Wirtschaftsgeschichte

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aventinus varia Nr. 28 [31.07.2011] / PerspektivRäume Jg. 1 (2010), H. 2, S. 78–93 

 

Benjamin Knorr 

„Krupp-Stadt“ Essen 

Die Entwicklung der Stadt Essen in der Industrialisierung 

 

Die Entwicklung der Stadt Essen ist eng mit dem Aufstieg der Firma Fried. Krupp zu einem Weltunternehmen verbunden. Dass dies auch den Zeitgenossen schon bewusst war, zeigt sich zum Beispiel in der Festschrift, die der Verkehrsverein der Stadt Essen anlässlich des 100. Jubiläums der Firma 1912 herausgab: „In der Geschichte der Kruppschen Werke während der hundert Jahre ihres Bestehens spiegelt sich die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung unserer Stadt wieder[!]“ [1]

Im Folgenden soll die Entwicklung der Stadt in der Industrialisierung dargestellt werden. Wie kam es zum Aufstieg zur Industriestadt und welche Rolle spielte die Firma Krupp dabei? Neben der „Aufstiegsgeschichte“ werden aber auch die Herausforderungen für die Stadt in den Blick genommen. Welche Schwierigkeiten ergaben sich in Folge der Industrialisierung? Wie reagierten die Verantwortlichen in der Verwaltung? Da es auf wenigen Seiten unmöglich ist, die Entwicklung einer Stadt in ihrer Gesamtheit und Komplexität zu behandeln, werde ist ein besonderer Fokus auf die Entwicklung der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung zu richten. Anhand dieses Beispiels werden die Herausforderungen für die Stadt sowie die Reaktionen und Lösungsversuche der Stadtverwaltung untersucht. Die Wasserversorgung steht hier exemplarisch für eine Reihe von Problemstellungen, die sich aus den Umwälzungen durch das Wachstum der Stadt und der Industrie ergaben. Die Anforderungen an die städtische Infrastruktur werden an diesem Beispiel besonders deutlich, da der Zugang zu (sauberem) Wasser seit jeher von elementarer Bedeutung für die Menschen ist. 

Zeitlich konzentriert sich der Beitrag auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, da in dieser Zeit die Industrialisierung im Raum Essen an Tempo gewann und in der Folge die wesentlichen Veränderungen in der Stadt zu erkennen sind. Zu Beginn meiner Ausführungen wird ein kurzer Überblick über die Situation Essens am Anfang des 19. Jahrhunderts gegeben, bevor der Prozess der Industrialisierung in Essen und Umgebung genauer beschrieben wird. Im zweiten Teil wird es um die Folgen und die Maßnahmen der Stadt zur Bewältigung der Probleme gehen. Vor dem abschließenden Fazit ist kurz zu skizzieren, wie sich der Charakter der Stadt Essen durch die Industrialisierung verändert hat. 

Vom Landstädtchen zur Industriestadt 

Um die Ausmaße der mit der Industrialisierung verbundenen Veränderungen verstehen und einordnen zu können, ist es notwendig, sich zuerst die Ausgangssituation zu vergegenwärtigen. Anschließend werden die Industrialisierung und die besondere Rolle der Firma Krupp in Essen beschrieben.

Essen vor der Industrialisierung 

Als Friedrich Krupp 1811 in Essen seine Gussstahlfabrik gründete, hatte die Stadt noch das typische Aussehen einer ländlichen Kleinstadt. Eine Stadtmauer verlieh ihr einen beinahe mittelalterlichen Charakter. Die etwa 3500 Bewohner [2] lebten in meist ein- bis zweistöckigen Fachwerkhäusern. Der Alltag war stark von landwirtschaftlichen Lebensweisen geprägt. Viele Essener, auch Kaufleute oder Handwerker, hielten noch Kühe oder Mastschweine. Zudem besaßen viele Bürger der Stadt Wiesen, Äcker oder Häuser mit Gartengrundstücken, wo sie landwirtschaftliche Produkte zum Eigenbedarf herstellten. [3]

