Archaik (800-508/7 v.Chr.)

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aventinus antiqua Nr. 5 (Winter 2005) 

 

Attila Zarka 

Die Tyrannis der Peisistratiden 

 

Die griechische Tyrannis wird von der historischen Forschung allgemein in zwei Phasen aufgeteilt. Da in der Zeit von 461 bis 405 v. Chr. keine Anzeichen für irgendeine Art von Alleinherrschaft auf griechischem Boden zu finden sind, spricht man von der älteren und von der jüngeren Tyrannis. Dabei wird die erstere Form auch oft als die archaische Tyrannis bezeichnet. 

Die Anfänge der tyrannischen Herrschaft können gegen Ende des siebten Jahrhunderts datiert werden. Vorrangig tauchte sie auf ionischem Boden auf, aber sie war auch auf der Peloponnes zu finden. Die Gründe für das Auftreten der Tyrannis können sehr stark verallgemeinernd in der Stasis innerhalb der Aristokratie gesehen werden. Diese Auseinandersetzung konnte unter bestimmten Voraussetzungen darin enden, dass sich eine Einzelperson aus der Führungsschicht gegen seine Gegnerschaften durchgesetzt hat und eine Form der Alleinherrschaft installieren konnte. 

Diese Arbeit soll sich nun im folgenden mit der Tyrannis der Peisistratiden in Athen beschäftigen. Im Verlauf der historischen Deutung soll die Frage, ob denn die attische Tyrannis in ihrer langfristigen Entwicklung als Sprungbrett für die spätere Demokratie angesehen werden kann, genauer beantwortet werden. 

Die historische Einordnung der Tyrannis der Peisistratiden 

Über Peisistratos kann man hauptsächlich bei Herodots "Historien" und Aristoteles "Staat der Athener" näheres erfahren. Während Herodot bereits über die unheilvollen Vorzeichen vor der Geburt des Peisistratos zu berichten weiß, ist der erste Hinweis bei Aristoteles die Stasis, die schließlich zur Machtergreifung des späteren Tyrannen führte. Aristoteles zählt drei Parteien auf, die untereinander in Streit geraten sind. Wie auch Herodot ordnet Aristoteles die Gruppierungen vorrangig nach regionalen Aspekten. Er geht aber noch einen Schritt weiter und weist ihnen gewisse politische Richtungen zu: 

„Es gab drei Parteiungen: als erste die Küstenbewohner (parálioi), die Megakles, der Sohn des Alkmeon, anführte, und die am ehesten als Verfechter einer mittleren Verfassung galten; als zweite die Bewohner der Ebene (pediakoí), die die Oligarchie anstrebten, ihr Führer war Lykurg; als dritte die Bewohner des Hügellandes (diakrioí), die Peisistratos folgten, der für den volksfreundlichsten gehalten wurde.“ [1]

Stein-Hölkeskamp schreibt in ihrem Aufsatz, dass alleine schon die Abgrenzung des Wirkungskreises der rivalisierenden Gruppen die Historiker vor eine nicht zu bewältigende Aufgabe stellt, da die Quellen keine eindeutigen Angaben machen. Aus diesem Grund müssten alle heutigen Interpretationen auf Mutmaßungen zurückgreifen. Zudem verwirft sie die aristotelische Behauptung der politischen Gruppenunterscheidung mit dem Argument der anachronistischen Sichtweise. An diesem Punkt sollte man aber einhaken. Es ist sicherlich fraglich, mit welcher Intention "Der Staat der Athener" von Aristoteles geschrieben worden ist, allerdings ist es auch sehr gefährlich, den Menschen des sechsten Jahrhunderts keine eigenen politischen Vorstellungen anzuerkennen, nur weil sie für bestimmte Zusammenhänge keine eindeutige Bezeichnung hatten. So zum Beispiel kann man mit Sicherheit behaupten, dass Platon aus bekannten Gründen kein Vertreter der christlichen Lehre sein konnte, aber dennoch tiefchristliche Ideologien im Kern angesprochen hat. In diesem Sinne konnte also auch Lykurgos ein Vertreter der Oligarchie sein, ohne zuvor über eine genaue Definition derselben philosophiert haben zu müssen. Hölkeskamp und andere Vertreter mögen aber insofern Recht behalten, als die Auseinandersetzung der drei Interessengruppen sicherlich nicht politischen Ursprungs gewesen sein dürfte, sondern in der allgemeinen Rivalität einzelner Aristokraten zu begründen ist.

