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aventinus bavarica Nr. 14 (Winter 2008)  

 

Stefan Schnupp 

Die bayerischen Teilungsverträge des 14. und 15. Jahrhunderts 

Teil 1: Die zweite bayerische Landesteilung und ihre Folgeverträge 

Einleitung 

Das 14. und 15. Jahrhundert stellt in der bayerischen Geschichte ein sehr bewegtes, aber wenig erforschtes Kapitel dar. Zentrales Thema dieser Zeit sind die Landesteilungen. Die Zeit von 1349 bis 1450 war geprägt von der Zersplitterung Bayerns in zum Teil vier nebeneinander existierenden Teilherzogtümern. Die Politik der Wittelsbacher Herzöge verlief in dieser Zeit nicht immer konform, sondern sehr oft konträr. Grundlage für die in dieser Zeit stattfindenden Teilungen bilden die Teilungsverträge. Seit dem Landsberger Vertrag 1349 bis zum Erdinger Vertrag 1450 gab es sieben Teilungen, die das Land unterschiedlich unter den Herzögen aufteilten.  

In diesem Aufsatz stehen die Vertragstexte und die in ihrem Umfeld stattfindenden Ereignisse im Vordergrund. Dabei soll geklärt werden, wie es zu den jeweiligen Teilungsverträgen kam und welche Konzepte dahinter standen. Des Weiteren soll untersucht werden, inwiefern die Verträge aufeinander aufbauen konnten bzw. sich bedingten. Auch ob sich deutliche Unterschiede in den Verträgen aufzeigen lassen. Die direkten Auswirkungen der Teilungsverträge sollen herausgestellt werden und welchen Anteil sie am politischen Machtverfall Bayerns hatten. 

Im ersten Teil soll nun unter Berücksichtigung der vorhergehenden Teilungen die zweite bayerische Landesteilung untersucht werden. Der zweite Teil, der sich mit der dritten Landesteilung und den Verträgen des 15. Jahrhunderts auseinandersetzt, wird voraussichtlich in der nächsten Ausgabe erscheinen. 

Die Zeit der Landesteilung von 1350 bis 1500 ist eine der am wenigsten erforschten Bereiche der bayerischen Landesgeschichte. Während alle Teilungsverträge ediert wurden [1], finden sie bis dato neben Handbuchartikeln und Überblicksdarstellungen [2] nur in wenigen Aufsätzen [3] zu diesem Thema Eingang.

Landsberger Vertrag und Folgeverträge 

1. Vorgeschichte 

a) Erben und Erbe Ludwigs des Bayern 

Am 11. Oktober 1347 starb Kaiser Ludwig der Bayer in einem Dorf nahe Fürstenfeldbruck. [4] Er hinterließ zum Zeitpunkt seines Todes sieben Söhne, allesamt erbberechtigt. Aus der ersten Ehe Ludwigs mit Beatrix von Glogau gingen der erstgeborene Ludwig, mit dem Beinamen der Brandenburger, und Stephan hervor. Beide waren beim Tode des Kaisers bereits volljährig. Mit Margarethe von Holland bekam Ludwig fünf weitere Erben: Wilhelm, Albrecht, Ludwig und Otto. Der jüngste Sohn Ludwig starb jedoch bereits im folgenden Jahr, weshalb wir uns hier auf die sechs Erben konzentrieren wollen, die für die zweite bayerische Landesteilung relevant waren. Alle Kinder der zweiten Ehe waren noch nicht mündig.

Ihnen stand 1347 ein weit reichender Besitz zur Verfügung, den der Kaiser im Laufe seines Lebens für sein Haus gesammelt hatte, um seine Hausmacht zu stärken. Neben dem angestammten Teilherzogtum Oberbayern, das Ludwig während seiner Regierungszeit gegenüber seinem Bruder Rudolf behaupten konnte, konnte er 1340 das Teilherzogtum Niederbayern für sich zurückgewinnen und damit die Landesteilung von 1255 wieder rückgängig machen. [5] Allerdings wurden durch den im Hausvertrag von Pavia 1329 geschlossenen Ausgleich mit Rudolfs Söhnen Teile des Nordgaues und die Pfalz von Bayern getrennt.

