Zeitalter des Absolutismus (1648/59-1789)

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aventinus nova Nr. 24 [30.08.2010] 

 

Maximilian Weiß  

Analyse der Politik Ludwigs XVI. in der Pré-Révolution 1787-1788 

1. Einleitung 

Die historische Beurteilung der Person und der Politik Ludwigs XVI. hängt stärker als bei vielen anderen Protagonisten der Französischen Revolution von der Gesamtdeutung dieses epochalen Einschnittes ab, da Ludwig XVI. allein seines Amtes wegen der wichtigste Exponent des überkommenen Ancien Régime war. Daher überrascht es nicht, dass die Historiker „ihn bald als einen weisen und aufgeklärten König [charakterisieren], der das Erbteil der Krone durch Einleitung der erforderlichen Entwicklungen zu bewahren trachtet, bald als schwachen und kurzsichtigen Herrscher, einen Gefangenen der Hofintrigen, der gerade eben die Schwierigkeiten umschifft, ohne je Einfluß auf den Lauf der Dinge zu gewinnen.“ [1] Die wirkmächtigsten Vertreter der zweiten Behauptung entstammen dem Lager der sozialistisch-marxistischen Historiographie. Soboul beispielsweise erkennt in Ludwig zwar einen Mann „guten Willens“, der jedoch „profillos, schwach und unschlüssig“ [2] auf dem politischen Parkett agierte. Konservativere Historiker wie Peter Claus Hartmann neigen hingegen zu einer großmütigeren Beurteilung Ludwigs XVI. Besonders akzentuiert werden von dieser Fraktion die relative Gleichstellung der Protestanten 1787/88, der nahezu aufklärerische Reformwille in den Ressorts Wirtschaft und Finanzen und die deeskalierend wirkende Friedfertigkeit gegenüber der revolutionären Bewegung, die häufig mit der Blutrünstigkeit der Terreur verglichen wird.

Eine Ursache für dieses weite Spektrum an Charakteristiken ist sicher in der politischen Grundeinstellung des jeweiligen Historikers zu suchen, der meines Erachtens ausschlaggebende Punkt liegt allerdings in der nahezu völligen Deutungsoffenheit des Vorgehens des Herrschers begründet. Es wurde zwar am Hofe viel über Ludwig geschrieben, aber nur wenig Überdauerndes stammt von ihm selbst. Sein Tagebuch führte er vornehmlich als eine Art Jagdregister, sodass bei vielen Einträgen eine vorsichtige Interpretation angebracht ist. [3] Vielen Berichten in den Memoiren von Höflingen hingegen fehlt die kritische Distanz zur Beurteilung der royalen Politik, da die Höflinge selbst in Interessen-gruppen zusammengeschlossen waren. Will man sich nun dem Charakter Ludwigs nähern, bietet es sich daher an, die politischen Taten, bei den Ludwig oft „eine unglückliche Figur“ [4] abgab, zu untersuchen, um daraus Rückschlüsse auf die Motivation und damit auch auf sein Wesen ziehen zu können. Wählt man diesen Zugang zur Person des letzten Königs des Ancien Régime, so erscheint es unumgänglich, die Rolle Ludwigs in den komplexen Vorgängen der Pré-Révolution [5] – irrtümlicherweise auch révolte nobilaire genannt – in den Jahren 1787/88 einer eingehenden Kontemplation zu unterziehen, da gerade diese Periode zum einen den Höhepunkt an innenpolitischem Reformwillen durch einen Herrscher und seiner politischen Partizipation markierte, zum anderen jedoch auch den Wendepunkt zum Untergang der Krone darstellte und damit das königliche Selbstverständnis der Machtausübung einer harten Probe unterzog. Besonders die zwei Jahre von der Eröffnungssitzung der Assemblée des notables am 22. Februar 1787 bis zum Zusammentritt der États généraux am 5. Mai 1789 führen in beachtenswerter Weise die Niederlage von Ludwig XVI. als unflexiblem „Bewahrer von Tradition und Kontinuität“ [6] in einer völligen Umbruchzeit vor. Um aber die Probleme um 1787 umfassend beurteilen und verstehen zu können, muss ein kurzer Überblick über Ludwigs Erziehung und Regentschaft vor 1786 gegeben werden, da dort bereits einige Ursachen für den späteren Niedergang erkennbar werden. Des Weiteren offenbart Ludwig bereits im ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft Charakterzüge, die er in radikalisierter Weise in der Pré-Révolution offen legt.

2. Skizze der Erziehung und Regentschaft Ludwigs XVI. vor 1786 

Der spätere Ludwig XVI. wurde am 23. August 1754 als drittes von sieben Kindern des Dauphins Ludwig Ferdinand und Maria Josepha von Sachsen an der dritten Stelle der Thronfolge geboren. Schon in der frühen Kindheit wurde Louis Auguste aber zu einem „Prügelknaben, dem […] das Gefühl der eigenen Unterlegenheit eingeimpft wurde.“ [7] Erst nach dem Tod seines drei Jahre älteren Bruders Louis Joseph Xavier François 1761, der allen Biographen zufolge eine bessere Figur als Herrscher gemacht hätte, rückte Ludwig an die zweite Stelle der indirekten Thronfolge und genoss dann eine stark christlich fundierte und „insgesamt solide formale Grundbildung“ [8] die auf eine spätere Regierungstätigkeit hin ausgerichtet war. Erwähnt sei hierbei die stete Einbindung des pädagogischen Romans „Les aventures de Télémaque“ von François de Salignac de la Mothe Fénelon, in dem ein „Fundus an progressiven Ideen (…) auf dem Boden einer absoluten Monarchie mit gesicherten Standesprivilegien“ [9] ausgebreitet wurde, denen sich Ludwig später als Monarch verpflichtet fühlte. [10] Er wollte sich Mentors Ansichten, des Beschützer und Erziehers von Telemach, zueigen machen, der das Wohl und den Willen des Volkes als maßgebliche Handlungsmaximen des guten Herrschers betrachtet. [11]

Besonders die sich gerade erst herausbildende Öffentlichkeit im modernen Sinne beeinflusste viele Entscheidungsprozesse des Königs nachhaltig, selbst wenn sie später eine Machtbeschneidung der Krone zur Folge hatten. Allen voran ist diesbezüglich die Wiedereinsetzung der parlements, der adligen Gerichtshöfe mit legislativem Vetorecht, vom 12. November 1774 durch ein lit de justice zu nennen. Dieser Hauptfehler [12] wurde für Ludwig maßgeblich durch die öffentliche Meinung legitimiert trotz der Gefahr einer dauerhaften Lähmung der Gesetzgebung durch eine homogene oppositionelle Adelsschicht, die im Remonstranzenrecht des Parlaments ein probates Mittel zum Machterhalt fand. Neben der Erfüllung der öffentlichen Forderungen bot dieser Schritt auch die Gelegenheit, den zweiten Stand für seine Anliegen zu gewinnen. In Ludwigs starrer Konzeption der religiös geprägten absoluten Monarchie, die auf karitativen Handlungen beruht, nahm der Klerus eine wesentliche Rolle ein. [13]

Ob dahinter die psychologische Motivation stand, das am Hof in adligen Kreisen nicht vorhandene Ansehen durch politisches Entgegenkommen zu gewinnen, muss angesichts fehlender Anmerkungen Ludwigs fraglich bleiben. Aus einigen Anmerkungen der Höflinge [14] ist aber bekannt, dass kaum jemand im jungen Regenten eine große Herrscherpersönlichkeit entdeckte. [15]

 Körperliche Defizite ließen die Reputation des jungen Königs sinken und machten eine ständige Neubewährung notwendig. Darunter wurden z. B. eine gravierende Zahnschiefstellung und seine eher bürgerliche Erscheinung genannt. [16] Daneben fiel sein Rückzug in teilweise wenig königliche Beschäftigungen wie die Schlosserei [17], die er neben der Jagd am meisten schätzte, seine fehlende Eleganz im öffentlichen Auftritt [18] und verbale Ausdrucksmängel auf. Zu bemerken sind auch die Beschwerden beim Vollzug der Ehe [19] mit Marie-Antoinette, mit der er 1770 aus Gründen der Staatsräson zur Verbesserung des diplomatischen Verhältnisses zwischen Frankreich und der österreichischen Habsburgermonarchie verheiratet worden war.  

Dieser Drucksituation versuchte Ludwig XVI. durch aktivere Partizipation in politischen Belangen zu begegnen. Der Herrscher nahm im Gegensatz zu seinem politik-scheuen Vorgänger Ludwig XV. an den meisten Sitzungen des conseil d’état teil, allerdings zeigte er nur Interesse an einzelnen Ressorts, wie die Marine [20], und verlangsamte durch seine phlegmatische Unentschlossenheit den Fortgang der Regierungsgeschäfte, sodass Soulavie folgerichtig urteilt, dass „in Zusammenhang mit großen staatlichen Angelegenheiten […] Zielstrebigkeit und Befehlsgewalt des Königs so gut wie nie zum Vorschein“ [21] kamen. Durch diese Lähmung entwertete er unbewusst die Bedeutung dieser Ratsversammlung zugunsten der informellen Ab-sprachen, die Ludwig infolge der Finanzknappheit kaum mittels Geschenken zu seinen Vorteilen verändern konnte. Trotz dieser Velleïtät mangelte es Ludwig nicht  politischer Klugheit, [22] die er unmittelbar nach seinem Regierungsantritt 1774 in einer Art Liberalisierungsschub demonstrierte; er tauschte die ministeriale Elite Ludwigs XV. vollständig aus und ersetzte sie durch eine „coalition of the men of goodwill“ [23] wie Maurepas, Turgot und Vergennes, die allesamt den Ideen der Aufklärung nahe standen. Mit Turgots Ernennung leitete Ludwig XVI. eine ökonomische Wende ein, nämlich die Abkehr vom überkommenen Merkantilismus hin zu einer liberalen, sich selbst regulierenden Marktwirtschaft, die sich zuerst in der Öffnung der Getreidemärkte äußerte. Der aus der Preissteigerung resultierende „Mehlkrieg“ 1775 wurde von Ludwig trotz seines Zögerns bei sonstigen Gewaltanwendungen dieses Mal mit aller Härte geführt. [24] Dieser Kurs und damit auch eine umfassende Landreform wurden aber bereits mit der Demission Turgots 1776, der sich strikt gegen eine Teilnahme am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aus Gründen der Finanzierbarkeit ausgesprochen hatte, [25] unter Jacques Necker verworfen. Nichtsdestotrotz blieben einige Erfolge dieser ersten Liberalisierung erhalten; Ludwig XVI. trat als entschiedener Befürworter der neuen Wissenschaften auf und trieb deren Institutionalisierung voran. Die Gründung der Sociéte royale de médecine 1776 soll auf seine Initiative hin in die Wege geleitet worden sein. [26]

Zusammenfassend lässt sich zur Regierungsweise Ludwigs XVI. bis 1786 feststellen, dass zwar einige Bemühungen zur Veränderung des Ancien Régime vorgenommen wurden, die allerdings stets an der Zögerlichkeit des Herrschers scheiterten und kaum konsequent zu einem stabilen Resultat geführt wurden. Die geringe Entschlussfreude Ludwigs im ersten Jahrzehnt seiner Regierung kann meines Erachtens auf drei wesentliche Faktoren zurückgeführt werden. Erstens durchschaute Ludwig weder das komplexe informelle Netzwerk der Hofgesellschaft noch konnte er es durch Geschenke oder Ausstrahlung steuern, da die Finanzminister das königliche Budget beschneiden mussten. Charisma zeigte Ludwig nur in Verfechtung des christlichen Glaubens. Gerade dieses sture Festhalten am Katholizismus, was besonders das atavistische Prozedere des sacre in Reims 1775 verdeutlicht, [27] ließ den Herrscher zweitens weiterhin an der Legitimität des Sozialgefüges des Ancien Régime glauben, das, christlich gedeutet, allen voran in der Wohltätigkeit des zweiten Standes fußte. Zuletzt bestand für Ludwig ein zeitlebens unauflösliches Dilemma zwischen zwei Polen der Herrschaftsausübung; zum einen sah er sich sehr wohl in der Nachfolge des Idealtypus des absoluten Monarchen, seines Vorfahren Ludwig XIV., [28] zum anderen stilisierte er sich gerne als patriotischer Bürger, folgte der öffentlichen Meinung bedingungslos [29] und geriet so in einen Sog des quasi schizophrenen Handelns. Colin Jones fällt in seiner mentalitätsgeschichtlichen Studie zum 18. Jahrhundert folgendes Urteil:

He [Ludwig XVI] wavered between on the one hand posing as public opinion’s champion, raining down attacks on the corporative shell of the society of orders on behalf of ‚his’ peoples, and on the other proving touchy about personal criticism, resisting egalitarian trends which had implications for his own position, and displaying haughty and aristocratophilic reflexes. [30]

3. Ludwig in der Pré-Révolution 1787/88 [31]       

3.1 Die Notablenversammlung 1787 (Assemblée des notables)

3.1.1 Ursachen für die Einberufung der Notablenversammlung 

Die Einberufung der Notabeln zur Behebung der Finanznot oblag von Beginn der Herrschaft Ludwigs XVI. keiner teleologischen Notwendigkeit, sondern ergab sich vielmehr aus einem multikausalen Motivgemenge. Isoliert von einander wären die Probleme wahrscheinlich überwindbar gewesen, vermischt besaßen sie allerdings eine revolutionskatalysierende Wirkung. Neben dem sicherlich ausschlaggebenden finanziellen Aspekt mit der irreparablen Staatsverschuldung infolge der direkten Unterstützung der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung sind sowohl psychologische und Mentalitätsgesichtspunkte als auch soziopolitische Faktoren zu den Ursachen, die einen tiefen Eingriff in die innenpolitische Lage verlangten, zu zählen.  