Wir haben also in den 60er Jahren des sechsten Jahrhunderts drei Rivalen, die um die Vormacht in Athen kämpften. Wie kam es nun dazu, dass sich Peisistratos aus der Gruppe der Oberschicht herauslösen konnte und sich an die Spitze der Polis setzen konnte? 

Auf der einen Seite zeigen die Quellen ein zielgerichtetes Handeln bei Peisistratos. Auf der anderen Seite findet man eine ständige Umorientierung der Gegner, durch welche sie ihre eigene Positionen geschwächt haben dürften. Peisistratos ließ sich von Rückschlägen bei der Ausführung seines Planes nicht beirren und griff gleich dreimal nach der Tyrannis. Dabei konnte er anscheinend aber auch vom Demos Unterstützung erhoffen. Bei der ersten Machtergreifung wurde dem Peisistratos vom Volk eine Leibwache zur Seite gestellt, mit deren Hilfe er die Akropolis besetzen konnte. Beim zweiten Mal, als er mit der "Göttin Athena" zurückkehrte, empfingen ihn die Leute "staunend und kniefällig". Und zu guter Letzt konnte er eine gewisse Anhängerschaft in Attika mobilisieren, die ihm bei seiner militärischen Operation Unterstützung leistete. 

Vor allem Megakles scheint seine Fahnen immer nach dem Wind gerichtet zu haben. Er war es, der Peisitratos die Tyrannis aus Hoffnung an Machtzugewinn anbot, nachdem er ihn kurz zuvor aus Athen vertrieben hatte. Als er aber sah, dass Peisistratos keineswegs an einer Kooperation interessiert war, schloss er sich wieder mit Lykurg zusammen, um Peisistratos erneut vom "Thron" zu stoßen. 

An dieser Stelle wird die innere Stasis der Aristokratie sehr deutlich sichtbar. Michael Stahl sagt dazu, dass die Tyrannis als die letzte Konsequenz der Auseinandersetzung der oberen Bevölkerungsschicht anzusehen sei, wobei aber nicht aus jeder Stasis zwangsläufig eine Tyrannis entstehen müsse. 

Während des Archontats des Philoneos, welches ungefähr im Jahre 528 gewesen sein durfte, starb Peisistratos, und seine Macht ging an seine Söhne Hippias und Hipparchos über. Unter deren Herrschaft wurden die Grenzen der Tyrannis immer deutlicher, bis schließlich um 514 Hipparchos einem Anschlag zum Opfer fiel. Allmählich konnten die Gegner der Peisitradiden wieder die Oberhand gewinnen und schließlich gelang es den Alkmeoniden mit Unterstützung des Spartanerkönigs Kleomenes, den Tyrannensohn Hippias aus Athen zu vertreiben. Hippias soll laut Herodot noch während der Perserkriege eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, da die Perser ihn wieder als Tyrannen über Attika einzusetzen gedachten. 

Wenn man nun von den beiden ersten Versuchen des Peisistratos absieht, dauerte die Tyrannis der Peisistratiden ungefähr eine Generation, genauer gesagt vom Jahre 546 bis 510. In einer solchen Zeitspanne werden unabstreitbar gewisse innerstaatliche Entwicklungsschritte in Gang gesetzt, die erst in späteren Jahren rückblickend gedeutet werden können. Wie bereits in der Leitfrage erwähnt wurde, soll eine solche Entwicklung, nämlich inwieweit die Tyrannis als Sprungbrett für die Demokratie gelten kann, nun näher untersucht werden.

Die Machtsicherung der Peisitratiden 

Wenn man Herodot Glauben schenken möchte, so muss man davon ausgehen, dass eine Großteil der Aristokratie nach der erfolgreichen Installierung der Tyrannis durch Peisistratos aus Athen geflüchtet ist. Der neue Alleinherrscher musste nun verschiedene Wege finden, um die Macht der Aristokratie weiter zu schwächen. Als ganz nahe liegend erscheint in diesem Falle die Kontrolle der für die Oberschicht zugänglichen Ämter. Inwieweit er tatsächlich in die Polisordnung eingriff, wird aus den Hauptquellen nicht ersichtlich. Aber sowohl Hölkeskamp als auch Stahl gehen davon aus, dass Peisistratos wohl in einem erheblichen Umfang die Besetzung der Jahresbeamten kontrollierte. 

Doch Peisistratos dürfte wohl noch weiter gegangen sein. Er musste versuchen, die lokalen Bindungen des Demos an einen Aristokraten dermaßen einzuschränken, dass jegliche Revolte gegen seine Person immer unwahrscheinlicher wurde. 

