Restauration und Revolution (1815-1849)

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aventinus nova Nr. 32 [16.06.2011] 

 

Boris Barth  

Friedrich Ludwig Jahn und die frühe Turnerbewegung 

Das Beispiel einer emotional community zu Beginn des 19. Jahrhunderts

1. Einleitung 

Anlässlich seines 150. Todestag schreibt Karen Hagemann in einem Portrait über Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), dass sich an ihm „schon zu seinen Lebzeiten die Geister“ geschieden haben. [1] Jahn habe als „Fanatiker der nationalen Einheit und des Hasses auf Frankreich“ gegolten, [2] begründet aus der Erfahrung der militärischen Niederlage des politisch gewichtigen Flächenstaates Preußen gegen Napoleon in der Schlacht bei Jena und Auerstedt im Oktober 1806 und den Bedingungen des Friedens von Tilsit 1807, der die Herabstufung Preußens zu einer europäischen Mittelmacht bewirkte. [3] Jahn sei zudem auch als „Vordenker der entstehenden patriotisch-nationalen Bewegung“ gesehen worden. [4] In seinem Buch „Deutsches Volkstum“ (1810) plädierte er für Reformen, die zur Schaffung einer Staatsbürgergesellschaft führen sollten, die ihren Bürgern Schutz und Teilhabe am Staat boten, jedoch die Monarchie als Regierungsform bewahrten. [5] Die Beibehaltung der Monarchie stand im Gegensatz zum Reformwillen in anderen deutschen Gebieten – wie etwa den französischen Annexionsgebieten und den Napoleon unterstützenden Rheinbundstaaten. Hoier herrschte eine Sympathie für radikalere Veränderungen – insbesondere für die Abschaffung der Monarchie – vor, die sich ausgehend von der Französischen Revolution (1789) zu Beginn des 19. Jahrhunderts über ganz Westeuropa verbreitete. Jahns Nationalismus stand für einen „bestimmten Zweig der damaligen Nationalbewegung“ [6] und war, entgegen des damals vorherrschenden Trends, ein antiwestlicher, genauer: ein antifranzösischer. Um sein Ziel, die Einheit und Freiheit des deutschen Reiches, zu erreichen, musste zuerst die Freiheit vom „Franzosenjoch“ gegeben sein bevor eine Einheit Deutschlands unter preußischer Führung entstehen konnte. [7] Und diese Freiheit konnte, wenn man Jahn folgt, nur durch einen Krieg erkämpft werden. Denn Jahn sah im Krieg sehnsüchtig „den Schöpfer des deutschen Nationalstaates“. [8] Um das zu erreichen musste es zu einer Mobilisierung der Nationalgesinnten kommen; einer Aufgabe, der sich Jahn durch die Initiierung der Turnerbewegung mit dem Ziel annahm, eine paramilitärische Reservearmee zu rekrutieren. [9] Diesen Zweck erfüllten die Turner, die sich ab 1811 regelmäßig auf der Hasenheide, damals noch vor den Toren Berlins gelegen, trafen. 1816 folgte Jahns Manifest der Turnerbewegung, „Die Deutsche Turnkunst“, das in der vorliegenden Arbeit analysiert wird.

Im Folgenden soll die Gemeinschaft der Turner beleuchtet werden. Dabei wird in einem ersten Schritt der Frage nachgegangen, welche Rolle Jahn den Gefühlen Vaterlandsliebe und „Franzosenhass“, die sein Denken maßgeblich bestimmten, in der Turnerbewegung zuerkannte. Im zweiten Teil soll es um die Gemeinschaftsideale Friedrich Ludwig Jahns gehen: Welche Regeln und Normen galten für die Turnerfreundschaft und wie sollte Kohäsion und Egalität der Turnergemeinschaft hergestellt werden? Aufschlussreich ist dafür die Lektüre der „Deutschen Turnkunst“: Der einleitende „Vorbericht“ mit Jahns Überlegungen zur Turnergemeinschaft sowie der vierte Abschnitt „I. Über die Art, wie die Turnübungen zu treiben sind“ und „II. Die Turngesetze“, dienen als zentrale Quellen dieser Arbeit. [10]

Das Verständnis von Gemeinschaft in diesem Aufsatz folgt der Idee der emotional communities, die die Mediävistin Barbara Rosenwein aufstellte:

„I postulate the existence of ‚emotional communities’: groups in which people adhere to the same norms of emotional expression and value – or devalue – the same or related emotions.“ [11]

Es wird also zugrunde gelegt, dass die Turner innerhalb ihrer Gemeinschaft bestimmte Normen emotionaler Ausdrucksweisen teilten oder ablehnten. Die Annahme, dass die Turner eine Gemeinschaft bildeten, ist nach Rosenwein insofern zutreffend, als dass diese Personengruppe bewusst und regelmäßig auf dem Turnplatz zusammenkam, es sich also nicht um eine Gemeinschaft von zufällig Anwesender handelte:  

„A crowded street does not constitute an emotional community. An emotional community is a group in which people have a common stake, interests, values, and goals.“ [12]

Rosenwein erweitert die zunächst inhaltlich offene Idee des Teilens von Normen emotionalen Ausdrucks um die Charakterisierung social community („common stake, interests, values, and goals“) und textual community („created and reinforced by ideologies, teachings, common presuppositions“). [13] Erstes ist dadurch gegeben, dass die Turner eine nationale Gesinnung teilten und ihrem Selbstverständnis nach eine wichtige Bewegung zur Befreiung Preußens vom „Franzosenjoch“ waren, zweites durch das ideologische Manifest Jahns, dass er eben auf dem Turnplatz verbreitete. Die vorliegende Arbeit teilt auch Rosenweins Verwendung des undifferenzierten Begriffs emotions: Es findet also keine Unterscheidung in Affekt, Gefühl oder Emotion statt und es soll im Folgenden beispielsweise nicht der Frage nach der Rationalität von zentralen Emotionen wie Vaterlandsliebe und Männerfreundschaft nachgegangen werden. [14]

Die gezielte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Gefühle ist recht neu: Der Begriff des emotional turn kam 2006 auf. [15] Rosenwein zufolge würden sich Historiker jedoch weiterhin der Emotionen lediglich bedienen „when they wish to be colorful“, also um andere, „härtere“ Sachverhalte mit „weichen“ Gefühlen zu illustrieren. Die Erforschung des Turnvaters Jahn ist hingegen nicht neu. Die erste Biographie von Carl Euler aus dem Jahr 1881 findet zum Teil auch in der Jahn-Forschung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch würdigende Erwähnung. [16] Dem Umstand, dass es über Jahn darüber hinaus keine selbstständigen Biographien gibt, begegnete Oliver Ohmann 2009 mit einem kurzen biographischen Portrait. [17] Hingegen wird Friedrich Ludwig Jahns Denken insbesondere im Kontext der Erforschung des frühen deutschen Nationalismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewürdigt, wie etwa in Beiträgen von Dieter Langewiesche und Heinrich August Winkler. [18] Karen Hagemann analysiert in einem für die vorliegende Arbeit relevanten Aufsatz Liebe und Hass im frühen Nationalismus, an dem Jahn eben maßgeblich beteiligt war. [19] Auf Interesse stößt Jahn zudem in sportgeschichtlichen Untersuchungen wie etwa bei Christiane Eisenberg. [20]

2. Die Emotionalisierung der Nation

Seit der militärischen Niederlage Preußens gegen Napoleon 1806/07 verstärkten beziehungsweise entwickelten sich die Emotionen Vaterlandsliebe und „Franzosenhass“ in Preußen. Zwar benutzte Jahn diese Begriffe in der „Deutschen Turnkunst“ nicht, [21] jedoch entwickelte sich vor diesem emotionalen Hintergrund die Turnerbewegung, denn Jahn war neben dem Historiker Ernst Moritz Arndt einer der großen Verfechter beider Gefühle, ja die von Jahn initiierte Turnerbewegung fußte auf ihnen, weil die aus der Bewegung entstehenden Landwehren die Einheit des Landes und die Befreiung von den Franzosen erkämpfen sollten. Mit Rosenweins Idee der textual community können Vaterlandsliebe und „Franzosenhass“ als eine die Turngemeinschaft verbindende Ideologie verstanden werden. Die militärische Niederlage wurde von einem Teil der preußischen „Patriotenkreise“ auf die politische Desintegration des Landes zurückgeführt, von anderen mit dem Verfall von „Sitte und Moral“, dem Mangel an Nationalgeist, Opferbereitschaft für das Vaterland und einer „wehrhaften Gesinnung“ sowie dem Mangel an Religiosität begründet. [22] Schließt man sich der letzten Interpretation der Gründe für die Kriegsniederlage an, so erscheint die Propagierung von Vaterlandsliebe und Fremdenhass als emotionale Grundlage und Triebkraft für Reformen verständlich. [23] Die „Erzeugung“ beziehungsweise Verstärkung dieser Gefühle war Bestandteil des Nationalerziehungsprojektes Jahns und ist im Folgenden zu beleuchten.