Trotz des relativen wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1780er Jahren litt die Krone unter einem „schleichende[n] Integritäts- und Autoritätsverlust“, [32] der zwar im scheuen und ungeschickten Wesen des Königs, in der langen Kinderlosigkeit der Ehe, im planlosen Lavieren am Hof und auch in der spärlichen Präsenz in der Öffentlichkeit gesehen werden kann, [33] aber seine gravierendste Ausformung in den Folgen der Halsbandaffäre 1785 fand. Ludwig nahm nach der juristischen Niederlage gegen Kardinal Rohan „die Züge eines lächerlichen Versagers“ [34] an und sank weiter im Ansehen der elitären Kreise Frankreichs. Die publizistischen Diffamierungen der Königsfamilie, allen voran Marie-Antoinettes, nahmen groteske Formen an. [35] Des Weiteren gelang es dem Herrscher nicht den subtilen und äußerst komplexen Mentalitätswandel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht für sich zu nutzen. Dieser  äußerte sich besonders im Entstehen einer politischen Öffentlichkeit über das Medium Presse, in einer davor ungekannten Diskursivität und in einer neuen Definition der Begriffe Nation und Patriot. Das Herrscherpaar versuchte dies zum seinem Vorteil zu instrumentalisieren, [36] scheiterte allerdings immer an der inkonsequenten Vertretung. [37]

In der Wiedereinsetzung der parlements 1774 wird in der Historiographie einstimmig eine wesentliche Ursache für den Machtverlust der Krone gesehen. Hartmann geht sogar so weit, dies als „den entscheidenden Fehler der Monarchie“ [38] zu bezeichnen, da der junge unerfahrene Herrscher den reaktionären adligen Kräften, die sich in den vier Jahren Exil zu einer homogeneren Gemeinschaft zusammenfinden konnten, damit das Instrument zur Fundamentalopposition in heiklen Fragen in die Hand gab. [39]  Dieses Entgegenkommen an den Adel einerseits und an die Öffentlichkeit andererseits untergrub die absolutistische Herrschaftslegitimation, da sich Ludwig freiwillig der öffentlichen Kontrolle unterwarf. Die Rechtmäßigkeit der absoluten Stellung des Monarchen wurde auch durch die Ideen der Aufklärung in Frage gestellt.  Die schwindende Legitimation dieser Regierungsform [40] versuchte der Regent durch eine Re-Theologisierung zu kompensieren. [41] Im gesellschaftspolitischen Bereich gelang es der Regierung nicht, dem Aufstiegswillen dem sich gerade manifestierenden Bürgertum entgegenzukommen und sich so deren Unterstützung zu eigen zu machen. „Statt die Spielräume sozialer Mobilität zu erweitern, Standesgrenzen durchlässiger zu gestalten und Statuspassagen leichter passierbar zu machen, versucht[e] der König, das überkommene starre, von einer Kaste dominierte gesellschaftliche Gefüge zu untermauern.“ [42] Mit der Beschränkung hoher Ämter in Militär [43] und Administration auf die noblesse de race verpasste Ludwig XVI. die Gelegenheit, einen staatsloyalen Beamtenapparat zu formen und darüber hinaus die Zustimmung eines politisch wichtiger werdenden und wirtschaftlich bedeutenden Teils der Gesellschaft zu gewinnen.

Der direkte Auslöser für die Finanznot der Monarchie war zweifellos die Unterstützung der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung in der Auseinandersetzung gegen die englische Krone. Soboul zufolge verdreifachte sich die Schuldenlast während der Herrschaft Ludwigs XVI. [44] Bosher sieht die Staatsschulden vor dem ersten Zusammentritt der Generalstände im April 1789 bei ungefähr fünf Milliarden Livres, die durch die immens hohe Zinsschuld kaum zu tilgen war. [45] Der Grund für den inflationären Anstieg der Schulden ist in der Finanzierung des Krieges zu suchen. Entgegen der üblichen Erhebung einer Kriegssteuer und  dem damit einhergehenden Preisanstieg waren die Jahre zwischen dem „Mehlkrieg“ und der Einberufung der Notabeln 1787 von relativ stabilen Lebensmittelpreisen und sozialem Frieden gekennzeichnet. [46] Stattdessen nahm der von 1776-1781 amtierende contrôleur général des finances, der Schweizer Bankier Jacques Necker,  dank seiner exzellenten Beziehungen Anleihen im Wert von 530 Millionen Livres bei zehnprozentiger Zinsbelastung aus dem Ausland auf, ohne eine glaubhafte Deckung angeben zu müssen. [47] Die Kreditaufnahme beschönigte er geschickt in seinem Compte rendu au roi vom Februar 1781, den er publikumswirksam veröffentlichte und damit in der Öffentlichkeit gefeiert wurde. [48] Dieser öffentliche Kult um die Person Necker, [49] der im August 1788 auch zu seiner erneuten Berufung führte, und die damit geweckten, angesichts der insolventen Haushaltslage unerfüllbaren Forderungen führten allerdings im Mai 1781 zu seiner Demission.

Doch warum entschied sich der vielleicht noch einzige relativ absolut herrschende Regent in Europa zur Unterstützung der antimonarchischen amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung? Zum einen schaffte es der gewiefte Außenminister Vergennes im Verbund mit dem chef du conseil Maurepas, Ludwig von der Notwendigkeit eines Revancheaktes gegen England trotz finanzieller Bedenken und seiner grundsätzlichen Ablehnung der kriegerischen Konfliktlösung zu überzeugen. [50] Zum anderen versprach der Regent sich hohe Einnahmen aus dem Exportgeschäft mit den USA, die im Verbund mit den Gewinnen aus dem Friedensvertrag die Kriegskosten bei weitem übertreffen sollten. De facto jedoch verdeutlichte der Seekrieg mit der überlegenen englischen Flotte nur den katastrophalen Zustand der französischen Handelsschifffahrt. [51] Dem geringen materiellen Zugewinn standen Ausgaben von über zwei Milliarden Livres gegenüber. Neben dem politischen Kalkül ließ sich Ludwig XVI. auch durch die öffentliche Anteilnahme und Begeisterung für die amerikanische Bewegung dazu bewegen, in diesem Fall der Außenpolitik den Vorzug zu geben. [52] Vergennes bezeichnet die zu diesem Zeitpunkt noch indirekte Unterstützung der Amerikaner in einer Korrespondenz mit Noailles vom 15.11.1776 als „result of [public] opinion“. [53] Die Regierung wurde mit der Kriegsteilnahme trotz des öffentlichen Enthusiasmus [54] zur „Gefangene[n] ihrer eigenen Politik“ [55] und steuerte fortan zielstrebig auf ihren eigenen Niedergang hin.  

3.1.2 Vorbereitung 1786/1787 

Das Jahr 1786 markiert in vielerlei Hinsicht einen Wendepunkt in Ludwigs politischem Engagement, da ab August die Bedeutung der Außenpolitik stark hinter die innenpolitischen Problemfelder Finanzen, Wirtschaft und Justiz zurücktritt, in denen er in den Folgejahren nach Taeger „alles vermissen [ließ], was dem Zusammenbruch der Staatsfinanzen hätte entgegenwirken können: eine ruhige Hand, das Gespür für politische Opportunität, Souveränität, insbesondere bei Personalentscheidungen, sowie Selbstbewusstsein angesichts starker Persönlichkeiten und Sachkompetenz.“ [56]

Am 20.8.1786 wandte sich der seit 1783 im Amt befindliche contrôleur général des finances Calonne mit seinem précis d’un plan d’amélioration des finances direkt an Ludwig XVI., um den desolaten Haushalt mit einem Defizit von 100 Millionen Livres allein im Geschäftsjahr 1786 nachhaltig und umfassend zu reformieren. Die Ablehnung einer erneuten Anleihe von Seiten des Parlaments [57] nach einer gescheiterten Diskreditierungskampagne gegen zwei parlementaires (d’Aligre und d’Amecourt) im August 1786 [58] und die befürchtete Nichtregistrierung der dritten vingtiéme im Dezember hätten zur Zahlungsunfähigkeit der Regierung geführt, die durch die Durchsetzung des Calonne’schen Reformprogramms hätte abgewendet werden können. Ludwig schätze Calonne als Minister für seine Loyalität und Fähigkeiten, [59] hatte aber Zweifel ob eine Registrierung des Reformpaketes gelingen könnte, weil er die enthaltenen Ideen für zu gewagt hielt. [60]

Der Plan Calonnes bestand im Groben aus der fundamentalen Neugestaltung der drei Säulen Wirtschaft, Finanzen und Administration. Er sah eine erneute Liberalisierung des Handels vor, die durch einen Vertrag mit England, [61] freie Marktregulierung, den Wegfall der Binnenzölle und die Umwandlung der caisse d’Escompte zur Nationalbank erreicht werden sollte. In diesem Bereich wiesen Calonnes Ideen eine große Schnittmenge mit denen des zweiten und auch dritten Standes auf, die in seinen Vorschlägen eine nahezu gleichberechtigte Stellung einnehmen sollten. Zur Auflösung der Kompetenzstreitigkeiten, aber auch zur teilweisen Entmachtung des Klerus und der administrativ-politisch tätigen Parlamente sollte die Mitgliedschaft in den neu zu gründenden Provinzversammlungen fortan nur noch auf der Höhe des versteuerten Landbesitzes basieren, wodurch auch Mitglieder des Dritten Standes in die Gesetzgebung einbezogen wurden. Damit hätte die Regierung, unterstützt „by the voice of the people“, [62] die steuerliche ‚Entprivilegisierung’ der ersten beiden Stände durchsetzen können. Diese äußerte sich am deutlichsten in der von allen Landbesitzern abzuführenden subvention territoriale. [63] Des Weiteren sollte der Frondienst durch unbestimmte Zahlungen ersetzt, die Stempelsteuer erhöht und die gabelle gestrichen werden. Von diesen Maßnahmen versprach sich der Finanzminister gesicherte Mehreinnahmen in der Höhe von ca. 40 Millionen Livres jährlich. Allerdings bestand aufgrund der Verhärtung der Fronten kaum eine Chance auf die Registrierung durch das parlement, worauf der langjährige Chancellor Miromesnil nachdrücklich hinwies. [64] Dennoch bestand die Notwendigkeit einer breiteren Legitimation, die nur durch eine Versammlung wichtiger Vertreter erreicht werden konnte. [65] Statt für die gesamtständische Variante der États géneraux, die in vielerlei Hinsicht „nur eine lärmende Veranstaltung [darstellte], in der die weniger anständigen Leute die Oberhand hätten“, [66] entschied sich Ludwig in enger Absprache mit Vergennes und Miromesnil für die Einberufung der Notablenversammlung nach den Richtlinien von 1626. Die Entscheidung zugunsten dieser fiel während der Beratungen in Fountainebleau vom 9. Oktober bis zum 15. November 1786 wahrscheinlich auch deswegen, weil Ludwig infolge der persönlichen Nominierung der Mitglieder der Notablenversammlung eine relativ sichere Bewilligung erwarten konnte. Diese Entscheidung ist in gewisser Weise typisch für die Weltsicht Ludwigs, denn er band zwar sein Reich in den Entscheidungsprozess mit ein. Aber er ließ keine tiefgreifende Mitbestimmung zu sondern nur eine veraltete kanonische Abstimmung. [67] Ein letztes entscheidendes Moment für die Zustimmung zur Einberufung dieser Versammlung kann in der Teilnahme Miromesnils an den Vorbereitungen gesehen werden, da er einerseits im Gegensatz zu Vergennes und Calonne nicht als loyaler Vertreter der absoluten Monarchie galt, andererseits durch seine langjährige Erfahrung im Umgang mit den Parlamentsmitgliedern die Lage realistisch einzuschätzen wusste. . Ludwig hat  deshalb wahrscheinlich der Meinung Miromesnils vertraut. [68] Dieser sah jedoch in den Notabeln ein Instrument zu einem aristokratischen Umsturz, [69] in dem die Macht des Adels gefestigt und gestärkt werden sollte.  

Genaue Ausarbeitung fanden die Reformvorschläge in Fountainebleau, wo Ludwig eineinhalb Monate verbrachte – den längsten Zeitraum, den er bis zur Überführung in die Tuilerien am 6.10.1789 seinem Schloss in Versailles fernblieb. In Fountainebleau trat jene coalition of the men of goodwill [70] zusammen, die sich Ludwig stets zur Regierung seines Landes gewünscht hatte. Durch die Zusammenarbeit mit Calonne [71] ermutigt zeigte er größtes Engagement und nahm an allen Ministerrunden teil und  verzichtete beinahe gänzlich auf die heiß geliebte Jagd. Allerdings wurde Ludwig kaum mit oppositionellen Ansichten konfrontiert, da widerspenstige Minister wie Castries und Ségur im Vorfeld ausgeschlossen worden waren. Doch zeichnete sich auch während der kurzen Zeit erneut das Bild von äußerster Zwanglosigkeit [72] ab, in dem kaum Informationen und Erkenntnisse weitergegeben wurden. Darüber hinaus fanden die Reformpläne nur wenig Rückhalt in den betreffenden Ministerien, da dort ja genau die Kräfte, die noblesse de race, gebündelt waren, die von der Durchsetzung dieser Reformen die größten Verluste davon getragen hätten.