Seinen ältesten Sohn Ludwig V., den Brandenburger, belehnte er 1323 mit den Marken Brandenburg, Landsberg und Lausitz. [6] Das Gebiet im Norden des Reiches war vor allem wegen seiner Kurstimme für die Wittelsbacher interessant. 1342 konnte der Kaiser seinem Sohn auch noch die Grafschaft Tirol durch eine Heirat  mit der Erbin Margarethe Maultasch sichern. Der Erwerb war für Bayern von entscheidender Bedeutung, doch durch das nun aufkommende Bündnis der Häuser Habsburg und Luxemburg, hatte es einen bitteren Beigeschmack. Man darf sich wohl Heinz Angermeiers Worten anschließen, der hierbei vom „geteilten Glück“ sprach. [7]

Die letzte große Erwerbung Ludwigs waren die Grafschaften Hennegau, Holland, Seeland und Friesland. Ludwig konnte sie durch seine zweite Frau Margarethe für sich beanspruchen. 1346 setzte er seinen noch unmündigen Sohn Wilhelm als Statthalter ein. [8]

Beim Tode des Kaisers stand das Haus Wittelsbach auf dem Höhepunkt seiner Territorialpolitik. Neben einem – mit Abstrichen – geeinten Bayern hatten die Kaisersöhne auch noch Tirol in ihrem Besitz.  Hinzu kamen noch die im Nordosten bzw. im Nordwesten des Reiches gelegenen Territorien. Dieser große Besitzstand war auch nötig um die sechs Kaisersöhne mit einem ordentlichen Erbteil auszustatten.

b) Landesteilungen und Erbfolgeregelungen 

Die am 25. Dezember 1349 vereinbarte zweite bayerische Landesteilung konnte bereits vor ihrer Entstehung auf eine fast 100-jährige Tradition zurückgreifen, die gewissermaßen die Grundlage für diese bildete. Ludwig der Bayer, der in dieser Hinsicht selbst nicht ganz unschuldig war [9], hatte das Problem und seine Folgen erkannt und wollte dagegen Maßnahmen treffen.

Der Prozess der Landesteilungen, die in Bayern eine ganze Epoche prägen sollten, begann 1255. Damals teilten der Großvater der Kaisersöhne, Ludwig der Strenge, und dessen Bruder Heinrich XIII. das gemeinsame Erbe des Herzogtum Bayerns und der Pfalzgrafenschaft bei Rhein unter sich auf. [10] In der vorher praktizierten gemeinsamen Regierung war es zu Differenzen gekommen – ein Merkmal, auf das sich alle Teilungen des 14. Jahrhunderts zurückführen lassen.  Die damit vollzogene Teilung in Ober- und Niederbayern ist allerdings nicht identisch mit den heutigen Regierungsbezirken. Ludwig der Strenge erhielt neben Oberbayern auch die Pfalzgrafenschaft bei Rhein.

1310 führten Ludwig der Bayer und sein Bruder Rudolf eine weitere Teilung Oberbayerns durch. Dabei wurde das Land nicht, wie zuvor in geschlossene Territorien aufgeteilt, sondern aufgrund von fiskalischen Gesichtspunkten. Dies brachte eine Zersplitterung der Gebiete mit sich und  wurde bei den späteren Teilungen wieder aufgegriffen. [11] Die Teilung wurde bereits 1313 wieder rückgängig gemacht. Dennoch ist hier für die grundlegende Methode beispielhaft. Es ist immer der jüngere bzw. jüngste Bruder, in diesem Fall Ludwig der Bayer, der einen eigenen Erbteil für sich beansprucht, um damit die Absicherung seiner Rechte zu erreichen. [12]

Schwieriger als die Teilung 1310 gestaltete sich der Ausgleich der Erbansprüche von Rudolfs Söhnen. Hatte Rudolf 1317 auf die Herrschaft weitgehend verzichten müssen, so war dies keine endgültige Entscheidung, sondern nur ein Übergangszustand. Rudolfs Vorgehen wurde jedoch durch seinen Tod 1319 gestoppt. [13] Die Ansprüche gingen auf dessen Söhne über und der zum König gewählte und spätere Kaiser, Ludwig, musste einen Ausgleich schaffen. Erst im Hausvertrag von Pavia 1329 wurde eine Regelung gefunden.  Ludwig trat die Pfalzgrafschaft bei Rhein und einen Teil des Nordgaues an seine Neffen ab. Diese Landesteilung hatte im Ganzen bis 1777 Bestand. [14]

Gerade die beiden letztgenannten Teilungen kann man als Vorbilder für die große Teilung 1349 sehen. Sie dürften die jüngeren Kinder Ludwigs des Bayern in ihrem  Handeln bestärkt und eine rechtliche Grundlage für die Teilung gegeben haben.