2.1 Vaterlandsliebe und «Franzosenhass» 

Beim Begriff Vaterlandsliebe muss bedacht werden, dass Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts kein territorial geeintes Land war. Viel mehr als ein Staat in Landesgrenzen, war Deutschland eine Kulturnation, die sich über eine gemeinsame Kultur, Sprache und Sitte definierte. [24] Was die Sprache anbelangt, so gab sich Jahn in der „Deutschen Turnkunst“ als deutsch-nationaler Sprachpurist:

„Es ist ein unbestrittenes Recht, eine Deutsche Sache in Deutscher Sprache, ein Deutsches Werk mit Deutschen Wort zu benennen. Warum auch bei fremden Sprachen betteln gehen, und im Ausland auf Leih und Borg nehmen, was man im Vaterlande reichlich und besser hat.“ [25]

Insbesondere die Ausdrücke der Turnkunst sollten „ernst, gesetzt, männlich und edel“, die „Regeln und Gesetze einfach, klar, bündig, herzlich, Deutsch heraus“ formuliert sein. [26] Jahn versetzte die deutsche Turnkunst zudem in eine historische Perspektive, die bis ins Mittelalter zurück reicht, wobei das Ideal des „braven, mannlichen Teutschen“ im Vergleich zum „weibischen Franzosen“ herausgestellt wird, [27] was nicht nur Jahns Denken, sondern den damaligen Zeitgeist in Preußen insgesamt reflektiert:

„Das ganze Mittelalter hindurch ist auch niemals einem Deutschen eingefallen, an der Urthümlichkeit und Deutschheit der Turniere zu zweifeln. Wer den biederen und mannlichen Rittern hätte wollen Franzosenthum und Wälschsucht aufheften – der wäre gewiß schön angekommen.“ [28]

Die beiden Gefühle Vaterlandsliebe und „Franzosenhass“ repräsentierten die Prinzipien von Inklusion und Exklusion, die zur Konstituierung des Nationalstaates von Jahn als notwendig erachtet wurden: Die Inklusion in Bezug auf das gesamte deutsche Volk, Exklusion von allem Fremden und Abgrenzung nach außen, insbesondere in Bezug auf das napoleonische Frankreich. Mit der Vaterlandsliebe einher ging die Wehrhaftigkeit, die Grundvoraussetzung war, um das Land von den Franzosen zu befreien und dauerhaft zu schützen, was eben „nur Männer, die ihr Vaterland wie ihre Familie und die Heimat bedingungslos liebten“ erfüllten. [29] Daher bildeten „Kriegsübungen“ auch einen elementaren Bestandteil der Jahnschen Turnübungen. Über die körperliche Wehrausbildung hinaus würden sie „männlichen Anstand“ bilden und „erwecken und beleben den Ordnungssinn, gewöhnen zur Folgsamkeit und zum Aufmerken“. [30] Sie bildeten also auch die Tugenden der Teilnehmenden aus, erzogen sie zur „Mannlichkeit“. Zudem würden sie das Individuum lehren „sich als Glied in ein großes Ganzes zu fügen“, was die Verwirklichung des geeinten Vaterlandes und die Vertreibung der Fremden bedingte. Schließlich sei eine „wohlgeübte Kriegerschaar […] ein Schauspiel von der höchsten Einheit der Kraft und des Willens“. [31] Das zeitgenössische Bild von Jahns „Kriegerschaar“ war wohl jenes einer „romantischen Volksbewegung“, die, vom „Gefühl der Freiheit und Selbsttätigkeit getragen“, ihre Motivation zum Besiegen der Franzosen aus dem „Willen, die Kräfte des Volkes zu heben“, speiste. [32] Somit lässt sich die vaterlandsliebende, kriegerische Turnerbewegung als Vorhut im Freiheitskampf gegen Napoleon begreifen, der in Jahns Denken die Rolle des Befreiers des ganzen Volkes zukam.

2.2 Sitte, Moral, Religiosität 

Der Verfall von Sittlichkeit, Religion, Wehrhaftigkeit und Patriotismus war ein viel besprochenes Thema der damaligen Zeit, [33] sicherlich auch – wie einleitend erwähnt –  dadurch begründet, dass der Teil der patriotisch-nationalen Bewegung, zu dem Jahn und Arndt gehörten, diesem Umstand die Schuld an der Kriegsniederlage gab. Den Männern wurde „Seichtigkeit“, „Verweichlichung“, „Energie- und Kraftlosigkeit“ vorgeworfen, die allesamt die Wehrfähigkeit und den „Mannesmuth“ geschwächt haben sollen. [34] Ein Novum im Denken über Ehre und „Mannlichkeit“ stellte im frühen 19. Jahrhundert die Entkoppelung vom sozialen Stand dar: Männliche Ehre galt Hagemann zufolge nunmehr als „innerer Wert“, der vom „äußeren Ansehen“ unterscheidbar wurde, was zur Folge hatte, dass jeder Mann unabhängig vom sozialen Stand als ehrbar und männlich gelten konnte. Zentrales Element männlicher Ehre war die Wehrbereitschaft und somit die Beteiligung des Einzelnen am Aufbau des Nationalstaates. [35] Jahn zufolge war vor allem die „verderbliche Schwätzerey“ der Aufklärung als Ursache für den Verfall von Religiosität und Patriotismus auszumachen, deren Höhepunkt in Jahns Lebenszeit wohl in der Französischen Revolution und der Abschaffung der Monarchie in Frankreich gesehen werden kann.

Jahn unternahm den Versuch, dem Sitten- und Moralverfall entgegen zu wirken. Auf dem Turnplatz hatte insbesondere der Turnlehrer für die Moral und gute Sitte Sorge zu tragen. [36] Ein konkretes Beispiel stellten zudem die Anwesenheitslisten dar, die den Nichtbesuch der Turnübungen dokumentierten mit dem Zweck, „damit nicht böse Buben unter dem Vorwand und Behelf des Turnplatzes sich auf den Müßiggang geben und jugendwidrigen Zeitvertreib“. [37] In Bezug auf die Bedeutung der Zuschauer für die Moral der Turner äußerte sich Jahn eines der wenigen Male zur Rolle der Frauen auf dem Turnplatz. Er attestierte den „zärtlichen Müttern und anderen weiblichen Verwandten“, dass sie auf dem Turnplatz „nur im Wege“ stünden. Ihre Präsenz würde „Gelegenheit zu Hätschelei, Loberei, Rühmerei und Markelei“ geben, was die „jugendlichen Gemüther“ eitel machen würde und „sie von Grund auf verdirbt“. [38] Demzufolge beförderte die Präsenz der Frauen nicht die Ausbildung der Tugenden Selbstlosigkeit und Männlichkeit, sondern stand ihr geradezu im Weg und „verweichlichte“ die Moral der Turner. Jedoch kam den Zuschauern des turnerischen Treibens insgesamt die Aufgabe eines sittlichen Korrektivs zu. Diese haben nämlich die „Mitobhut und Mitaufsicht“ über das Geschehen auf dem Turnplatz, denn „während sie zuschauen, verwalten sie zugleich eine Anwaltschaft der Sitten“. [39] Diese Aufgabe kann wohl so verstanden werden, dass die Zuschauer den Fortschritt der körperlichen wie auch sittlichen Ausbildung der Turner beobachteten, untereinander beurteilten und in die weiteren städtischen Gesellschaftskreise trugen. Wäre ihnen ein sittenloses Spektakel auf dem Turnplatz gezeigt worden, hätte das nicht nur den Erfolg von Jahns Turnplatz an sich sondern auch die Glaubwürdigkeit seines Vorhabens der nationalen Bewehrung und Erbauung gefährdet. Schließlich verstand insbesondere Jahn die Turnerbewegung als Vorhut im nationalen Befreiungskampf, wodurch er ihnen eben auch eine Vorbildfunktion innerhalb der Gesellschaft zuteil kommen ließ.

