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aventinus recensio Nr. 15 (Sommer 2008) 

 

Nicolas Krocker 

Kloft, Hans, Die Wirtschaft des Imperium Romanum (Zaberns Bildbände zur Archäologie, Sonderbände der Antiken Welt), Verlag Philipp von Zabern Mainz 2006, 124 Seiten mit 66 Farb-, 39 Schwarzweiß- und 40 Strichabbildungen. ISBN-10: 3-8053-3547-4, EUR 39,90. 

 

Der Gang der Forschung zur antiken Wirtschaft gleicht dem eines „academic battleground“. [1] Ausgehend von der Bücher-Meyer Kontroverse über den allgemeinen Charakter der antiken Ökonomie ist die Wirtschaftsgeschichte des Imperium Romanum seit nahezu hundert Jahren von der „Jahrhundertdebatte“ bestimmt, welche zur Herausbildung der konträren Schulen der „Primitivisten“ sowie „Modernisten“ führte. [2] In jüngster Zeit gewinnen jedoch jene Wissenschaftler an Einfluss, die jenseits der zum Teil ideologischen und generalisierenden Bewertungen beider Schulen eine differenzierte Beurteilung der wirtschaftlichen Prozesse fordern. [3] Seit einigen Jahren ist eine zunehmende Fokussierung der Forschung auf die antike Wirtschaftsgeschichte zu konstatieren. Die Andersartigkeit der antiken Wirtschaft im Vergleich zur modernen wird nicht mehr bezweifelt, so dass der Gegensatz zwischen Modernisten und (Neo-)Primitivisten nicht mehr existent ist. Trotzdem spielt die „Jahrhundertdebatte“ immer noch eine gewisse Rolle, da sich Darstellungen zur Wirtschaftsgeschichte einerseits mit der Forschungsgeschichte im Allgemeinen, andererseits mit der (neo-)primitivistischen Orthodoxie im speziellen beschäftigen müssen. [4]

Dies ist auch bei Hans Klofts Buch „Die Wirtschaft des Imperium Romanum“ ersichtlich. Anhand eines Ausschnittes aus Plinius (Naturalis historia XIV, 2) leitet der Autor die Grundprinzipen der kaiserzeitlichen Wirtschaft ab: Bedingt durch die politische Stabilität der Herrschaft und dem daraus resultierenden Friedenszustand ist ein Hauptmerkmal des Kaiserreiches der hoch differenzierte Handel und das reiche Warenangebot. Negative Begleiterscheinungen dieser ökonomischen Vernetzung seien die moralischen Auswirkungen, die in der Gesellschaft Gewinnstreben und Völlerei hervorrufen würden. Da dem antiken Menschen Wirtschaft als eigenständige Größe nicht bekannt war und dieser vielmehr nur einzelne Teilbereiche wie z.B. den landwirtschaftlichen Betrieb wahrnahm, so versucht Kloft die durch zahlreiche Quellen eruierbare „wirtschaftliche Gemengelage“ (S. 6/7) mit den Worten des Wirtschaftshistorikers Ludwig Beutin anhand der Stichworte „Erzeugung, Austausch und Konsum von Gütern“ (S. 7) zu systematisieren. Diese Untergliederung bildet grob das Gerüst der nun folgenden Darstellung.

Im ersten Kapitel werden dem Leser die Rahmenbedingungen der kaiserzeitlichen Wirtschaft vor Augen geführt. Neben den Determinanten Boden sowie Infrastruktur widmet sich der Autor verstärkt der politischen Lage seit Augustus und sieht darin einen entscheidenden Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung des Reiches. Vor allem betrachtet der Autor das Militär als entscheidenden Wirtschaftsfaktor, da dieses zugleich die Funktion von Produktion, Handel und Konsumption in sich vereine. Hinzu komme noch die Zivilverwaltung und Steuererhebung, die ein institutionelles und fiskalisches Gerüst bilden, in dem die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten ihre ökonomischen Aktivitäten entfalten konnten. Anschließend wird die positive demographische Entwicklung der Reichsbevölkerung als Voraussetzung und zugleich Folie wirtschaftlicher Prosperität dargestellt. 

Das Kapitel über den Agrarsektor nimmt gemäß seiner zentralen Bedeutung in einer vorindustriellen Gesellschaft einen ausführlichen Raum in der Darstellung ein. Kloft betont die Funktion der Landwirtschaft als „Anschlussökonomie“ (S. 20): Unterschiedliche Naturstoffe wie z.B. Wollerzeugnisse, Textilien, Leder- und Holzwaren werden im Umkreis des Hofes weiterverarbeitet. Ein weiteres Thema dieses Kapitels ist der „sozio-kulturelle Zusammenhang“, in dem die Landwirtschaft steht. Ausführlich stellt der Autor die wirtschaftliche Grundlage des mediterranen Raumes anhand des Anbaus von Wein, Öl und Getreide dar. Interessant und dem aktuellen Forschungsstand entsprechend, arbeitet Kloft am Beispiel des Verhältnisses zwischen Aussaat und Ernte die besonderen Charakteristika der kaiserzeitlichen Wirtschaft heraus, indem er die Ertragsverhältnisse des Imperiums mit denen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit vergleicht. Im folgenden wird auf die Konsum- und Produktionsmenge von Wein sowie die Rolle der Viehzucht und die Verwendung von Fleisch, Geflügel und Fisch als Nahrungsmittel eingegangen. Abgerundet wird das Kapitel mit Catos Überlegung zur idealen villa rustica, die den Leser in die Administration und Organisation der Landwirtschaft einführt. 

