine Zeitung kommentierte: „Es war diesmal nichts mit der Gleichberechtigung“ (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 28).

  • [95]

     Während Frauenfußball in Deutschland offiziell verboten war, bildeten die Verbände aber bereits in den 60er Jahren Schiedsrichterinnen aus. In diesem Zusammenhang findet Hennies interessant, „daß die Frauen in den Anfängen nur in den dienenden Funktionen anerkannt wurden, nicht aber als aktive Spielerinnen“ (Hennies, in Fechtig, 1995, S. 29).

  • [96]

     Dies erzürnte die DFB-Funktionäre so sehr, dass sie sich mit einem Schreiben an die Stadt München richteten, die eines dieser Länderspiele austragen ließ, und warfen dem Münchner Oberbürgermeister vor, dass dieser dem DFB beim „Kampf gegen den Damenfußball gleichsam in den Rücken gefallen“ sei (Hoffmann/Nendza, 2005, S. 34).

  • [97]

     Diese schafften es laut eines Kommentars der UFA-Wochenschau zum Frauenfußball-Länderspiel Deutschland-England in Stuttgart 1957 „durch echte Hausfraueninstinkte […] ihr Nest sauber“ zu halten (UFA-Wochenschau, in Hoffmann/Nendza, 2005, S. 37).   

  • [98]

     So schreibt die UFA-Wochenschau zum Spiel in Stuttgart: „[D]er stürmische Beifall der Männerwelt trieb die Amazonen zu immer neuen Taten an“ (ebd., S. 37).

  • [99]

     Ein Reporter der „Münchner Abendzeitung“ begleitete die deutsche Auswahl nach Italien. In seiner Berichterstattung ging es vorwiegend um das Aussehen der Spielerinnen. Er war außerdem der Ansicht, dass im Fußball nur „maskulinisierte“ Frauen erfolgreich seien könnten (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 225).   

  • [100]

     Deutschland gehörte zu den ersten Ländern, in denen Frauenfußball institutionalisiert wurde. Nach einer FIFA-Umfrage 1970 gaben nur 12 von 90 befragten Mitgliedsverbänden an, den Frauenfußball offiziell zu befürworten (vgl. Fechtig, 1995, S. 35f.). In England wurde das Frauenfußball-Verbot im Jahre 1971 von offizieller Seite aufgehoben (vgl. Schulze-Marmeling, 2000, S. 99).

  • [101]

     Es wurde sogar über einen sogenannten „Brustpanzer aus stoß- und aufprallabfangenden Material“ diskutiert, den sich ein Düsseldorfer Geschäftsmann ausgedacht und als Patent angemeldet hatte (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 50f.).

  • [102]

     In den 1980ern war die Trikotwerbung bei Fußballerinnen noch verboten, da man befürchtete, dass die Werbesprüche die Zuschauerblicke zu sehr auf die weibliche Anatomie lenken könnten (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 226).   

  • [103]

     1989 gewannen die deutschen Fußballfrauen die EM und erhielten eine „hausfrauengerechte“ DFB-Siegesprämie: ein Kaffee- und Tafelservice von Villeroy & Boch (1B Ware). Zum Vergleich: Die deutschen Männer erhielten 1980 für den EM-Sieg 30 000 Mark (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 60; Müller, 2007a, S. 133). Das Endspiel, das auch live im Fernsehen übertragen wurde, verfolgten 22 000 Zuschauer im Stadion. Der EM-Erfolg trug erheblich dazu bei, das Klischee von „unweiblich ausschauenden Fußball-Trampeln“ zu erschüttern und den Auftakt zu einer Anerkennung des Sports bei vielen Männern in Deutschland zu schaffen (vgl. Brändle/Koller, 2002, S. 226; Fechtig, 1995, S. 40).    

  • [104]

     Für den WM-Titel erhielten die Frauen nun vom DFB je 15.000 Euro. Das Finale verfolgten über 10 Millionen an den Bildschirmen. Es folgte eine bisher noch nicht da gewesene Medienaufmerksamkeit: Die Frauen traten in Fernsehshows auf und erhielten den Bambi-TV-Preis (vgl. Hoffmann/Nendza, 2005, S. 74).  

  • [105]

     2005 betrug der Anteil des Frauenfußballs in den Printmedien bei der gesamten Sportberichterstattung nicht einmal ein Prozent. Das Fernsehen überträgt auch heute nur sehr wenige Spitzenspiele, obwohl der DFB die Möglichkeit hätte, entsprechende Fernsehverträge auszuhandeln. Der Frauen-Bundesliga-Fußball wird nach wie vor weitgehend ignoriert (vgl. Fechtig, 1995, S. 42; Hoffmann/Nendza, 2005, S. 68ff.).

  • [106]

     So schreibt Veblen 1899 über den Sport: „Er soll nicht nur den Körper stählen, sondern […] auch einen männlichen Geist hervorbringen, und dies nicht nur beim Sportler selbst, sondern auch beim Zuschauer“ (Veblen, 1899/1986, S. 249).   

  • [107]

     Zu Zeiten des „Turnvaters“ Jahn korrespondierte im noch jungen Nationalstaat die Sporterziehung mit der militärischen Erziehung und die Leibesübungen wurden v.a. zur Kriegstüchtigmachung der männlichen Jugend eingesetzt, verfolgten aber darüber hinaus das Ziel, „alle näheren Verhältnisse mit den Mädchen zu entschlagen“ und die Jungen vor „geschlechtlicher Verführung“ zu behüten (Euler, in Klein, 1990, S. 139).