Jahn lehnte zwei konkrete Leibesübungen ab: das Tanzen, das er als „Verderber der Sittlichkeit und Verführer zur Sünde“ bewertete und das Reiten, das ihm zufolge zu „Verschwendung und eitlen Lüsten und Lastern“ verleitete. [40] Zwar könne dem Tanzen „sein Werth nicht genommen werden“, bilde es doch „den Anstand und gute Haltung“. Jedoch würden „die anderen Turnübungen weit mehr stärken“, insbesondere in diesem „verweichlichten Zeitalter“. Schließlich befürwortete Jahn ganz und gar nicht „daß beide Geschlechter schon in den Kinderjahren zusammen tanzen lernen“. Hierdurch unterstrich er erneut die Geschlechtertrennung innerhalb der Turnerbewegung und verstärkte den explizit männlichen Charakter der Turner im Sinne eines Männerbündnisses. [41] Neben der Sittlichkeit im moralischen Verständnis und im Sinne von Tugendhaftigkeit, wird durch einen Verweis auf „die Sünde“, zu der der Tanz mit Frauen die Männer verführen würde, auch auf die Verweichlichung durch Sexualität angespielt und die Turnerbewegung gewissermaßen als eine asketische skizziert. Hinzu kommt die Verknüpfung mit den ohnehin verhassten Franzosen, die „sittenlos“ deutsche Mädchen und Frauen verführt oder gar vergewaltigt hätten. Hagemann zufolge sei dies „als das Zeichen schlechthin für die ‚Schändlichkeit’ und ‚Verworfenheit’ der Franzosen interpretiert worden“ und widersprach vollkommen dem Ideal des „treuen, tüchtigen, einfältigen und mannlichen Teutschen“, wie Ernst Moritz Arndt es formulierte. [42]

Das Reiten betrachtete Jahn, zumal für Turner in „zarter Kindheit“, als „schädlich für Wachstum, Gesundheit und Sittlichkeit“. [43] Es „verfäult und verludert den jungen Menschen, setzt ihm den Dünkel von Erwachsenheit und Vornehmigkeit in den Kopf“. Jahn lieferte zwar mit der Auffassung, dass „ohne Noth […] sich kein Mensch mit dem Thier gemein machen [muss]“ eine Begründung, weshalb der Reitsport grundsätzlich nicht als ein Sport, sondern scheinbar eher als notwendiges Mittel der Fortbewegung verstanden werden sollte. Jedoch lieferte er keine Begründung für die schädlichen Folgen des Reitens. Eine Vermutung wäre, dass der Reitsport ein Individualsport ist und somit nicht in das Konzept des gemeinschaftlichen Turnens passte, weil es nicht die Ausbildung des Gemeinschaftssinnes beförderte. [44]

Für die Vergemeinschaftung war ebenso die Religiosität oder vielmehr eine säkulare Religiosität von Bedeutung: Die Turnerbewegung wurde auch als „männerbündisch gedachte Turnerkirche“ beschrieben. [45] Dabei kann ein Bild entworfen werden, in dem der aufstrebende Nationalismus als Ersatzreligion galt, innerhalb dessen die Turner wiederum ihre eigene „christliche Gemeinde“ bildeten, für die Jahns „Deutsche Turnkunst“ als „Turnbibel“ galt. [46] Winkler verweist auf die Entwicklung des Nationalismus zum Religionsersatz nach 1789. Ihm zufolge ist darunter zu verstehen, dass der Loyalität gegenüber der Nation ein höherer Rang zukommen sollte als allen anderen Bindungen und die Nation im 19. Jahrhundert die frühere Rolle der Kirche als „Sinngebungs- und Rechtfertigungsinstanz“ eingenommen habe. [47] Auch durch diese religiöse Aufladung spielten Nächstenliebe und gelebte Brüderlichkeit für die Turnerbewegung eine Rolle, die in die sozialutopische Vorstellung einer egalitären Gesellschaft mündeten, um die es im Folgenden gehen soll.

3. Die egalitäre Gesellschaft – Sozialutopie der Turnerbewegung  

„Denn die Turngemeinde ist ein freies Reich, in dem sind alle gleich,“ urteilte der Tübinger Turnlehrer C. Voelker in einem persönlichen Brief. [48] Das Prinzip der egalitären Gesellschaft war Bestandteil der sozialutopischen Bestrebungen der Turnerbewegung, wenn nicht gar eines ihrer Leitprinzipien, das sie in der ständisch aristokratischen Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts verfolgten. Klassenunterschiede der Turnenden wurden nivelliert, auf dem Turnplatz sollte niemand qua Herkunft, sondern allein aufgrund seiner Leistung – sowohl turnerische als auch Verdienste an der Gemeinschaft etwa als Vorturner – beurteilt werden. Auf der Hasenheide „kamen die Turner aus allen oberen und mittleren Schichten der Stadtbevölkerung, von Professoren und Staatsbeamten bis zu Handwerksgesellen“, wie McMillan herausstellt. [49]

Kurz nach der Eröffnung des Turnplatzes auf der Hasenheide, attestierte Jahn der Turnkunst „einen großen Gemeingeist“ sowie „Beharrlichkeit und Selbstverläugnung“. [50] Weiter schrieb er, dass „alle und jede Erweiterung und Entwicklung […] gleich als Gemeingut“ galt, was die Eintracht unter den Turnern bekräftigt. Schließlich könne „Kunstneid, das lächerliche Laster der Selbstsucht, des Elends und der Verzweiflung, […] keine Turner behaften“. Sie turnten demnach nicht für sich als Individuum etwa mit dem Ziel der individuellen körperlichen Ertüchtigung, sondern fügten sich in die turnende Gemeinschaft ein, die eben das Ziel der Bewehrung des Landes verfolgte. Hier lässt sich ein doppeltes Prinzip des Turnens in der Gemeinschaft vermuten: Dem tatsächlichen Turnern auf dem Turnplatz innerhalb der Turnergemeinschaft und das Turnen für die Gemeinschaft im Sinne aller Deutschen. Denn Jahn betonte ebenso den „vaterländischen Sinn“ als Prinzip der Turner. Er sprach auch einen weiteren Aspekt an, der, seiner patriotisch-nationalen Gesinnung entsprechend, die Egalität innerhalb der Gemeinschaft verdeutlicht: Nachdem einige Turner freiwillig in die Befreiungskriege gegen Napoleon (1813-1815) zogen, wurden nach deren Rückkehr

„die gesellschaftlichen Unterhaltungen über die Turnkunst erneuert. Die ganze Sommerübung wurde durchdacht und durchsprochen, und so in Reden und Gegenreden die Sache klar gemacht.“ [51]

Demnach waren alle Mitglieder redeberechtigt, die Vereinsgemeinschaft diskutierte und verhandelte ihre turnerischen Inhalte, gab sich gar ihre gemeinschaftlich Regeln unter Einschluss aller Beteiligten – in Anbetracht der Zeit, dem frühen 19. Jahrhundert, ist dieses Verfahren ungewöhnlich in Preußen und kann als Element „moderner“ Demokratie bewertet werden.

