Republik (500-30 v.Chr.)

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aventinus antiqua Nr. 24 [23.04.2014] 

 

Maximilian Becker 

Homo novus 

Eine Forschungsdiskussion 

 

1. Einleitung

Als Cicero am 7. Dezember 43 v. Chr. auf der Flucht vor den Häschern des Antonius ermordet wurde, starb mit ihm auch der letzte homo novus. Dieser Politikertyp war gekennzeichnet durch seinen Glauben und sein Festhalten an der überkommenen res publica und seinem Kampf gegen die Revolution, die durchzusetzen ihm von den etablierten Familien, der sog. nobilitas, unterstellt worden war. Ein homo novus, der, anders als die nobiles, über keine prominenten Ahnen verfügte und folglich der erste seiner Familie war, der politisch Karriere machte, musste sich gegen den erbitterten Widerstand der Nobilität durchsetzen, wenn er die Ämterlaufbahn einschlug. Mit dem Prinzipat hatte er sich, wie auch die Aristokratie, selbst überlebt. [1]

Sehr wahrscheinlich wurde der Terminus 'homo novus' erst von Cicero, dem Idealtypus des homo novus, geprägt. Spätere Erwähnungen bei Livius und Plutarch sind wenig aussagekräftig, da beide mit zeitlichem Abstand berichten, im Stil ihrer Zeit schreiben und nicht präzise mit den Begriffen umgehen. [2]

Dementsprechend ergiebig sind auch die Texte, die Cicero hinterlassen hat. [3] In der zweiten Rede de lege agraria, gehalten vor der Volksversammlung, betont Cicero, dass er der erste homo novus seit Menschengedenken sei, der das Konsulat erreichte. Er sei außerdem der erste homo novus, der alle Ämter zum gesetzlichen Mindestalter und bei der ersten Bewerbung erreicht habe. Zu verdanken habe er diesen Erfolg seiner virtus. Damit ist auch das Programm der novi angesprochen: Er setzt seine virtus gegen die Verkommenheit der Nobilität. [4] Um den Inhalt des Begriffs 'homo novus' entspann sich vor rund 100 Jahren eine langanhaltende Forschungsdiskussion. Angestoßen wurde sie 1912 von Matthias Gelzer, der in seiner Habilitationsschrift „Die Nobilität der römischen Republik“ dem Übervater der deutschen Althistoriographie Theodor Mommsen widersprach. [5] Die Protagonisten dieser Debatte waren neben Mommsen und Gelzer v.a. Peter A. Brunt und Adam Afzelius, der sein großes Werk zum Thema in dänischer Sprache verfasst hat, weshalb es kaum rezipiert wurde. Lediglich eine Kurzfassung in Form eines Aufsatzes liegt in deutscher Sprache vor, die gleichwohl die wichtigsten Ergebnisse enthalten dürfte. [6]

Eng mit dem Begriff des homo novus hängt der der nobilitas zusammen. Unter nobilitas versteht man den Adel, der sich nach der Zulassung der Plebejer zum Konsulat und den übrigen Ämtern aus den plebejischen und patrizischen Geschlechtern gebildet hatte. Auch um diesen Begriff hat sich eine Forschungsdiskussion gebildet, die hier jedoch nur gestreift werden kann.

Es haben sich mehrere Positionen herausgebildet, die von verschiedenen Lagern vertreten werden. Dabei stimmt die Zuordnung zu diesen Gruppen in den beiden Diskussionen (nobilitas und homo novus) nicht immer überein. Im homo novus-Streit wird die ältere Position von Mommsen und Brunt vertreten, die neuere von Gelzer. Afzelius, der in Bezug auf die nobiles weitestgehend einer Meinung mit Gelzer ist, nimmt eine eigene, die Ansicht Gelzers erweiternde Position ein. Eine eigene Gruppe bilden Hermann Strasburger und David R. Shackleton Bailey. Strasburgers Definition beruht auf den von ihm postulierten unterschiedlichen antiken Blickwinkeln auf den homo novus. Dem widersprach Shackleton Bailey, in der Diskussion um die Definition von nobilis ebenfalls Parteigänger Gelzers. Einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt erarbeitete Timothy Wiseman, der über die Abstammung der Senatoren forschte.

Aufgabe dieser Arbeit ist es, die einzelnen Positionen darzustellen und nachzuvollziehen. Dazu gehört auch die Untersuchung der von den Beteiligten herangezogenen Quellen. Dabei musste eine Auswahl der wichtigsten Texte getroffen werden, da die Behandlung aller angeführten Stellen den Rahmen gesprengt hätte. Als Auswahlkriterium diente v.a. die Häufigkeit der Nennung einer Quelle und der Inhalt. Texte, die bei mehreren Autoren erscheinen, wurden in der Regel berücksichtigt. Bei mehreren Quellen identischen Inhalts wurde eine, normalerweise die überzeugendste, ausgewählt. Des weiteren versucht diese Arbeit, den Ablauf der Debatte zu rekonstruieren. Außerdem muss die Frage geklärt werden, welchen Zweck die Zuschreibung der novitas jeweils in den Quellen verfolgte.

Die Gliederung orientiert sich an den Diskussionsgruppen. So kann der Streit, auch um Detailfragen, am leserfreundlichsten dargestellt werden. Die Chronologie bleibt dabei innerhalb der Gliederungspunkte erhalten, was zum Verständnis der Reihenfolge von These und Erwiderung unerlässlich ist. Am Anfang stand Theodor Mommsen. Er soll hier auch als erster behandelt werden. 