Im Kapitel „Handwerk und Gewerbe“ werden Urbanisierung, Romanisierung der Provinzen und die Stationierung des Militärs als entscheidende Triebkräfte für die Spezialisierung des Handwerks angesehen. Die nun folgenden Abschnitte führen den Leser in die Organisation von Handwerk und Gewerbe ein. Man sollte jedoch von der Kleinräumigkeit der Produktionsanlagen ausgehen, da erst in der Spätphase des Kaiserreiches größere staatliche Manufakturen, sog. fabricae, entstanden seien. 

Ausgehend vom Paradigma des Trimalchio werden im vierten Kapitel zuerst die großräumigen Handelsstrukturen beschrieben, um sich anschließend dem Kleinhandel mit seinen Wochenmärkten zuzuwenden. Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit dem reichen Warenangebot in Rom, dem Handel mit Luxusgütern und dem daraus resultierenden moralischen Diskurs über den Niedergang der Sitten, hervorgerufen durch übermäßigen Konsum von Luxusgütern. 

Der letzte thematische Block hat „Geld und Geldwirtschaft“ als inhaltlichen Schwerpunkt. Im Zuge der militärischen Expansion in den ersten zwei Jahrhunderten nach Christus nimmt die im Umlauf zirkulierende Goldmenge zu, was Auswirkungen auf die Wertigkeit der römischen Münzen zur Folge hatte. Dem Leser wird im Anschluss ein kurzer Ausblick auf die weitere Geldentwicklung des 3. und 4. Jahrhunderts gewährt. Anschließend schildert Kloft den römischen Staatshaushalt und zeigt hierbei auf, dass diesem ein hohes Maß an System stabilisierender Wirkung zukam und zu diesem Zweck auch vom Princeps bewusst eingesetzt wurde. Direkt daran anschließend wird die Thematik des kaiserlichen Euergetismus aufgegriffen und ebenfalls anhand des Beispiels des jüngeren Plinius für den privaten Bereich skizziert. Das Kapitel wird von Ausführungen zum Bankenwesen, privater Geldvergabe, Armut und der Preisentwicklung abgerundet.

Im Schlusskapitel diskutiert Kloft die These Edward Gibbons, das 2. Jahrhundert n. Chr. sei das „blühendste der gesamten Menschheitsgeschichte“ (S. 113) gewesen. Unter den Schlagworten Urbanisierung und Romanisierung entwirft der Autor das Bild einer reichsweiten wirtschaftlichen Prosperität für die ersten beiden Jahrhunderte nach Christus und schildert dann in kurzer und prägnanter Weise die sich verändernden wirtschaftlichen Determinanten im 3. Jahrhundert n. Chr. und die damit verbundenen Auswirkungen. 

Viele Abbildungen und Fotographien sowie einige Karten und Tabellen vermitteln ein eindrückliches Bild der damaligen ökonomischen Situation. Gleiche Wirkung erzielen die z. T. prägnanten Quellenangaben. Der Wissenschaftsgeschichte zur antiken Wirtschaft geschuldet, verweist Kloft auf viele bedeutenden Wirtschaftshistoriker und ermöglicht dem Leser, zentrale Schlüsselprobleme der Wissenschaftsdebatte kennen zu lernen. Abschnittsüberschriften geben dem Text eine klar strukturierte Form, jedoch erscheinen einige wie zufällig eingestreut. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass es dem Autor gelungen ist, einen informativen und dem aktuellen Forschungsstand entsprechenden Querschnitt zu dieser stark kontrovers diskutierten Materie zu geben, indem er losgelöst von ideologischen Stereotypen vom Primat der Quelle ausgeht. 

Anmerkungen

  • [1]

     K. Hopkins, Introduction, in: P. Garnsey/K. Hopkins/C. R. Whittaker (Hg.), Trade in the ancient economy, Berkeley 1983, S. IX, S. IX-XXV.

  • [2]

     H.-J. Drexhage/H. Konen/K. Ruffing, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert). Eine Einführung, Berlin 2002, S. 19.

  • [3]

     Vgl. K. Strobel, Zwischen Primitivismus und Modernismus: Die römische Keramikindustrie und die Suche nach einem Kategorisierungsmodell der römischen Wirtschaft. Eine Einführung, in: Ders. (Hg.), Forschungen zur römischen Keramikindustrie. Produktions-, Rechts- und Distributionsstrukturen. Akten des 1. Trierer Symposiums zur antiken Wirtschaftsgeschichte (Trierer historische Forschungen 42), Mainz 2000, S. 1-8, S. 3.

  • [4]

     K. Ruffing: Rezension von: C. Chandezon, L’élevage en Grèce (fin Ve-fin ler s. a.C.). L’apport des sources épigraphiques, Paris 2003, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 4 [15.04.2005], URL: http://www.sehepunkte.de/2005/04/6749.html (abgerufen am 18.05.08).

Empfohlene Zitierweise

Krocker, Nicolas: Rezension Hans Kloft: Die Wirtschaft des Imperium Romanum. aventinus recensio Nr. 15 (Sommer 2008), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7603/

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Erstellt: 16.05.2010

Zuletzt geändert: 25.05.2010

ISSN 2194-2137

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