Die städtische Infrastruktur entsprach diesen eher ländlichen Gegebenheiten. Die Straßen waren ungepflastert und voller Schlaglöcher und Kloaken. Ein Zeitgenosse berichtete, dass sich viele Unglücksfälle ereigneten und „man nächtlings bey dem Passieren der Straßen das Leben wagte“. [4] Auch die Wasserversorgung war seit dem Mittelalter nahezu unverändert: Neben den öffentlichen und privaten Grundwasserbrunnen gab es in Essen vier Zapfstellen, die von der sogenannten Kaupenleitung [5] versorgt wurden. Diese transportierte Wasser aus einem nahe der Stadt gelegenen Sammelbecken dorthin. Ebenso fand die Entsorgung von Abwasser und Unrat auf traditionelle Weise statt: Man kippte das Brauchwasser auf die Straße, wo es versickerte oder sich im Rinnstein sammelte. Eine Alternative boten die Abortgruben, die nur für die menschlichen Exkremente gedacht waren. Auch hier wurden Abwässer und Müll entsorgt. Diese Gruben wurden regelmäßig geleert und ihr Inhalt als Dünger verwendet. Insgesamt führte die traditionelle Art der Ver- und Entsorgung keineswegs zu schlechten hygienischen Verhältnissen, zumindest wenn man damalige Maßstäbe heranzieht. Die Stadt war klein und das Leben mit den landwirtschaftlichen Notwendigkeiten so verwoben, dass die Abfälle und Fäkalien immer wieder in den Produktionskreislauf zur Nahrungsmittelherstellung zurückgeführt wurden. [6]

Das wirtschaftliche Leben stand vor allen Dingen im Zeichen des Handels. Der Bergbau spielte nur eine Nebenrolle, und auch das frühere Hauptgewerbe, die Herstellung von Schusswaffen, bot nur noch wenigen Menschen Arbeit. [7] Als wichtiger Einflussfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung zu Beginn des 19. Jahrhunderts erwies sich die politische Situation. Essen war von den Erschütterungen der politischen Umbrüche durch die Eroberungskriege Napoleons besonders betroffen. Zwischen 1803 und 1813 wechselte die Herrschaft mehrmals. Dies war jedes Mal mit Änderungen im Rechts- und Wirtschaftsleben verbunden. Die wirtschaftliche Entwicklung wurde ab 1806 in Folge der napoleonischen Kontinentalsperre gebremst. Auch nachdem Essen wieder preußisch war, verbesserte sich die wirtschaftliche Situation nur langsam. 1816 und 1817 kam es sogar zu Hungersnöten. Noch in den 1820er Jahren litten Teile der Bevölkerung unter Hunger und Arbeitslosigkeit. Trotz der politischen Wirren und ihrer Folgen veränderte sich das Alltagsleben der Bevölkerung Essens nur wenig. Nach wie vor arbeiteten die meisten Einwohner der Stadt als Bauern, Händler und Handwerker. Auch der ländlich-kleinstädtische Charakter der Stadt blieb trotz eines bereits beachtlichen Bevölkerungswachstums (die Einwohnerzahl stieg von etwa 3500 im Jahr 1803 um etwa 54 Prozent auf circa 5400 Menschen 1828 an) erhalten. Die Lebensweise war weiterhin stark agrarisch geprägt. [8]

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts deutete also scheinbar nichts auf die rasante Entwicklung der Stadt Essen in den folgenden Jahren hin. Doch einige Bürger, meist aus wohlhabenden Kaufmannsfamilien stammend, gaben neue Anstöße für die wirtschaftliche Entwicklung. Allerdings blieb diesen Industriepionieren, wie zum Beispiel dem Maschinenfabrikanten Franz Dinnendahl oder Friedrich Krupp, der sich ab 1811 in der Stahlproduktion nach englischem Vorbild versuchte, der wirtschaftliche Erfolg noch verwehrt. 