2. Staatshistoriker contra Gesellschaftshistoriker

2.1 Theodor Mommsen

Theodor Mommsen (1817-1903) veröffentlichte zwischen 1871 und 1888 in seinem „Römischen Staatsrecht“ eine wissenschaftliche Definition von homo novus. [7] Ausgehend vom Begriff des nobilis, der bei Mommsen das genaue Gegenteil von homo novus darstellt, schrieb er, dass als novus derjenige gelte, der als erster einer plebejischen gens in die kurulischen Ämter eingetreten sei. Seine direkten männlichen Nachkommen hätten nicht mehr mit dem Mangel der novitas zu kämpfen; sie seien nobilis. [8] Mommsen schloss in seine Definition also auch die Nachkommen von nicht kurulischen Magistraten ein, sofern sie einem plebejischen Geschlecht entstammten, da nach Mommsen ja erst das kurulische Amt die nobilitas verlieh. Erst die Söhne der kurulischen Magistrate waren demnach keine homines novi mehr, wenn sie die Ämterlaufbahn einschlugen. Als Beleg führte Mommsen Ciceros zweite Rede de lege agraria an. Darin betonte Cicero, dass er der erste homo novus seit einer Generation sei, der das Konsulat bekleide: „Me perlongo intervallo prope memoriae temporumque nostrorum primum hominem novum consulem fecistis [...].“ [9] Cicero spielt damit auf C. Caelius Calvus als den letzten homo novus im Konsulat an. Für Mommsen ist das die entscheidende Stelle. Calvus entstammte wie Cicero dem Ritterstand und erfüllte damit die Voraussetzungen der Definition Mommsens.

Mommsen behauptete ferner, dass ein Patrizier niemals homo novus sein könne. Als Begründung führte er an, dass ein Patrizier von Geburt geadelt sei und nicht erst ein kurulisches Amt bekleiden müsse. Das gelte auch für die zu den Plebejern übergetretenen Patrizier. [10] Mommsen nannte als Belegstelle u.a. Ciceros pro Murena. Cicero bescheinigt darin dem Patrizier Sulpicius die Nobilität, obwohl sein Vater ein Ritter war. Auch vergleicht Cicero Sulpicius mit M. Aemilius Scaurus, einem Patrizier, dem es wie Sulpicius gelungen war, sein Geschlecht wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. [11] Die Ansicht Mommsens setzte sich zunächst allgemein durch.

2.2 Matthias Gelzer

Matthias Gelzer, der 1912 Mommsen widersprach, ging von einem völlig anderen Ansatz aus. Während Mommsen die römische Geschichte als Verfassungsgeschichte aufgefasst hatte, verstand sich Gelzer als Gesellschaftshistoriker. Er ging deshalb bei seinen Betrachtungen von den gesellschaftlichen Bedingungen für die Herrschaft der Aristokratie aus. [12] Gelzer stützte sich hauptsächlich auf Cicero, der für ihn die entscheidende Instanz war. Er fertigte Listen von Senatoren an, denen Cicero entweder Novität oder Nobilität beigelegt hatte. So definierte Gelzer homo novus als einen gewöhnlich aus dem Ritterstand stammenden Beamten, der als erster seiner Familie in den Senat gelangte. „Die Novität wird allgemein solchen beigelegt, die als die ersten ihrer Familie ein Amt bekleiden, Volkstribunen, Quaestoren, dann aber besonders Konsuln und Zensoren.“ [13] Doch gab es Ausnahmen, denn nicht jeder, der in antiken Texten homo novus genannt wurde, entsprach diesem Schema. So nannte Cicero den Cn. Octavius homo novus, obwohl sein Vater Prätor war. [14] Deshalb konnte Gelzer homo novus nicht nur als einen aus dem Ritterstand stammenden Mann definieren. [15] Da Cicero aber auch nicht jeden Nachkommen eines Beamten, der nicht das Konsulat erreicht hatte, als homo novus bezeichnete, verzichtete Gelzer auf eine Definition, sondern ließ auch Ausnahmen von der Regel zu. [16] Für ihn war nur entscheidend, wer in der Antike homo novus genannt wurde. [17] Allerdings versäumte es Gelzer, erläuternd auf Cn. Octavius als Sonderfall hinzuweisen.

Dabei ging Gelzer von einer großen Anzahl homines novi in den niederen Ämtern bis zur Prätur aus, aber nur wenige aus dem Ritterstand stammende schafften es bis ins Konsulat. [18] Zum Beweis führte er all diejenigen auf, denen in antiken Texten die Novität bescheinigt wurde. Demnach erreichten in den gut 300 Jahren zwischen 366, als die Plebejer das Konsulat erlangten, und dem Ende der Republik nur 15 Neulinge das höchste Amt. [19] Gelzer behauptete ferner, dass ein Patrizier auch homo novus sein könne. Als Beleg führte er wie Mommsen pro Mur. 7,16 an, doch Gelzer interpretierte die Stelle ganz anders. Die Patrizier Aemilius und Sulpicius Rufus waren nur nobiles, weil sich unter ihren Vorfahren ein Konsul bzw. Konsulartribun befand.

In der Frage einer Definition von nobilis kam Gelzer zu einem eindeutigen Ergebnis. Er stellte die These auf, dass nobilis sei, wer einen Konsul, Konsulartribun oder Diktator unter seinen Vorfahren aufweisen könne. Seine Position untermauerte er mit Cicero, der die nobilitas nur solchen beimaß, die konsularische Vorfahren hatten. Anders als bei homo novus fand Gelzer anscheinend keinen Hinweis auf etwaige Ausnahmen, die sich nicht einfach erklären ließen. [20] So widersprach er Mommsen auch in diesem Punkt.

3. Gelzers Kritiker

3.1 Adam Afzelius

Mitte der 30er Jahre trat Adam Afzelius mit einer Arbeit an die Öffentlichkeit, in der er Gelzers Methode kritisierte, aber seinen Ergebnissen weitgehend zustimmte. [21] Seine Kritik an Gelzer war v.a. eine Kritik an den Quellen Gelzers. Er warf Gelzer vor, dass er sich viel zu sehr auf republikanische Autoren beschränkt habe, die er nicht einmal vollständig ausgewertet habe. Wichtiger aber war der zweite Vorwurf von Afzelius. Er behauptete, dass Gelzer „nicht de[n] Schatten eines Beweises“ für seine Ergebnisse erbracht habe. [22] Insbesondere bei der Abstammung der Senatoren sei Gelzer schlampig vorgegangen. Ziel der Darstellung Afzelius’ war es deshalb, den fehlenden Beweis zu führen. Er wandte prosopographische Listen an, um die Nobilität von einzelnen Personen nachzuweisen. Dabei galt ihm so wie Gelzer als nobilis, wer konsularische Ahnen hatte.