3.1 Das Ideal der nivellierten Bürgergesellschaft 

Ein äußerliches Zeichen der egalitären Gemeinschaft war die Turntracht, von Jahn sinnigerweise auch als „Gleichtracht“ bezeichnet, und in Artikel 2 der „Allgemeinen Turngesetze“ fixiert. Die Standesunterschiede der Turner sollten sich auf dem Turnplatz nicht in der Kleidung widerspiegeln, was womöglich „den einen fördert und den anderen hindert“. [52] „Zeugen aus ausländischen Stoffen“ duldete Jahn nicht – hier zeigt sich erneut seine deutsche Gesinnung [53] –, die Turntracht hatte aus grauer, ungebleichter Leinwand zu sein. Die geforderte „grauleinene Jacke und eben solche Beinkleider“ waren günstig und somit für jedermann erschwinglich, „dauerhaft und wohlfeil“ und leicht zu reinigen. Hätte Jahn zugelassen, dass die Turner tragen, was sie wollten, erkannte bereits er, dass das propagierte egalitäre Prinzip nicht durchsetzbar gewesen wäre: Wenn aufgrund der Kleidung der soziale Status ersichtlich gewesen wäre, „so müßten sich die Übungen für Reiche, Vermögende, Bemittelte, Wohlhabende, Unbemittelte, Dürftige und Arme theilen“. [54]

Langewiesche charakterisiert die Turnergesellschaft als Gemeinschaft, die das Ideal der nivellierten Bürgergesellschaft in Kleidung und Anrede – das Turner-Du war maßgeblich – gesteigert habe. [55] Er weist jedoch daraufhin, dass in der ständisch geprägten Gesellschaft, in der die Turner lebten, das Leben dieses Ideal nur an einem marginalisierten Ort der Gesellschaft, nämlich auf dem Turnplatz, möglich gewesen sei. Außerhalb des Turnplatzes, auf anderen gesellschaftlichen Ebenen, blieben die Elemente des Egalitarismus der Turner demnach wohl ohne Einfluss. Friedrich Ludwig Jahn berichtete eine Anekdote, als ein „ehrlicher Vornehmer“ ihn auf die Aufhebung der Klassenunterschiede auf dem Turnplatz ansprach. Zwar habe sich letzter von den Turnern prinzipiell angetan gezeigt, denn es sei schön anzusehen und die Hasenheide, auf der regelmäßig Mittwoch und Samstag Nachmittag geturnt wurde, entwickelte sich bald auch zum Anziehungspunkt für schaulustige Bürger, die so genannten „Geisterturner“. [56] Jedoch war es dem anonymen Gesprächspartner unrecht, daß Jahn

„das Turnen unter das Volk gebracht habe[], woran soll man denn künftig einen vornehmen Mann erkennen, wenn jeder Gemeine solchen Anstand hat und auftritt, als wäre er auch von Geburt.“ [57]

Nicht nur die Nivellierung der Standesunterschiede sondern vor allem Jahns Öffnung der sportlichen Ertüchtigung für die gesamte (männliche) Bevölkerung werden durch diese Kritik deutlich. Zuvor hatten zentrale Übungselemente eine höfisch-aristokratische Herkunft, was sich allein schon in der sprachlichen Bezeichnung der Übungen ausdrückte, wie etwa das Voltigieren oder Balancieren, wofür Jahn die deutschen Begriffe Schwingen beziehungsweise Schweben oder Schwebegehen fand. [58] Jenseits der Frage nach der Aufhebung von Standesunterscheiden war die schichtübergreifende Heranführung von Männern an das Turnen erklärtes Ziel der preußischen Nationalisten. Denn um die kriegerische Befreiung von der französischen Fremdherrschaft zu erreichen, bedurfte es einer nationalen, das heißt auch möglichst zahlenstarken Mobilisierung wehrfähiger Männer. Somit war eine schichtübergreifende „Stärkung von Patriotismus und Wehrfähigkeit“ essentiell und Männer aus Adel, Bürgertum, städtischer Unter- und Mittelschicht sollten sich alle gleich angesprochen fühlen. [59]

Jedoch sollten die Kritiker der egalitären Sozialutopie Recht bekommen: Bereits in den 1850er und 1860er Jahren beschränkten sich die Turner darauf, die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten an den Leibesübungen zu beteiligen. Somit hielten sie zwar an der Verbürgerlichung des Sportes fest, haben jedoch die Überwindung der Standesgesellschaft auf dem Turnplatz nicht beibehalten können und mussten sich wieder in das bestehende Klassensystem einordnen. [60]  

3.2 Die Rolle des Turnlehrers 

Innerhalb der Turnergemeinschaft waren besonders zwei Beziehungsrelationen von emotionaler Relevanz: Einerseits eine horizontale, nämlich die der „egalitären Bruderbeziehung“ zwischen den Turnern, andererseits eine vertikale der „Turnsöhne“ zu ihrem „Turnvater“ Jahn. [61] Der Turnlehrer – auf der Hasenheide nahm Jahn selbst diese Rolle ein – stand in einem egalitären Verhältnis zu den Turnern. Er stellte keine Autoritätsperson dar, sondern fügte sich vielmehr in die gelebte egalitäre Gesellschaftsidee ein, wurde demnach auch per Du angesprochen; ihm wurde jedoch gleichzeitig die wichtige Rolle des Vorbilds zuteil. Interessant ist, dass Jahn es als Rolle des Turnlehrers ansah, sich den Respekt der „werdenden Männer“, die sich in seiner Obhut befanden, zu verschaffen:

„Die Turnschüler müssen den Turnlehrer als Mann von gleichmäßiger Bildung und Volksthümlichkeit achten können […]; sonst wird er bei aller turnerischen Fertigkeit ihnen nur wie ein Faselhans und Künstemacher vorkommen.“ [62]

Demnach scheint das typische Autoritätsverhältnis eines Lehrers auf dem Turnplatz gebrochen gewesen zu sein: Es war Aufgabe des Turnlehrers, sich Achtung vor den zumal jugendlichen Turnern zu verschaffen. Dabei galt es jedoch, den „Schein von Schulsteifheit“ zu vermeiden und den Turnern „freundschaftlich mit Ernst“ und herzlich mit Würde“ entgegenzutreten. [63] Jahn konnte die Jugend sehr gut begeistern und verkörperte verschiedene Vaterfiguren für die Turner – seine Anhänger heroisierten Jahn regelrecht. [64] Daher liegt die Vermutung nicht fern, dass er den Tugendkatalog, den er für die Turnlehrer aufstellte, an sich und seinen eigenen Erfahrungen ausrichtete. [65]

Den zwölf Regeln zufolge sollte ein Turnlehrer zuallererst „der Jugend kein böses Beispiel geben, weder auf noch außer dem Turnplatze“. Dazu zählte insbesondere die Enthaltsamkeit in der Konsumierung der „Genüsse“ Tabak und Alkohol, richtete sich jedoch gleichermaßen an die Tugenden, die ein Turnlehrer leben sollte. Er sollte „sich nicht vornehmtuerisch und aufthuerisch gebärden, sondern stets leutseelig sein und bleiben“, früh auf dem Turnplatz erscheinen, am besten mit den ersten Turnern, und über die Einhaltung der gemeinschaftlichen Gesetze wachen – von denen er freilich nicht ausgenommen war, sondern er sollte „der strengste Richter gegen sich selbst sein“. Auch das Turnen für die und in der Gemeinschaft wie oben angesprochen galt für ihn im besonderen Maße: Der Turnlehrer habe es „deutlich an den Tag [zu] legen, daß er von der Wichtigkeit der Sache begeistert ist, und nicht von feiler Selbsucht [sic] und schnöder Eitelkeit getrieben wird“. Aber auch das emotionale Verhältnis zwischen Turnlehrer und Turnschüler wurde konkretisiert: Er hatte mit seinen „Anvertrauten“ so umzugehen, „daß sie ihn als Menschen lieben und als Mann achten“. Es standen also die Gefühle Achtung und Liebe Vorbild für das Verhältnis beider zueinander, was sicher über ein schulisches Lehrer-Schüler-Verhältnis hinausging und eben Ausdruck der anderen Qualität einer turnerischen Erziehung innerhalb einer egalitären Gemeinschaft ist. Hier ging es nicht um eine schulische Ausbildung, sondern um eine emotionale Bindung des Einzelnen an die turnende Gemeinschaft, die wiederum eine Vorbildrolle im nationalen Befreiungskampf einnahm. Ganz deutlich werden die verschiedenen Rollen des Turnlehrers im letzten Punkt von Jahns Ausführung zu ihm: Er sollte „als der ältere Freund, Ordner, Schiedsrichter, Rathgeber und Warner unter den Turnern walten“. Er hatte also eben diese verschiedenen, ordnenden und beratenden Funktionen inne und der Leser erfährt zudem, dass der Turnlehrer älter war als der Turnschüler. Das ist insofern von Relevanz, als das auch vermutbar gewesen wäre, dass der Turnlehrer ein primus inter pares gewesen ist, wie etwa die Vortuner, die Teil der turnenden Gruppe waren und ihre „Turnbrüder“ anleiteten, weil sie eine bestimmte Übung besonders gut ausführten. Der Turnlehrer schien jedoch eine gewichtigere Position inne gehabt zu haben, nämlich die Organisation des gesamten Turnbetriebes auf den Turnplätzen, die sich ausgehend von Jahns Turnplatz in der Hasenheide insbesondere im französisch besetzten Norddeutschland und Preußen ausbreiteten. Dennoch sollten sie einen unautoritären Umgang mit den jugendlichen Turnern pflegen und sich stets als Teil der Gemeinschaft verstehen. Jahn hatte somit weitsichtig dafür gesorgt, dass in seiner „Deutschen Turnkunst“ nicht nur konkrete Turnübungen empfohlen sondern insbesondere auch das zu etablierende soziale und emotionale Gefüge auf die neu zu gründenden Turnplätze mit „transportiert“ wurde.