  • [108]

     Tagträume und Phantasien vom Krieg und dem eigenen „Heldentod“, wie sie in der jahnschen Turnbewegung gepflegt wurden, bildeten Abwehrmechanismen gegen überwältigende Ohnmachtsgefühle und sexuelle Impulse (vgl. Klein, 1990, S. 138ff.). Auch Richartz weist eine kompensatorische Funktion solcher Phantasien für die Überwindung des labilen Selbstgefühl männlicher Jugendlicher aus: „Hochbesetzte Phantasien von Ruhm und Größe, Tagträume vom eigenen Heldentum sowie der Rückgriff auf frühkindliche Allmachtsphantasien bilden eine notwendige kompensatorische Stütze, solange das Selbstgefühl noch nicht auf anderen Gratifikationen fußen kann“ (Richartz, in Klein, 1990, S. 147). Frauen wurden deshalb als bedrohlich phantasiert und ausgeschlossen. Wünsche und innere Konflikte der Turner wurden in „männlichen“ Inszenierungen und Imaginationen ausagiert (vgl. Klein, 1990, S. 138ff.).

  • [109]

     Demzufolge strebe der Sport nach immer mehr, nach „größerer Geschwindigkeit, größerer Höhe und stärkerer Kraft“. Der männliche Sport verlange „in jedem Augenblick ohne Zögern und ohne Reserve seine volle Kraft“ (de Coubertin, in Brüggemeier, 2002, S. 5). Es geht um „Gefühle von Sieg und Niederlage, die Äußerungen tiefer Trauer und größter Begeisterung, bis hin zu Tränen der Freude oder Enttäuschung“ (Brüggemeier, 2002, S. 8).

  • [110]

     Dies stellte bereits Gleichen-Russwurm im Jahre 1909 fest: „Auf dem Felde des Sports ist es nicht lächerlich, leidenschaftlich zu sein und das Leben zu wagen, hier kann der Mensch [hier gleichbedeutend mit Mann] sich austoben, seinen primitiven Gefühlen und Instinkten sich überlassen“ (Gleichen-Russwurm, in Brüggemeier, 2002, S. 8).

  • [111]

     Hopf vermutet, dass es Koch und Herrmann wohl gar nicht um Fußball als Spiel ging, als sie diesen in Deutschland einführten. Fußball stellte vielmehr, so Koch, „ein sehr gutes erzieherisches und körperbildendes Mittel“ (Koch, in Schröder/Kalb, 2007, S. 54) dar, da durch diesen die „Willenszucht“ von der Fremddisziplinierung, wie sie beim Turnen durch die Turnlehrer praktiziert wurde, auf die Selbstdisziplinierung verlagert werden konnte (vgl. Hopf, 1979, S. 74f.).

  • [112]

     Durch das Fußballspiel sollten sich die männlichen Jugendlichen Eigenschaften wie schnelles, selbständiges, überlegtes Handeln; Besonnenheit, Geistesgegenwart, Gewecktheit, Umsicht, Tatkraft, Selbstlosigkeit, Ausdauer, Beharrlichkeit, Selbstbewusstsein, Gewandtheit, Kaltblütigkeit, Ruhe und Überlegungsfähigkeit, „klarer Kopf und klarer Blick“, Entschlossenheit, Verantwortlichkeit, Rechtschaffenheit, Unter- und Einordnung, Uneigennützigkeit, Aufmerksamkeit, Reaktion, Zeitauffassung, Augenmaß, räumliches Sehvermögen, Flächensehschärfe und Bewegungsgeschwindigkeit aneignen (vgl. Koch, in Court, 2004, S. 44; Benary, in Court, 2004, S. 51; Eisenberg, 1997a, S. 102, 108; Koch, in Naumann, 2008, S. 46).

  • [113]

     Kochs Bestrebungen in Sachen Schulung des „Mutes“ waren auch politisch ambitioniert: „Unser Volk bedarf im neuen Jahrhundert [gemeint ist das 20. Jahrhundert] mehr als je seiner alten Kardinaltugend, des Mutes, um den schwierigen Aufgaben, die sich ihm im Kreise des europäischen Staatensystems und im Weltbereiche bieten, gerecht werden zu können (Koch, in Court, 2004, S. 46).

  • [114]

     Auch Benary hielt den Sport und v.a. den Fußball, im Gegensatz zu den Turnspielen, für die „männlichste[] Spielform [,dessen] wertvolle[] Eigenschaften […] im freien edlen Kampf in seiner reinsten Form […] liegen“ (Benary, in Court, S. 52).

  • [115]

     Hierin spiegelt sich die eingangs erwähnte Inszenierung der „männlichen Grandiosität“ wider, die aus dem Turnen hervorgegangen ist und sich dann im Sport im Leistungsprinzip festgeschrieben hat. So zeigt sich für Benary der wahre Sportler in der „Sehnsucht“ nach dem „Hochgefühl, (das) in den höchsten Leistungen sich zu dem Gefühl steigern kann, die höchste der Menschheit überhaupt mögliche Kampfesleistung vollbracht zu haben, in seiner Leistung die Kampfesanstrengung einer ganzen Welt zu symbolisieren“ (Benary, in Court, 2004, S. 51).  

  • [116]

     Es geht um das „Streben nach Vervollkommnung, nach Beherrschung der […] Technik“ und die Erprobung der Technik „im Ringen um die Meisterschaft, im selbständigen und freien Antreten zum Wettspiel“ (Hessen, in Court, 2004, S. 37).

Empfohlene Zitierweise

Brass, Gabriel: Eine Geschichte des Fußballs aus der Genderperspektive. aventinus varia Nr. 21 [05.11.2010], in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/8006/

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Erstellt: 05.11.2010

Zuletzt geändert: 07.11.2010

ISSN 2194-1971