Neben Gelzer kritisierte er auch Mommsen. Er warf Mommsen vor, seine Definition von nobilis erstens nicht zu belegen und zweitens sie von einem italienischen Humanisten des 16. Jahrhunderts übernommen zu haben, der sie gleichfalls nicht belegte. [23] Diese beiden Feststellungen waren die Grundlage für die These von Afzelius. Er behauptete, dass es zwei Arten von homines novi gab. Die einen seien diejenigen, die aus dem Ritterstand in den Senat oder, wie Cicero, direkt ins Konsulat gelangten. Hier genügte ihm ein Verweis auf Gelzer als Beleg. Die homines novi im weiteren Sinne seien diejenigen, die aus senatorischen Häusern ins Konsulat gelangten. Für den zweiten Teil seiner These gab er Cic. Phil. IX, 4 und Cic. de off. 1,138 an. [24]

Im Streit, ob Patrizier homines novi sein können oder nicht, kam Afzelius zum einzig sinnvollen Schluss. Er verwarf die Begründungen Gelzers und Mommsens als nichtssagend und konstatierte, dass das vorhandene Quellenmaterial nicht ausreiche, um eine Aussage zu treffen. Für die Frühzeit verwendeten spätere Autoren wie Cicero und Livius nobilis synonym für patricius, weshalb keine Aussage über die Nobilität der Patrizier getroffen werden könne. Afzelius beschränkte sich deshalb auf die späte Republik und für diese Zeit sagte er mit Recht, dass man davon ausgehen könne, dass die Patrizier in aller Regel auch nobiles seien. [25]

3.2 Peter A. Brunt

Entschiedener und schärfer als Afzelius griff Peter A. Brunt Gelzer an. Brunt unterstellte ihm in seiner 1982 veröffentlichten Schrift eine Definition, die so nirgends bei Gelzer auftaucht. Nach Brunt hatte Gelzer homo novus als einen Mann definiert, der als erster in seiner Familie in das Konsulat gelangte – und zwar egal, ob er aus dem Ritterstand stammte oder ob ein Senator bis zum Prätor unter seinen Vorfahren zu finden war. Er warf ihm vor, seine eigene Definition falsch angewendet zu haben. [26]

Brunt vollzog die Beweisführung Gelzers nach. Wie er verwendete Brunt Listen mit Konsuln der Zeit zwischen 201 und 49 v. Chr., also für den Zeitraum zwischen dem Ende des Zweiten Punischen Kriegs und dem Beginn des Bürgerkriegs zwischen Caesar und Pompeius. Mit Hilfe der Definition Gelzers – so wie er sie verstand – zählte er zwischen 47 und 56 homines novi für diesen Zeitraum. Die Unsicherheit von 9 Personen ist auf die nicht zweifelsfrei zu klärende Abstammung zurückzuführen. Dies ist aber notwendig, um einen konsularischen Ahnen auszuschließen. Diese Anzahl, so folgerte Brunt weiter, widerspreche der Bemerkung Sallusts, wonach nur wenige homines novi das Konsulat erreichten. [27] Doch missverstand Brunt Gelzer damit gleich auf zweifache Weise. Erstens, indem er Gelzer eine Definition unterstellte, die Gelzer so nicht festgeschrieben hatte, und zweitens, indem er behauptete, dass Gelzer sich verzählt habe. Brunt wendete eine völlig andere Methode als Gelzer an. Er vollzog die Abstammung der Konsuln nach, Gelzer dagegen kam es allein auf den Beleg an.

Brunt warf Gelzer außerdem vor, Quellen, die nicht in seine Definition passten, falsch zu interpretieren. Konkret nennt er den Prozess gegen Murena, aus dem Gelzer schloss, dass die Prätur nicht die Nobilität verlieh. [28] Doch kann man den gleichen Vorwurf auch gegen Brunt erheben. Brunt definierte – ähnlich wie Mommsen – den Sprössling einer Familie aus dem Ritterstand als homo novus. Um seine Definition anhand der Quellen zu begründen, musste er die Behauptung Ciceros, dass Cn. Octavius ein homo novus sei, obwohl er Sohn eines Prätors war, relativieren. [29] Er behauptete einerseits, dass Cicero sich gegen Anfeindungen zur Wehr setzen musste, die ihm wegen des Kaufs eines Hauses auf dem Palatin entgegenschlugen. Octavius konnte hierfür ein guter Präzedenzfall sein, denn auch er hatte ein Haus in dieser exklusiven Wohngegend gekauft. Deshalb habe Cicero Octavius einen homo novus genannt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum Cicero erst Jahre nach dem Kauf seines Hauses auf diesen Präzedenzfall verweisen sollte, zumal er deshalb schon früher angegriffen worden war. Zweitens meinte Brunt, dass Cicero nicht wusste, dass Octavius von einem Prätor abstammte. Doch das ist absurd. Der geschichtlich bewanderte Cicero hatte mit Sicherheit von Octavius Vater gehört. [30] Die anderen Quellen, mit denen Brunt seine Definition begründet, sind v.a. Stellen aus ab urbe condita, in denen Livius Männern aus dem Ritterstand, die ins Konsulat gewählt worden waren, die novitas beilegt. [31] Doch widerlegt das nicht Cicero. In der Frage, ob Patrizier homines novi sein konnten, schloss sich Brunt voll und ganz Mommsen an. Anders als dieser stützte sich Brunt ausschließlich auf Liviusstellen, die die Zeit vor 366 behandeln und in denen Livius Patrizier als nobiles bezeichnet. [32]

