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aventinus bavarica Nr. 28 [27.11.2014] / Bayernspiegel vsl. Nr. 5-6/2014 

Andreas C. Hofmann 

Ludwig der Bayer und sein Aufstieg zum Deutschen König 

Verlauf, Probleme und Folgen der Doppelwahl von 1314 

„In des keiseres kore scal de erste sin de biscop van Trire, de andere (de biscop) van Megenze, de dridde (de biscop) van Kolne. Under den leien is de erste an deme kore de palenzgreve van´me Rine, des rikes druzte; de andere de marschalk, de hertoge van Sassen; de dridde de kemere, de markgreve van Brandeborch. De scenke des rikes, de koning van Behemen, de ne hevet kore, umme dat he nicht dudisch n´is.“ 

(Sachsenspiegel: Landrecht III, 57, 2) 

Im Laufe des 13. Jahrhunderts hatte sich das Wahlprozedere der deutschen Könige maßgeblich verändert. Denn während zuvor noch die Gesamtheit der Reichsfürsten beansprucht hatte, den späteren Herrscher zu wählen, stand dieses Recht seit 1256 faktisch nur noch den Kurfürsten zu. Ihr bereits zuvor bestehendes Erststimmrecht hatte sich zu einem Alleinstimmrecht entwickelt. Zu dieser Zeit hatten der Erzbischof von Köln das Krönungsrecht, der Erzbischof von Mainz die Leitung der Königswahl und der Erzbischof von Trier das Recht der Inthronisation. Inhaber der Erzämter am Hofe waren der Pfalzgraf bei Rhein als Truchsess, der Herzog von Sachsen als Marschall, der Markgraf von Brandenburg als Kämmerer und der König von Böhmen als Mundschenk. Es waren sodann auch diese sieben geistlichen und weltlichen Fürsten, denen die Kurwürde zufiel. Aber waren Probleme bei der Wahl des Deutschen Königs damit vom Tisch? 

Als der luxemburgische Kaiser Heinrich VII. am 24. August 1313 starb, erklärte als erster dessen Sohn Johann von Böhmen den Willen zur Kandidatur. Dieser konnte auf die Unterstützung derjenigen Kurfürsten hoffen, die bereits seinem Vater im Jahre 1308 zum Wahlsieg verholfen hatten. Es standen zu diesem Zeitpunkt die Erzbischöfe Balduin von Trier und Peter von Mainz, Markgraf Woldemar von Brandenburg, Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg und Pfalzgraf Rudolf auf der Seite der Luxemburger. Aber auch die Habsburger stellten mit Friedrich dem Schönen einen Kandidaten zur Wahl, der mit den Stimmen Heinrichs von Kärnten (für Böhmen), Herzog Rudolfs von Sachsen-Wittenberg sowie Erzbischof Heinrichs von Köln rechnete. Die Kurwürden Heinrichs von Kärnten sowie der Sachsen-Wittenberger waren umstritten: Heinrich von Kärnten erhob Ansprüche auf die böhmische Kurwürde, war aber erst 1310 als König von Böhmen abgesetzt worden; nach der Teilung des Herzogtums Sachsen im Jahre 1296 wurden keine Vereinbarungen wegen der Kurwürde getroffen. 

Nachdem am Widerstand Heinrichs von Köln ein Versuch zwischen den rheinischen Erzbischöfen gescheitert war, die Thronfolge in Koblenz zugunsten Johanns von Böhmen zu regeln, begannen die Kontrahenten mit Wahlverhandlungen durch weitreichende materielle und politische Zugeständnisse. Am 6. März 1314 schlossen Erzbischof Peter von Mainz und Markgraf Woldemar von Brandenburg eine geheime Vereinbarung zu Gunsten der Luxemburger ab, die der Brandenburger zu diesem Zeitpunkt für die Wahlsieger halten musste. In Unkenntnis eben dieser Vereinbarung sicherte am 1. Mai 1314 Heinrich von Brandenburg — ein Onkel Woldemars und Leopolds von Habsburg — Friedrich dem Schönen die brandenburgische Kurstimme zu. Bereits am 9. Mai 1314 erklärte auch Erzbischof Heinrich von Köln nach der Zusicherung weitreichender Privilegien Friedrich unterstützen zu wollen.  