Ludwig der Bayer schien sich der Problematik einer Erbteilung durchaus bewusst gewesen zu sein, als er 1341 in seinem Testament eben die Unteilbarkeit festschrieb. Dort steht geschrieben: „ Wir geheizzen och den nidern vnd den obern lande ze Beyrn, daz es furbas ein land haizzen sol und sol vngetailt ewiclich bleiben.“ [15] Doch bereits im nächsten Satz rückte der Kaiser von seiner Maximalforderung wieder ab und schrieb nur eine 20 Jahre andauernde Unteilbarkeit fest. Geteilt werden durfte aber nur dann auf Wunsch des Ältesten. Man darf wohl davon ausgehen, dass der Kaiser schon ahnte, dass eine Teilung unvermeidlich sein würde. So kann man den ersten Satz mehr als Mahnung an seine Kinder verstehen. Aber selbst die 20-jährige Sperrfrist blieb am Ende unbeachtet.

Neben dieser Regelung traf Ludwig für seine Erben 1346 noch eine weitere, indem er Ludwig den Römer, den ältesten Sohn aus seiner zweiten Ehe, veranlasste auf das mütterliche Erbe, die niederländischen Grafschaften, zu verzichten. Dieses sollte den jüngeren Brüdern vorbehalten bleiben. [16] Wilhelm, der jüngere Bruder, wurde im gleichen Jahr bereits zum Statthalter ernannt. Diese Regelung deutet daraufhin, dass die niederländischen Grafschaften von vornherein als Erbschaft für die jüngeren Kinder vorgesehen waren.

Weitere Aussagen über die Pläne Ludwigs des Bayern lassen sich schwer beweisen und wären so rein hypothetisch. Zum Todeszeitpunkt des Kaisers hatte es schon mehrere Landesteilungen gegeben, die zum Teil sogar von ihm selbst in die Wege geleitet wurden. Ludwig versuchte weitere Teilungen Bayerns zu vermeiden und nur die anderen erworbenen Gebiete seinen jüngeren Söhnen zu hinterlassen.  

2. Verträge und Inhalt

Am 12. September 1349 [17] trafen sich Herzog Ludwig V., der Brandenburger, und sein Bruder Stephan II. in Landsberg. Dort wurde, mit Zustimmung der Kaiserinwitwe Margarethe und unter Mitwirkung des herzoglichen Rates, der Landsberger Vertrag unterzeichnet. Er war auf Drängen Stephans [18] zustande gekommen. Der Weg zur Teilung wurde durch den Vertrag von Eltville freigemacht, da dieser zumindest vorläufig die Streitigkeiten mit König Karl IV. [19] beendete.

Die Urkunde [20] wurde im Namen Ludwigs des Brandenburgers ausgestellt, der hier als ältester Sohn agiert und entsprechend dem Willen Ludwigs des Bayern als einziger das Recht auf Teilung hatte. Nach der grundsätzlichen Feststellung der Teilung als solche, wird zuerst der Besitz genannt, den Ludwig V. zusammen mit seinen Halbbrüdern Ludwig VI., der Römer, und Otto V. für sich behielt. Sie bekamen „daz Oberland ze Beyern mit allen herscheften, grafscheften, (...), als ez vnser liber herr vnd vatter keiser Ludowig von Rome selig bi sinem lebenden leib inne gehabt vnd besezzen hat.“ [21] Hinzu kamen noch die Grafschaft Graisbach und einige weitere Städte und Erwerbungen in Franken und Schwaben. Außerdem werden den drei Brüdern noch alle Pfandschaften zugesprochen, die nicht vorher Herzog Heinrich von Niederbayern verschrieben worden waren.