4. Turnfahrten: Die Turner auf Erkundungsreise durch das eigene Land 

Zur Illustrierung des oben Erörterten sollen die Turnfahrten der Turner herangezogen werden; als konkretes Beispiel soll die Turnfahrt Jahns zusammen mit 13 Turnern nach Breslau im Jahre 1818 betrachtet werden. Diese Turnfahrt wurde detailreich vom mitreisenden Turner Franz Lieber dokumentiert. [66] In Jahns „Deutscher Turnkunst“ findet sich kein Hinweis darauf, ob Turnfahrten regelmäßig durchzuführen seien und wer an ihnen teilnehmen sollte. Offenkundig bestärkten sie indes die emotionale Bindung der Mitreisenden: In einer kleinen Gruppe reisten, das heißt wanderten die Teilnehmer auf dieser Turnfahrt insgesamt vier Wochen zu Fuß durchs Land. Während dieser Zeit wurde gemeinsam gesungen, geturnt und Jahn verkündete in Ansprachen seine Volkstumsideen. Andere auf dem Weg liegende Turnergemeinschaften wurden besucht, ihre Turnplätze inspiziert und sie beherbergten den Turnvater und seine „Söhne“ während ihrer Reise, denn es „ist gut und altdeutsche Art einen Fremden gastlich zu empfangen“. [67] Es gibt auch keinen konkreten Hinweis dafür, weshalb das Ziel der Reise Breslau war. Möglich ist, die Turnfahrt als eine Art Antrittsbesuch des im Frühjahr 1817 neu gegründeten Breslauer Turnplatzes zu verstehen. [68] Zudem war Breslau Ort des Kriegsgeschehens gegen Napoleon: 1807 von den Rheinbundtruppen eingenommen, wurde es 1813 zu einem wichtigen Ausgangspunkt der Befreiungsbewegung gegen Napoleon. Es lässt sich vermuten, dass Breslau somit für Jahn und sein Umfeld Qualitäten eines Wollfahrtortes im Kontext der Befreiung von Napoleon hatte. [69]

Die Motivation zu dieser Turnfahrt war mannigfaltig und wurde von Lieber wie folgt beschrieben: 

„Es war eine Turnfarth: das Vaterland kennen zu lernen, Bekanntschaft und Gemeinschaft mit anderen Gleichgesinnten zu machen, unsere kleine Gemeinde enger zu verbrüdern, anzufeuern wo es matt, sich neu zu ermuthigen wo es lebendig war, das trieb die Turner hinaus. Stätten wollten wir sehen, wo die Altvordern lebten und liebten, wo sie kämpften und stritten. Wahlfelder wollten wir bewandern wo Freie Männer Leib und Leben, Gut und Blut für deutsche Freiheit in die Schanze schlugen.“ [70]

Die Turnfahrt war demnach landeskundliche Entdeckung des eigenen Landes, Wallfahrt zum Kriegsort Breslau und Stärkung des Zusammenhalts der Turner über Städtegrenzen hinaus. Lieber fasste es in einem pointierten Satz folgendermaßen zusammen: „Wer viel wandert, sieht viel, und wer hinterm Ofen bleibt, kann nur von Kacheln erzählen.“ [71] Besonders die Emotionalisierung in Hinblick auf die Erkundung und Kenntnis des eigenen Landes, seine Bevölkerung inbegriffen, wurde im Reisebericht hervorgehoben: „Land und Leute machen das Volk, das Vaterland, und wer es nicht kennt, kennt auch sich nicht, kann weder streiten noch lieben, wohl Athem hohlen, aber nicht leben.“ An anderer Stelle wurde der Gesang gepriesen, der unter den „erfreuliche[n] Eichen“ der Lausitz besonders gut klang. [72]

Das gemeinsame Singen nahm eine zentrale Position während der Reise ein und mischte sich mit religiösen Elementen, derer sich die Turner häufig bedienten; die Bedeutung des Nationalismus als Ersatzreligion wurde eingangs bereits angesprochen. So habe „der 4 stimmige Gesang […] kräftiger Männerkehlen und das gute Orgelspiel dazu […] wohl die Herzen“ erhoben, [73] dokumentierte Lieber die emotionale Wirkung des sakral anmutenden Chorgesangs samt Untermalung durch Orgelmusik, dem Kircheninstrument par excellence, wobei wohl vorwiegend Volkslieder gesungen wurden. [74] Aber auch das Kirchengebäude als konkreter Ort wurde von den Turnern gewürdigt und mit ihren Absichten und Bedürfnissen verknüpft:

„Kirchen und Gemeindehäuser sollen gebaut werden; Kirchen, damit nicht unsere Gotteshäuser, wo Kindlein getauft, Jünglinge bewehrt, Landwehr eingesegnet, und den Gebliebenen ein Todtenfest gefeiert wird, wo viele Geschlechter beteten und beten werden; damit diese ernste Stätten, wo die Gemeinden zum Tisch des Herrn treten nicht aussehen wie Raubnester, oder Arbeitshäuser; sondern hoch und hehr sollen sie sein wie die deutsche Bauart es mit sich bringt; dass man ihnen ansehe wir haben diese Stätten lieb. [75]

Dennoch, „das höchste und beste Domgewölbe bleibt das blaue Zelt“, [76] also der freie Himmel, unter dem die Turner ihre Turnplätze errichteten. Weiterhin postulierte Lieber, dass die Turner „viel in Gottes Wort viel in Eures Volks Geschichte“ lesen sollten, [77] was einerseits als Betonung eines Zusammenhangs zwischen christlicher Religion und Volkstradition gedeutet werden kann, andererseits auch die Frage aufwirft, welche Rolle die Ersatzreligion Nationalismus neben dem christlichen Glauben in der frühen Turnerbewegung einnahm. In Aussprüchen wie „‚Deutschland werde frei’ so hatt [!] Gott gesprochen bei Leipzig, und in jedem Blutstropfen der geflossen, ists zu lesen“ wird dieser Zusammenhang augenscheinlich. [78] Auch der „Franzosenhass“ wurde von Lieber mit Kirche und Religion in Verbindung gebracht. In Hirschberg sahen die Turner die Ruine einer Kirche, die

„die gottlosen Franzosen zerstörten; auch hier (ward) nicht mal ward des Feindes Niedertracht nur auf einen Augenblick gedämpft. Jetzt wird sie wieder aufgebaut; und ist es recht und sinnig an solchen Stellen des Herren im Gottesdienst zu gedenken.“ [79]

Zum Gemeinschaftsleben während der Turnfahrt wurden einige Vorfälle dokumentiert. So ereignete sich etwa, dass zwei Mitreisende anlässlich „des Tonlehrers Köhler Geburthstag“ zu viel Wein tranken, was der oben ausgeführten Tugendhaftigkeit und Sittlichkeit der Turner ja widersprach. Somit war es nur folgerichtig, dass die beiden „auch reuig empfunden [haben], wie schrecklich, wenn der Mensch nicht sein eigen“. [80] Auch das elementare Turner-Du wurde mehrmals von Lieber erwähnt. So ereignete sich in Hirschberg, als die reisenden Turner sich in das Stammbuch der dortigen Turner einschrieben, dass „als Jahn auf dem Kienast den Kaufmann Krügermann nöthigte, sich mit unter die Turner einzuschreiben da er ein Turner sei, erwiederte der Kaufherr, ‚von der Ehre mach ich gleich Gebrauch und nenne dich du. [81] Am Ende des Aufenthalts in Liegnitz wandte sich Jahn in einer Ansprache an alle Liegnitzer:

„Unter anderem warnte er sie, sich nicht wenn sie älter würden, vom Vornehmerthum verführen zu lassen, und auch jetzt einander Du zu nennen, wies deutsch ist; denn sie nannten sich nicht du, wie mann [!] es auf dem Turnplatz nur kennt; sondern sie, als wie an eines Königs Hofe.“ [82]

Hierin kristallisieren sich Jahns Ideal der egalitären Gemeinschaft, die Nivellierung von Standesunterschieden und die Berufung der turnerischen Sitten und Gebräuche auf einen volkstümlichen Ursprung. 

