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aventinus recensio Nr. 10 (Winter 2007) 

Friedrich Ulf Röhrer-Ertl 

Scheibelreiter, Georg: Heraldik. Wien und München (Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften, herausgegeben von A. Scharer, G. Scheibelreiter und A. Schwarcz in Verbindung mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung; 1), 2006. ISBN: 3-486-57751-4 222 Seiten, broschiert, zahlreiche, z.T. farbige Abbildungen. 29,80 € 

Es gehört, so scheint es, Mut dazu, in heutigen Zeiten, die doch Geisteswissenschaften im Allgemeinen und quellenkundlicher Forschung im Speziellen so feindlich ausgerichtet sind,  eine Reihe mit Einführungen zu Themen der Historischen Hilfswissenschaften überhaupt nur beginnen zu wollen. Zumal es das Beispiel einer vergleichbaren Reihe gibt, die es - trotz hervorragender Einzelbände - seit 1986 erst auf vier derselben gebracht hat. [1]

Noch mehr muß das gelten, wenn es sich beim ersten Band der Reihe um eine Einführung in die Heraldik handelt. Findet doch dieses Fach gerade unter Akademikern nicht gerade viel Beachtung. Entsprechend standen im deutschen Sprachraum bisher zwei wissenschaftlichen Einführungen [2] mindestens doppelt so viele von Laien geschriebene entgegen. [3] Man darf hier also durchaus einen programmatischen Schritt vermuten.

Tatsächlich entwickelt Scheibelreiter auf den 222 Seiten des Bandes in beeindruckender, ausgewogen bebildeter Konsequenz seine Vorstellung von Heraldik. Sorgfältig werden nach einleitenden Kapiteln [4] die möglichen einzelnen Bestandteile eines Wappens vorgestellt und diskutiert. Es folgen Kapitel zu möglichen Wappenveränderungen, Entstehung der Heraldik, Wappenrecht, Heroldswesen, Quellen der Heraldik und Farbsymbolik. Das sich daran anschließende Literaturverzeichnis dürfte mit 597 Einträgen das umfangreichste sein, das sich bisher in einer Einführung zum Thema gefunden hat; zweifelsohne wird gerade dieser Teil des Buches auf jeden heraldisch interessierten Besitzer nach und nach den größten Reiz ausüben. Ein Glossar, sowie ein farbig gedruckter Übungsteil (mit Lösungen) zur Blasonierung (d.i. Beschreibung) von Wappen runden das Werk ab.

Daß, schon allein durch die Knappheit des Umfangs, dabei nicht alles auf den Zuspruch des Fachpublikums treffen kann, versteht sich von selbst; zumal einer der Kernthesen Scheibelreiters, nämlich der Entwicklung der europäischen Heraldik weniger aus dem Kulturaustausch der Kreuzzugszeit heraus, als aus dem germanisch-römischen Erbe, selbstverständlich auch hier breiter Raum gewidmet wird. [5]

Auch die fast schon pauschale Verurteilung des Laien als Heraldikers [6] scheint zu weit zu gehen. Ist doch die Heraldik vielleicht eine der ältesten Wissenschaften, so bleibt sie seit ihren Anfängen als “Adelswissenschaft” doch eine von jenen Forschungsgebieten, denen die Akademiker von jeher mit am wenigsten Aufmerksamkeit schenkten. Daß unter der langen Reihe von Heraldikern nur wenige hauptberufliche Wissenschaftler, [7] aber desto mehr Künstler, [8] Laien allerlei Berufstände und selbst ausgesprochene Glücksritter wie Otto Titan von Hefner finden, dazu reicht ein Blick in die einschlägige Literatur. [9] An den Verdiensten derselben ändert das freilich nichts, ihre Übermacht, auch im Literaturverzeichnis des vorliegenden Bandes, ist augenscheinlich. Zumal Scheibelreiter gerade auch in Laienkreisen besonders verbreitete Ansichten, wie etwa vom “Verfall” der Heraldik in der Neuzeit, durchaus bereitwillig teilt, ohne sie weiter zu hinterfragen. [10]

Besonders auffällig erscheint schließlich das Verschweigen neuerer Entwicklungen in der Forschung. Werke wie etwa das von Kilian Heck [11] werden gar nicht erst beachtet, eine Diskussion findet nicht statt, es wird sogar regelrecht vor ihr gewarnt. [12] Dabei wäre eine Einführung wie die vorliegende durchaus prädestiniert gewesen, die wissenschaftliche Heraldik auf eine breitere Grundlage zu stellen, als es momentan der Fall ist und sie hin zu einer allgemeineren Symbolkunde weiterzuentwickeln.