Am 29.Dezember 1786 verkündete Ludwig offiziell die in der Öffentlichkeit lange erwartete Einberufung der Notablenversammlung zur Ordnung der Finanzen für den 29. Januar nach einer Sitzung des Conseil des Dépệches [73] trotz geäußerter Bedenken der ausgeschlossenen Minister. Die Bedeutung dieses Schrittes für Ludwig kann an der Tatsache ersehen werden, dass er am Vortag eine schlaflose Nacht zubrachte wegen der Freude die Not des Volkes zu lindern. [74] Aufgrund einer schweren Erkrankung Calonnes und des überraschenden Todes Vergennes, der nach Calonne der führende Kopf bei der Vorbereitung der Notablenversammlung war, [75]  wurde die Eröffnungssitzung auf den 22.Februar verlegt. Aus Achtung vor dem Vertrauten Vergennes verordnete Ludwig nach einem Jagdabbruch eine dreitägige Staatstrauer. [76]

3.1.3 Die Assemblée des notables vom 22.Februar bis zum 25. Mai 1787 

Die 144 Notabeln wurden von Ludwig gemäß des Modus der letzten Versammlung von 1626 einberufen. Calonne hatte dazu eine Nominierungsliste  erstellt, die auch die Opposition zufrieden stellen sollte. [77] Sie sah neben den sieben Prinzen von Geblüt auch 14 Prälaten, einige Angehörige des Schwertadels, mehrere Mitglieder der souveränen Höfe bis hin zu hohen Munizipalbeamten als Mitglieder vor. Generell bleibt anzumerken, dass zwar mit Brienne, dem Duc d’Orléans und anderen Adligen Regierungskritiker eingeladen wurden, jedoch keine Personen zum Zuge kamen, die die Reform insgesamt ablehnten. [78] Dies sahen die Zulassungsbedingungen Calonnes auch so vor, da allen voran eine gewisse politische Integrität und Loyalität für die Nominierung maßgeblich waren. [79]  Die königliche Auffassung von der Aufgabe der Notabeln machte Calonne bereits in der seiner Eröffnungsrede am 22.Februar 1787 mehr als deutlich:

Seine Majestät hat die Vertreter der Notabeln nicht zu Rate gezogen, um über diese Bedingungen [= das Reformpaket] zu diskutieren, sondern über die Mittel, sie zu erfüllen. [80]

Charakteristisch für Ludwig ist, dass diese klare Zielvorgabe von seinem Minister und nicht von ihm selbst in der davor gehaltenen Rede artikuliert wurde. Stattdessen erinnerte er an die Verpflichtung der Bevölkerung gegenüber und zog eine Parallele zwischen sich und Heinrich IV., seinem Leitbild eines absoluten Monarchen. [81] Calonne pochte auf eine schnelle Zustimmung und weitere Ausarbeitung in nur wenigen Wochen bis zum 26. März; zur Erreichung dieses Ziel wurden sieben Arbeitsgruppen zur Prüfung der Reformenumsetzung gebildet, denen je ein Prinz vorsaß. Während die wirtschaftlichen Vorschläge kollektive Zustimmung fanden, entwickelte sich gerade die Diskussion um die neu zu schaffende subvention territoriale zu einem regelrechten Kleinkrieg, [82] da die Höhe der Steuer wie auch die Art der Eintreibung nicht explizit dargestellt waren. Unter den bedeutenden Notabeln blieb nur der Comte d’Artois unbeirrbar auf der Seite der Regierung, [83] während sich der Erzbischof von Toulouse, Loménie de Brienne, zur Führungsperson bei der Demontage Calonnes herauskristallisierte. Neben der nahe liegenden Ablehnung des Privilegienverlustes sieht Fay im egozentrischen „Wunsch, zu glänzen“ [84] und damit im öffentlichen Ansehen an Renomée zu gewinnen die maßgebliche Motivation der Notabeln zur destruktiven Opposition.

Der grundsätzliche Vorwurf, der Calonne ab Mitte März traf und den er zu keiner Zeit zerstreuen konnte, belief sich auf die bewusste Bilanzfälschung, da sein Staatsbudget große Inkompatibilitäten zu Neckers Compte rendu aufwies. Verschärft wurde Calonnes Situation durch den Spekulantenmissbrauch von Staatspapieren. [85] Trotz großer Kritik vertraute Ludwig auch weiterhin auf Calonne, [86] versuchte sogar am 1. April mit dem anonym veröffentlichten Avertissement [87], das vom Minister verfasst und vom König gebilligt worden war, die Öffentlichkeit für die Forderung der Einrichtung der Landsteuer zu gewinnen. Das öffentlich vorgetragene Schreiben implizierte eine Warnung an die abtrünnigen Notabeln, [88] fand aber nur wenig Zuspruch in der Öffentlichkeit, erhöhte stattdessen den Druck auf Ludwig beträchtlich, da das Pamphlet umgehend als Calonnes Schöpfung entlarvt wurde. [89] Sowohl im internen Kreis wurde erstmals von Marie-Antoinette und Ludwigs Brüdern als auch in der Notablenversammlung durch Briennes Memorandum vom 4.April die Entlassung Calonnes gefordert. Unter wachsendem Druck reagierte der Monarch wie immer: er stimmte schließlich der einflussreicheren Gruppe zu. Doch zeigte sich mit dieser Entscheidung bei ihm große Enttäuschung und seine bisher gezeigte Tatkraft verflog. [90]

Calonnes Versuch zur Machterhaltung durch einen fundamentalen Kabinettsumbau mit loyalen, reformfreudigen Ministern bei gleichzeitiger Entmachtung der politisch dominanten Klasse am Versailler Hof scheiterte nicht zuletzt am vehementen Widerstand Marie-Antoinettes gegen die Entlassung ihres Protegés Breteuil, der als maison du roi  durch Lenoir abgelöst werden sollte. Verstärkt wurde der Druck  auf den König durch das Kompromissangebot in Briennes Schreiben, das die Durchsetzung weiter Teile der Reform bei Ernennung eines glaubwürdigen contrôleurs in Aussicht stellte. Eine starke Fraktion unter den Notabeln sprach sich dabei für Jacques Necker aus. [91] Nachdem sich auch Miromesnil in der Kampagne gegen Calonne weitgehend diskreditiert hatte, drängte Ludwig beide Politiker am 8. April zur  Demission. Es lassen sich zwei Gründe für die Entlassung Calonnes anführen; zum einen war Ludwig  bereit das Personal auszutauschen, um wenigstens Teile der Reform zu retten, an der er maßgeblich mitgewirkt hatte. [92]  Zum anderen hatte sich Calonne selbst in diese Bedrängnis gebracht, da er eine außerordentliche Entscheidung außerhalb der normalen Bereiche des Ancien régime [93] suchte und dadurch viele Kräfte substanziell verschreckt hatte, die unter Umständen Reformen nicht vollends im Wege gestanden wären. [94]

Anhand der Entlassung Calonnes lässt sich Ludwigs grundsätzliches Vorgehen bei unangenehmen Entscheidungen untersuchen. Ein ähnliches Muster zeigte der Herrscher bei den meisten ministeriellen Entlassungen von Terray über Turgot bis hin zu Calonne. Da Ludwig die direkte Konfrontation Zeit seines Lebens scheute, [95] bot ihm das Schweigen ein erstes, adäquates Mittel zum Ausdruck des Missfallens. Daneben nutzte er es als Kampfmittel um auf ungerechtfertigten Druck oder unfaire Fragen zu reagieren. [96] An die zweite Stufe der Ablehnung trat regelmäßig die Unerreichbarkeit des Monarchen. Calonne wurde beispielsweise Anfang April so offenkundig gemieden, dass Brienne konstatierte:

Since last Thursday, the king has not wanted to see his contrôleur-général, in accordance with his practice to avoiding a travail [sic!] with or even seeing those whom he is determined to remove. [97]

Der höfischen Isolation ließ Ludwig bei ungeliebten Zeitgenossen nach dem Schreiben, in dem der Herrscher den Minister zur Abdankung drängte, das Exil vom Versailler Hof, d.h. die physische Isolation, folgen. Der 1781 zurückgetretene Necker beispielsweise durfte sich mit offizieller Erlaubnis erst wieder 1787 auf eine Entfernung von 20 Meilen Paris nähern. [98] Calonne hingegen wurde von Ludwig bekanntermaßen hoch geschätzt. Allen voran Breteuil hielt ihn bis zur Auflösung der Notablenversammlung aus der Einflusssphäre Ludwigs fern. Er blieb aber bis zu seiner Flucht vor einem Prozess, den das parlement gegen ihn wegen Veruntreuung des Staatsschatzes im August einleitete, isoliert am Hof. Über die Niederlande setzte er sich ab nach England.

In der Frage der Neubesetzung konnte sich Ludwig nur kurzfristig gegen den immer stärker werdenden Einfluss Marie-Antoinettes durchsetzen. Er ernannte Calonnes Kandidaten Lamoignon zum Justizminister [99] und den 68 Jahre alten Bouvard de Fourqueux trotz seiner mangelnden Kompetenz [100] zum neuen contrôleur général. Die Königin wollte stattdessen Loménie de Brienne auf diesen Posten sehen. [101] Nach kurzer Einarbeitungszeit ließ Ludwig die Beratungen der Notabeln am 23. April erneut aufnehmen und kam den Mitgliedern in seiner Eröffnungsrede sichtlich resigniert in nahezu allen Punkten entgegen, [102] obwohl die meisten bereits im Vorfeld ihre Ablehnung deutlich artikuliert hatten.

Wie Joseph II. aus den Schilderungen seines Botschafters Mercy-Argenteau folgerichtig schloss, [103] eröffnete die Schwäche des Königs den Notabeln die Möglichkeit, Ludwig zu der Akzeptanz bestimmter Minister zu drängen. So konnten sie die Berufung Briennes bereits am 30. April erfolgreich einfordern, auch wenn Ludwig dem Erzbischof lange äußerst skeptisch gegenüberstand, da Briennes Nähe zum Deismus nur schwer mit seinem frommen Katholizismus zu vereinen war. Darüber hinaus war Brienne durch Ekzeme entstellt, [104] was Ludwigs ästhetischem Empfinden zuwider lief. [105] Zuletzt hatte Brienne das in seinem Memorandum gegebene Versprechen eindeutig gebrochen und stellte somit für den Herrscher einen nur bedingt glaubwürdigen Minister dar.

Da sich Fourqueux jedoch als denkbar ungünstigste Wahl entpuppte und Ludwig eine Rückberufung des in der Öffentlichkeit gefeierten Necker strikt ablehnte, der sich mit dem compte rendu 1781 illoyal und zu machthungrig gezeigt hatte, [106] blieb dem Herrscher kaum Handlungsspielraum in der politischen Gestaltung. Zudem wurde Ludwig seiner Gemahlin Marie-Antoinette treu ergeben, wie nie zuvor, und erlag ihrem Einfluss. [107] Sie ging durch Ernennung Briennes ein dauerhaftes politisches Engagement ein und nahm regelmäßig an den Ministerrunden teil. [108]

Zuletzt muss sehr fraglich bleiben, ob Ludwig überhaupt noch von einem politischen Gestaltungswillen erfüllt war. Er war maßlos enttäuscht darüber, dass sich die durchweg adligen Mitglieder der Notablenversammlung nicht loyal gegenüber der Krone gezeigt hatten. [109] Ludwig verfiel in tiefe, anhaltende Depressionen, [110] die er nur durch den totalen Rückzug in das Jagdvergnügen kompensieren konnte. Diesem frönte er, wie sein Tagebuch verrät, innerhalb von zwei Wochen sechs Mal. [111]

Da Brienne am 30. April während den Tagungen der Notablenversammlung zum Finanzminister ernannt worden war, hatte er kaum Zeit zur Ausarbeitung einer eigenen Reform und übernahm daher großteils die davor so harsch kritisierten Reformpläne Calonnes mit nur geringen Modifikationen, sodass Erzbischof Boisgelin urteilte, dass „he found himself in the same situation in which we had seen Monsieur de Calonne”. [112] Im Gegensatz zu seinem Vorgänger versuchte Brienne vergeblich, deutliche Einsparungen bei den Militärausgaben zu erreichen, um dadurch die Verschuldung wenigstens geringfügig zu reduzieren.

Angesichts der momentanen Unfähigkeit der Regierung strebten die Notabeln nun ihrerseits nach den bestmöglichen Resultaten und forderten in mehreren Resolutionen Anfang Mai eine größere Transparenz im Staatshaushalt u. a. durch die jährliche Veröffentlichung des compte rendu und eine Reorganisation des königlichen Finanzamtes. Neben einer tatsächlichen Verbesserung der finanziellen Situation Frankreichs hegten die Notabeln aber auch unverkennbar die Ambition den König zu entmündigen. [113] Allerdings war der Vorstoß bei den meisten Adligen von großem Respekt gegenüber der Krone geprägt, sodass Lafayettes Forderung vom 21. Mai 1787, in der er sich erstmalig für die Konsultierung der Generalstände zur Lösung der Finanzkrise aussprach, [114] eine so tollkühne Gefährdung offenbarte, dass Brienne seinerseits überstürzt bereits am 25. Mai die assemblée des notables ergebnislos auflösen ließ und stattdessen die Registrierung über das renitente Pariser Parlament erstrebte.    