Nachdem die erste Rhenser Kurfürstenkonferenz vom Januar 1314 erfolglos verlaufen war, endete die im Juni folgende zweite Konferenz von Rhense in einem Eklat. Der Grund dürfte in der „den Versammelten als doppeldeutig erscheinen[den]“ (H.-D. Homann) Rolle Woldemars von Brandenburg gelegen haben, dessen Parteiwechsel nun publik wurde. In der Folgezeit erklärten Heinrich von Kärnten und Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg ihre Zustimmung zu Habsburg, womit die endgültige Stimmenkonstellation erreicht worden war. Die Luxemburger wechselten aber ihren Kandidaten und schickten den bayerischen Herzog Ludwig ins Rennen. Da sie eigentlich die Mehrheit der Kurstimmen auf ihrer Seite gehabt hätten, stellt sich die Frage nach der Motivation dieser Entscheidung: Die Forschung nimmt rechtliche und strategische Gründen an: Die Gegner der Luxemburger führten stets die Minderjährigkeit Johanns als Wahlhinderungsgrund an, obwohl dieser am Wahltag seine Volljährigkeit bereits erreicht gehabt hätte. Aber auch eine Selbstwahl Johanns, der ja auch die böhmische Kurwürde ausübte, wäre rechtlich umstritten gewesen. Zuletzt spielte auch die Kurie eine Rolle, die verdeutlicht hatte, der Wahl eines Luxemburgers kritisch gegenüberzustehen.

Aus Sicht der Luxemburger musste auf jeden Fall die Wahl eines Habsburgers verhindert werden, da sie um ihre erst kürzlich errungene Herrschaft in Böhmen fürchteten. Denn es hätte „Friedrich der Schöne, mit den Kompetenzen eines Reichsoberhauptes ausgestattet“ (E. Schubert), die alten habsburgischen Ansprüche auf Böhmen wieder hervorholen können. Andere Stimmen sagen, dass Ludwig von den Luxemburgern als Kompromisskandidat vorgeschlagen wurde, um Schaden vom Reich abzuwenden (H.-D. Homann) und die Luxemburger sogar auf die Unterstützung der Habsburger hätten hoffen können. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass „ein einzelnes Motiv [...] für den Kandidatenwechsel [entscheidend] gewesen sei“ und vielmehr anzunehmen,  dass „erst die Vielzahl der Gründe den Verzicht Johanns zugunsten Ludwigs geraten und zweckmäßig erscheinen ließ“ (A. Huber). 

Obwohl die Luxemburger Ludwig selbst als Thronkandidat ins Spiel gebracht hatten und diese sich bereits Kurstimmen gesichert hatten, musste Ludwig sich seine Position bei den Kurfürsten erst neu erkämpfen. Während er den weltlichen Kurfürsten großzügige finanzielle Zugeständnisse machte, verlangten die geistlichen Kurfürsten weitreichende territoriale und politische Konzessionen. Da die endgültige Verteilung der Wählerstimmen nun entschieden war, erschienen beide Parteien vor Frankfurt. Am 19. Oktober 1314 wählten schließlich Erzbischof Heinrich von Köln, Pfalzgraf Rudolf, Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg und Heinrich von Kärnten den Habsburger Friedrich den Schönen zum deutschen König. Herzog Ludwig wurde einen Tag später von Erzbischof Peter von Mainz, Erzbischof Balduin von Trier, König Johann von Böhmen, Markgraf Woldemar von Brandenburg und Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg zum König bestimmt.  