Zu diesem Zwecke dürfte er auch die bei Aristoteles erwähnten Demenrichter eingesetzt haben. Welche genaue Funktion dieses außergerichtliche Gremium besaß, wird nicht beschrieben. Es ist aber davon auszugehen, dass Peisistratos vor allem die vorstaatliche, aristokratisch geprägte Form der  Rechtsprechung in den einzelnen Demen zu verhindern suchte. Zum einen konnte er auf diese Weise als der legitime Nachfolger Solons auftreten, da er den Zugang zu dessen Reformen einer breiten Schicht ermöglichte. Zudem wurde hier die Abhängigkeit des Demos zu lokal herrschenden Aristokraten weiter abgebaut. Aber Peisistratos nutzte viele Möglichkeiten, die untere Bevölkerungsschicht zu emanzipieren: 

„[...] insbesondere lieh er Bedürftigen Geld für die Produktion, damit sie auf Dauer von der Landwirtschaft leben konnten. Das tat er aus zwei Gründen, nämlich damit sie nicht in der Stadt herumlungerten, [...]. Zugleich kam es ihm zugute, dass infolge der extensiven Bewirtschaftung des Landes auch seine Einnahmen höher wurden, denn von den Ernteerträgen zog er den Zehnten ein.“ [2]

Auf diese Weise erreichte Peisistratos eine gewollte Identifikation des Demos mit seiner Person und somit auch mit der Polis Athen. Dadurch konnte mit der Zeit ein Polisbewusstsein und eine Poliszugehörigkeit in der Masse wachsen. Und genau diese Faktoren wurden zu tragenden Stützen für die keimende Demokratie am Anfang des fünften Jahrhunderts. 

Zweifelsohne war Peisistratos der mächtigste Mann in Athen. Mit dieser Funktion waren aber auch eine Menge Verpflichtungen verbunden, die er zu erfüllen hatte. Jegliche Staatsausgabe, die zuvor eine Gruppe von Aristokraten übernommen hatte, lastete nun auf den Schultern des Tyrannen. 

Baupolitik als Machtsicherung 

Die größte Problematik bei der Untersuchung der Baupolitik der Peisistratiden ist die Datierung der archäologischen Funde. Zudem existieren keine Beweise, dass die Bauten, die in die Zeit der Tyrannis zeitlich eingeordnet werden, auch der peisistratidischen Bautätigkeit zuzuordnen sind. Da aber ein Bauprogramm zu dieser Zeit erhebliche finanzielle Aufbringung erforderte, muss angenommen werden, dass Peisitratos und seine Söhne zumeist beteiligt waren. Boersma unterscheidet sogar zwischen den Bauten des Vaters und seiner Söhne. Er behauptet, dass der größere und gewaltigere Teil der gebauten Objekte eher den Söhnen zuzuschreiben sei. Er beruft sich zum einen auf Aristoteles, der schreibt, dass Hipparchos ein Liebhaber der Künste gewesen sei, wozu natürlich auch die Baukunst zu zählen ist.

Es gibt in Athen zwei geographische Räume, die den Peisistratiden zum Bebauen nahezu ideal erschienen sein mussten. Als erstes muss die Akropolis, das kultisch-religiöse Zentrum Attikas, genannt werden. Hinzu kommt die Agora, ein Treffpunkt des täglichen politischen und wirtschaftlichen Lebens. 

In der Forschung war lange Zeit die Meinung vorherrschend, dass der Wohnsitz der Tyrannenfamilie auf der Akropolis zu suchen ist, da archäologisch bewiesen wurde, dass während der Herrschaft der Peisistratiden die Anzahl der Opferdarbietungen auf der Akropolis zurückgegangen war. Boersma bringt gegen diese These seinerseits Argumente, die einleuchtend erscheinen. In "Der Staat der Athener" ist bei der Vertreibung des Hippias zu lesen, dass der Tyrannensohn damit begonnen hatte, Munichia bei Piräus zu befestigen, um sich dorthin zurückzuziehen. Da die Akropolis durch ihre Lage leicht zu verteidigen war, wäre der Bau einer zweiten Befestigungsanlage nicht wirklich erklärbar. Zudem ist die Tyrannis eine politische, nicht aber eine religiöse Staatsform, weshalb die Wahl der Agora als Wohnsitz näher liegend scheint. 