Die Vorbildfunktion der Turner, insbesondere der Jahnschen Turnergemeinschaft der Hasenheide, sollte beim Treffen mit anderen Turnern erhalten bleiben. So legte Jahn es seinen Turnern ans „Herz, auf dem schlesischen Turnplätze [so] uns ja so zu betragen, daß wir der Berliner Turngemeinde keine Schande machten.“ [83] Zudem hatte, bei aller Vorbildhaftigkeit, die Turnfahrt auch unterhaltenden Charakter und „es gab oft was zu lachen“. [84] Lieber kommentierte die Bedeutung des gemeinschaftlichen Zusammenhalts, der eben nicht zustande kommen konnte, „wenn aber viele nur alle Monat, ja noch seltener zum Turnen kommen, dann hilft auch das Bemühen weniger Guten nichts. Kein noch so inniges Wort vom Tie gesprochen, geht zu Herzen, obschon es von Herzen kommt.“ [85] Einige zogen „schnöde Dinge“ „jugendlichem Froh- und Frommsein“ mit der Begründung vor, dass „sichs nicht ziemt in Jünglingsjahren noch ein Jüngling zu sein“. Diese brachten Jahn auch nicht den nötigen Ernst und Respekt entgegen und kamen zum „Ritter- und Bürger- oder Jagdspiel“ lediglich, „um sich ungebundener umher zu fihlen, aller Ordnung zu entziehen“. [86] Von denen konnte Lieber zufolge wohl kaum „Aufopferung fürs Vaterland erwarten“ zu sein. Andererseits resümierte Lieber den Erfolg der Turnfahrt damit, dass „einigen, die früher auf dem Turnplatz weiter nichts als einen starken Leib suchten, ein besser Ziel gezeigt, denn auf solche Farth wird doch so manches Wort geredet.“ [87] Dennoch gestand er ein, dass nach dieser vierwöchigen Gemeinschaftsfahrt drei Mitreisende „geblieben [sind] wie sie waren, ganz nüchtern, ohne Ahndung eines Vaterlandes. Sie waren noch nicht wieder seit der Ankunft auf dem Turnplatz.“ Dieser Verlust mochte wohl nicht so schwer wiegen im Vergleich zu dem, was die anderen Turner an Festigung des Gemeinschaftssinn gewannen, da „die anderen fanden, was sie suchten“. [88]

5. Schlussbetrachtung 

Wenige Jahre nach Einrichtung des Turnplatzes auf der Hasenheide fiel die Turnerbewegung in Ungnade. 1817 sorgte das Wartburgfest, das von Studenten zur Feier der Völkerschlacht bei Leipzig und dem Jahrestag der Reformation am 18. Oktober organisiert wurde, für Unmut in der politischen Obrigkeit. Fackelzüge und insbesondere die Verbrennung von Büchern der von den Turnern als reaktionär eingestuften Autoren sorgten für Skepsis beim preußischen König. Letzterer habe in der Turnerbewegung „Anzeichen für nachlassenden Gehorsam, für mangelnden Respekt gegenüber den Obrigkeiten, für Disziplinlosigkeit und Verwilderung der Sitten“ gesehen. [89] 1819 ermordete der Turner Karl Ludwig Sand August von Kotzebue, einen russischen Staatsrat, der der Turnerbewegung und insbesondere Turnvater Jahn wenig wohlgesinnt war. Im Zuge dieses Ereignisses wurden im selben Jahr die Karlsbader Beschlüsse verabschiedet, die die national-patriotischen Bestrebungen in Deutschland nach der Besiegung Napoleons eindämmen sollten und die so genannte „Turnsperre“ einführten. Jahn wurde im Zuge der „Demagogenverfolgung“ verhaftet und zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt. [90] Die bis dahin weit gereiften Pläne, das Turnen als Schulfach einzuführen, wurden daraufhin ebenfalls verworfen. [91]

Zieht man Schlüsse über die Turnerbewegung in Hinblick auf die Frage, ob sie eine emotional community darstellte, so lässt sich dies im Zuge dieser Arbeit positiv beantworten. Denn zentral für die Turnerbewegung war eine doppelte Emotionalisierung: Die Emotionalisierung der Nation, die – wie im ersten Teil der Arbeit dargestellt – auf Vaterlandsliebe und „Franzosenhass“ abzielend durch das Land ging, und die Emotionalisierung der Turner auf der Hasenheide als eigene Gruppe innerhalb der frühen national-patriotischen Bewegung. Merkmale hierfür waren neben dem Turnen an sich Aktivitäten, die auf die Emotionen der Turner und somit auf eine Stärkung der Gemeinschaft abzielten: Das gemeinschaftliche Singen, die ideologisch aufgeladenen Ansprachen Jahns und die Turnfahrten sind allesamt Beispiele hierfür. Die Bedeutung religiöser Praktiken für die Turnerbewegung, wie etwa dem sakral anmutenden Gesang, der Würdigung von Kirchenbauten oder die „Predigten“ Jahns sowie die Rolle des Nationalismus als Religionsersatz sind im Verlauf dieser Arbeit erörtert worden. Diese Elemente bekräftigen, dass die Turnerbewegung weit mehr war, als eine sich allein der körperlichen Ertüchtigung hingebende Landwehr. Sie war eine zahlenstarke, gut organisierte politische Bewegung in einer Zeit, als es noch keine Parteien gab. [92] Sie war auch ein groß angelegtes Erziehungsprojekt, in dem die in den Anfangsjahren vorrangig jugendlichen Turner zur Nation, zur Überhöhung des deutschen Volkes und der deutschen Sprache sowie zum Hass alles Fremden, insbesondere der Franzosen, erzogen wurden. [93] Auch im Begriff des „Turnvaters“ wird die erzieherische Implikation in der Jahnschen Turnergemeinschaft deutlich. [94] Neben der körperlichen Erbauung war die geistige Bindung an das „Deutsche Volkstum“ ebenso von Bedeutung.

Jahn hatte scheinbar Erfolg damit, eine „turnerische Gesinnung“ innerhalb der Turnerbewegung herzustellen. [95] Dies wird in der zusammenfassenden Rückschau Franz Liebers auf die Turnfahrt nach Breslau 1818 deutlich, in der er eben auch die Möglichkeit des freiwilligen Ausscheidens jener Turner erwähnte, die an Jahns Ideologie der Volksbewehrung und -befreiung keinen Anschluss fanden. Das Turnen stellte eine „Form des gemeinsamen Lebens“ dar. [96] Die Sozialutopie einer nivellierten Gesellschaft, in der Standesunterschiede marginalisiert wurden, konnte jedoch nur auf dem Turnplatz gelebt werden. Die emotional verbundenen Turner bildeten somit auch eine social community im Verständnis von Rosenwein, die ihren Ausdruck in einem familiär anmutenden Turnergeflecht um den „Turnvater“ und seinen „Turnsöhnen“ sowie deren Beziehung zueinander als „Turnbrüder“ fand. Das Turner-Du und die Gleichtracht der Turner wurden zu ihrem Signum. Die Turnerbewegung war eine wichtige national-patriotische Bewegung im parteienlosen Preußen des frühen 19. Jahrhunderts, die die Befreiung und Bewehrung des „Vaterlandes“ zum Ziel hatte. Letztlich vermochte sie sich jedoch nicht gegen die „verkrusteten, erstickenden Traditionen der alten Welt“ durchzusetzen. [97]

Anmerkungen

  • [1]

    Karen Hagemann, Deutschheit, Mannheit, Freiheit. Mehr als nur der Turnvater. Friedrich Ludwig Jahn, der vor 150 Jahren starb, ist auch einer der Vorväter des deutschen Nationalismus, in: Die Zeit 42. 2002 (10.10.2002), einsehbar über: http://www.zeit.de/2002/42/Deutschheit_Mannheit_Freiheit [16.06.2011]. 