4. Zwei unterschiedliche Positionen

4.1 Hermann Strasburger

Mitte der 1930er Jahre erhielt Hermann Strasburger den Auftrag, für die „Real-Encyclopädie“ einen Artikel zum Stichwort homo novus zu verfassen. [33] Er nahm eine völlig andere Perspektive auf das Problem ein. Wie bei Afzelius gab es bei ihm zwei Gruppen von homines novi. Der Unterschied zwischen beiden ist laut Strasburger v.a. im unterschiedlichen Standpunkt des antiken Betrachters gelegen. So unterscheidet er einen „aristokratischen“ von einem „populären“ homo novus-Begriff. Den populären erfüllten ausschließlich Männer wie Cicero, d.h. homines novi, die aus dem Ritterstand direkt ins Konsulat vorstießen. Dieser Begriff diente hauptsächlich der Rhetorik in der Volksversammlung. Strasburgers Quelle ist hier Ciceros zweite Rede de lege agraria. [34]

Unter den aristokratischen Terminus fallen alle, die keinen Konsul unter ihren Ahnen hatten und sich um ein kurulisches Amt bewarben, also sowohl Söhne von Rittern als auch solche, die von einem Prätor abstammten. [35] Diejenigen, die die Bedingungen des ersten Begriffs erfüllten, erfüllten also immer auch die des zweiten. Seine Quellen sind die Cicero-Texte de off. 1,138 und Phil. IX,4 sowie die Rede pro Murena. Strasburger interpretiert sie so, dass Ser. Sulpicius Rufus Murena nicht den Vorwurf der novitas hätte machen können, wenn diese Meinung nicht von den konsularischen Familien geteilt worden wäre. [36]

4.2 Shackleton Bailey

50 Jahre später widersprach Shackleton Bailey der „aristokratischen“ Sichtweise, wie sie Strasburger formuliert hatte. Er zweifelte die Aussagekraft von dessen Quellen an. Auf Strasburgers Interpretation von pro Murena entgegnete er, dass Ciceros Formulierung zu indirekt sei, als dass man die Schlüsse Strasburgers daraus ziehen könne. [37] Aufschlussreicher war der Einwand, den er gegen de off. 1,138 und Phil. IX, 4 erhebt. Er behauptete, dass Cicero Cn. Octavius nur deshalb einen homo novus nannte, um klarzumachen, dass er der erste Mann seiner Familie sei, der ins Konsulat gelangte. Dabei nahm Cicero keine Rücksicht auf die prätorische Abstammung. Shackleton Bailey folgerte daraus, dass sich homo novus aus dem alltäglichen Sprachgebrauch definierte und eben nicht aus einer feststehenden Definition. [38]

5. Wiseman

Eine Schwierigkeit, mit der einige Historiker zu kämpfen hatten, bestand darin, die Abstammung der Senatoren zu ermitteln. Das Hauptproblem dabei war, dass die Genealogie in der Antike bestimmten Zwecken diente, während die historische Wahrheit nur nachrangige Bedeutung hatte. Ganze Geschlechter führten sich auf Könige, mythische Konsuln der Frühzeit oder gar auf Götter zurück. [39] Dabei entstand für die Forschung das Problem, Erfindung von tatsächlicher Abstammung zu trennen, wenn man nicht die als homines novi (oder als nobiles) ansehen wollte, denen das schon in der Antike beigelegt wurde.

Die einzige Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, bestand in prosopographischen Studien. Wiseman war derjenige, der das speziell für die Definition von homo novus ausführte. Im Ergebnis hatte er zwei Gruppen: die homines novi incerti und die homines novi certi, d.h. solche, die wahrscheinlich und solche die sicher homo novus waren. [40] Als Grundlage diente ihm dabei die Definition von Ernst Badian. [41]

6. Zuverlässigkeit der Quellen

Der Begriff homo novus entstand aller Wahrscheinlichkeit nach erst in der Zeit Ciceros, vielleicht prägte ihn sogar Cicero selbst. Cicero bietet das reichste Material und sehr wahrscheinlich orientierten sich alle späteren Autoren in diesem Punkt an seinem Vorbild, was zur Folge hatte, dass v.a. Ciceros Bild des homo novus überliefert wurde. [42] Deshalb muss sich eine Untersuchung, die nach der Zuverlässigkeit der Quellen fragt, vor allem auf Cicero konzentrieren.

Cicero, selbst homo novus, verfolgte ein bestimmtes, politisches Programm mit seinen Zuweisungen von Novität. Dieses Programm könnte gelautet haben, dass er all diejenigen novi nannte, die geeignet waren, seinen Kampf für die Erhaltung der Republik als Vorbilder für die herrschende Klasse zu unterstützen. Vielleicht wollte er sich damit auch, in dem er sich eine Galerie geistiger Ahnen schuf und sich mit Männern wie Cato oder Marius verglich, von der nach persönlicher Macht strebenden Nobilität, von Männern wie Caesar oder Pompeius, absetzen – er setzte seine eigene virtus gegen die Verkommenheit der nobiles, deren Nobilität alleine auf den Verdiensten ihrer Vorfahren beruhte und damit seine eigene Tugend gegen die Dekadenz des römischen Adels. [43] Cicero ist deshalb als Quelle nur bedingt verwertbar, wenn man nach einer festen Definition von homo novus sucht – und mit ihm alle nachfolgenden Autoren, die sich an ihm orientierten.