Der restliche bayerische Besitz, also „daz land ze Nider Beyern (...) als ez hertzog Heinrich vnser vetter selig innegehabt vnd gelazzen hat“, [22] ging an die drei verbleibenden Brüder Stephan II., Wilhelm und  Albrecht. Hinzu kam noch, als Ausgleich für die wegfallenden fränkischen und schwäbischen Güter, das bisher oberbayerische Hemau. Bei den nicht-bayerischen Besitzungen verfuhr man, der bisherigen Verwaltung entsprechend, wie folgt: Ludwig, der Brandenburger, und seine Brüder behielten die Mark Brandenburg und die niederländischen Grafschaften gingen an die Erbgruppe um Stephan II.

Für die weitere Geschichte ist besonders die Erbklausel interessant. Darin wird der gegenseitige Verzicht der beiden Erbgruppen auf den Besitz der jeweils anderen vorgeschrieben, außer beim Aussterben des Mannesstammes. Das heißt die Nachfahren der ersten Erbgruppe haben nur Anspruch auf Oberbayern und die Mark Brandenburg, aber keinen auf Niederbayern und die niederländischen Grafschaften, außer es gäbe keine männlichen Nachfahren von Stephan, Ludwig VI. oder Otto V. 

Diese Hauptteilung bewirkte die Aufteilung in zwei Erbgruppen mit je einem Teil Bayerns und einem weiteren außerbayerischen Erbteil. Die Grafschaft Tirol war nicht Teil des Erbkontraktes. Es war ersichtlich, dass diese Teilung weitere Aufteilungen nötig machen würde, die wohl schon bereits vorher geplant waren. So kam es am 24. Dezember 1351 zum  Vertrag von Luckau [23] zwischen Ludwig dem Brandenburger und seinen Brüdern Ludwig und Otto.  Nachdem weitere strittige Punkte mit Karl IV. geklärt und die Mark Brandenburg befriedet werden konnte, [24] übergab Ludwig der Brandenburger die Herrschaft in der Mark Brandenburg und der Mark Lausitz an seine beiden jüngeren Brüder Ludwig und Otto. Es war ein notwendiger und leicht nachzuvollziehender Akt, lagen doch Oberbayern und Brandenburg zu weit auseinander um von einer Hand gemeinsam regiert zu werden.

Die Urkunde, wiederum im Namen Ludwigs, des Brandenburgers, ausgestellt, übergab den Besitz der Mark zu Brandenburg, der Mark zu Lausitz sowie weiteren einzeln aufgelisteten Besitztümern an Ludwig, den Römer, und Otto. Dabei wurde wiederum der Rat von Ratgebern eingeholt. Wichtig war die Alternierung der Kurstimme [25] zwischen Ludwig, dem Brandenburger, und seinen Brüdern, eine Regelung, die nur zu Lebzeiten des Ältesten gelten sollte, nicht aber an seine Erben übergehen durfte. Außerdem erfolgte in dieser Urkunde der gegenseitige Erbverzicht mit Ausnahme des Aussterbens der Erblinie im Mannesstamm.

Etwas komplizierter gestaltete sich die Lage in Niederbayern. Stephan rührte die niederländischen Gebiete nicht an. Dort regierte Wilhelm mit seiner Mutter, als Vormund. In Niederbayern wollten die beiden jüngeren Erben auch einen Anteil am väterlichen Erbe erhalten, wozu aber Stephan nicht bereit war. [26] Es lässt wohl daraus schließen, dass Stephan wohl auch gerne dem Rezept seines älteren Bruders gefolgt wäre und hätte den jüngeren Erben allein die niederländischen Grafschaften Friesland, Hennegau, Holland und Seeland überlassen und dafür über ganz Niederbayern verfügt. Aber da diese Gebiete noch nicht die Wirtschaftsmacht waren, die sie im Verlauf des 15. Jahrhunderts werden sollten und relativ klein waren, ließen sich die Brüder nicht darauf ein. Sie suchten sich Vermittler und Stephan musste einlenken. Am 3. Juni 1353 kam der Vertrag von Regensburg [27] zustande.