  • [2]

    Dieter Langewiesche, „für Volk und Vaterland kräftig zu würken…“. Zur politischen und gesellschaftlichen Rolle der Turner zwischen 1811 und 1871, in: ders., Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000, S. 103-131, hier S. 106. 

  • [3]

    Einen guten Überblick bietet Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. 1: Deutsche Geschichte 1806-1933, Bonn 2002, insbes. Kap. 2: Der Fortschritt als Fessel 1789-1830, S. 40-78. 

  • [4]

    Hagemann, Deutschheit, Mannheit, Freiheit, S. 3. 

  • [5]

    Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches Volksthum, Lübeck 1810. In den folgenden Nachdrucken wurde der Titel zu „Deutsches Volkstum“ angepasst. Diese Schreibweise wird im Verlauf dieser Arbeit übernommen. Zu Jahns Reformideen vgl. Langewiesche, Rolle der Turner, S. 110. In der Forderung einer „modernen“ Demokratie mit einem mitbestimmenden Volk widersprach Jahn anderen preußischen Reformern wie etwa Hegel, Hardenberg und Stein. Vgl. Winkler, Weg nach Westen, Bd. 1, S. 56 f. 

  • [6]

    Dieter Langewiesche, Turnen und Nationalbewegung im 19. Jahrhundert. Vortrag beim Internationalen Deutschen Turnfest Berlin (20.05.2005), S. 6, einsehbar über: http://www.jahn-gesellschaft.de/texte/turnenunationalbew.pdf [16.06.2011]. Jahn findet Würdigung durch die Aktivitäten der Jahn-Gesellschaft, die auch eine Online-Bibliothek mit wissenschaftlichen Schriften zu ihm betreibt. 

  • [7]

    Vgl. Langewiesche, Rolle der Turner, S. 107 f. 

  • [8]

    Ebd., S. 106. 

  • [9]

    Vgl. Christiane Eisenberg, „English Sports“ und Deutsche Bürger. Eine Gesellschaftsgeschichte 1800-1939, Paderborn 1999, S. 108. 

  • [10]

    Die folgenden Zitate aus der „Deutschen Turnkunst“ entstammen der Erstausgabe Friedrich Ludwig Jahn / Ernst Eiselen, Die Deutsche Turnkunst zur Einrichtung der Turnplätze, Berlin 1816. Ernst Wilhelm Bernhard Eiselen war ein Schüler Jahns, als dieser als Lehrer in Berlin tätig war, und zeichnet für den umfangreichen Mittelteil der Darstellung und Erklärung der Turnübungen verantwortlich. 

  • [11]

    Barbara H. Rosenwein, Emotional Communities in the Early Middle Ages, Ithaca, NY 2007. 

  • [12]

    Ebd., S. 15. 

  • [13]

    Ebd., S. 15 f. 

  • [14]

    Zur Geschichte der Gefühle und Komplexität der Begrifflichkeit vgl. Ute Frevert, Was haben Gefühle in der Geschichte zu suchen?, in: Geschichte und Gesellschaft 35 (2009): Geschichte und Gefühle, S. 183-208. Zur Frage von Irrationalität von Emotionen in Gegenüberstellung zur Rationalität der Kognition in einer psychologischen Betrachtung vgl. Hilde Haider, Emotionen als Steuerungselemente menschlichen Handelns, in: Birgit Aschmann (Hg.), Gefühl und Kalkül. Der Einfluss von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2005, S. 33-47. 

  • [15]

    Vgl. Frevert, Gefühle in der Geschichte, S. 184. 

  • [16]

    Carl Euler, Friedrich Ludwig Jahn. Sein Leben und Wirken, Stuttgart 1881. 

  • [17]

    Oliver Ohmann, Friedrich Ludwig Jahn. Frisch, frei, fröhlich, fromm!, Erfurt 2009. 

  • [18]

    Vgl. Langewiesche, Rolle der Turner; ders., Turnen und Nationalbewegung; Winkler, Lange Weg nach Westen. 

  • [19]

    Karen Hagemann, Aus Liebe zum Vaterland. Liebe und Hass im frühen deutschen Nationalismus, in: Aschmann, Gefühl und Kalkül, S. 101-123. 

  • [20]

    Eisenberg, „English Sports“ und deutsche Bürger. 

  • [21]

    Bei ihm ist zwar despektierlich die Rede von „Franzosenthum und Wälschsucht“, den Nachdruck legt er jedoch auf die Ausbildung von Qualitäten wie „Volksthümlichkeit“ und „Mannlichkeit“. Zu den beiden Begriffen vgl. eine kurze Erörterung bei Hagemann, Aus Liebe zum Vaterland, S. 102-104. 

  • [22]

    Vgl. ebd., S. 106. 

  • [23]

    Ebd., S. 103. 

  • [24]

    Vgl. ebd., S. 111. Hagemann legt dar, dass die Doppeldeutigkeit des Begriffs Deutschland als Gebiet des jeweiligen Territorialstaates und größerem kulturellen Bündnis von den Zeitgenossen problematisiert wurde. 

  • [25]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. XIX. Jahn übersetzte vormals französische Turnbegriffe ins Deutsche. 

  • [26]

    Ebd., S. XXXVIII f. 

  • [27]

    Hagemann, Aus Liebe zum Vaterland, S. 116. 

  • [28]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. XXX f. Der Begriff „Wälsch“ (auch „Welsch“) kann mit „fremdländisch“ oder „unverständlich reden“ übersetzt werden (zum Beispiel auch Kauderwelsch). Ursprünglich auf die im heutigen Wales lebenden Kelten angewendet, wurde der Begriff später für die romanisierten Kelten und insbesondere in Bezug auf Franzosen und Italiener verwendet. 

  • [29]

    Hagemann, Aus Liebe zum Vaterland, S. 111. 

  • [30]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. XVII. 

  • [31]

    Ebd. 

  • [32]

    Michael Krüger, Einführung in die Geschichte der Leibeserziehung und des Sports, Teil 2: Leibeserziehung im 19. Jahrhundert. Turnen fürs Vaterland, Schorndorf 1993, S. 46. 

  • [33]

    Hagemann, Aus Liebe zum Vaterland, S. 108. 

  • [34]

    Ebd., S. 109. 

  • [35]

    Vgl. ebd., S. 108-110. 

  • [36]

    Zur Rolle des Turnlehrers vgl. Kapitel 3.2 dieser Arbeit. 

  • [37]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. 224. 

  • [38]

    Ebd., S. 232. 

  • [39]

    Ebd., S. 231. 

  • [40]

    Ebd., S. XVI. 

  • [41]

    In den 1830er Jahren wurde einige „Turner-Töchter“ mit den Leibesübungen vertraut gemacht. Als förmliche Mitglieder wurden Sie erst ab den 1890er Jahren in Vereine aufgenommen. Vgl. hierzu Daniel A. McMillan, „… die höchste und heiligst Pflicht …“. Das Männlichkeitsideal der deutschen Turnbewegung 1811-1871, in: Thomas Kühne (Hg.), Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im Wandel der Moderne, Frankfurt 1996 (= Reihe Geschichte und Geschlechter, Bd. 14), S. 88-100, hier S. 96. 

  • [42]

    Hagemann, Aus Liebe zum Vaterland, S. 115. 

  • [43]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. XVI. 

  • [44]

    Zudem ist das Halten eines Pferdes kostenintensiv und somit vom Vermögen der Eltern abhängig, was wiederum Standesunterschiede offenlegen würde. 