7. Fazit

Ende des 19. Jahrhunderts stellte Theodor Mommsen die These auf, dass homo novus derjenige sei, der als erster seiner Familie in die kurulischen Ämter gelangt sei. 1912 entgegnete Matthias Gelzer darauf, dass nach Cicero derjenige homo novus sei, der aus dem Ritterstand in den Senat aufgerückt sei. Dabei ließ er aber Ausnahmen zu. Für ihn kam es v.a. darauf an, wer in den Quellen als homo novus bezeichnet wurde – weniger darauf, durch eine Definition nachzuvollziehen, wer homo novus hätte sein müssen. Peter A. Brunt griff Gelzer in den 1980er Jahren scharf an. Für ihn war ein homo novus ein Ritter, der in den Senat gelangt war. Bei näherer Betrachtung dieser drei Forschungspositionen fällt jedoch auf, dass sie sich, wenn überhaupt, nur graduell unterscheiden. Bei Gelzer und Mommsen könnte der Grund sein, dass Gelzer seine Kritik v.a. auf die nobilitas-Definition richtete – und hier gibt es große Differenzen. Außerdem bestehen Unterschiede in der Methode. Brunt wiederum griff Gelzer zwar explizit wegen seiner Meinung zu homo novus an, doch lag dem zugrunde, dass Brunt Gelzer missverstand.

Etwa zwei Jahrzehnte nach Gelzer nahm sich Adam Afzelius des Themas an. Er unterschied zwischen zwei Arten von novi: denjenigen, die aus dem Ritterstand in den Senat gelangten und solchen, die aus einfachen senatorischen Geschlechtern das Konsulat eroberten. 1936 erschien Hermann Strasburgers Artikel in der Real-Encyclopädie. Auch Strasburger unterschied zwei Arten von novi. Im „populären“ Sinne fiel darunter ausschließlich der ritterbürtige, der das Konsulat erreichte. Den „aristokratischen“ erfüllte auch der, der aus einem nichtkonsularischen Geschlecht stammend sich um ein kurulisches Amt bewarb.

David R. Shackleton Bailey widersprach Strasburger. Er lehnte jede Definition von homo novus ab, da sich dieser Begriff im alltäglichen Gebrauch formte und – je nach Situation – unterschiedlich gebraucht wurde. Ähnlich könnte auch Gelzer gedacht haben. Homines novi sind bei ihm solche, die als erste ihrer Familie in ein Amt gelangten und diejenigen, denen in einer Quelle – bei Gelzer in der Regel Cicero – die Novität bescheinigt wird. Doch deckt sich das nicht immer. Cn. Octavius war der Sohn eines Prätors. Trotzdem nennt Cicero ihn homo novus. Gelzer geht aber darauf nicht ein. Er setzt keinerlei Prioritäten, welcher Teil seiner Definition der entscheidendere ist.

Alle anderen Stellungnahmen kommen mit den Quellen in Konflikt, die sich zum Teil diametral widersprechen. Mommsen und Brunt stehen in Widerspruch zu der Äußerung Ciceros, dass der Prätorensohn Cn. Octavius ein homo novus sei. Während Brunt versucht, Cicero zu widerlegen – was ihm, wie oben ausgeführt, nicht gelingt – ignoriert Mommsen die beiden Cicerostellen. Afzelius und Strasburger dagegen treten in Widerspruch zu Sallust, während Ciceros de lege agraria auch so ausgelegt werden kann, dass nur wenige homines novi das Konsulat erreichten. Gegen beide kann man außerdem vorbringen, dass den Nachfahren von Senatoren, wenn sie sich als erste ihrer Familie um ein Amt bewarben, im Gegensatz zu den aus dem Ritterstand stammenden kaum Widerstand von den konsularischen Geschlechtern entgegengebracht wurde.

Im Übrigen ist der Wert der Quellen stark begrenzt. Cicero, das Vorbild für alle späteren Autoren, führte den Terminus erst ein, verfolgte damit aber wahrscheinlich bestimmte politische Ziele. Der Gebrauch von novus passte sich den jeweiligen rednerischen und literarischen Erfordernissen an. Die logische Folge davon aber ist, dass es keine antike – und damit auch keine moderne – Definition gibt, nicht geben kann.

Shackleton Bailey erkannte das als einziger der hier vorgestellten Teilnehmer der Diskussion. Homo novus ist schlicht nicht zu definieren, da sich dieser Begriff im alltäglichen politischen Sprachgebrauch laufend veränderte, den rednerischen Erfordernissen angepasst wurde und folglich auch in den Quellen unterschiedlich verwendet wird. Allein schon die sich widersprechenden Texte, die uns Cicero hinterlassen hat, zeugen hiervon. Auf Quellen gestützte Einzelzuweisungen von Novität, die Methode, die Gelzer in seiner „Nobilität“ anwandte, ist die einzige Möglichkeit, sich dem Problem des homo novus anzunähern.

8. Anhang

8.1 Quellen– und Literaturverzeichnis

8.1.1 Quellen

Titus Livius, Römische Geschichte, Buch IV-VI, lat.-dt. hrsg. v. Hans Jürgen Hillen, München / Zürich 1991. 

Ders., Römische Geschichte, Buch VII-X u. Fragmente der zweiten Dekade, lat.-dt. hrsg. v. Hans Jürgen Hillen, Darmstadt 1994. 

Marcus Tullius Cicero, Pro Cn. Plancio oratio, in: Marci Tulli Ciceronis, Scriptae quae manserunt omnia, Fasc. 25, hrsg. v. Elzbieta Olechowska, Leipzig 1981, S. 1-51.

Ders., Vom Rechten Handeln, lat.-dt. hrsg. u. übers, v. Karl Büchner, München 1987. 

Ders., De lege agraria oratio secunda. Zweite Rede über das Siedlergesetz, in: Marcus Tullius Cicero, Die politischen Reden, Bd. I, lat.-dt. hrsg., übers, u. erläutert v. Manfred Fuhrmann, Darmstadt 1993, S. 230-331.

Ders., Pro L. Murena oratio. Für Murena, in: Marcus Tullius Cicero, Die politischen Reden, Bd. I, lat.-dt. hrsg., übers, u. erläutert v. Manfred Fuhrmann, Darmstadt 1993, S. 504-609.

Ders., Philippica nona. Neunte Philippische Rede, in: Marcus Tullius Cicero, Die politischen Reden, Bd. III, lat.-dt. hrsg., übers, u. erläutert v. Manfred Fuhrmann, Darmstadt 1993, S. 362-379.