Die Notablenversammlung lässt sich ohne weiteres als Wendepunkt in Ludwigs Leben bezeichnen. [115]  Ludwig verlor einen der wenigen treuen Anhänger der absoluten Monarchie und weiter an öffentlichem Ansehen, da nun die Dimension der königlichen Finanznot in der ganzen Dramatik offen zu Tage trat. Auch sein Glauben an sich selbst war erschüttert.

Er geriet in immer größer werdende Abhängigkeit von Marie-Antoinette, bewahrte sich allerdings noch genug Spielraum, den er jedoch nur selten gezielt nutzte, um die zentralen Bestandteile des Reformpaketes mittels lit de justice durchzusetzen. Selbst bei den nicht zu leugnenden Einbußen in seiner Machtposition und seiner Reputation hätte Ludwig mittels Ausstrahlung und unter konsequentem Einbezug der Öffentlichkeit auf die Registrierung drängen können, denn er ist zu diesem Zeitpunkt immer noch der unumstrittene König der ältesten europäischen Dynastie gewesen. Doch auch hier schaffte Ludwig nicht die Überwindung; er entfloh sich im Frühsommer ganz dem öffentlichen Zugriff, wurde unförmig und verfiel einem eigenbrötlerischen Drang, der ihn für alle bis auf Marie Antoinette unleidlich macht. Am besten fasst Ludwigs Lage Mercy-Argenteau in seinem Brief an Joseph II. vom 14. August 1787 zusammen:  

His body is getting thicker and his returns from the hunting are followed by such immoderate repasts as to cause loss of reason and a sort of crude negligence that is very annoying for those who have to bear it. The queen is about the only who does not suffer from this; she is feared [and] respected by her husband. [116]    

3.2 Die Auseinandersetzung mit dem parlement 1787/88 

Während in der Notablenversammlung die grundsätzliche Machtverteilung in Frank-reich nicht zur Disposition gestanden ist, kann man ab Juni 1787 mit gewisser Berechtigung von einer „aristokratischen Revolution“ [117] sprechen, da sich die Auseinandersetzung induktiv von speziellen Problemfeldern wie der Umgestaltung der subvention territoriale einer generellen Hinterfragung der Machtverhältnisse im Königreich zuwandte. Diese Zuspitzung ist zu einem großen Teil der Hinzuziehung der Öffentlichkeit zu verdanken, die mit Pamphleten, Versprechen und Zusagen gewonnen und aktiviert werden konnte. Dass die Mitglieder des Dritten Standes so provokante wie umfassende Forderungen in den Sitzungen der Generalstände stellten, ist meines Erachtens dezidiert auch auf die Zeit der révolte nobilaire zurückzuführen, die Soboul zufolge die „revolutionäre Lehrzeit“ [118] für die Bourgeoisie bot, die es ab 1789 ermöglichte, ihre Ambitionen konsequent und zeitnah zu erreichen.

3.2.1 Versuch zur Registrierung der Reformen im parlement unter Brienne  

Brienne begegnete dem Gerichtshof anfänglich mit konsensfähigen Reformvorschlägen wie der Liberalisierung des Marktes und der Abschaffung der gabelle,  da er um die schwer zu kittenden Divergenzen zwischen Krone und Pariser Parlament wusste.  Auch kam er dem Verlangen der parlementaires nach größerer Transparenz widerspruchslos nach, die bereits in der Notablenversammlung angemahnt wurde. Fundamentale Umgestaltungen wie die Schaffung neuer Provinzialversammlungen, die Anhebung der Stempelsteuer, wie auch die einheitliche Landsteuer wollte Brienne notfalls per lit de justice registrieren lassen. Das parlement lehnte diese Innovationen grundsätzlich ab, weil die Registrierung zum einen mit dem Verlust einiger Privilegien einhergegangen wäre. Zum anderen fand die Idee zur Bildung neuer Provinzialversammlungen keine positive Resonanz, da es auf diese Weise das seiner politischen Macht beraubt worden wäre. Zuletzt kam ein Gefühl der Kränkung hinzu, da Ludwig mit der Konsultierung einer anderen Versammlung die parlements als Ort der Prüfung der Kompatibilität von Gesetzen übergangen hatte. 1787 empfanden die Abgeordneten stärker denn je ihre Opposition als systemveränderndes Druckmittel, [119] das die gebildete Öffentlichkeit zum Aufbegehren bringen sollte. Seinen Untertanen gegenüber Rechenschaft ablegen zu müssen widersprach Ludwigs Verständnis eines absoluten Herrschers. [120] Er genoss allein das Privileg zur Interpretation des Volkswillen. Daher wählte er bei Verhandlungen mit dem parlement in den Justizbelangen stets den Konfrontationskurs [121] und verhärtete dadurch die Fronten nur noch mehr. Gleichzeitig unterlief er damit Briennes Strategie.

Brienne zog sich Ludwigs Missfallen auch durch seine Sparpläne im Juli 1787 zu. Wiederum zur Budgetschönung setzte der Finanzminister Einsparungen am Hof durch, die sich auf 4,5 Millionen von 21,8 Millionen Livres belaufen sollten und sich vor allem im Verkauf von Schlössern und Personalabbau im Jagdbereich äußerten. Dabei stieß er zum Teil auf unerwartet hartnäckigen und kämpferischen Widerstand des Königs. [122]   Egret urteilt, dass „never since the beginning of Louis XVI’s reign there had been such a great effort to economize.“ [123] Als Ursache für die Weigerung bis zum 9. August 1787 erscheint besonders plausibel, dass Ludwig instinktiv den letzten Bereich absolutistischer Herrschaftsausübung, das Leben am Hof, auch wenn er selbst es nicht besonders schätzte, vor einem administrativen Zugriff zu bewahren trachtete. Währendessen spitzte sich der Konflikt zwischen Krone und Pariser Parlament weiter zu. Am 2. Juli  wurde erneut die Forderung nach einer Umgestaltung der Finanzadministration zugunsten einer stärkeren Kontrolle durch die Justizbehörden laut. Die prompte Ablehnung Ludwigs am 8. Juli führte dazu, dass sich das Parlament beharrlich und einstimmig weigerte, einschlägige Erlasse passieren zu lassen. [124] Auch die bislang als konsensfähig eingestufte Erhöhung der Stempelsteuer wurde klar abgelehnt. In den erläuternden Remonstranzen vom 26.Juli sprachen sich die parlementaires erstmals offiziell als Reaktion auf Ludwigs absolutistisches Herrschaftsgebaren für die Einberufung der Generalstände zur Neuordnung der Staatsfinanzen aus. Mittels dieses antiquierten Versammlungstypus wollte das parlement Ludwigs Legitimationsbasis, die assemblée des notables, überbieten, beging aber damit rückblickend politischen Selbstmord. [125] Die ausschlaggebende Motivation lässt sich nicht vollständig rekonstruieren. Neben dem Legitimierungsaspekt kommen nur die mehr als zehn Jahre zurückliegende nationale Euphorisierung anlässlich der amerikanischen Unabhängigkeit und der jugendliche Übermut zur gesellschaftlichen Veränderung in Betracht, da die meisten der 144 Pariser Parlamentsmitglieder noch recht jung waren.

Da die freiwillige Registrierung durch die Remonstranzen äußerst unwahrscheinlich geworden war, strebte die Regierung die Zwangsdurchsetzung kraft des lit de justice am 6. August an. Gesetzlich verankert werden sollte die einheitliche Landsteuer, vor der Brienne Mehreinnahmen in der Höhe von 40 Millionen Livres erwartete. Als Entgegenkommen sollte die geforderte Transparenz annähernd durch die jährliche Veröffentlichung des compte rendu und Veränderungen in der Finanzadministration hergestellt  werden. Für einen Affront sorgte Ludwigs Verhalten, der während der Sitzung einschlief und zu schnarchen begann. [126] Zu einem ersten unverblümten Angriff auf die königliche Macht kam es, als das Parlament die Zwangsregistrierung zugunsten von erneuten Remonstranzen verweigerte und darüber hinaus einen indirekten Angriff auf Ludwig wagte, indem sie Calonne wegen Veruntreuung des Staatsschatzes verurteilte. [127] Um die Proklamation der Einberufung der États généraux während einer öffentlichen Prozession zu Ehren Ludwigs XIII. zu verhindern, unter dessen Ägide 1614 letztmalig die Generalstände einberufen worden waren, wurde das Pariser Parlament in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1787 mittels lettre de cachet umgehend nach Troyes, einer Stadt südöstlich von Paris, verbannt. Anstelle einer Verhaftung wurde diesem milderen Vorgehen der Vorzug gewährt, da es ansonsten wohl zur bürgerkriegsartigen Eskalation in Paris gekommen wäre. [128]  Die Parlamentsmitglieder nahmen die Exilierung jedoch mit einer Art heroischen Eiferhin und fanden sogleich Rückhalt bei den Provinzialparlamenten und der Bevölkerung in Paris. [129]  Die Stadtbevölkerung aus den gescheiterten Registrierungsversuchen einer königlichen Delegation unter Führung des Comte d’Artois sowohl am Chambre des comptes (Oberrechungshof) als auch am Cour des Aides (Steuergerichtshof) eine große Bekundung für das Parlament. [130] Über verstärkte Militärpräsenz in Paris versuchte die Regierung die brisante Lage zu entspannen. Wie gespannt die Situation in Paris war, kann dem Tagebucheintrag Targets vom 21. August entnommen werden:

There is unrest among the people. In the marketplaces one hears, ” So, we’re going to have civil war. Well, we’ll fight!” There is a plan to send a deputation of 15.000 people to Versailles; an abbé has volunteered to lead it. [131]

Ludwig reagierte auf die Vorfälle in Paris in üblicher Manier – er zog sich noch weiter zurück und beendete die Zeit seiner persönlichen Regierung, [132] die er seit dem Tod Maurepas 1781 ausgeübt hatte, und ernannte Brienne am 26. August zum ministre principal. Dies stellte allerdings weniger eine Ehrung dar – Brienne erhielt keine Attribute oder weiteren Prärogative –, sondern eine Notwendigkeit zur besseren Koordination der weiteren Handlungen. [133] Zwei weitere erwünschte Nebeneffekte erzielte Ludwig. Erstens führte die Erhebung Briennes prompt zur Demission der parlamentnahen Minister Castries und Ségur, zweitens schuf der König einen Sündenbock, dem er weitere Fehlschläge zuschreiben konnte. Die Wirkung der ministeriellen Vereinigung wird von Hardman in letzter Instanz jedoch eher gering beurteilt, da die Grundposition der Regierung bereits so schwach war, dass „the changes were largely of symbolic importance, opening a chapter as the book was closing, though for Louis they mark a partial eclipse.“ [134] Von Ludwig gestärkt tastete sich Brienne erneut an das Parlement heran. Da die Monarchie unter akuter Finanznot litt, wich Brienne von der einheitlichen Landsteuer und damit von einer tief gehenden Veränderung des Ancien Régime zugunsten der Wiedereinführung der vingtiéme ab. Des Weiteren stellte der Erzbischof von Toulouse eine Humanisierung des Strafrechts, die sich allen voran in einer Beschränkung der lettre de cachet äußerte, und den sicheren Zusammentritt der Generalstände 1792 in Aussicht, wenn das parlement einem 500 Millionen Livres Kredit, auszahlbar über fünf Jahre, zustimmen würde. Unter diesen Bedingungen hoffte Brienne, Frankreich innerhalb von fünf Jahren finanziell soweit konsolidieren zu können, dass die Generalstände ihre Radikalität verloren hätten. Allerdings hatte er mit diesem Versprechen gegen Ludwigs Willen verstoßen. Dass er daraufhin nicht zurücktreten musste, zeigt bereits, wie schwach die Position des Königs innerhalb der Regierung geworden war. Für das Parlament hingegen bot sich die Gelegenheit, wieder nach Paris zurückzukehren. Daher wurde am 4. September die Erhebung der vingtiéme registriert. Die Bewilligungsverhandlung des Kredites wurde auf den 19.November als séance royal gelegt. Am 20.September schließlich kehrte das Parlament mit großen Feierlichkeiten nach Paris, bei denen unter anderem Calonne symbolisch auf der Place Dauphine verbrannt wurde. [135] Großen nationalen und internationalen Prestigeverlust erlitt die Krone im September 1787 infolge ihrer Neutralität aus Finanzgründen bei der Besetzung der Niederlande durch preußischen und englischen Truppen, obwohl Frankreich schon 1783 eine Unterstützung der holländischen Patrioten versichert hatte. Diese Schmach traf den König besonders, da die Außenpolitik das ausschließliche Betätigungsfeld der Herrscher war. Deswegen urteilt Hardman folgerichtig, dass „the shame sealed the fate of the monarchy“. [136]

Die séance royal vom 19. November 1787 markiert die erste offen ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Ludwig XVI. und dem parlement. [137] Die Kreditfrage und die Aufwertung der Rechtsstellung der Protestanten sollten, wie Brienne ausgehandelt hatte, unter Anwesenheit des Königs bei freier Pro-Kopf-Abstimmung geklärt werden. Es handelte sich bei diesem Versammlungstypen trotz der Präsenz des Königs nicht um ein lit de justice, sondern um eine unbestimmte Mischform. [138] Brienne, der unter Um-ständen einen Mittelweg gefunden hätte, durfte nicht teilnehmen, da er kein Mitglied des Parlaments war. Von 9 Uhr an bis 17.30 Uhr versuchten die Abgeordneten Ludwig zur früheren Einberufung der Generalstände zu bewegen. Als Beispiel für einen rhetorischen gelungenen Versuch kann d’Eprémesnils Rede gelten, in der er Ludwig direkt einen Kompromiss von zwei Anleihen mit nachfolgender Einberufung der Generalstände anbot. [139] Obwohl die Kreditvergabe anscheinend mehrheitsfähig gewesen wäre, verzichtete Ludwig auf die vorgesehene Zählung der Stimmen und gab stattdessen die Zuflüsterungen Lamoignons wider:

Having heard your opinions, I find it neccessary to establish the loans provided for in my Edict. I have promised Estates-General before 1792; my word should satisfy you. I order my Edict to be registered. [140]

Dieses Urteil wurde unmittelbar und ungewöhnlich scharf von Ludwigs Cousin, Ludwig Philipp II., dem Duc d’Orléans, angegriffen: 

Sire…this registration strikes me illegal … it should be stated that this registration has been effected by express command of Your Majesty. [141]

Mit dem Illegalitätsvorwurf, der durch die unscharfe Definition der Sitzung sicher berechtigt war, wurde zum ersten Mal die Machtbefugnis des Königs offen kritisiert und infrage gestellt. D’Orléans Motiv für den Angriff kann einerseits affektiv-emotional beschrieben werden, er bot dem König aus persönlicher Abscheuss die Stirn. [142]  Andererseits erscheint  es jedoch einen rational-kalkulierenden Hintergrund wahrscheinlicher, da der Duc d’Orléans als Cousin Ludwigs XVI. gewisse eigene Thronambitionen hegen konnte, die er mittels Ernennung durch das parlement zu erreichen strebte. [143] Die Antwort Ludwigs auf diesen Affront fiel dementsprechend entschieden aus: „Think what you like, I don’t care…yes, it is legal because I want it.” [144]

Wahrscheinlich schlug Ludwig diesen resoluten Ton an, um die befürchtete Degeneration der absoluten Monarchie bestenfalls hin zu einer „administrative monarchy“, [145] zu der sie de facto bereits geworden war, schlechterdings sogar zu einer „aristocracy of magistrates“ [146] zu verhindern. Nachdem er die Versammlung verlassen hatte, wurde die Registrierung vom Parlament zurückgenommen. Auch Ludwig suchte die offene Konfrontation, stellte Orléans durch einen lettre de cachet, der ihm persönlich von Breteuil übergeben wurde, unter Hausarrest auf seinem Anwesen in Villiers-Cotterêts und ließ zwei Abgeordnete, Fréteau und Sabatier, in einem Volksgefängnis inhaftieren. Das rigorose Vorgehen Ludwigs führte zu einer frankreichweiten Solidarisierung mit den Patrioten der Enquêtes [147], die sich in einer Unzahl von Remonstranzen niederschlug. Charakteristisch für die geringe Belastbarkeit des Herrschers war die auf die direkte Konfrontation folgende Erkrankung mit einer fiebrigen Gürtelrose. [148] Am 4.Januar 1788 wurden in den Remonstranzen des Pariser Parlaments erstmals generell die lettre de cachet als illegitim stigmatisiert. Es kam nun anlässlich der Schwäche der Krone zur Zurückweisung jeder absoluten Macht. [149]  Brienne konnte nun die Gewährung eines Kredits über 120 Millionen Livres erbitten, um die Liquidität der Regierung auch 1788 zu bewahren .

Im Frühjahr 1788 rüsteten beide Seiten zu einem erneuten Streit, der sich vordergründig um die Rechtmäßigkeit des königlichen Vorgehens kreiste. [150] Katalysiert wurde diese Entwicklung durch die Öffentlichkeit, die aufgrund einer schlechten Ernte einen massiven Anstieg der Kornpreisehinnehmen musste und dadurch weiteres Vertrauen in die Macht der Krone verlor. [151]

3.2.2 Der Coup d’état vom 8. Mai 1788 

Der Coup d’état stellt die fundamentale Kraftprobe dar, [152] in der die Machtverteilung in Frankreich neu entschieden wurde. Beide Parteien versuchten mit unterschiedlichen Mitteln die Herrschaftsbefugnisse der Gegenseite einzuschränken. Wie einem Brief Marie-Antoinettes an ihren Bruder Joseph II. vom 24.4.1788 zu entnehmen ist, sollte eine grundlegende Umgestaltung in der Gesetzesregistrierung vorgenommen werden:

The parlements are stunned and worried but persist nonetheless with seditious resolutions and remonstrances. The idea is to confine them to the function of judges and to create another assembly which will have the right to register taxes and general laws for the kingdom. [153]

Die Idee zur Entmachtung der Parlaments über die Bildung eines neuen Plenarhofes (Cour plénière) stammte ursprünglich von Brienne und wurde von Lamoignon als Teil der umfassenden Justizreform präsentiert, mit der der ministre principal die Abgeordneten zur Wiedereinführung des Zwanzigsten bewegen konnte. Dieser Schritt war äußerst radikal, [154] da dadurch das parlement gänzlich als politischer Gegenspieler ausgeschaltet worden wäre und nur noch als judikativer Gegenpart agieren konnte – als jener hätte er allerdings durch die Einschränkung der lettre de cachet eine gewisse Aufwertung erfahren. Darüber hinaus hätte diese Modifikation einen nicht zu vernachlässigenden Vorzug gebracht. Die Rechtsregistrierung wäre zentralisiert und damit homogenisiert worden, was großen regionalen Unterschieden und Rechtsungleichheiten den Garaus gemacht hätte. Das Ausmaß dieser Neuregelung wird durch das Zögern Ludwigs deutlich, der die Konsequenzen fürchtete. [155] Die Antwort der Parlamentarier fiel mit der von Duval d’Eprémesnil verfassten Resolution am 3. Mai ähnlich radikal aus. In diesem veröffentlichten Schreiben nannte er in einer Art Verfassung unabänderliche Rechte, denen selbst der König unterworfen war. Die Rechte werden als fundamental beschrieben und beinhalten unter anderem:

The right of the nation to grant taxation freely in Estates-General regularly convoked and of fixed composition.

The irremovability of magistrates. 

The right of the courts in each province to verify the king’s legislative volition and to proceed to its registration only in so far as it is conformable to the basic laws of the province as well as the Fundamental Laws of the state. [156]

Dieser Affront gegenüber der absoluten Stellung des französischen Königs wurde schnell mit einem Haftbefehl gegen die Urheber des Schreibens, d’Eprémesnil und Goislard de Montsabert, geahndet. Durch einen Hinweis Breteuils konnten diese sich aber am 4. Mai der Verhaftung entziehen. Am folgenden Tag retteten sie sich in das vollbesetzte Pariser Parlament, das bereits von einer Menschenmasse belagert wurde. [157] Der Verhaftung durch Truppen der Schweizer Garde unter Führung d’Agoults widersetzte sich das gesamte Haus in einer einzigartigen Solidarisierungsaktion: „We are all Messieurs Duval and Goislard. You have to arrest all of us!” [158]

Die Truppen konnten erst auf erneutes Drängen der Krone am Folgetag die beiden Abgeordneten verhaften. Allerdings gelang es d’Eprémesnil die öffentliche Sympathisierung mit dem Parlament nochmals zu steigern. [159] Mitsamt dem Haftbefehl wurde diesen mittels lettre de cachet die königliche Order zur Anreise nach Versailles zur Abhaltung eines lit de justice am 8. Mai überbracht. Die Provinzparlamente sollten in den Folgetagen bis zum 10. die neuen Edikte zwangsregistrieren.

In der Sitzung am 8. Mai brachte Ludwig in der Eröffnungsrede seine Ambitionen auf den Punkt, indem er sagte, dass „a great state needs one king, one law, one registration.“ [160] Die Abgeordneten nahmen die Zwangsregistrierung und damit die Selbstentmachtung widerwillig an, da man sich in der königlichen Machtsphäre befand und nicht auf den Rückhalt der Pariser Bevölkerung bauen konnte. Allerdings verweigerten die Provinzparlamente die Anreise, um das Durchwinken des Edikts zu ermöglichen. Nachdem unzählige Remonstranzen aus allen Landesteilen die erwünschte Wirkung, nämlich das Einbrechen des Königs, verfehlten, setzen sie auf lokale Aufstände, um den König zum Einlenken zu bewegen. [161] Im Juni 1788 kam es in den Provinzen zu ersten Ausschreitungen und in Paris wurden aus Angst vor einem Aufstand der Bevölkerung die Truppen zusammengezogen. [162]   In und um Paris blieb es hingegen erstaunlich ruhig, sodass Hardman sogar darin den Hauptgrund zur Abhaltung der Generalstände in Paris sieht. [163] Die Brisanz und das Ausmaß des Konfliktes kann anhand Briennes Tagebucheintrag vom 10. Juni 1788 ersehen werden: „I’m ready for anything, even civil war.” [164]

Zu einer offenen Eskalation der Gewalt in Form eines Bürgerkrieges kam es jedoch nicht, auch da mit Breteuils Rücktritt am 25. Juli infolge der Verweigerung der Unterzeichnung mehrerer lettre de cachet zur Inhaftierung bretonischer Adliger eine einflussreiche Fraktion am Hof dem König den Rücken zukehrte. Darüber hinaus hatte die Regierung außerordentliche Kosten durch die Militärpräsenz zu tragen, die durch den kompletten Ausfall der Zolleinnahmen unbezahlbar wurden. Zur Beruhigung der Lage verkündete Brienne gegen seinen und Hofes Willen die Einberufung der Generalstände bereits für Mai 1789. Diese Maßnahme half freilich nicht mehr, um zumindest eine Teilkonsolidierung der Staatsfinanzen zu erreichen, da auch die königlichen Wertpapiere ins Bodenlose stürzten. Die Krone musste am 16. August 1788 sämtliche Zahlungen einstellen und den Staatsbankrott eingestehen. 

Bilanzierend bleibt festzuhalten, dass Ludwig in der Phase kaum als starker Herrscher hervortritt, sondern die Gestaltung allen voran Brienne überlässt, der seinerseits kaum adäquat auf die Handlungen der Provinzparlamente reagiert. Mittelfristig, aber auch verknappt betrachtet ist der 16. August 1788 das „Ergebnis der Kriegsentscheidung von 1776 und einer anschließenden Folge von fehlerhaften und oftmals sprunghaften weiteren Regierungsentscheidungen, deren Folgen zwar von einzelnen Männern wie Calonne und Brienne, nicht aber vom König selbst hervorgesehen wurden.“ [165] Generell besiegelt das Eingeständnis der Insolvenz die Niederlage des Königs in der Frage um die Machtverteilung in Frankreich.

3.2.3 Die Rückberufung Jacques Neckers und die Einberufung der Generalstände 

Nach einer Absprache mit Marie-Antoinette reichte der mit der Finanzsituation überforderte Brienne sein Demissionsschreiben bei Ludwig am 25. August 1788 ein. Auf die Einflüsterungen der Königin und des Bruders Comte d’Artois hin berief Ludwig XVI. Jacques Necker am 26. trotz aller Antipathien erneut zum Minister. Wie Mercy-Argenteau schildert, zweifelte die Königin  an Neckers Erfolg: „I tremble…that I am bringing him back. My fate is to bring misfortune.” [166]

Das Motiv für die Unsicherheit dürfte darin begründet sein, dass beide Herrscher Necker zum einen aufgrund Hochnäsigkeit und Untreue gegenüber der Krone – Necker hatte in seiner damals sehr populären Schrift „Administration des finance“ von 1785 geheimes Wissen preisgegeben und zudem Calonnes vom König unterstützte Finanzpolitik offen attackiert – nicht mochten. Zum anderen fürchteten sie Neckers Populismus und Aufstiegsambitionen. Allerdings nahm Ludwig in seiner „lethargische[n] Larmonyanz“ [167] die Berufung Neckers eher als Betrachter, denn als politischer Akteur hin:

Man hat mir den Necker zurückgerufen, gegen meinen Willen, aber man wird es in absehbarer Zeit schon bedauern. Ich will alles tun, was er mir aufträgt, und dann wird man schon sehen, was dabei herauskommt. [168]

Allerdings gab es sehr wohl Argumente, die für die Berufung Neckers sprachen. Wenn jemand in Frankreich Anleihen aus dem Ausland aufnehmen konnte, dann war es der Bankier Necker mit seinen ausgezeichneten internationalen Beziehungen. Bezeichnenderweise erholten sich die Staatsaktien und die französische Börse im Generellen unmittelbar nach dem 26. merklich. Außerdem traute man am Hof nur dem als Finanzgenie geltenden Necker die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Krone zu, obwohl dieser selbst kaum Chancen sah: „Oh, if only they had given me those fifteen month of the Archbishop of Toulouse! Now it’s to late.“ [169]

Zuletzt genoss der Genfer Protestant großes Ansehen in der Öffentlichkeit und unter den exilierten Agbeordneten, sodass die Regierung die berechtigte Hoffnung einer Konsensfindung hegen konnte. Am Nachmittag des 26.8. fanden am Place Dauphine Festlichkeiten zu Ehren Neckers statt. [170] Mit der Veröffentlichung des Compte rendu 1781 hatte er zudem bewiesen, dass er in einzigartiger Manier den öffentlichen Verdruss kanalisieren und manipulieren konnte.     