Dies alles soll jedoch nicht von der eigentlichen Qualität des Buches ablenken. Scheibelreiter ist es durchaus gelungen, bei allen Einschränkungen den – neben Filip (2000) – momentan besten Überblick zur Heraldik vorzulegen. Doch, obwohl sie als Einführung hervorragend geeignet ist, muß abgewartet werden, ob sie sich als solche bei interessierten Laien wie Studenten wird durchsetzen können. Zu hoch erscheint hier vor allem der Preis; Bücher wie das durchgehend farbig gehaltene von Neubecker, aber neuerdings auch die Wappenfibel von Hildebrandt und Biewer sind in unzähligen Aufmachungen und Auflagen schon ab 5-10 € zu haben, so daß man fürchten muß, daß auch Scheibelreiter das Schicksal Filips (2000) ereilt und er einfach nicht die Verbreitung erreichen wird, die ihm zu wünschen wäre. Vielleicht hätte man überlegen sollen, ob man nicht auf den farbigen Übungsteil zugunsten eines niedrigeren Preises hätte verzichten können. 

Für die Reihe “Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften” stellt dieser Band trotzdem in jedem Falle einen gelungen Auftakt dar. Es bleibt zu hoffen, daß auch über den zweiten Band [13] hinaus regelmäßig weitere Bände erscheinen werden und daß sie ein zahlreiches, verdientes Publikum finden mögen.

Literaturverzeichnis 

Arndt, Jürgen, Hilgenberg, Horst und Wehner, Marga: Biographisches Lexikon der Heraldiker sowie der Sphragistiker, Vexillologen und Insignologen. Herausgegeben vom Herold, Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften. Neustadt an der Aisch (Johann Siebmacher's großes Wappenbuch ; H ), 1992. 

Filip, Václav Vok: Einführung in die Heraldik. Stuttgart (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen; 3), 2000. 

Galbreath, Donald Lindsay und Jéquier, Léon: Handbuch der Heraldik. Zweite, komplett überarbeitete und erweiterte Auflage. Augsburg, 1989. 

Gall, Franz: Österreichische Wappenkunde. Handbuch der Wappenwissenschaft. 3. unveränderte Auflage. Wien, 1996.

Heck, Kilian: Genealogie als Monument und Argument. Der Beitrag dynastischer Wappen zur politischen Raumbildung der Neuzeit. München und Berlin (Kunstwissenschaftliche Studien; 98), 2002.

Hildebrandt, Adolf M. und Biewer, Ludwig: Wappenfibel. Handbuch der Heraldik. 19., verbesserte und erweiterte Auflage. Neustadt an der Aisch, 1998. 

Leonhard, Walter: Das große Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Dritte, durchgesehene Auflage. München, 1984. 

Neubecker, Ottfried: Wappen. Ihr Ursprung, Sinn und Wert. Mit Beiträgen von J. P. Brooke-Little. Gestaltet von Robert Tobler. Augsburg, 1990. 

Scheibelreiter, Georg: Tiernamen und Wappenwesen. Zweite, ergänzte Auflage. Wien (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung;  24), 1992.

Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. Reprographischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885 – 1889. Neustadt an der Aisch (Johann Siebmacher's großes Wappenbuch ; A ), 1970.

Anmerkungen

  • [1]

     Frenz, Thomas und Schuler, Peter-Johannes [Edd.]: Geschichtliche Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen. Stuttgart, 1986ff.

  • [2]

     Filip (2000), Gall (1996).

  • [3]

     So z.B. Hildebrandt und Biewer (1998), Neubecker (1990), Galbreath und Jéquier (1989), Leonhard (1984).

  • [4]

     Zu Wissenschaftsgeschichte und Fachterminologie.

  • [5]

     Nämlich pp. 122ff. Dies war allerdings zu erwarten gewesen, hatte der Autor doch schon zu einem früheren Zeitpunkt diese Thesen breit dargestellt, z.B. Scheibelreiter (1992).

  • [6]

     Diesbezügliche Spitzen ziehen sich durch den ganzen Band, besonders aber im Kapitel zur Wissenschaftsgeschichte, pp. 13ff., für die Moderne pp. 19f.

  • [7]

     Vor allem sei hier an Gustav A. Seyler gedacht.

  • [8]

     Etwa Hugo Gerhard Ströhl, Otto Hupp, Carl Alexander von Volborth.

  • [9]

     Arndt et alii (1992).

  • [10]

     Siehe vor allem pp. 15f., aber auch die Tatsache, daß Scheibelreiter allgemein in seiner Darstellung kaum über das 15. Jahrhundert hinausgeht.

  • [11]

     Heck (2002).

  • [12]

     Siehe pp. 11f.

  • [13]

     Koch, Walter: Inschriftenpaläographie des abendländischen Mittelalters und der frühen Neuzeit. Früh- und Hochmittelalter. Mit einer CD-Rom. Wien und München (Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften, herausgegeben von A. Scharer, G. Scheibelreiter und A. Schwarcz in Verbindung mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung; 2), 2007.

Empfohlene Zitierweise

Röhrer-Ertl, Friedrich Ulf: Rezension Scheibelreiter, Georg: Heraldik. Wien und München 2006. 222 Seiten. ISBN: 3-486-57751-4, 29,80 €. aventinus recensio Nr. 10 (Winter 2007), in: aventinus, URL: https://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/7679/

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Erstellt: 19.05.2010

Zuletzt geändert: 27.05.2010

ISSN 2194-2137