Der Vertrag wird im Namen der drei Vermittler verkündet: Ludwig der Brandenburger, Pfalzgraf Rupprecht bei Rhein und Burggraf Johann von Nürnberg. Die Teilung des Erbes bezieht sich vor allem auf das Gebiet Niederbayerns, das faktisch zweigeteilt wird. Mag die Literatur auch häufig vom sogenannten „Straubinger Ländchen“ reden, [28] so ist der Begriff eher missverständlich. Handelt es sich bei diesem im Regensburger Vertrag neu definierten Teilherzogtum doch um annähernd die Hälfte Niederbayerns mit Teilen des Bayerischen Waldes und Gebieten an beiden Seiten der Donau von Kehlheim bis Schärding. [29] Den beiden Brüdern wurden auch verschiedene Pfandschaften und weitere Rechte zugestanden. Stephan verzichtete formal für sich und seine Erben auf die niederländischen Grafschaften. Sein Anteil musste im darauf folgenden Textabschnitt auch äußerst genau definiert und aufgelistet werden. Er behielt die übrigen Gebiete Niederbayerns mit Landshut und Burghausen für sich. Zum Schluss wird noch das Witwengut der Kaiserin bestätigt.

Innerhalb von vier Jahren war das kaiserliche Erbe in vier Teile geteilt worden. Ludwig der Brandenburger erhielt mit Oberbayern und Tirol und der alternierenden Kurstimme den größten Teil. Ludwig VI. und Otto mussten sich mit den Marken Brandenburg und Lausitz zufrieden geben. Albrecht und Wilhelm besaßen mit Holland, Hennegau, Seeland, Friesland und Niederbayern-Straubing eine ausreichende Machtgrundlage, wohingegen sich Stephan mit Niederbayern-Landshut abfinden musste. Wenig später erfolgte zwischen Wilhelm und Albrecht ein Interessenausgleich, bei dem sich Wilhelm auf die niederländischen Grafschaften und Albrecht auf Straubing konzentrieren wollte. [30]

3. Konzept der zweiten Landesteilung 

a) Befriedung aller Erbansprüche 

Das Konzept hinter den drei Verträgen, auf das sich die Brüder einigten, ist deutlich zu erkennen. Auch wenn man davon auszugehen hat, dass es nur in groben Zügen geplant wurde. 

Wichtig war vor allem die Befriedigung der Erbansprüche der Kaisersöhne. In Bayern und im Reich herrschte das Allteilrecht, was bedeutete, dass jeder männliche Erbe den gleichen Erbanspruch geltend machen konnte. [31]  So musste, in diesem konkreten Fall, der Privatbesitz des Kaisers durch sechs geteilt werden. Die unterschiedlichen Reichslehen, die an sich unteilbar waren,  wurden dabei  wie ihr persönlicher Besitz behandelt.

Die Brüder teilten ihren Besitz relativ gleichmäßig auf. Jede Erbgemeinschaft bekam im Landsberger Vertrag einen Teil des Herzogtums Bayern und eines der nördlicheren Lehen, welche sie dann in weiteren Verträgen wieder aufteilten. Die vollkommene gleichmäßige Aufteilung war aber nie beabsichtigt. Die Lehen an sich und die Teile Bayerns waren sehr unterschiedlich. Es wurde darauf Wert gelegt, dass jeder einen Erbteil erhielt. Jeder hatte also Einkünfte und Anteil an der Regierung erhalten. 

Ludwig der Brandenburger wurde bei der Aufteilung ungemein begünstigt. Er konnte sich Oberbayern alleine sichern und durfte daneben die Kurstimme Brandenburgs weiterhin nutzen. Die Grafschaft Tirol, das Erbe seiner Frau Margarethe Maultasch, gehörte nicht mit zur Teilungsmasse. 