Die Berufung des ungeliebten Necker ermöglichte es Ludwig weiterhin, in der alt bekannten Passivität zu verharren. Er stand nur im schriftlichen Kontakt zu Necker, gewährte ihm folglich kaum Hilfestellungen, sodass Necker, „gravely out of touch“, [171] auf die Forderungen des Parlaments mangels Einarbeitung nicht angemessen reagieren konnte. Obwohl Necker faktisch alle Aufgaben seines Vorgängers übernahm, wurde ihm nicht die Ehre des Titels ministre principal zuteil. Stattdessen wurde ein neues Amt geschaffen – Necker wurde zum Directeur-général des finances ernannt. Briennes Entlassung erfolgte nach einem ähnlichen Schema wie bereits bei Calonne; Ludwig hielt ihn auf Distanz und gewährte ihm eine großzügige Pension. Analog zu Brienne wurde der letzte strikt königsloyale Minister Lamoignon am 14. September entlassen. „On asking Lamoignon for his resignation, Louis XVI again tried to hide his weakness, as he had done with Brienne, by gifts, which were excessive under the circumstances, and by ostentatious promises”, wie Egret schlüssig urteilt. [172] Initiiert worden war die Entlassung von Necker, der damit eine auf den 15. September gesetzte lit de justice-Sitzung verhindern konnte, in der die grand baillages als legislative Macht bestätigt worden wären. Für Necker galten einzig die Generalstände als Entscheidungsgremium zur Durchsetzung so tief greifender jurisdiktioneller Reformen. Unterstützung erfuhr Necker von den Mitgliedern des Parlaments, die ansonsten erneut zur Konfrontation mit dem Herrscher gezwungen gewesen wären, um ihre Macht zu verteidigen. Des Weiteren könnten persönliche Motive für Necker eine Rolle gespielt haben. Lamoignon war Calonnes Kandidat, den er nicht als machtvollen Minister dulden konnte, da Lamoignon die Ziele Calonnes vertrat, die Necker seinerseits 1785 scharf kritisiert hatte. Außerdem schien Necker auf die Unterstützung des Königs für Lamoignon neidisch zu sein. [173] Der lakonische Tagebucheintrag Ludwigs kann als Zeichen der tiefen Resignation und passiven Fügung in die politischen Taten anderer gewertet werden, die sich mit der Entlassung des Chancellors breit gemacht hat, zumal wenn man bedenkt, dass er kaum politische Eindrücke im Tagebuch verarbeitet hat:

14. September:    resignation of M. de Lamoignon.

15. September:    There was to have been a lit de justice.

19. September:    Swearing in of M. Baretin [Nachfolger Lamoignons]. [174]

Nachdem Necker am 20.September 1788 das Parlament nach Paris zurückbeordert hatte, wurde bereits wenige Tage später, am 25. eine königliche Resolution vom Gerichtshof registriert und damit offiziell verabschiedet, in der die „doppelte Niederlage des Königs eindrucksvoll“ [175] belegt wurde. Dieser von Necker verfasste Beschluss markiert auf höchst imposante Weise den durchschlagenden Sieg des parlement im Ringen um eine Neuordnung der Machtverhältnisse in Frankreich. Ludwig verlor in den ersten vier Artikeln sämtliche Möglichkeiten zur absolutistischen Herrschaftsgestaltung:

1. It is our wish and command that the assembly of the Estates-General take place during January of the following year.

2. Consequently we enjoin all the officers of our law courts without exception to continue to exercise the functions of their offices as formerly.

3. It is likewise our intention that no change should made in the hierarchy of law courts […] subsisting before last May.

4. Notwithstanding, we ordain that all judgements, whether civil or criminal, given by the tribunals created at that time be implemented according to their form and tenor. [176]

Um die Modalitäten bei der Einberufung der États généraux zu klären, wurde am 5.Oktober beschlossen, erneut eine Assemblée des notables ins Leben zu rufen, die vom 11. November bis zum 11.Dezember grundsätzliche Fragen erörtern und im Vorfeld erläutern sollte, um einen etwaigen Verzug im Entscheidungsprozess der Generalstände aufgrund von Verfahrensfragen zu vermeiden. Im Spätherbst des Jahres 1788 weitete sich die Auseinandersetzung zwischen Krone und privilegierten Ständen um die Möglichkeit der Politikgestaltung zu einem handfesten Ständekonflikt zwischen Privilegierten und  Nichtprivilegierten aus. Ludwig  wirkte daran nur noch defensiv mit und überließ die Initiative vollständig den rivalisierenden Partikulargruppen. [177] Die Abgeordneten der Notablenversammlung spalteten sich in zwei schwer zu vereinende Gruppierungen auf. Der Großteil, darunter die Prinzen von Geblüt bis auf den Duc d’Orléans, [178] sprach sich gegen das Verdoppeln der Vertreter des Dritten Standes aus. Unter den Befürwortern fand sich allen voran Necker, der selbst aus bürgerlichen Verhältnissen kommend, dem französischen Bürgertum große Sympathien entgegenbrachte. Außerdem sah er in der Abhaltung der Generalstände nach dem Protokoll von 1614 einen unaufgeklärten Atavismus:

The Parlement of Paris […] tried to force the monarch to use the composition of the Estates of 1614 as a model. The will of the nation, the enlightened thinkers of the century, opposed that form. [179]

 Zuletzt konnte Necker auf eine zähneknirschende Einwilligung Ludwigs zählen, [180]  der sich aus Enttäuschung über den Adel in die renitente Opposition begeben hatte. Grundsätzlich hegte Ludwig zudem ja große Sympathien für das Volk und sah in ihm sogar in Rousseau’scher Manier die Wahrheitsinstanz, die sich nicht täuschen könne, wie er bereits in seinen Jugendreflexionen katechismusartig festgehalten hatte: „I must always consult public opinion; it is never wrong.” [181]   

Obwohl in adligen wie bürgerlichen Kreisen ein Bündnis zwischen Krone und Bürgertum erwartet wurde, [182] endeten Ludwigs Beziehung zum Dritten Stand mit der Vorverlegung der Generalstände. [183] Die Ursache für die Entfremdung dürfte wohl die Radikalisierung der Forderungen sein. Der Dritte Stand, aufgeheizt durch die meinungsbildende Publizistik und sozioökonomische Verschärfungen infolge der Öffnung des Textilmarktes durch das französisch-englische Wirtschaftsabkommen und eines harten Winters, [184] artikulierte eindringlicher den Wunsch nach einer bleibenden und weit reichenden Veränderung der gesellschaftlichen Fundamente. Ludwig hingegen konnte solch eine soziale Umgestaltung nicht mit seinem Ideal einer traditionellen Ständegesellschaft vereinbaren, selbst wenn der Adel abtrünnig geworden war. Ludwig befand sich in einer unauflöslichen androgynen Stellung, denn er hatte ja grundlegende Umbrüche erstmals mit Calonnes Steuerreform in die Wege geleitet. Ludwig XVI. war „a partisan of privilege at the head of the privileged class“, [185] sodass er allzu große Veränderungen nicht dulden konnte, wollte er seine Stellung als absoluter Herrscher weiterhin behaupten. Daher akzeptierte er die Angebote des Bürgertums, in dessen Konzeption der König weiterhin eine mächtige Position einnahm, nur äußerst zögerlich. Zeugnis davon legt das résultat du conseil vom 27. Dezember 1788 ab, in dem die Regierung entgegen des Ratschlags der Notablenversammlung einer Verdopplung des Dritten Standes zustimmte, da mindestens 1000 Delegierte eine Entscheidung in dieser Größenordnung zu tragen hätten:

1. The deputies of the forthcoming Estates-General will be at least a thousand in number.

2. The number of deputies fort he Third Estate will be equal to that of the two other orders    combined […]. [186]

Trotz dieses Entgegenkommens büßte Ludwig wieder einmal Vertrauen im Dritten Stand ein, da er keine Entscheidung bezüglich der Abstimmungsmodalitäten – par tete oder par ordre – fällte. Darüber hinaus schien dieses Dekret eher Neckers Ehrgeiz [187] entwachsen zu sein als Ludwigs Überzeugung, da untypischerweise keine Präambel vorangestellt worden war und unmittelbar danach Neckers Report folgte. Ludwig, dem Entscheidungsdruck zwischen zwei divergierenden Mächten erneut nicht gewachsen, zog sich zu Neckers Gunsten zurück und ließ eine der letzten guten Möglichkeiten zur selbstgestalterischen Politik verstreichen.

4. Ausblick und Fazit 

Ludwig XVI., der letzte König des Ancien Régime, gab im Laufe der Pré-Révolution selbst sukzessive seine politischen Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand, wurde immer offensichtlicher zum „Spielball der Entwicklung“ [188] und damit auch zunehmend überflüssiger in den Planungen der revolutionären Nationalversammlung, bis die Krone zuletzt „nur noch das Bild der Agonie der Macht“ abgab, wie Barnave bereits 1792 treffend formulierte. [189] Da der König es trotz großer Sympathien für den Dritten Stand versäumte, ein klares Bekenntnis für das Bürgertum zu leisten, diskreditierte er sich selbst zum Betrachter. Als seine letzte Handlung in königlicher Macht kann das Zurückhalten der Truppen am 23. Juni 1789 gesehen werden, womit der König allerdings mit der Verneinung eines Militäreinsatzes auch das letzte Instrument der absolutistischen Gewalt um des Friedens willen opferte. Die Überführung in die Pariser Tuilerien im Oktober 1789 nahm Ludwig zuletzt die Mobilität. Er wurde zum bloßen Erfüllungsgehilfen der Revolutionäre, da es ihnen aufgrund der dechristianisierenden Säkularisation und fehlenden Historizität an einer anderen innen- und außenpolitischen Legitimationsinstanz mangelte. Die Flucht nach Varennes am 20. und 21. Juni1791 wurde trotz kurzzeitigem Bedeutungszugewinn zum Fanal des Untergangs Ludwig XVI., der mit einem würdevollen Auftritt bei seiner Hinrichtung am 21. Januar 1793 ein verheerendes Ende fand.

Für das Verständnis der Politik und auch der Person Ludwigs ist sein Verhalten während der Pré-Révolution maßgeblich, denn gerade in diesen zwei Jahren verfiel er auch auf den Druck der Situation hin in einen höchst bemühten Aktionismus, der aber relativ schnell nach der Erkenntnis des Versagens in äußerste Passivität umschlagen konnte. Auch aus der Gefallsucht heraus – er selbst äußerte den „wish to be loved“ [190] – war Ludwig der Mitinitiator wesentlicher innenpolitischer Reformakzente geworden. Jedoch setzte er mit der Rückbesinnung auf die Aristokratie auf die falsche Karte. Am 8.4.1787 verlor er mit Calonnes Rücktritt auch den uneingeschränkten Rückhalt in den Ministerien und musste daher in phasenweise aufflackernden Despotismus zur Bewahrung der absoluten Monarchie zurückfallen. Es bleibt festzuhalten, dass Ludwigs Regierung stets gerade in der Zeit von 1787 bis 1789 zwischen den beiden Antipoden, traditionellem Despotismus und modernen Reformierungsversuchen oszillierte. Furet beurteilt folgerichtig den „chaotischen Aspekt“ in der Regierung Ludwigs als „Mischung aus Naivität und Tradition“. [191] Allerdings bedarf eine absolute Monarchie eines absoluten Herrschers und „ein geborener König [war er] auch und gerade dem eigenen Verständnis nach sicher nicht“. [192] Dies kam gerade in der Auseinandersetzung mit dem Parlement deutlich zum Ausdruck. Da ihm die schillernde Persönlichkeit und das Charisma seiner Vorgänger fehlten, zog er sich zurück, überließ Brienne, einem ausgemachten Gegner der absoluten Monarchie, und Marie-Antoinette ab Mai 1787 die Verhandlungshoheit und schaffte damit ein Legitimations- und Machtvakuum, das erst wieder von den revolutionären Kräften fruchtbar ausgefüllt werden konnte.

Durch den Einsatz Lamoignons verschob sich der Konflikt hin zur generellen Frage nach der Machtverteilung in Frankreich, da er gestützt von Ludwig eine Entmachtung der Parlements anstrebte. Mit der Vertreibung des parlement im August, in der Séance royal vom 19. November 1787 wie auch bei Coup d’état im Mai 1788 verlor Ludwig durch sein Vorgehen gegen die Gerichtshöfe, denen es auf bisher nicht gekannte Weise gelang, die öffentliche Meinung gegen den König aufzubringen, große Sympathien im Bürgertum und in reformoffenen Adelskreisen. Diese ökonomisch und intellektuell bedeutende Gruppe konnte nicht in Ludwigs Herrschaftsverständnis integriert werden, denn er war „völlig unfähig, sich etwas anderes als die aristokratische Gesellschaft vorzustellen, um der Monarchie neue [Finanz-, aber auch Einfluss-]Quellen zu erschließen.“ [193] Mit der zu späten Ernennung des bürgerlichen Neckers tat er zwar nach außen einen Schritt der Annährung, entfremdete sich aber im Inneren von den Ambitionen des Dritten Standes. Am 27.Dezmber 1788 verpasste Ludwig XVI. meines Erachtens die letzte große Gelegenheit zur Rettung der Monarchie, die bereits lange vor 1787 eine administrative Monarchie geworden war, da er sich bewusst nicht mit den Dritten Stand durch eine Festsetzung der Pro-Kopf-Abstimmung verbrüderte. „Die Agonie der Macht“ wurde danach vollends offensichtlich.

5. Anhang 

5.1 Zeittafel zu den Ereignissen der Pré-Révolution 1786-1788

Die Zeittafel finden Sie in einem gesondertem PDF-Dokument.

5.2 Verzeichnis der verwendeten Literatur 

Bosher, J. F.: French Finances 1770-1795. From Business to Bureaucracy. Cambridge 1970.

