Reformation und Glaubenskriege (1517-1648)

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aventinus nova Nr. 11 (Sommer 2008) 

Stefan Schnupp 

Paul V. Borghese und Urban VIII. Barberini. 

Karriere und Nepotismus im Vergleich 

Die 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde für das Papsttum durch die zwei langen Pontifikate Pauls V. Borghese (1605-1621) und Urbans VIII. Barberini (1623-1644) geprägt. Beide Päpste schafften es, den Aufstieg ihrer Familie in den römischen Hochadel zu erreichen. Hier sollen sie nun in ihrem Aufstieg, in ihrem Pontifikat und ihrem Umgang mit Nepotismus  miteinander verglichen werden.

1. Aufstieg und Karriere der späteren Päpste 

a) Paul V. 

Paul V., mit bürgerlichem Namen Camillo Borghese, war gebürtiger Römer. Sein Vater Marcantonio Borghese war erst kurz zuvor nach Rom übergesiedelt. Die Familie Borghese stammte aus dem städtischen Patriziat von Siena. Marcantonio schaffte es, eine überaus erfolgreiche Karriere als Laienjurist an der Kurie zu absolvieren. Diese Karriere brachte neben der Erlangung des Bürgerrechts und einer Heirat mit einer Patrizierstochter weitreichende Beziehungen ein, die seinen Söhnen eine gute Hilfe bei deren späteren Karrieren waren. 

Sowohl Camillo, der älteste Sohn Marcantonios, als auch der jüngere Orazio absolvierten eine juristisch – canonische Ausbildung. Während Camillo die geistliche Laufbahn einschlug, blieb Orazio Laienjurist. Camillo schlug eine typische Karrierelaufbahn ein. Dabei stieg er vom Referendar der Signatura Iustitiae über das Vikariat von Santa Maria Maggiore bis hin zum Vizelegaten in Bologna auf. Dabei erlangte er auch die Gunst der jeweiligen Päpste – was in seinem späteren Leben noch äußerst wichtig wurde. 

Orazio folgte 1574 seinem Vater als Konsitorialadvokat nach. Er versuchte seine Karriere – anders als Camillo – durch Ämterkauf voranzubringen. Äußerst riskant erwarb er das Amt des Kammerauditors, eines der teuersten Kaufämter der Kurie. Dieses Amt war Teil der apostolischen Kammer, der päpstlichen Finanzbehörde und besaß daneben noch richterliche Funktionen. Dazu benötigte er fast das gesamte Familienvermögen. Lukrativ war das Amt vor allem wegen der üblichen Ernennung zum Kardinal nach einer Frist von sechs Jahren. Der frühe Tod ereilte Orazios im Oktober 1590, hätte wohl den Ruin des Hauses Borghese nach sich gezogen, wenn es Camillo nicht gelungen wäre, das Amt zu erben. 

Eine Sondernuntiatur in Spanien folgte der Amtsübernahme. Sie war zwar nur mäßig erfolgreich, brachte dem Kammerauditor aber Kontakte in Spanien ein und bewies das Vertrauen des Hauses Aldobrandini in Camillo. Nach sechs Jahren Amtszeit folgte die übliche Ernennung zum Kardinal. Clemens VIII. half Camillo durch Verleihung des mittelitalienischen Bistums Jesi die Finanzkrise zu beseitigen. Schließlich wurde er Mitglied mehrer Kongregationen und 1603 zum Kardinalvikar von Rom ernannt. 

Einzig sein junges Alter – er war erst knapp 52 Jahre alt – sprach gegen seine Wahl zum Papst. Aber nach dem einmonatigem Pontifikat Leos XI. schaffte Camillo es als Kompromisskandidat der großen Fraktionen im Konklave akzeptiert zu werden. Am 16. Mai 1605 wurde er als Paul V. zum Papst gewählt. 

b) Urban VIII. 