Garns Sallustius Crispus, Bellum lugurthinum. Der Krieg mit Jugurtha, in: Gaius Sallustius Crispus, Werke, lat.-dt. hrsg., übers, u. erläutert v. Werner Eisenhut / Josef Lindauer, München / Zürich 21994, S. 98-279.

8.1.2 Literatur

Afzelius, Adam, Zur Definition der römischen Nobilität in der Zeit Ciceros, in: Classica et Mediaevalia l (1938), S. 40-94.

Badian, Ernst, Novus homo, in: Nicholas G.L. Hammond / Howard Hayes Scullard (Hrsg.), The Oxford Classical Dictionary, Oxford 21970, S. 740.

Brunt, Peter A., Nobilitas and Novitas, in: Journal of Roman Studies 72 (1982), S. 1-17. 

Crawford, Michael Hewson, Nobilis, in: Hubert Cancik / Helmuth Schneider, Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 8, Stuttgart / Weimar 2000, Sp.  967-971.

Fuhrmann, Manfred, Cicero und die römische Republik. Eine Biographie, München / Zürich 1989. 

Gelzer, Matthias, Die römische Gesellschaft zur Zeit Ciceros, in: Hermann Strasburger / Christian Meier, (Hrsg.) Matthias Gelzer. Kleine Schriften, Bd. l, Wiesbaden 1962, S. 154-185. 

Ders., Die Nobilität der römischen Republik, Stuttgart, 21983.

Mommsen, Theodor, Römisches Staatsrecht, Bd. 3, Tübingen 41953.

Shackleton Bailey, David R., Nobiles and novi reconsidered, in: American Journal of Philology, 107 (1986), S. 255-260.

Strasburger, Hermann, Novus Homo, in: Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neu hrsg. v. Wilhelm Kroll, begonnen v. Georg Wissowa, 33. Halbbd., Stuttgart 1936, Sp. 1223-1228.

Vogt, Joseph, Homo novus. Ein Typus der römischen Republik, Stuttgart 1926.

Wiseman, Timothy P., New Man in the Roman Senate, Oxford 1971. 

Anmerkungen

  • [1]

     Manfred Fuhrmann, Cicero und die römische Republik. Eine Biographie, München / Zürich 1989, S. 306; Joseph Vogt, Homo novus. Ein Typus der römischen Republik, Stuttgart 1926, S. 4-7.

  • [2]

     Michael Hewson Crawford, Nobilis, in: Hubert Cancik / Helmuth Schneider, Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 8, Stuttgart / Weimar 2000, Sp. 967-971, hier Sp. 968/69; Matthias Gelzer, Die Nobilität der römischen Republik, Stuttgart 21983, S. 29, 32; Hermann Strasburger, Novus Homo, in: Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neu hrsg. v. Wilhelm Kroll, begonnen v. Georg Wissowa, 33. Halbbd., Stuttgart 1936, Sp. 1223-1228, hier Sp. 1223.

  • [3]

     U.a. sind zu nennen: de lege agraria, pro Murena und de officiis. Im Folgenden werden die gebräuchlichen Abkürzungen verwendet.

  • [4]

     Strasburger, Novus Homo, Sp. 1226; Vogt, Homo novus, S. 10.

  • [5]

     Gelzer, Nobilität.

  • [6]

     Adam Afzelius, Zur Definition der römischen Nobilität in der Zeit Ciceros, in: Classica et Mediaevalia l (1938), S. 40-94; das dänische Werk trägt den Titel Den romerske Nobilitets Omfang, Kopenhagen 1935.

  • [7]

     Theodor Mommsen, Römisches Staatsrecht, Bd. 3, Tübingen 41953.

  • [8]

     Ebd., S. 462/63.

  • [9]

     Cic. de leg. agr. 2,3; diese Rede war Ciceros erste Rede vor der Volksversammlung in seinem Konsulatsjahr. Er legte darin seinen ablehnenden Standpunkt gegenüber der Gesetzesinitiative des Volkstribunen P. Servilius Rullus dar, der eine Agrarreform durchführen wollte, die viele Senatoren ablehnten. Da er zur Finanzierung Staatsland verkaufen wollte, konnte Cicero argumentieren, das Rullus den Staat schädige. Bereits in de leg. agr. l, die er vor dem Senat hielt, hatte er diese Auffassung vertreten. Diese Position galt es jetzt vor der Volksversammlung durchzusetzen. Cicero nutzte die sich bietende Gelegenheit, um den Bürgern für die Wahl zu danken und gleichzeitig zu betonen, dass er alles tun werde, um den Staat zu schützen. Dabei geht er auf seine Rolle als homo novus ein; die benutzte Ausgabe folgt dem Text von Clark / Petersen.

  • [10]

     Mommsen, Staatsrecht, S. 463/64.

  • [11]

     L. Murena war der designierte Konsul des Jahres 62. Sein bei der Wahl unterlegener Kontrahent Ser. Sulpicius Rufus strengte einen Ambitusprozess gegen Murena an, in dem auch die dignitas Murenas zur Debatte stand. Der Konsul Cicero übernahm die Verteidigung des Angeklagten. Er verglich dabei in Abschnitt 7,15-17 die Herkunft der beiden Prozessgegner, um den Vorwurf der Unwürdigkeit zu entkräften. In Bezug auf Sulpicius sagte er: „Tua vero nobilitas, Ser. Sulpicius, tametsi summa est [...]. Pater enim fuit equestri loco [...]. Nec mihi umquam minus in Q. Pompeio, novo homine et fortissimo viro, virtutis esse visum est quam in homine nobilissimo, M. Aemilio. Etenim eiusdem animi atque ingeni est posteris suis, quod Pompeius fecit, amplitudinem nominis quam non acceperit tradere et, ut Scaurus, memoriam prope intermortuam generis sua virtute renovare.(Cic. pro Mur. 7,16; die herangezogene Ausgabe folgt dem Text von Clark / Petersen).

  • [12]

     Gelzer, Nobilität, S. V,VI.

  • [13]

     Ebd., S. 32.