Egret, Jean: The French Prerevolution 1787-1788. Chicago 1977. 

Fay, Bernard: Ludwig XVI. Der Sturz der französischen Monarchie. München 1989.

Furet, François: Ludwig XVI., in: Ders. und Ozouf, Mona (Hgg.): Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution. Bd. 1. Ereignisse, Akteure. Frankfurt/Main 1996, S.427-442. 

Furet, François und Richet, Denis: Die Französische Revolution. Frankfurt/Main 1968.

Hardman, John: Louis XVI. New Haven und London 1993. 

Ders.: French Politics 1774-1789. From the accession of Louis XVI to the fall of the Bastille. London und New York 1995. 

Ders. und Price, Munro (Hg.): Louis XVI and the comte de Vergennes: Correspondence 1774-1787. Oxford 1998. 

Ders. (Hg.): The French Revolution Sourcebook. New York 1999. 

Ders.: Louis XVI. The Silent King. New York 2000. 

Hartmann, Peter Claus: Ludwig XVI. (1774-1789/1792)., in: Ders. (Hg.): Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498-1870. München 22006, S. 272-308.

Jones, Colin: The Great Nation. France from Louis XV to Napoleon 1715-99. London 2002. 

Jones, Peter M.: Reform and Revolution in France. The Politics of Transition, 1774-1791. Cambridge 1995.

Landauer, Gustav (Hg.): Briefe aus der Französischen Revolution. Bd. 1. Frankfurt/Main 1919. 

Lever, Evelyne: Ludwig XVI. Stuttgart 1988. 

Paschold, Chris E. und Gier, Albert (Hg.): Die Französische Revolution. Ein Lesebuch mit zeitgenössischen Berichten und Dokumenten. Stuttgart 1989. 

Reichenberger, Kurt: Suite du Quatrième livre de L’Odyssée D’Homère, ou les avantures de Télémaque, fils D’Ulysse, in: Kindlers Neues Literatur Lexikon 5 (1988), S. 468-469.

Rudé, George E.: The Outbreak of the French Revolution, in: Schmitt, Eberhard (Hg.): Die Französische Revolution. Anlässe und langfristige Ursachen. Darmstadt 1973, S. 152-170.

Schmitt, Eberhard: Repräsentation und Revolution. Eine Untersuchung zur Genesis der kontinentalen Theorie und Praxis parlamentarischer Repräsentation aus der Herrschaftspraxis des Ancien régime in Frankreich (1760-1789). München 1969. 

Ders.: Repraesentatio in toto und repraesentatio singulariter. Zur Frage nach dem Zusammenbruch des Acien régime und der Durchsetzung moderner  parlamentarischer Theorie und Praxis im Jahr 1789, in: Ders. (Hg.): Die Französische Revolution. Anlässe und langfristige Ursachen. Darmstadt 1973, S. 408-464.

Soboul, Albert: Die große Französische Revolution. Ein Abriß ihrer Geschichte (1789-1799). Frankfurt/Main 4. durchges. Aufl. 1983. 

Taeger, Angela: Ludwig XVI. (1754-1793). König von Frankreich. Stuttgart 2006.

Anmerkungen

  • [1]

     Furet, François: Ludwig XVI., in: Ders. und Ozouf, Mona (Hg.): Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution. Bd. 1. Ereignisse, Akteure. Frankfurt/Main 1996, S.427-442, hier: S. 427.

  • [2]

     Soboul, Albert: Die große Französische Revolution. Ein Abriß ihrer Geschichte (1789-    1799). Frankfurt/Main 4. durchges. Aufl. 1983, S. 74.

  • [3]

     Dadurch wird auch der berühmte und häufig für die Alltagsdistanz des königlichen Hofes angeführte Eintrag „Rien“ vom 14.7.1789 verständlich – Ludwig hatte schlichtweg auf der Jagd kein Tier erlegt.

  • [4]

     Hartmann, Peter Claus: Ludwig XVI. (1774-1789/1792), in: Ders. (Hg.): Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498-1870. München 22006, S. 272-308, hier: S. 279.

  • [5]

     Dieser Begriff hat sich in der Historiographie seit Jean Egrets bekannter Analyse etabliert, um den Zeitraum von der Einberufung der Assemblée des nobtables  in der zweiten Hälfte 1786 bis zum Zusammentritt der États généraux am 5. Mai 1789 zu bezeichnen.

  • [6]

     Taeger, Angela: Ludwig XVI. (1754-1793). König von Frankreich. Stuttgart 2006, S. 159.

  • [7]

     Hartmann, S. 276.

  • [8]

     Taeger, S. 16.

  • [9]

     Reichenberger, Kurt: Suite du Quatrième livre de L’Odyssée D’Homère, ou les avantures de Télémaque, fils D’Ulysse, in: Kindlers Neues Literatur Lexikon 5 (1988), S. 468-469, hier: S. 469.

  • [10]

     Die Erziehung Ludwigs XVI. ist wissenschaftlich bereits hinreichend durch Pierette Girault de Coursac in dem Werk „L’éducation d’un roi: Louis XVI“, das in der zweiten Auflage aus dem Jahr 1995 in Frankreich vorliegt, untersucht.

  • [11]

     Hardman, John: Louis XVI. The Silent King. New York 2000, S. 40.

  • [12]

     Ebd., S. 30.

  • [13]

     Vgl. hierzu die genauen Ausführungen Hardmans, der auch die Hofränke und den Einfluss Maurepas’ als wichtige Bestandteile der Entscheidungsbildung anführt. Siehe Hardman, John: Louis XVI. New Haven und London 1993, S. 27-39.

  • [14]

     Hier seien die Vorwürfe der Dummheit und Unkultiviertheit des Abbé Véri oder des Duc de Croy genannt. Vgl. hierzu Taeger, S. 73-80.

  • [15]

     Ebd., S. 73.

  • [16]

     Hartmann, S. 277.

  • [17]

     In der Schlosserei soll der Herrscher beachtliche Werke vollbracht haben. Vgl. Taeger, S. 77.

  • [18]

     Hardman (2000) attribuiert sein gesamtes Wesen mit „awkard“ (S. 17).

  • [19]

     Hier scheint sowohl ein psychologisches Problem mit einem medizinischen (physiologische Phimose) einhergegangen zu sein. Erst 1777 konnte die Asexualität bei einem informellen Besuch Josephs II. durch einen operativen Eingriff behoben werden.

  • [20]

     Beispielsweise wähnte sich Ludwig nach seiner Reise in die Normandie vom 21.6.-29.6.1786, auf der er u. a. mehrere Kriegsschiffe besuchte, als „glücklichste[r] König der Welt“. Vgl. Lever, Evelyne: Ludwig XVI. Stuttgart 1988, S. 245.

  • [21]

     Zit nach: Taeger, S. 80.

  • [22]

     Furet, François und Richet, Denis: Die Französische Revolution. Frankfurt/Main 1968, S. 46.

  • [23]

     Hardman (2000), S. 38.

  • [24]

     Taeger, S. 48; er selbst schreibt an Turgot: „So wird die Situation deutlich machen, dass ich keineswegs so schwach bin, wie man glaubte, und dass ich das, was ich einmal entschieden habe, zu verfechten weiß.“ Zitiert nach Ebd, S. 47.

  • [25]

     Turgot soll im August 1776 Ludwig ermahnt haben, dass „der erste Kanonenschuß den Staat in den Bankrott stürzen werde.“ Zitiert nach: Schmitt, Eberhard: Repräsentation und Revolution. Eine Untersuchung zur Genesis der kontinentalen Theorie und Praxis parlamentarischer Repräsentation aus der  Herrschaftspraxis des Ancien régime in Frankreich (1760-1789). München 1969, S. 85.

  • [26]

     Vgl. Ebd., S. 107.

  • [27]

     Hartmann sieht die Ursache der Abhaltung dieses anachronistischen Ereignisses in der „Wiedererweckung der sakralen Seite des Königtums“ (S. 289).

  • [28]

     Hierauf deutet vor allem der Glaube an die heilende Allmacht des Königs bei der Berührung der 2400 Skrofulosekranken und der Verzicht auf die Legitimierung durch das Volk während des Sacre hin.  

  • [29]

     Hardman (2000), S. 38.

  • [30]

     Jones, Colin: The Great Nation. France from Louis XV to Napoleon 1715-99. London 2002, S. 372.

  • [31]

     Zur besseren Orientierung vgl. die chronologische Aufstellung der Ereignisse unter 5.1. Die präzise, zeitweise aber sehr detailverliebte Studie Jean Egret gilt noch immer als das Standardwerk zu den Ereignissen der Pré-Révolution dar. Siehe Ders.: The French Prerevolution 1787-1788. Chicago 1977.

  • [32]

     Taeger, S. 75.

  • [33]

     Allerdings wurde er die Male, die er öffentlich auftrat, enthusiastisch gefeiert. Vgl. die Schilderungen seiner Normandiereise oder auch den Ausspruch Ludwigs, dass er sich in Paris nie aufhalten könne, „ohne dass ich wegen der begeisterten Rufe nahezu taub werde.“ Zitiert nach: Taeger, S. 43.

  • [34]

     Ebd., S. 87.

  • [35]

     Aus dieser Zeit stammt der absurde Vorwurf der inzestuösen Verbindung mit dem Dauphin.

  • [36]

     Das dürfte wohl der maßgebliche, aber intuitive Beweggrund für die Selbstbezeichnung Marie-Antoinettes als „Königin des Dritten Standes“  während der Vorbereitungen der Generalstände gewesen sein.

  • [37]

     Jones (2002), S. 364.

  • [38]

     Hartmann, S. 289.

  • [39]

     Wie noch zu zeigen sein wird, konnte selbst ein lit de justice nicht die Registrierung der Gesetze garantieren.

  • [40]

     Schmitt, Eberhard: Repraesentatio in toto und repraesentatio singulariter. Zur Frage nach dem Zusammenbruch des Acien régime und der Durchsetzung moderner  parlamentarischer Theorie und Praxis im Jahr 1789,in: Ders. (Hg.): Die Französische Revolution. Anlässe und langfristige Ursachen. Darmstadt 1973, S. 408-464, hier: S. 426.

  • [41]

     Offen bleibt, inwieweit Ludwig von den Gedanken der Aufklärung beeinflusst war und deswegen die parlements zurückbeordert hatte. Er selbst deutet eine gewisse Prägung durch die Aufklärer Malesherbes gegenüber am 13.12.1786 nicht ohne kritischen Zusatz an: „Voltaire, Rousseau, Diderot und ihresgleichen, denen für einen Augenblick meine Bewunderung galt, die ich auch seitdem zu würdigen wußte haben die Jugend verdorben“. zit. nach: Landauer, Gustav (Hg.): Briefe aus der Französischen Revolution. Bd. 1. Frankfurt/Main 1919, S. 28.

  • [42]

     Taeger, S. 111.

  • [43]

     1781 führte Ségur einen Ahnennachweis über vier Generation als notweniges Aufnahmekriterium für Offizierstellen ein.

  • [44]

     Soboul, S. 76.

  • [45]

     Bosher, J. F.: French Finances 1770-1795. From Business to Bureaucracy. Cambridge 1970, Kap. 11, S. 197-211.

  • [46]

     Rudé, George E.: The Outbreak of the French Revolution, in: Schmitt, Eberhard (Hg.): Die Französische Revolution. Anlässe und langfristige Ursachen. Darmstadt 1973, S. 152-170, hier: S. 156.

  • [47]

     Vgl. hierzu Schmitt (1969), S. 86.

  • [48]

     Taeger, S. 102.

  • [49]

     Ludwig XVI. soll nach Ségur gerade die exponierte Stellung Neckers missgünstig und empört aufgefasst haben: „Das geht zu weit! Dieser Mann will sich neben mir niederlassen.“ Zit. nach: Ebd., S. 102.

  • [50]

     Davon zeugt der Wandel in der Korrespondenz mit Vergennes. Im Brief vom 18.10.1776 (Brief 93) lehnt Ludwig ein kriegerisches Eingreifen noch ab,  im Brief 117 vom 6.1.1778 schließt er hingegen im Falle eines Bündnisses mit Spanien eine kriegerische Intervention nicht aus. Vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen in Hardman, John und Price, Munro (Hgg.): Louis XVI and the comte de Vergennes: Correspondence 1774-1787. Oxford 1998, S.43-106.

  • [51]

     Taeger, S. 97.

  • [52]

     Schmitt (1973), S. 423.

  • [53]

     Zit. nach: Hardman, John (Hg.): The French Revolution Sourcebook. New York 1999, S. 15.

  • [54]

     Vor 1776 wurde eine regelrechte PR-Aktion gestartet, in der Ludwig „mittelbar in Szene gesetzt“ (Taeger, S. 40) wird, um ihn zum „Beschützer des Volkes“ (Ebd., S. 39) zu stilisieren.

  • [55]

     Schmitt (1969), S. 86.

  • [56]

     Taeger, S. 105.

  • [57]

     Die steten Streitigkeiten zwischen Ministern und dem Parlement in Paris sind über die unterschiedliche, nicht klar festgelegte Bedeutung des Gerichtshofes zurückzuführen. Während der Herrscher in der Vorlage der Gesetzesentwürfe nicht mehr als eine „formality necessary to give an edict ist official character“ sah, definierten sich die parlementaires als einzige Instanz zur Überprüfung der Konformität des Ediktes mit „the unwritten constitution“ Frankreichs. Vgl. Hardman (1999) S.18f.   