Der Neubau des Athena Polias Tempels wird um die Zeit von 520 datiert. Athena Polias war die Schutzgöttin der Stadt und somit ein ganz besonderes Anliegen für die Gesamtbevölkerung. Peisistratos hat bei seiner zweiten Machtergreifung auf die Hilfe der Göttin Athena gesetzt und somit dürfte sie auch eine tragende Rolle bei der Präsentation der Familie nach außen gespielt haben. Eine wichtigere Rolle dürfte aber der Bau der Wasserversorgungsanlage für Athen gespielt haben. Die Wasserversorgung war stets eine prekäre Frage, welches mit diesem großen Projekt gelöst werden konnte. Der Bau zweier Wasserleitungen um die Akropolis und die Realisierung eines Brunnenhauses konnten auf das selbe Jahr wie der eben genannte Athena Polias Tempel datiert werden. Somit zeigt sich, welche finanziellen Belastungen die Peisistratiden zu tragen hatten. 

Aber ein Bauvorhaben sollte alle bis dahin fertiggestellten Monumente in den Schatten stellen. Das Olympieion sollte den Tempel der Athena sowohl an Größe als auch an Eleganz überragen. Es war zu Ehren des olympischen Zeus geplant und sollte somit eine besondere Stellung für Gesamtgriechenland erlangen. 

Als die Tyrannis in Athen prompt beendet wurde, war der Tempel noch nicht fertiggebaut und es wurde zunächst auch kein weiterer Geldgeber gefunden, der das Projekt verwirklicht hätte. Erst der römische Kaiser Hadrian vollendete das Olympieion um 124 n. Chr.. 

Nun stellt sich die Frage, inwieweit die Machtposition durch solche Bauvorhaben gesichert werden konnte: Die Stasis der archaischen Zeit wurde dadurch beendet, dass sich ein Mann an die Spitze der Aristokratie stellte und alle übrigen an Prestige, Geld und Machtfülle überragte. Deswegen musste Peisistratos befürchten, dass seine Bemühungen, die erkämpfte Position zu behaupten, nicht gewinnbringend sein würden. Er musste nun auch der Bevölkerung Attikas beweisen, dass er zurecht der erste Mann im Staat war. Daher mussten seine Projekte alle bisher gekannten Grenzen sprengen.  Um aber diese "Bauwut" besser zu verstehen, ist es ratsam, sich der Bemühungen der Peisistratiden auf einem anderen Gebiet, nämlich der Lenkung des kultisch-religiösen Bereichs, zu widmen.

Kultisch-religiöse Feste als Identifikationspunkte des Demos 

Beinahe selbstverständlich erscheint hier, wie auch bereits erwähnt wurde, die Förderung des Athena-Kultes. Frank Kolb geht dabei sogar von einer möglichen Identifizierung des Peisistratos mit Herakles aus, da letztgenannter ein Begünstigter der Göttin war. Somit könnte der Tyrann eine weitere Legitimation seines Machtanspruches vorgebracht haben. 

Seit 540 wird archäologisch eine Zunahme von Dionysios-Abbildungen auf attischen Vasen bezeugt. Eine enge Verbindung mit dem Tyrannenhaus wird vermutet, weshalb auch die Forschung davon ausgeht, dass das Fest der Großen Städtischen Dionysien zu Ehren des Dionysios Eleuthereus von Peisistratos begründet wurde. Da in Athen bereits zwei ältere Dionysios-Kulte existierten, stellt sich die Frage, warum sich Peisistratos der neuen Form des Kultes zuwandte. Die Begründung dürfte höchstwahrscheinlich in persönlichen Motiven zu finden sein. 

Eine mythologische Überlieferung berichtet, wie Melanthos durch die Hilfe des Dionysios Melanaigis zu Königswürden gekommen sein soll. Zum einen führte Peisistratos sein Geschlecht auf eben diesen Melanthos zurück, zum anderen wird der Gott "im schwarzen Ziegenfell" in Peisistratos Heimatstadt Brauron in ganz besonderer Weise gefeiert. 

Eine weitere Förderung des kultisch-religiösen Lebens findet sich in der Modifizierung der Panathenäen wieder. Dieses agonale Fest fand zunächst jährlich statt und umfasste zumeist nur sportliche Wettkämpfe. Bei der Bedeutung des Allfestes der Athena für die Athener ist es nicht verwunderlich, dass sich die Peisistratiden in besonderem Maße sich um die Gestaltung verdient machen wollten. Sie haben der Zeit gemäß die Festlichkeiten in ein panhellenistisches Gefüge einzubinden versucht. Aus diesem Grunde wurde das Fest umgestaltet und nur noch alle vier Jahre ausgerichtet, um eine Gleichschaltung mit den Olympischen Spielen zu erreichen. Zudem dürften erst unter den Peisistratiden zu den üblichen Wettkämpfen auch noch musische und literarische hinzugekommen sein. 