  • [45]

    Eberhard Kunze, Abwandlungen der „Mannlichkeit“ – Beiträge zur Geschichte „körperlicher Bildung“ zum frühen Umfelds F. L. Jahns, in: Klaus Achilles (Red.), Streifzug Durch die Sportgeschichte. Festschrift zur Verabschiedung von Prof. Dr. Harald Braun, Bremen 2004, S. 103-120, hier S. 109. 

  • [46]

    Zur Idee des Nationalismus als Ersatzreligion vgl. Winkler, Weg nach Westen, insbes. S. 46-48 u. S. 58-60; zur „christlichen Gemeinde“ der Turner vgl. Kunze, Abwandlungen der „Mannlichkeit“, S. 109. 

  • [47]

    Winkler, Lange Weg nach Westen, S. 46 f. 

  • [48]

    Zitiert nach Kunze, Abwandlungen der „Mannlichkeit“, S. 109. 

  • [49]

    McMillan, Männlichkeitsideal, S. 94. 

  • [50]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. V. 

  • [51]

    Ebd., S. IX. 

  • [52]

    Ebd., S. 226. 

  • [53]

    Die Erinnerung des Breslauer Turners Wolfgang Menzel bestätigt diese Vermutung: „ So wollte man sich auch den Launen der französischen Kleidermoden nicht mehr fügen […] Sie [die Turntracht] war wenigstens weder unschön noch unzweckmäßig, in Deutschland selbst aufgebracht und nicht französisch. Also musste man sie als berechtigt anerkennen“. Wolfgang Menzel’s Schilderung seines Turnlebens zu Breslau in den Jahren 1817 und 1818 und seines Verkehres mit Jahn im Sommer 1818, in: Deutsche Turn-Zeitung Jg. 1884/1, S. 2-4, hier S. 4. 

  • [54]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. 226. 

  • [55]

    Langewiesche, Rolle der Turner, S. 121. 

  • [56]

    Der Begriff „Geisterturner“ findet sich bei Langewiesche, Rolle der Turner, S. 121. Die Hasenheide fungiert zuvor schon als Vergnügungsort der Berliner Bevölkerung. Vgl. Eisenberg, „English Sports“ und deutsche Bürger, S. 109. 

  • [57]

    Zitiert nach Kunze, Abwandlungen der „Mannlichkeit“, S. 106. 

  • [58]

    Vgl. Eisenberg, „English Sports“ und deutsche Bürger, S. 113. Hagemann verweist auf Ernst Moritz Arndts, ein Zeit- und Weggenosse Jahns, „explizite Forderung […] alles Französische auch in der eigenen Sprache und Kultur ausnahmslos zu vernichten.“ Hagemann, Aus Liebe zum Vaterland, S. 116. 

  • [59]

    Ebd., S. 111. 

  • [60]

    McMillan, Männlichkeitsideal, S. 97. 

  • [61]

    Vgl. Alfred Richartz, Turnvater Jahn und seine aufsässigen Söhne. Antiautoritäres Selbstbewusstsein unter dem Schutz des „guten“ Vaterbildes, in: Sozial- und Zeitgeschichte des Sportes 13 (1999), S. 7-23, hier S. 15. 

  • [62]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. 216. 

  • [63]

    Ebd., S. 218. 

  • [64]

    Vgl. Richartz, Turnvater Jahn und seine aufsässigen Söhne; bei Krüger, Leibeserziehung im 19. Jahrhundert, S. 41 findet sich gar der Begriff „Fans“, was eben auch auf die Emotionalität in dieser Beziehung anspielt. 

  • [65]

    Jahn, Deutsche Turnkunst, S. 217 f. 

  • [66]

    Des Berliner Turners Franz Lieber’s „Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818 um vom Tie vorzulesen beschrieben“, in: Deutsche Turn-Zeitung Jg. 1895/30, S. 637-642 u. Des Berliner Turners Franz Lieber’s „Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818 um vom Tie vorzulesen beschrieben“, in: Deutsche Turn-Zeitung Jg. 1895/32, S. 686-690. Die Fortsetzung des Reiseberichts erschien zwei Ausgaben nach Veröffentlichung des ersten Teils. Im Folgenden wird für die Fortsetzung der Kurztitel „Fortsetzung Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818“ verwendet. 

  • [67]

    Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 641. 

  • [68]

    Vgl. Wolfgang Menzel’s Schilderung seines Turnlebens zu Breslau, S. 3. 

  • [69]

    Welche Bedeutung Breslau für die Anfangszeit des deutschen Volkskrieges gegen die überrheinischen Knechter des Vaterlandes i. J. 1813 hatte, ist, meine ich, keinem Turner unbekannt“, betonte Karl Wassmannsdorff, der Liebers Dokument für die Deutsche Turn-Zeitung editierte, die scheinbar logische Wahl des Zielortes der Turnfahrt. Vgl. Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 637.

  • [70]

    Ebd., S. 638. 

  • [71]

    Fortsetzung Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 687. 

  • [72]

    Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 639. 

  • [73]

    Ebd. 

  • [74]

    Die Volkslieder und ihre gemeinschaftstiftende Wirkung bewertete Lieber folgendermaßen: „Dann erst haben die Liederbücher ihren Zweck erfüllt, wenn man sie gar nicht mehr braucht. Die Worte müssen im Kopfe, die Weise aus der Kehle, und das ganze Lied im Herzen sein; dann kanns andächtige Gefühle erwecken. Unabhängig soll der Mensch sein von so vielem als nur möglich, und nur zu häufig hängen hier die Turner von den Liederbüchern ab.“ Ebd., S. 642. 

  • [75]

    Ebd., S. 640. 

  • [76]

    Ebd. 

  • [77]

    Ebd., S. 641. 

  • [78]

    Ebd. [Ausrufezeichen im Original]. Bei Leipzig fand 1813 die so genannte Völkerschlacht statt, die entscheidend für die Niederlage Napoleons war und worauf sich dieses Zitat wohl bezieht. 

  • [79]

    Fortsetzung Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 686 [„(ward)“ im Original]. 

  • [80]

    Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 639. 

  • [81]

    Fortsetzung Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 686. 

  • [82]

    Ebd., S. 689. [„mann [!]“ im Original]. 

  • [83]

    Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 640. Das „[so]“ wurde von Wassmannsdorff eingefügt. 

  • [84]

    Fortsetzung Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 687. 

  • [85]

    Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 640. 

  • [86]

    Ebd. Wassmannsdorff erläutert „fielen“ mit „sich (im Schmutze) wälzen“, vgl. ebd. 

  • [87]

    Fortsetzung Die Farth nach Schlesien im Jahre 1818, S. 690. 

  • [88]

    Ebd. 

  • [89]

    Krüger, Leibeserziehung im 19. Jahrhundert, S. 55. 

  • [90]

    Vgl. hierzu und zum Prozess gegen Jahn ebd., S. 55-62. 

  • [91]

    Vgl. ebd., S. 55. 

  • [92]

    Langewiesche, Turnen und Nationalbewegung, S. 17 weist darauf hin, dass mit der Etablierung von Parteien in den 1860er die Komponente einer politischen Vereinigung der Turner wegfiel. 

  • [93]

    Dies geschah beispielsweise durch kürzere Ansprachen Jahns auf dem Turnplatz vor dem gemeinschaftlichen Turnen. Vgl. zu Fichtes „Erziehungsstaat“ Krüger, Leibeserziehung im 19. Jahrhundert, S. 44. 

  • [94]

    Zum „Vater-Sohn-Verhältnis“ zwischen Jahn und den Turnern vgl. Richartz, Turnvater Jahn und seine aufsässigen Söhne. 

  • [95]

    Eisenberg, „English Sports“ und deutsche Bürger, S. 111. 

  • [96]

    Krüger, Leibeserziehung im 19. Jahrhundert, S. 49. 

  • [97]

    Ebd., S. 61. 

Empfohlene Zitierweise

Barth, Boris: Friedrich Ludwig Jahn und die frühe Turnerbewegung. Das Beispiel einer emotional community zu Beginn des 19. Jahrhunderts. aventinus nova Nr. 32 [16.06.2011], in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/8594/

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Erstellt: 18.05.2011

Zuletzt geändert: 22.02.2013

ISSN 2194-1963