  • [14]

     De off. 1,13 8; Phil. IX,4; de officiis zählt zum philosophischen Werk Ciceros. Er verfasste es 45/44, in der Zeit seiner erzwungenen politischen Untätigkeit nach dem Vorbild des Stoikers Panaitios, dessen Werk verlorenen gegangen ist. Im ersten Buch behandelte er die Ehrenhaftigkeit und die sittlichen Pflichten. Dabei geht er auf Cn. Octavius ein, über den er sagt: „Cn. Octavio, qui primus ex illa familia consul factus est, honori fuisse accepimus, quod praeclaram aedificasset in Palatio et plenam dignitatis domum; quae cum vulgo viseretur, suffragata domino, novo homini, ad consulatum putabatur“ (Cic. de off. 1,138; die verwendete Ausgabe folgt der Version von Atzert). In der neunten Philippica, gehalten am 4. Februar 43 vor dem Senat, sprach sich Cicero für die Errichtung eines Denkmals zu Ehren des verstorbenen Ser. Sulpicius aus. Sulpicius war Mitglied einer Gesandtschaft, die der Senat zu Antonius entsandt hatte, um ihn aufzufordern, die Belagerung von Mutina aufzuheben. In den ersten fünf Abschnitten der Rede lässt sich Cicero über Präzedenzfälle aus. Dabei erwähnt er auch den Cn. Octavius und sagt in Phil. IX,4: „Cn. Octavi, clari viri et magni, qui primus in eam familiam quae postea viris fortissimis floruit attulit consulatum, statuam videmus in rostris“.

  • [15]

     Gelzer legte sich einige Jahre später jedoch darauf fest, dass ein homo novus aus dem Ritterstand stammen müsse, ohne jedoch auf die dieser Theorie widersprechenden Cicerostellen einzugehen oder sie auch nur zu erwähnen (Matthias Gelzer, Die römische Gesellschaft zur Zeit Ciceros, in: Hermann Strasburger / Christian Meier, (Hrsg.) Matthias Gelzer. Kleine Schriften, Bd. l, Wiesbaden 1962, S. 154-185, hier S. 163).

  • [16]

     Cic. de leg. agr. 2,3 hätte Cicero sonst nicht gesagt: „me perlongo intervallo“ usw., da erst 66 der aus einem senatorischen Geschlecht stammende L. Volcatius Tullus Konsul war. (Gelzer, Nobilität, S. 28) Der von Gelzer gleichfalls angeführte P. Autronius Paetus, der designierte Konsul für 65, wurde bereits vor seinem Amtsantritt wegen Wählerbestechung verurteilt und trat sein Amt deshalb nicht an.

  • [17]

     So schreibt er: „Es ist zu betonen, dass wir nur solchen Consuln Novität beilegen dürfen, für welche sie ausdrücklich überliefert ist [...]“ (Gelzer, Nobilität, S. 40).

  • [18]

     Als Beleg diente Gelzer die Cicerorede pro Cn. Plancio. Nach seiner Wahlniederlage zum Ädilat des Jahres 54 verklagte M. luventius Laterensis den Cn. Plancius wegen Stimmenkauf. Cicero, der Plancius zu Dank verpflichtet war – als Quästor von Makedonien hatte er den Verbannten 58 in Thessaloniki in seinem Haus beherbergt – übernahm die Verteidigung. Im zweiten Teil des Plädoyers ergriff Cicero die sich bietende Gelegenheit, auf die Abkunft des Plancius einzugehen. Er nannte Plancius einen homo novus und sagte außerdem: „sic igitur Plancius nihilominus quaestor est factus et tribunus plebis et aedilis quam si esset summo loco natus, sed haec pari loco orti sunt innumerabiles alii consecuti“ (Cic. Planc. 60).

  • [19]

     Gelzer, Nobilität, S. 40/41.

  • [20]

     Ebd., S. 22-26; als Beleg nannte er die Rede pro Murena. Cicero weist darin den Vorwurf der Unwürdigkeit mit dem Hinweis auf die Prätur von Vater, Großvater und Urgroßvater Murenas zurück. Er vermied aber den Ausdruck nobilis, woraus Gelzer schloss, dass die Prätur eines Vorfahren keine Nobilität verlieh – und damit auch nicht die niedrigeren kurulischen Ämter (Cic. pro Mur. 7,15-17; tatsächlich wird Murena nirgends nobilis genannt).Es ist in der Tat wenig einsichtig, wieso Cicero auf den Ausdruck nobilis verzichtete, zumal der Hinweis auf die Nobilität des Angeklagten die Richter milde stimmte (Afzelius, Definition, S .48). Als Grund kommt nur in Frage, dass es gegen gesellschaftliche Konventionen verstoßen hätte, einen Prätorensohn als nobilis zu bezeichnen und er sich und seinem Mandanten mehr geschadet als genutzt hätte. Neben dieser Quelle stützte er sich auf durch Cicero belegte Listen von Konsuln, die dieser alle nobiles genannt hatte.

  • [21]

     Afzelius, Definition, S. 42.

  • [22]

     Ebd., S. 46; Afzelius meinte hiermit wahrscheinlich, dass Gelzer es versäumt habe, die Abstammung der Konsuln näher zu untersuchen. Doch war das für Gelzer nebensächlich. Entscheidend war, ob jemand homo novus genannt wurde.

  • [23]

     Ebd., S. 41-46; der Vorwurf, dass Mommsen nicht ausreichend belege, wurde auch von Jürgen von Ungern-Sternberg erhoben (Gelzer, Nobilität, S. V).

  • [24]

     Afzelius, Definition, S. 92.

  • [25]

     Ebd., S. 50/51; auf den Gebrauch von nobilis für patricius bei Livius wiesen auch schon Gelzer (Gelzer, Nobilität, S. 31) und Mommsen (Mommsen, Staatsrecht, S. 463) hin.