Maffeo Barberini, der spätere Papst Urban VIII., stammte aus Florenz, wo sein Vater Antonio ein Haus besaß. Sein Onkel Francesco war Apostolischer Protonotar und Referendar in Rom. Er holte Maffeo nach Rom und ließ ihn Recht studieren, wo er in den Aldobrandini und Boncompagni mächtige Fürsprecher gewann. Auf deren Bitten hin kaufte ihm sein Onkel ein Amt als Abbreviatore. Über Referendarstellen gelangte er in das Amt eines Governatore im mittelitalienischen Fano. Danach kaufte der Onkel ihm das Amt eines Kammerklerikalen. Nach weiteren Ämtern wurde ihm schließlich von Clemens VIII. die Pariser Nuntiatur übertragen, die er auch unter Leo XI. und Paul V. behalten konnte. In Paris erhielt er auch den Kardinalsrang. 1607 kehrte er nach Rom zurück und erhielt ein Jahr später das Bistum Spoleto. 1611 folgte eine Legation in Bologna. Zurück in Rom wurde er Präfekt der Segnatura di giustizia. Seine Hoffnungen beim Konklave 1621 erfüllten sich nicht, aber Gregor XV. ernannte ihn zum Protektor des griechischen Kollegs und berief ihn in die Kongregation der Propaganda. Zwei Jahre später wurde er nach einem langen Konklave zum Papst gewählt. Er nannte sich Urban VIII., um, laut Pastor, seine Verbundenheit mit der Stadt Rom auszudrücken.

2. Die Pontifikate 

Beide Pontifikate standen unter dem Zeichen der Gegenreformation. Paul V. sah sich neben den Problemen mit England (Pulververschwörung 1605), mit dem Konflikt mit Venedig (1605-1607) und dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618) konfrontiert. Dabei versuchte er eher Neutralität zu wahren, wobei er aber die Liga im Kampf gegen die Protestanten mit Subsidien unterstützte. Er erfuhr noch vom Sieg in der Schlacht am Weißen Berg erfuhr, bevor er starb. 

Urban VIII. erlebte während seines Pontifikates das Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr. Seine Politik war von zu großer Nachsicht gegenüber Frankreich geprägt, wodurch der Machtverfall des Papsttums immer weiter sichtbar wurde. Neben der Absicherung des Kirchenstaates fiel auch der Castro-Krieg in seine Regierungszeit. 

In beide Pontifikate fiel die erste Blüte des Barock in Rom, was in der Stadt noch heute sichtbar ist. So wurde unter Paul V. die Fassade des Petersdomes vollendet; Urban VIII. ließ durch Bernini die Kolonnaden errichten. Auch die Villa Borghese und der Palazzo Barberini zeugen von dieser Blüte. 

3. Nepotismus 

Ein weiterer gemeinsamer Aspekt der beiden Pontifikate ist der Nepotismus, den sowohl Paul V. als auch Urban VIII. in großem Umfang betrieben. Dabei ist zu bemerken, dass dieser keineswegs neu war, noch im europäischen Vergleich etwas Singuläres darstellte. Die Borghese, wie auch die Barberini, betrieben ihn aber in nie gekanntem Ausmaß. 

Doch zuerst ein kleiner Exkurs zur Geschichte des Nepotismus. Unter Nepotismus versteht man die Besetzung von Ämtern mit Familienmitgliedern. Dies war in der Kirche eine Tradition, die sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt. Er hatte vor allem für die Päpste des Mittelalters auch eine besondere Funktion. Denn ein neugewählter Papst musste sich beim Machtaufbau und in der Verwaltung des Kirchenstaates auf Familienmitglieder stützen können, weshalb diese mit den wichtigen Ämtern betraut wurden. Zugleich wurde damit die päpstliche Familie versorgt. Im 16. Jahrhundert bildeten sich schließlich sog. Kardinalnepoten heraus. Familienmitglieder, in der Regel Neffen des Papstes, mit geistlicher Laufbahn, erlangten spätestens nach der Wahl des Papstes die Kardinalswürde und besetzen eine inoffizielle Schlüsselposition, nämlich die eines Stellvertreters des Papstes. Seine wichtigste Aufgabe war die Leitung des Staatssekretariates, in dem er die eingehenden und ausgehenden Korrespondenzen überwachte. Daneben saß er noch verschiedenen Kongregationen vor und erfüllte noch weitere Aufgaben. Auch unter den Borghese und Barberini wurden diese Positionen besetzt. Zu ihrer Zeit hatte das Amt seine Funktionalität für die Verwaltung des Papsttums schon längst verloren und diente nur noch zur Bereicherung der eigenen Familie. Innozenz XII. schaffte 1692 das Amt wieder ab und schränkte die Zuwendungen an Familienmitglieder deutlich ein.

a) Paul V.  