Schluss 

Bei der Untersuchung der Tyrannis der Peisistratiden ist die Fülle der Informationen auf angenehme Art und Weise aufgefallen. Die Quellen sind zwar, wie viel zu oft, nur sehr spärlich und widersprechen sich in einigen Punkten, aber dennoch kann die Tyrannis in Athen in ihren wichtigsten Stationen gut rekonstruiert werden. Trotz allem bleibt dem Historiker noch viel Raum für eigene Thesen und auch Mutmaßungen. 

In diesem Sinne wurde am Anfang der Arbeit die Frage gestellt, ob denn die Tyrannis als Sprungbrett für die Demokratie angesehen werden kann. Diese Frage soll nun zusammenfassend beantwortet werden. 

Die These, dass Peisistratos bewusst einen demokratischen Weg eingeschlagen habe, muss man ganz eindeutig verneinen. Alleine die Definitionen der beiden Staatsformen widersprechen sich. Die Herrschaft des Einen kann schon aus einem gewissen Selbsterhaltungstrieb heraus die Herrschaft des Demos nicht dulden, noch bewusst fördern. Diese Frage ist aus der Sicht des Tyrannen daher nicht sinnvoll gestellt. Wenn sie allerdings aus einer rückblickenden, interpretierenden Sichtweise gestellt wird, kann man gewisse Zusammenhänge erkennen, die vermuten lassen, dass die Tyrannis eine nicht unbedeutende Vorarbeit für die spätere Demokratie geleistet hat.

Die Tyrannis musste bestrebt sein, die gewonnene Macht auf eine einzige Person, nämlich auf die Person des Peisistratos, zu zentralisieren und eine Identifikation des Demos mit dem selbigen zu erreichen. Der Kernbereich Attikas, die Stadt Athen, wurde aus diesem Grunde zu einem glanzvollen, glamourösen Zentrum, sowohl aus architektonischer, als auch aus religiöser Sicht, ausgebaut. Peisistratos stieß damit einen Vorgang an, dessen Ausgang er nicht erahnen konnte. Denn das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer großen Gemeinschaft, zur Polis Athen, wurde später zu einem Garant für die Festigung des demokratischen Gedankens. Zudem darf eine Sache nicht vergessen werden. Dadurch, dass der Demos und die Aristokratie sich nur zu einem geringen Anteil an der Politik während der Tyrannis zu beschäftigen hatten, konnte ein beachtlicher, wirtschaftlicher Grundstock für spätere Krisen gelegt werden. Diese Mittel trugen sicherlich mit dazu bei, dass die Athener gegen die Perser eine enorme Kriegsgerätschaft finanzieren konnten. Dieser weltbedeutende Sieg der Griechen über den persischen Großkönig führte in Athen zu einer neuen Einschätzung der eigenen Stärke und zu einer Stabilisierung der keimenden Demokratie. 

Aus diesem Grunde wird an dieser Stelle der Standpunkt vertreten, dass die Tyrannis der Peisistratiden in ihrer langfristigen Entwicklung als Sprungbrett für die spätere Demokratie angesehen werden muss. 

Quellen 

Brodersen, Kai (Hrsg.): Herodot. Historien. Stuttgart 2002. 

Dreher, Martin (Hrsg.): Aristoteles. Der Staat der Athener. Stuttgart 1993. 

Sekundärliteratur 

Boersma, Johannes Sipko: Athenian Building Policy from 561/0 to 405/4 B.C. Groningen 1970. 

Berve, Helmut: Die Tyrannis bei den Griechen. München 1967. 

Kolb, Frank: Die Bau-, Religions- und Kulturpolitik der Peisistratiden, JDAI 92, 1977, 99 - 138. 

Stahl, Michael: Aristokraten und Tyrannen im archaischen Athen. Untersuchung zur Überlieferung, zur Sozialstruktur und zur Entstehung des Staates. Stuttgart 1987. 

Stein-Hölkeskamp, Elke: Adelskultur und Polisgemeinschaft. Studien zum griechischen Adel in archaischer und klassischer Zeit. Stuttgart 1989. 

Welwei, Karl-Wilhelm: Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Großpolis. Darmstadt 1992. 

Anmerkungen

  • [1]

     Arist. Ath. Pol. 13,4.

  • [2]

     Arist. Ath. Pol. 16,2-4.

Empfohlene Zitierweise

Zarka, Attila: Die Tyrannis der Peisistratiden. aventinus antiqua Nr. 5 (Winter 2005), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7738/

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Erstellt: 24.05.2010

Zuletzt geändert: 24.05.2010

ISSN 2194-1947