Somit hatte das Reich zwei gewählte Herrscher, da jeder die Mehrheit von vier Stimmen auf sich vereinigt hatte  — vier Stimmen waren zugleich erforderlich, um das Wahlergebnis der Kurie überhaupt anzeigen zu können (H. Mitteis). Um sich eine größere Legitimationsbasis zu verschaffen, eiferten beide Kandidaten darum, die Krönungsformalitäten möglichst umfassend einzuhalten. Hierbei hatte Ludwig einen anfänglichen Vorteil. Er wurde in Frankfurt eingelassen und auf den Hochaltar gehoben, nachdem Friedrich aus Gründen Nahrungsmittelknappheit abgezogen war. Auch der traditionelle Krönungsort Aachen hatte Ludwig Einlass gewährt. Da sich Erzbischof Heinrich von Köln als der rechtmäßige Koronator aber geweigert hatte, wurde Ludwig am 25. November 1314 in Aachen durch Erzbischof Peter von Mainz gekrönt, der sich hierbei auf ein altes Privileg der Kurie zu Gunsten seiner Kirche berufen konnte. Am selben Tag krönte Erzbischof Heinrich von Köln Friedrich den Schönen in Bonn mit den Reichsinsignien zum deutschen König. In der Auseinandersetzung mit Ludwig argumentierte Heinrich von Köln, die Krönung habe einen herrschaftsbegründenen Charakter, während Ludwig und die Mehrheit der Kurfürsten die Krönung nur als herrschaftsvermittelnd ansahen. Das Reich hatte nun zwei gewählte und gekrönte Herrscher, wobei die Krönung beider rechtliche Mängel aufwies. Denn bereits der zeitgenössische Chronist Matthias von Neuenburg bemerkte zutreffend, dass Ludwig am richtigen Ort von der falschen Person und Friedrich von der richtigen Person am falschen Ort gekrönt worden sei.  

In der Schlacht bei Mühldorf im Jahre 1322 kam es zu einer Vorentscheidung zugunsten Ludwigs des Bayern, der sich 1325 trotzdem auf ein formal geregeltes Doppelkönigtum mit Friedrich dem Schönen einließ, der bereits 1330 verstarb. 1328 wurde Ludwig zum ersten römisch-deutschen Kaiser aus dem Hause Wittelsbach gewählt.

Weiterführende Literatur:  

Homann, Hans-Dieter: Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314-1330 (=Mis­cella­nea Bavarica Monacensia 56 / Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München 75). München 1974 (=Phil. Diss. München 1970). 

Huber, Alexander: Das Verhältnis Ludwigs des Bayern zu den Erzkanzlern von Mainz, Köln und Trier (1314-1347) (=Münchener historische Studien: Abt. Geschichtl. Hilfswissenschaften 21). Kallmüntz in der Oberpfalz 1983 (=Phil. Diss. München 1981). 

Mitteis, Heinrich: Die deutsche Königswahl: Ihre Rechtsgrundlagen bis zur Goldenen Bulle. Brünn u.a. 2., erw. Aufl 1944, ND 1987. 

Nehlsen, Hermann (Hrsg.): Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft (=Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte; 22), Paderborn u.a. 2002, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00045215-2.

Wolf, Peter u.a. (Hrsg.): Ludwig der Bayer. Wir sind Kaiser! Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2014, Regensburg 2014. 

 

Vorabpubl. v. Andreas C. Hofmann: Ludwig der Bayer und sein Aufstieg zum Deutschen König Verlauf, Probleme und Folgen der Doppelwahl von 1314, erhebl. gek. u. durchges. Stud.arb. München 2002, erscheint in: Bayernspiegel. Zeitschrift der Bayerischen Einigung und Bayerischen Volks­stiftung Ausg. 4/2014.  

Mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Einigung e.V.

Empfohlene Zitierweise

Hofmann, Andreas C.: Ludwig der Bayer und sein Aufstieg zum Deutschen König. Verlauf, Probleme und Folgen der Doppelwahl von 1314. aventinus bavarica Nr. 28 [17.11.2014] / Bayernspiegel vsl. Nr. 4/2014 , in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/9896/

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Erstellt: 27.11.2014

Zuletzt geändert: 27.11.2014

ISSN 2194-198X