Die Landesteilung war wohl auch der einzig vernünftige Weg, einen drohenden Bruderkonflikt zu vermeiden, wie er sich bereits 1311-1317 entwickelt hatte. [32] Stephan drängte auf die Landesteilung und wurde dabei sicherlich von seinen noch unmündigen Brüdern unterstützt, da sie in den kommenden Jahren ihre Mündigkeit erreichen würden. Hätte sich Ludwig geweigert, wäre es höchstwahrscheinlich zu einem bewaffneten  Konflikt gekommen, den er sich zu diesem Zeitpunkt kaum leisten konnte. Der Vertrag von Eltville [33] brachte zwar den Frieden mit König Karl, aber die Situation war dennoch angespannt. Deshalb war im Hause Wittelsbach Ruhe geboten und diese ließ sich durch die Teilung am einfachsten erhalten.

b) Zusammenhalt des Hauses Wittelsbach 

Als weiteres Konzept steht hinter dieser Landesteilung der Zusammenhalt des eigenen Hauses. Wie schon gesagt, war die reichspolitische Lage zu angespannt, um sich einen Bruderkonflikt leisten zu können. Die Brüder sollten mit einer Stimme im Reich sprechen und so die politische Macht, die ihr Vater erreicht hatte behalten können. Dieser fromme Wunsch der Einheit, der schon im Testament des Vaters auftauchte, [34] wird an der einheitlichen Titulatur deutlich. Alle nennen sich Herzöge von Bayern und geben sich keinen Titel mit dem Namen ihres Landesteiles. Dies hatte auch den Vorteil die rechtliche Problematik der Unteilbarkeit von Reichslehen zu umgehen. Zu dem drückte es eine gewisse Verbundenheit zwischen den Brüdern aus.

Als weiteren Aspekt darf die gegenseitige Vererbung des Besitzes gesehen werden, der in den Teilungsverträgen festgeschrieben wurde. [35] Die Erbklausel, wonach die Teilungsparteien Anspruch auf den anderen Landesteil hatten, falls die dortige Linie im Mannesstamm aussterben würde, findet sich in allen drei Verträgen. Damit sollte der Besitz zusammengehalten und die Brüder aneinander gebunden werden. Auch die Verklammerung des Besitzes, wie es im Falle Niederbayern-Straubing-Hollands geschah, trug dazu bei. Für Albrecht und Wilhelm war die Entfernung der beiden Landesteile von einander eher hinderlich, doch sie half die Verbindung mit Bayern und somit das Interesse der beiden Brüder an der bayerischen Politik aufrechtzuerhalten.

4. Weitere Entwicklung 

Wie wenig von der zweiten großen bayerischen Landesteilung übrig bleiben sollte, zeigte sich bereits in den folgenden 25 Jahren. 1358 musste Albrecht I. für seinen regierungsunfähig gewordenen Bruder Wilhelm die Herrschaft übernehmen [36]. 1361 starb Ludwig der Brandenburger. [37] Er hinterließ nur einen unmündigen Sohn, Meinhard. Dessen kurze Regierungszeit war mit Konflikten des bayerischen Adels geprägt. [38] Als nach seinem unerwarteten Tod sowohl Tirol als auch Oberbayern an die Habsburger verloren zu gehen drohten, nahm Herzog Stephan das Land in Besitz. Dies war aber ein eindeutiger Verstoß gegen den Landsberger und den Luckauer Vertrag, wonach der nächste Erbe Markgraf Ludwig, der Römer, gewesen wäre. Dieser, in seinen Erbrechten verletzt, schwenkte nun auf die Seite Karl IV. ein. Das hatte gleichzeitig den Verlust Tirols zur Folge, da Stephan nun die notwendige Unterstützung fehlte, um das Land von den Habsburgern zurückzuerobern.

1369 musste Stephan vollständig auf Tirol verzichten. Die Entzweiung Stephans mit Ludwig hatte schließlich den Verlust Brandenburgs zur Folge. Ludwig VI. hatte, infolge der Übernahme Oberbayerns durch Stephan, einer Erbeinigung mit Karl IV. zugunsten dessen Sohnes Wenzel zugestimmt. Nach seinem Tode 1365 schaffte es Otto V. nicht mehr den Kaiser von einer vorzeitigen Übernahme Brandenburgs abzubringen. 1373 trat Otto schließlich im Vertrag von Fürstenwalde Brandenburg an die Luxemburger ab und erhielt dafür neben Entschädigungszahlungen auch einen Teil des Nordgaues, den Karl den pfälzischen Wittelsbachern Stück um Stück abgeworben hatte. [39] Stephan II. war am Verlust Brandenburgs und Tirols schuld. Es waren nicht die Teilungsverträge sondern ihre Missachtung. [40] Am Ende blieb vom Konstrukt der zweiten bayerischen Landesteilung nicht viel übrig. Allein das Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland blieb aus den Verträgen erhalten. Alle anderen Besitzungen gingen verloren oder wurden durch Stephan wieder vereint.