Die beiden Brüder Pauls V., Francesco und Giovanni Battista, erhielten nach gründlicher Überlegung die höchsten weltlichen Ämter des Kirchenstaates: Francesco wurde Generalkapitän der päpstlichen Garden, Governatore des Borgo und Kastellan der Festung Ascoli. Giovanni Battista durfte sich mit dem Amt des Kastellans der Engelsburg und der Festung Ancona schmücken. Alles Ämter, die üblicherweise den Nepoten des Papstes zufielen und die vor Beginn eines neuen Pontifikats stets geräumt wurden. Francesco wurde später noch General der Kirche, finanziell wurden beide eher kurz gehalten. Im Laufe der Zeit wurde Francesco zugunsten Giovannis zurückgedrängt, dessen Sohn der einzige Erbe der Borghese war. 

Das Amt des Kardinalnepoten ging an Scipione Cafarelli-Borghese, dem Neffen Pauls. Er wurde in kürzester Zeit zum Kardinal ernannt. Trotz der eigentlich wichtigen Stellung des Kardinalnepoten war der politische Einfluss Scipione Borgheses zu Anfang sehr gering. Sein Onkel hielt ihn an der kurzen Leine. Seinen Aufgaben, die unter anderem die Unterzeichnung der Korrespondenz an den Papst mit sich brachte, kam er nur wenig nach, aber im Laufe der Zeit konnte er seinen Einfluss auf das Staatsekretariat zu dem üblichen Maß hin steigern. 

Daneben übernahm Scipione für die Familie die Aufgabe, den Aufstieg der Borghese in den römischen Hochadel zu erreichen. Scipione plante für dieses Projekt aufgrund des Alters des päpstlichen Onkels gute 16 Jahre ein, wie Volker Reinhard in der Schrift über die Finanzen des Kardinalnepoten schreibt. Hierzu wurden ihm diverse Kommendatar-Abteien und Bistümer verliehen. Die Gelder fanden dann Verwendung beim Kauf von Landbesitz, der den Einfluss vermehren sollte, und weiteren Investitionen, die im Lauf der Zeit 70% seiner Ausgaben ausmachten. Am Ende hinterließ Scipione seinem Vetter Marcantonio, der vom Papst noch zum Fürsten ernannt worden war, ein stattliches Vermögen. Der Nepotismus Pauls V. fand zur damaligen Zeit kaum öffentliche Aufmerksamkeit, da er in wirtschaftlich guten Zeiten von statten ging.  

b) Urban VIII.  

Urban VIII. hingegen musste seine Familie in wirtschaftlich schlechteren Zeiten versorgen und geriet damit mehr in den Blick der Öffentlichkeit. Sein Neffe Francesco Barberini nahm nach der Besteigung des Heiligen Stuhles das Amt des Kardinalnepoten ein. Ihm wurden  dabei große Einkünfte zugesprochen, doch ähnlich wie Scipione Borghese, hatte auch hier der Nepote zu Anfang kaum Einfluss auf die Politik. Hinzu kam, dass sein jüngerer Bruder Antonio später ebenfalls zum Kardinal erhoben wurde. Beide hatten ein Jurastudium hinter sich gebracht und wurden nun geradezu verschwenderisch mit Einkünften bedacht. Besonders reiche Einkünfte bekamen sie nach dem Tode der Kardinalnepoten der Vorgänger Urbans VIII, Scipione Borghese und Ludovico Ludovisi, zugewiesen. Sie mussten zwar ihren Posten beim Tode des Papstes räumen, nicht aber die Pfründe zurückgeben, da sie individuell vergeben wurden. Daneben wurde der Laie Carlo Barberini zum General der Kirche, Kastellan der Engelsburg und Kapitän der Garden ernannt. Sein Sohn Taddeo – der Stammhalter des Hauses - erbte später diese Ämter.

Sowohl Francesco, als auch Antonio gewannen im Laufe des Pontifikates immer mehr Einfluss auf die päpstliche Politik. Als der Krieg um das Kastell Castro ausbrach, waren sie unter den Hauptverantwortlichen – ging es doch um die Erwerbung des Kastells für die Familie Barberini vom verschuldeten Herzog Odoardo Farnese von Parma. Der Krieg, der von 1641-1644 geführt wurde, verschlang mehrere Millionen Scudi und ruinierte die päpstlichen Finanzen auf lange Sicht. Die großen Zuwendungen, die Urban VIII. seiner Familie zukommen ließ, bereiteten ihm am Ende seines Lebens so große Gewissensbisse, dass er eine Kommission einberufen ließ, die sich mit der Frage beschäftigte, wie viel ein Papst seinen Nepoten geben darf. Der Höhepunkt des päpstlichen Nepotismus war damit überschritten worden. Urban VIII. starb 1644 kurz nach dem Ende des Castro-Krieges.