  • [26]

     Peter A. Brunt, Nobilitas and Novitas, in: Journal of Roman Studies 72 (1982), S. 1-17, hier S. 5/6. Das Missverständnis Brunts ist wahrscheinlich auf die Erwähnung von Cn. Octavius in der Liste der homines novi und die fehlende Erklärung Gelzers zurückzuführen. Dieser passte nicht eigentlich dazu. Dass Gelzer ihn trotzdem zu den novi zählte, liegt daran, dass Cicero ihn so nannte.

  • [27]

     Ebd., S. 9; Sallust schilderte in seinem wohl zwischen 42 und 40 v. Chr. geschriebenen Geschichtswerk „Bellum lugurthinum“ die Ereignisse des Krieges mit dem Numiderkönig Jugurtha. In den Abschnitten 63-65 kam er auf Marius zu sprechen und ging dabei auch auf dessen Herkunft (Marius war homo novus) ein, um dann festzustellen: „Etiam tum alios magistratus plebs consulatum nobilitas inter se per manus tradebat“ (Sall. BJ 63,6). Die Überlieferung des Textes ist sehr variantenreich. Die benutzte Ausgabe folgt der Version von Kurfess.

  • [28]

     Gelzer, Nobilität, S. 26/27.

  • [29]

     De off. I, 138; Phil. IX,4.

  • [30]

     Brunt, Nobilitas, S. 13; der Vater des Octavius war ein bekannter und erfolgreicher Flottenkommandant im Zweiten Punischen Krieg.

  • [31]

     In seinem monumentalen Geschichtswerk ab urbe condita behandelte Livius die gesamte römische Geschichte ab Gründung der Stadt. Das Jahr 366 begriff er als Epochenjahr. Damals wurde den Plebejern der Zugang zum Konsulat eröffnet. Er schreibt dazu: „Annus hic erit insignis novi hominis consulatu, insignis novis duobus magistratibus, praetura et curuli aedilitate.” (Liv. a.u.c. VII, l, 1; der Text folgt der Ausgabe von C.F. Walters und R.S. Conways, Oxford 1919).

  • [32]

     Brunt fuhrt hier u.a. zwei Texte an, die den Kampf der Plebejer um den Zugang zum Konsulat thematisieren. Dabei hatte die Plebs mehr Interesse an einem Schuldenerlass durch die Patrizier, weshalb die Volkstribunen beides gleichzeitig vor die Volksversammlung brachten. In Liv. a.u.c. VI,36,12 heißt es: „An placeret fenore circumventam plebem, potius quam sorte creditum solvat, corpus in nervum ac supplicia dare, et gregatim cottidie de foro addictos duci et repleri vinctis nobiles domus et, ubicumque patricius habitet, ibi carcerem privatum esse?“ Bei Liv. a.u.c. 42, 9-11 werden die Bestimmungen der leges Licinae Sextiae beschrieben. Dort heißt es: „Et comitia consulum adversa nobilitate habita, quibus L. Sextius de plebe primus consul factus. [...] Quia patricii se auctores futuros negabant, prope secessionem plebis res terribilesque alias minas civilium certaminum venit, cum tandem per dictatorem condicionibus sedatae discordiae sunt concessumque ab nobilitate plebi de consule plebeio, a plebe nobilitati de praetore uno, qui ius in urbe diceret, ex patribus creando.Livius ist in dieser Hinsicht aber unzuverlässig. Brunts Bemerkung, dass Livius später zwischen patrizischen und plebejischen nobiles unterschieden habe, beweist für die Zeit vor 366 nichts. Denn nach 366 musste Livius zwischen diesen und den Patriziern unterscheiden, da die Plebejer zu den Ämtern zugelassen worden waren. Davor war der Begriff nobilis unbesetzt.

  • [33]

     Strasburger, Novus homo.

  • [34]

     Cicero hielt diese Rede vor der Volksversammlung und verwies darin auf den aus dem Ritterstand stammenden C. Caelius Caldus als vor ihm letzten homo novus im Konsulat.

  • [35]

     Ebd., Sp. 1224.

  • [36]

     Dazu passt auch Gelzers Interpretation. Gelzer schreibt, dass Cicero Murena nobilis genannt hätte, wenn das möglich gewesen wäre.

  • [37]

     Die entscheidende Textstelle lautet: „Cum vero ego tanto intervallo claustra ista nobilitatis refregissem, ut aditus at consulatum posthac, sicut apud majores nostros fuit, non magis nobilitati quam virtuti pateret, non arbitrabar, cum ex familia vetere et inlustri consul designatus ab equitis Romani filio consule defenderetur, de generis novitate accusatores esse dicturos“ (Cic. pro Mur.17). Besonders überzeugend ist der Einwand Shackleton Baileys nicht, denn auch er musste zugeben, dass das „certainly fits with Strasburgers theory“ (David R. Shackleton Bailey, Nobiles and novi reconsidered, in: American Journal of Philology, 107 (1986), S. 255-260, hier S. 259).

  • [38]

     Ebd., S. 259/60.

  • [39]

     Afzelius, Definition, S. 49.

  • [40]

     Timothy P. Wiseman, New Man in the Roman Senate, Oxford 1971, S. 206/07.

  • [41]

     Shackleton Bailey, Nobiles, S. 258; Badian definiert homo novus so: „A term used in the late Republic [...] for the first man of a family to reach the Senate[...]and in special sense for the first to attain the consulate [...] (Ernst Badian, Novus homo, in: Nicholas G.L. Hammond / Howard Hayes Scullard (Hrsg.), The Oxford Classical Dictionary, Oxford 21970, S. 740).

  • [42]

     Crawford, Nobilis, Sp. 968/69; Strasburger, Novus Homo, Sp. 1223.

  • [43]

     Ebd., Sp. 1226; Vogt, Homo novus, S. 6, 10.

Empfohlene Zitierweise

Becker, Maximilian: Homo novus. Eine Forschungsdiskussion. aventinus antiqua Nr. 24 [14.04.2014], in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/9850/

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Erstellt: 11.04.2014

Zuletzt geändert: 23.04.2014

ISSN 2194-1947