Anmerkungen

  • [1]

     Krenner, Franz v.: Baierische Landtags-Handlungen in den Jahren 1429 bis 1513. Bd. 1 u.2 München 1803; Riedel, Adolph.: Codex diplomaticus Brandenburgensis. Teil II Urkunden-Sammlung zur Geschichte der auswärtigen Verhältnisse der Mark Brandenburg und ihrer Regenten Bd. 2 Berlin 1845; Wittmann, Franz: Monumenta Wittelsbacensia. Urkundenbuch zur Geschichte des Hauses Wittelsbach Bd. 2 (1297-1397). München 1861; Ay, Karl-Ludwig (Bearb.): Altbayern von 1180-1550 München 1977. (Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern. Abt. I Altbayern vom Frühmittelalter bis 1800 Bd. 2, hrsg. von Karl Bosl); Rall, Hans: Wittelsbacher Hausverträge des späten Mittelalters. Die Haus- und staatsrechtlichen Urkunden von 1310, 1329, 1392/93, 1410 und 1472. München 1987.

  • [2]

     Riezler, Sigmund von: Geschichte Bayerns Bd. 3. Gotha 1889; Max Spindler (Hg.) Handbuch der bayerischen Geschichte. Bd. 2. Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. München 1966.; In dieser Arbeit wird allerdings die zweite überarbeitete Auflage genutzt: Kraus, Andreas (Hg.): Handbuch der Bayerischen Geschichte Bd. 2, München 1988²;  Kraus, Andreas: Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 2004³; Holzfurtner, Ludwig: Die Wittelsbacher. Staat und Dynastie in acht Jahrhunderten. Stuttgart 2005.

  • [3]

     Die wichtigsten in diesem und dem folgenden Aufsatz genutzten sind: Ettelt, Beatrix: Der Teilungsvertrag vom 19. November 1392, in: Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut 1392-1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ingolstadt 1992. S. 9-17; Tausche, Gerhard: Der Teilungsvertrag von 1392, in: Das Herzogtum Bayern-Landshut und seine Residenzstadt 1392-1503, hrsg. von  Georg Spitzelberger. Landshut 1993; Schmid, Alois u. Weigand, Katharina: Die Herrscher Bayerns. 25 historische Porträts von Tassilo III. bis Ludwig III., hrsg. von. München 2001; Hofmann, Siegfried: Die bayerischen Landesteilungen von 1255 und 1392: Auswirkungen und Perspektiven, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt 103 (1994). S. 105-127; Boehm, Laetitia: Das Haus Wittelsbach in den Niederlanden, in: ZBLG 44 (1981), S. 93-130;  Krenn, Dorit-Maria: Das Herzogtum Straubing-Holland (1353-1425/1429), in: Bayern-Ingolstadt Bayern Landshut 1392-1506. Glanz und Elend einer Teilung, hrsg. v. Beatrix Ettelt. Ingolstadt 1992. S. 111-122; Krenn, Dorit-Maria u. Wild, Joachim: „fürste in der ferne“. Das Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland 1353-1425. Augsburg 2003; Kremer, Renate: Die Auseinandersetzung um das Herzogtum Bayern-Ingolstadt. München 2000. Eine vollständige Literaturliste wird es am Ende von Teil 2 geben.

  • [4]

     Angermeier, Heinz: Bayern in der Regierungszeit Kaiser Ludwigs IV. (1314-1347), in: Handbuch der Bayerischen Geschichte Bd. 2, hrsg. von Andreas Kraus. München 1988². S. 152-195. S. 194.

  • [5]

     ebd. S. 184-187.

  • [6]

     ebd. S. 162-163.

  • [7]

     ebd. S. 191-193.

  • [8]

     ebd. S. 194.

  • [9]

     Unter seiner Herrschaft kam es 1310 und 1329 zu Teilungen.