  • [58]

     Vgl. hierzu Miromesnils Brief an Ludwig vom 5.8.1786 in Hardman (1999), S. 21.

  • [59]

     Fay, Bernard: Ludwig XVI. Der Sturz der französischen Monarchie. München 1989, S. 346.

  • [60]

     Lever, S. 347.

  • [61]

     Der Vertrag wurde am 26.9.1786 ratifiziert und brachte verheerende Folgen für die rückständige französische Textilindustrie mit sich, die aufgrund der mäßigen Ernte und des harten Winters 1787/88 beachtlich zur Radikalisierung des Dritten Standes beitrugen.

  • [62]

     Calonne im November 1786 zu Ludwig. Zit. nach: Hardman (1993), S. 106.

  • [63]

     Dieser Begriff stammt von Soboul und steht in Konkurrenz mit dem Term impôt territoriale von John Hardman.

  • [64]

     Brief an Ludwig vom 8.12.1786. Siehe Hardman (1999), S. 22.

  • [65]

     Dass keine Registrierung mittels lit de justice angestrebt wurde, ist für die Schwäche der Krone bezeichnend. Soboul sieht bereits die Kapitulation der Monarchie in dem Umstand, dass „sie Billigung von der Aristokratie erbat, anstatt ihr ihren Willen aufzuzwingen.“ Ders., S. 79.

  • [66]

     Fay, Ludwig, S. 347. Allgemeiner drückte es Calonne selbst Ludwig gegenüber aus, als er den Ablauf der Notablenversammlung „without the inconvenience of the Estates General“ beschrieb. Vgl. Hardman (1993), S. 104.   

  • [67]

     Furet, S. 434.

  • [68]

     Hardman (1993), S. 108. Ludwig bestätigte dies im Gespräch mit Malesherbes. Wortlaut siehe Ebd., S. 107.

  • [69]

     Ebd., S. 108.

  • [70]

     Hardman (2000), S. 38.

  • [71]

     Taeger, S. 117.

  • [72]

     Hardman, John: French Politics 1774-1789. From the accession of Louis XVI to the fall of the Bastille. London und New York 1995, S. 243.

  • [73]

     Der genaue Wortlaut findet sich in Egret, S. 4.

  • [74]

     Taeger, S. 117.

  • [75]

     Hardman/Price, S. 151.

  • [76]

     Ob die Teilnahme Vergennes an den Versammlungen der Notabeln eine Änderung gebracht hätte, muss fraglich bleiben. Jedoch besaß er als Chef de conseil großen Einfluss und genoss ein hohes Ansehen in den adligen Kreisen. Darüber hinaus hatte er ein durchdachtes Patronage-System entwickelt, mit dem er eventuell eine Besserung erzielt hätte. Hardman und Price urteilen, dass „Vergennes might have brought the whole thing off.” Siehe Ebd., S. 153.  

  • [77]

     Fay, S. 350.

  • [78]

     Lever, S. 349.

  • [79]

     Im Wortlaut bei Egret, S. 6.

  • [80]

     Zit. nach: Fay, S. 354.

  • [81]

     Wortlaut der Rede in Hardman (1993), S. 113.

  • [82]

     Ebd., S. 114.

  • [83]

     Egret, S. 7.

  • [84]

     Fay,  S. 352.

  • [85]

     Vgl. hierzu Bosher, Kap. 10, S. 183-196, in dem er akribisch die Art des Missbrauchs herausstellt und den darauf folgenden Vertrauensverlust, der die materiellen Einbußen bei weitem übertraf.

  • [86]

     Hardman (1993), S.121.

  • [87]

     Im Wortlaut bei Hardman (1999), S. 40.

  • [88]

     Hardman (2000), S. 83.

  • [89]

     Davon zeugt sowohl Castries Austausch mit Ludwig vom nächsten Tag, wie auch Miromesnils indirekte Drohung vom 4. April: „He [Calonne] is making a sort of appeal which may have dangerous consequences.” Beides Hardman (1999), S. 41f.   

  • [90]

     Hartmann, S. 297.

  • [91]

     Hardman (1993), S. 119.

  • [92]

     Hardman (1995), S. 85.

  • [93]

     Ebd., S. 244.

  • [94]

     Wie groß die Gruppe der Oppositionellen und der unterschiedlichen Stoßrichtungen war, war Calonne sehr wohl bewusst, wie er im Juli 1787 einem Bekannten resigniert mitteilte. Vgl. Ebd., S. 86.

  • [95]

     Dies ist wohl auch ein Grund für seine Zurückgezogenheit und Ablehnung militärischer Mittel.

  • [96]

     Hardman (1995), S. 194. Das Schweigen Ludwigs in wichtigen Fragen zu deuten, ist nur im     Einzelfall möglich. Fakt ist aber, dass gerade in staatsmännischer Hinsicht diese Stille Entscheidungsprozesse unnötig verlangsamte und damit einer Selbstblockade des Ancien Régime zuträglich war.

  • [97]

     Zitiert nach: Hardman (1995), S. 195.

  • [98]

     Egret, S. 25.

  • [99]

     Egret urteilt schlüssig, dass die Auswechslung Miromesnils „no serious problem“ (S. 25) darstellte, da Lamoignon größtes Ansehen unter den Notabeln genoß.

  • [100]

     Lever, S. 352.

  • [101]

     Egret, S. 29.

  • [102]

     Brienne spricht sogar von einem vollkommenen Einstellungswandel innerhalb zweier Wochen. Vgl. Ebd., S. 28.

  • [103]

     Hardman (1995), S. 90.

  • [104]

     Hardman (1993), S. 125.

  • [105]

     Angeblich soll Ludwig vor der Prüfung eines Dokumentes von Brienne immer erst eine Abstaubung beantragt haben. Vgl. Ebd., S. 125.

  • [106]

     Vgl. Anm. 47.

  • [107]

     Hardman (2000), S. 86.

  • [108]

     Interessanterweise beschlichen Marie-Antoinette Skrupel bzgl. der Wahrung und Durchsetzung österreichischer Interessen am Versailler Hof. Mercy-Argenteau berichtet: „Plötzlich wird sie von Bedenken geplagt, es sei ungerecht, wenn der Hof in Wien die Minister in Versailles benenne.“ (Taeger, S. 117).  

  • [109]

     Furet, S. 434.

  • [110]

     Taeger, S. 117.

  • [111]

     Laut seinem Tagebuch war er am 11., 14., 16., 19., 21., 24.4. auf der Jagd; vgl. Hardman, Louis XVI. (1993), S. 126.

  • [112]

     Zit. nach: Egret, S. 32.

  • [113]

     Ebd., S. 33.

  • [114]

     Ebd., S. 33. Allerdings sind zwei leicht divergierende Versionen überliefert; die Lafayette’sche Version ist in ihrem Ton zwar radikaler, aber ist in der Proposition derjenigen des Duc de Montmorency- Laval sehr ähnlich.  

  • [115]

     Hardman (1993), S. 126.

  • [116]

     Zit. nach: Egret, S. 35.

  • [117]

     Fay, S. 358. Für den Zeitraum von Juni 1787 bis September 1788 lässt sich der Term révolte nobilaire verwenden, der wohl als Meronym des Terms Pré-Révolution aufzufassen ist, der sich über den Zeit raum vom 20.8.1786 bis zum 5.5.1789 erstreckt. In der Wissenschaft werden freilich beide Begriffe synonym verwendet.

  • [118]

     Soboul, S. 85.

  • [119]

     Lever, S. 358.

  • [120]

     Ebd., S. 359.

  • [121]

     Egret, S. 98;Taeger, S. 115.

  • [122]

     Egret, S. 43.

  • [123]

     Ebd., S. 54.

  • [124]

     Taeger, S. 115.

  • [125]

     Hardman (1993), S. 131.

  • [126]

     Egret, S. 99.

  • [127]

     Ob Calonne dieses Vergehens schuldig ist, kann infolge der undurchsichtigen Bilanzen nicht vollends geklärt werden. Allerdings spricht Brienne bereits in einem Brief vom 17.6.1787 davon, dass „large sums of money have left the royal treasury without the king’s authorization“. Siehe Hardman (1999), S. 48.  

  • [128]

     Indirekt deutet das auch Lamoignon an, wenn er von „the passions it [Paris] stirred up“ spricht. Siehe

         Egret, S. 100.

  • [129]

     Ebd., S. 90.

  • [130]

     Ebd., S. 102.

  • [131]

     Zit. nach: Ebd., S. 102.

  • [132]

     Hardman (1995), S. 125.

  • [133]

     In einem Rundbrief bezeichnet er Brienne als „common centre“, dem alle weiteren Schritte zuerst mitgeteilt werden sollten. Siehe Hardman (1999), S. 53.

  • [134]

     Hardman (1993), S. 130.

  • [135]

     Egret, S. 105.

  • [136]

     Hardman (2000), S. 71.

  • [137]

     Marie-Antoinette schildert ihrem Bruder Joseph II. am 23.11. die Ereignisse in der Versammlung. Siehe Hardman (1999), S. 53.

  • [138]

     Hardman (1993), S. 132.

  • [139]

     Wortlaut in Egret, S. 110.

  • [140]

     Zit. nach: Hardman (1993), S. 131.

  • [141]

     Zit. nach: Ebd., S. 131.

  • [142]

     Lever, S. 356.

  • [143]

     Daher hatte Ludwig Philipp II. auch auf das Einschlagen einer Militärlaufbahn verzichtet. Pikanterweise wurde erst seinem Sohn, dem „Bürgerkönig“ Louis Philippe diese Ehre zuteil.

  • [144]

     Zitiert nach Hardman (1993), S. 131f.

  • [145]

     Jones, Peter M.: Reform and Revolution in France. The Politics of Transition, 1774-1791. Cambridge 1995, S. 240.

  • [146]

     Hardman, (1993), S. 132.

  • [147]

     Fay, S. 368.

  • [148]

     Ebd., S. 368.

  • [149]

     Soboul, S. 80.

  • [150]

     Am 17.4.1788 nahm Ludwig nochmals Stellung zu den Vorwürfen des Parlement. Dort kulminiert die Frage der Rechtmäßigkeit der königlichen Entscheidungsbefugnis, die Ludwig klar für sich beansprucht: „When I am present, I judge of this myself.“ Siehe Hardman (1999), S. 54 u. S. 51.

  • [151]

     Rudé, S. 159.

  • [152]

     Lever, S. 366.

  • [153]

     Hardman (1999), S. 54f.

  • [154]

     Hardman (1993), S. 133.

  • [155]

     Egret, S. 146.

  • [156]

     Hardman (1999), S. 55f.

  • [157]

     Sallier deutet allerdings an, dass der „mob of lackeys and drifters from the dregs of populace” aufgrund seiner Unterprivilegiertheit nicht gern gesehen wurde. Siehe Egret, S. 147f.

  • [158]

     Ebd., S. 148.

  • [159]

     Ebd., S. 149.

  • [160]

     Auszüge der Regierungsreden in Hardman (1999), S. 59f.

  • [161]

     Die Auflistung der Aufstände ist der Zeittafel zu entnehmen. Vgl. 5.1, S. 34.

  • [162]

     Hardman (1993), S. 134; Rudé, S. 160.

  • [163]

     Vgl. Hardman (1993), S. 134.

  • [164]

     Zit.nach: Egret, S. 153.

  • [165]

     Schmitt (1973), S. 425.

  • [166]

     Zitiert nach Hardman (1993), S. 135.

  • [167]

     Taeger, S. 120.

  • [168]

     Zitiert nach Ebd., S. 118.

  • [169]

     Zit. nach: Egret, S. 185.

  • [170]

     Vgl. Ebd., S. 186.

  • [171]

     Hardman (1995), S. 97.

  • [172]

     Egret, S. 187.

  • [173]

     Hardman (1995), S. 98.

  • [174]

     Zit. nach: Hardman (1993), S. 136.

  • [175]

     Taeger, S. 119.

  • [176]

     Zit. nach: Hardman (1999), S. 67.

  • [177]

     Schmitt (1973), S. 441.

  • [178]

     Siehe deren Memorandum, in dem sie Ludwig eindringlich vor der anzunehmenden Radikalisierung warnten, in Hardman (1999), S. 69-71.

  • [179]

     Egret, S. 198.

  • [180]

     Ebd., S. 211.  

  • [181]

     Zit. nach: Hardman (1995), S. 232.

  • [182]

     Vgl. Briennes Prophetie im Juli 1788 in Egret, S. 179.

  • [183]

     Hardman (2000), S. 138.

  • [184]

     Rudé, S. 161.

  • [185]

     Hardman (2000), S. 96.

  • [186]

     Hardman (1999), S. 73.

  • [187]

     Egret, S. 213.

  • [188]

     Hartmann, S. 307.

  • [189]

     Zit. nach: Paschold, Chris E. und Gier, Albert (Hgg.): Die Französische Revolution. Ein Lesebuch mit zeitgenössischen Berichten und Dokumenten. Stuttgart 1989, S. 44.

  • [190]

     Und zwar anlässlich der Rückberufung des Parlement 1774. Zit. nach: Hardman (1995), S. 232.

  • [191]

     Furet, S. 434f.

  • [192]

     Taeger, S. 23.

  • [193]

     Furet, S. 435.

Empfohlene Zitierweise

Weiß, Maximilian: Analyse der Politik Ludwigs XVI. in der Pré-Révolution 1787-1788. aventinus nova Nr. 24 [30.08.2010], in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7928/

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Erstellt: 03.08.2010

Zuletzt geändert: 30.08.2010

ISSN 2194-1963