4. Zusammenfassung 

Wenn man beide Päpste miteinander vergleicht so ergeben sich deutliche Gemeinsamkeiten. Beide stammten aus einer Familie, die dem mittelitalienischen Patriziat entstammte. Die zukünftigen Päpste absolvierten ein Studium der Rechtswissenschaften und begannen ihre Karriere als Juristen an der Kurie. Ihr Aufstieg ist durch die zwei Möglichkeiten der kirchlichen Karriere gekennzeichnet: der Ämterlaufbahn und dem Ämterkauf. Neben Legationen gehörten auch Nuntiaturen zu ihrer Karriere, wobei sich feststellen lässt, dass letztere dann eine enge Verbundenheit mit den Nationen entstehen ließ. Beide schafften nicht auf Anhieb die Wahl zum Papst und waren schließlich Kompromisskandidaten. 

Ihre Pontifikate waren beide sehr lange – 15 bzw. 20 Jahre – und durch große Konflikte im Zeichen der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges geprägt. Die Förderung der Kunst gehörte auch zu ihrer Politik.  

Daneben prägte ihre Herrschaft vor allem der Nepotismus. Dieser diente nicht mehr der Machtsicherung, wie in früheren Zeiten, sondern viel mehr dem Aufstieg der Familien in den römischen Hochadel und der reinen Vermehrung des Familienvermögens. 

Hierbei zeigt sich auch der große Unterschied zwischen beiden Päpsten. Paul V. gelang es noch, auch aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage, die Bereicherung im rechten Maß zu halten. Sein Nepot Scipione schaffte es der Familie einen großen Besitz anzueignen. Urban VIII. hingegen übertrieb das ganze maßlos, weshalb ihn am Ende, laut Berichten, Gewissensbisse plagten. Seine Nepoten Francesco und Antonio trieben den Kirchenstaat schließlich in den Castro-Krieg, der ihn finanziell ruinierte.  

Literatur: 

Emich, Birgit: Bürokratie und Nepotismus unter Paul V. Studien zur frühneuzeitlichen Mikropolitik in Rom. Stuttgart 2001. 

Grisar, Josef: Päpstliche Finanzen, Nepotismus und Kirchenrecht unter Urban VIII. Rom 1943. 

Kraus, Andreas: Das päpstliche Staatssekretariat unter Urban VIII. 1623-1644. Rom, Freiburg u. Wien 1964 

Pastor, Ludwig von: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Restauration und des Dreißigjährigen Krieges. Bd. 12 Leo XI. und Paul V. (1605-1621). Freiburg i. Breisgau 1927. 

Ders: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Restauration und des Dreißigjährigen Krieges. Bd. 13 Gregor XV. und Urban VIII. (1621-1644)  Freiburg i. Breisgau 1929.

Poncet, Olivier: Antonio Barberini (1608-1671) et la papauté. Réflexions sur un destin individuel en cour de Rome au XVIIe siècle, in: MEFRIM 108 (1996), S. 407-442).  

Reinhard, Wolfgang: Ämterlaufbahn und Familienstatus. Der Aufstieg des Hauses Borghese 1537-1621, in: FIAB 54 (1974), S. 328-427. 

Ders.: Nepotismus. Der Funktionswandel einer papstgeschichtlichen Konstanten, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 4.F 24 (1975), S.145-185. 

Reinhardt, Volker: Kardinal Scipione Borghese (1605-1633). Vermögen, Finanzen und sozialer Aufstieg eines Papstnepoten. Tübingen 1984. 

Semmler, Joseph: Das päpstliche Staatsekretariat in den Pontifikaten Pauls V. und Gregors XV. 1605-1623. Rom, Freiburg u. Wien 1969.

Empfohlene Zitierweise

Schnupp, Stefan: Paul V. Borghese und Urban VIII. Barberini. Karriere und Nepotismus im Vergleich. aventinus nova Nr. 11 (Sommer 2008), in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7825/

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Erstellt: 28.05.2010

Zuletzt geändert: 29.05.2010

ISSN 2194-1963