  • [10]

     Kraus, Andreas und Spindler, Max: A. II. Grundzüge des inneren Wandels, in: Handbuch der Bayerischen Geschichte Bd. 2, hrsg. von Andreas Kraus. München 1988². S. 53-75. S. 72-74.;  Die Quelle ist abgedruckt in: Ay Dokumente, S. 150.

  • [11]

     Kraus, Andreas und Spindler, Max: Gefährdung der politischen Grundlagen. Der innere Fortschritt: die Anfänge der Ständebildung. Ludwig IV., in: Handbuch der Bayerischen Geschichte Bd. 2, hrsg. von Andreas Kraus. München 1988². S. 110-145. S. 141-144; Heinrich, Rudolf: Der Hausvertrag von Pavia vom 4. August 1329 und seine Vorgeschichte seit der Urkunde über die Landesteilung vom 1. Oktober 1310, in: Wittelsbacher Hausverträge des späten Mittelalters. Die Haus- und staatsrechtlichen Urkunden von 1310, 1329, 1392/93, 1410 und 1472, hrsg. von Hans Rall. München 1987. S. 64-162. S. 127-155.

  • [12]

     Härtel, Reinhard: Über Landesteilungen in deutschen Territorien des Spätmittelalters, in: Festschrift Friedrich Hausmann, hrsg. von Herwig Ebner. Graz 1977. S. 179-209. S. 200-202.

  • [13]

     Angermeier: Bayern i. der Reg.zeit Ludwigs des Bayern 1988, S. 155-156.

  • [14]

     ebd. S. 173-175.

  • [15]

     Ay Dokumente, S. 158.

  • [16]

     Volkert, Wilhelm: Dynastie und Landesherrschaft, in: ZBLG 60 (1997), S. 87-104. S. 99.

  • [17]

     Straub, Theodor: B II. Teilungen und Teilherzogtümer, in: Handbuch der Bayerischen Geschichte Bd. 2, hrsg. von Andreas Kraus. München 1988². S. 196-287. S. 200.

  • [18]

     ebd. S. 208.

  • [19]

     ebd. S. 205-208.

  • [20]

     Ay Dokumente, S. 159-161.

  • [21]

     ebd. S. 159

  • [22]

     ebd. S. 160.

  • [23]

     Riedel Codex S. 338-340.

  • [24]

     Straub: Teilungen, S. 208-209.

  • [25]

     Riedel Codex, S. 339.

  • [26]

     Riezler Geschichte Bayerns S. 29-30.

  • [27]

     Ay Dokumente, S. 161-163.

  • [28]

     Straub Teilungen, S. 201;  Krenn Herzogtum Straubing-Holland S. 111;  Holzfurtner Wittelsbacher. S. 92.

  • [29]

     Wild, Joachim: Die Herzöge von Straubing und Ingolstadt. Residenzstädte auf Zeit, in: Die Herrscher Bayerns. 25 historische Porträts von Tassilo III. bis Ludwig III., hrsg. von Alois Schmid und Katharina Weigand. München 2001. S. 118-129. S. 120.

  • [30]

     Krenn-Wild „fürste in der ferne“,  S. 6-7 u. Krenn Herzogtum Straubing-Holland S. 112 u. Anm. 8; dort auch Zitat aus der Urkunde, die sich BayHStA erhalten hat.

  • [31]

     Kroeschell, Karl: Erbrecht, Erbe, Erbschaft, in: Lexikon des Mittelalters  Bd. 3., Sp. 2105-2107.  

  • [32]

     Siehe Anm. 26.

  • [33]

     Siehe Anm. 32.

  • [34]

     Ay Dokumente, S. 158-159.

  • [35]

     Siehe Kapitel III.2.

  • [36]

     Krenn, Straubing-Holland 1992. S. 114.

  • [37]

     Straub Teilungen, S. 211.

  • [38]

     Ebd. S. 211-212.

  • [39]

     Ebd. S. 213-217.

  • [40]

     Ebd. S. 201.

Empfohlene Zitierweise

Schnupp, Stefan: Die bayerischen Teilungsverträge des 14. und 15. Jahrhunderts. Teil 1: Die zweite bayerische Landesteilung und ihre Folgeverträge. aventinus bavarica Nr. 14 (Winter 2008), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7735/

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Erstellt: 23.05.2010

Zuletzt geändert: 28.05.2010

ISSN 2194-198X