Kunstgeschichte

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aventinus bavarica Nr. 29 [27.12.2014] / Bayernspiegel Nr. 4/2014, S. 15f. 

 

Andreas C. Hofmann  

Bürgerschaftliches Engagement und lebendige Ortsgeschichte 

Die Aktivitäten für den Erhalt des ‚Verrückten Alten Bahnhofs Oberschleißheim‘ 

Mit drei Schlössern, einer Außenstelle des Deutschen Museums und einem historischen Flughafen verfügt Oberschleißheim als mittelgroßer Münchner Vorort noch über vergleichsweise viele Baudenkmäler, die dem Ort sein unverwechselbares Gesicht verleihen. Zu diesem historischen Gesicht gehören neben diesen ‚Aushängeschildern‘ allerdings auch Bauten des alten Ortskerns wie die Alte Post oder der Alte Bahnhof. Während die Alte Post durch einen privaten Investor vorbildlich renoviert worden war, fristet der nächstgelegene Alte Bahnhof ein außerordentlich trauriges Dasein. Im Jahre 1858 ist er erbaut worden und somit gerade mal 23 Jahre älter als der ‚Adler‘, der 1835 zwischen Nürnberg und Fürth das Eisenbahnzeitalter in Deutschland einläutete. 1898 wurde das Gebäude zu einem städtebaulichen Kuriosum, als es wegen des Streckenausbaus um sechs Meter nach Osten ‚verrückt‘ worden war — bereits zeitgenössisch war von dem ‚Verrückten Bahnhof‘ die Rede. Mit der Inbetriebnahme der Münchner S-Bahn zur Olympiade 1972 wurde der Betrieb allerdings eingestellt. Während das Bauwerk bis in die 1990er Jahre noch Gastronomie und Logistikfirmen beheimatete, steht es nun seit längerer Zeit leer und ist dem sicheren Verfall preisgegeben. Da der Bahnhof nicht unter Denkmalschutz steht, hat die Deutsche Bahn als Eigentümer hier freie Hand. 

Dies darf kein Anlass sein, um entmutigt aufzugeben und die (mutwillige) Zerstörung eines historischen sowie für die Identität des Ortes unverzichtbaren Baudenkmals zuzulassen. Die folgenden Erläuterungen zeigen, auf welche Weise sich in Oberschleißheim in dieser Angelegenheit ein bürgerschaftliches Engagement formierte — es ist auch ein Beispiel, um andere Gemeinden zu ermuntern, für den Erhalt ihrer historischen Gebäude einzutreten. Am Anfang ist stets die Erkenntnis, dass man nicht alleine steht auf weiter Flur, sondern weitere Akteure vor Ort dieselben Gedanken und Ziele verfolgen, was in Oberschleißheim 2008 zur Gründung der Initiative ‚Verrückter Alter Bahnhof Oberschleißheim‘ (VABOSH) führte. Diese hatte bis 2013 diverse Anstrengungen wie das Sammeln von Kontaktdaten interessierter Bürger unternommen und sogar ein konkretes Kaufangebot für das Bahnhofsgebäude abgegeben, das die Deutsche Bahn allerdings auf unseriöse Art und Weise beantwortete. Seit dem Jahreswechsel betreibt die Initiative eine offensive Pressearbeit, die insbesondere in lokalen Anzeigenblättern einen großen Widerhall findet. Ein weiterer Schritt bestand unter dem Label ‚Verrückter Alter Bahnhof Oberschleißheim 2.0‘ im Ausbau der digitalen Infrastruktur durch die Schaltung einer Homepage, einer Facebook-Fanseite und eines Twitter-Accounts. 

Wie erhöht man allerdings den öffentlichen Druck, um den Eigentümer eines Denkmals zum Einlenken zu bewegen? In Oberschleißheim startete die Initiative hierzu im Juli 2014 auf der Plattform openpetition.org eine Petition, die sowohl herkömmlich auf Papier, als auch digital im Internet gezeichnet werden kann. Die Forderung ist ein öffentliches Bekenntnis zum Fortbestand des Gebäudes sowie einer Ermöglichung einer Renovierung und Nutzung durch die Allgemeinheit. Das Ziel ist es hierbei über 1.000 Unterzeichner zu erreichen, um der Deutschen Bahn zu zeigen, dass der gesamte Ort an einer Rettung des Alten Bahnhofs interessiert ist. Die Plattform openpetition.org stellt hierbei die ideale Infrastruktur zur Verfügung und bietet neben Modulen zum Unterzeichnen im Internet auch Standardvorlagen für Listen und Werbematerial. Nach Abschluss der Zeichnungsfrist im Januar 2015 wird die Petition dem Eigentümer überreicht. Ferner ist angestrebt einen Verein zu gründen, der gesellschaftspolitische Akteure, Unterstützer und Sympathisanten einbinden soll. Die Anerkennung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit würde darüber hinaus eine indirekte Förderung durch den Staat mit sich bringen, wobei das zuständige Finanzamt einen gemeinnützigen Zweck wegen der fehlenden Anerkennung des Alten Bahnhofs als Denkmal gegenwärtig noch verneint.

Per aspera ad astra — Von nix kommt nix! So lassen sich die Versuche am besten umschreiben, das historische Gesicht einer mittelgroßen Vorstadtgemeinde zu erhalten und zu pflegen. Es sind sicherlich noch einige Hürden zu nehmen, bevor der Alte Bahnhof Schleißheim in neuem Glanz erscheinen wird. Auch das Damoklesschwert eines — dem möglichen Streckenausbau geschuldeten — Abrisses wird noch eine Zeit lang über dem 156 Jahre alten Gebäude schweben. Doch gerade solch alte Gebäude bieten die Möglichkeit, Ortsgeschichte lebendig werden zu lassen — sei es als zukünftiges Kulturcafé, Heimatmuseum oder Vereinsheim.

Weiterführende Hinweise: 

http://www.alterbahnhof-schleissheim.de
Internetpräsenz der Initiative ‚Verrückter Alter Bahnhof Oberschleißheim‘

http://www.bitly.com/vabosh-petition
Online-Petition zur Rettung des Alten Bahnhofs Schleißheim (Kurzlink)

 

Zweitpublikation mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Einigung e.V.

Empfohlene Zitierweise

Hofmann, Andreas C.: Bürgerschaftliches Engagement und lebendige Ortsgeschichte. Die Aktivitäten für den Erhalt des ‚Verrückten Alten Bahnhofs Oberschleißheim‘. aventinus bavarica Nr. 29 [27.12.2014] / Bayernspiegel Nr. 4/2014, S. 15f., in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/9900/

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Erstellt: 27.12.2014

Zuletzt geändert: 27.12.2014

ISSN 2194-198X