Die Industrialisierung in Stadt und Kreis Essen 

Der Durchbruch der neuen Industrien im Ruhrgebiet erfolgte erst ab den 1840er Jahren. Er hing, so der Historiker Thomas Dupke, „eng mit drei Faktoren zusammen. Neben der Nutzbarmachung der Dampfmaschine für den Bergbau […] waren dies das Durchstoßen der Mergeldecke und der Bau eines neuen Transportmittels, der Eisenbahn“. [9] Diese Entwicklungen hatten ihre Ursprünge schon früher. So konnte zum Beispiel schon 1834 die Mergeldecke [10] zum ersten Mal durchbrochen werden, also deutlich vor den 1850er Jahren, die Klaus Tenfelde „als das bergbauliche Industrialisierungsjahrzehnt im Raum Essen“ [11] beschreibt. Ähnlich verhielt es sich mit der Dampfmaschine, die im Ruhrgebiet bereits zu Beginn des Jahrhunderts bekannt war, aber noch nicht in großem Umfang eingesetzt wurde.

Es gelangen also schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erste Innovationen, doch führten diese noch nicht zu wirtschaftlichen Erfolgen. Erst 1842 war der Bergbau-Unternehmer Mathias Stinnes erstmals in der Lage, hochwertige Fettkohle wirtschaftlich zu fördern. Der Bergbau wuchs in den 1840er Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor im Umland Essens heran. Dennoch sieht ihn Tenfelde „bis 1848 von einem Übergang zu einem Leitgewerbe noch weit entfernt.“ [12] Allerdings bedeutete der Aufschwung des Bergbaus im Umland eine Belebung des Handels in Essen und auch einen weiteren Bevölkerungszuwachs. Im Jahr 1840 hatte die Stadt Essen 6325 Einwohner, am Ende des Jahrzehnts 1849 schon 8732 Einwohner. Das bedeutete also einen Anstieg um 38 Prozent. Doch ebenso wie die Industrialisierung erst in den folgenden Jahrzehnten an Fahrt gewann, wurde auch der Bevölkerungszuwachs ab den 1850er Jahren noch einmal deutlich stärker. Von 10.500 im Jahr 1852 verfünffachte sich die Bevölkerung beinahe auf 51.500 Einwohner im Jahr 1871. [13]

Die Jahre ab 1850 sind als die eigentliche „Take-Off“-Phase der Industrialisierung in Essen und Umgebung zu sehen. Eine deutliche Beschleunigung brachte der Eisenbahnbau. Ab 1847 führte auf Initiative der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft eine Bahnstrecke in unmittelbarer Nähe an der Stadt Essen vorbei. Dupke nennt die Eisenbahn „zugleich Ausdruck und Katalysator der Industrialisierung“. [14] Die Eisenbahn spielte eine besondere Rolle, da sie das Transportwesen revolutionierte, aber auch weil der zunehmende Einsatz der Bahn eine Nachfrage nach Kohle und Stahl schuf.

Insbesondere für die Firma Krupp hatte dies überragende Bedeutung. Nach der Übernahme der Firma seines Vaters im Jahr 1826 hatte Alfred Krupp eine „gleichsam zweite Firmengründung“ [15] vollzogen. Er stabilisierte die Firma und sorgte für ein stetiges Wachstum. Ende der 1840er Jahre beschäftigte er etwa 100 Arbeiter. Die Firma war damit in Essen ein bedeutender Arbeitgeber, aber erst die 1850er Jahre und stärker noch das darauf folgende Jahrzehnt machten Krupp zur bestimmenden Figur im Essener Wirtschaftsleben. Dieser Aufstieg gelang vor allen Dingen durch die Produktion von Gütern für den Eisenbahnbau. So produzierte Krupp zum Beispiel Eisenbahnfedern und Schienen. [16] Der Aufschwung der Eisenbahn bedeutete für Krupp den entscheidenden Durchbruch. In den 1850er Jahren wuchs sein Betrieb von etwa 100 Arbeitern (1849) auf etwa 1400 am Ende des Jahrzehnts. [17] Die 1860er Jahre kann man als „das Jahrzehnt des Alfred Krupp“ [18] bezeichnen. Technische Innovationen [19] und das Erschließen neuer Geschäftsfelder und ausländischer Märkte ließen die Firma und die Belegschaft weiter wachsen. 1870 arbeiteten mehr als 7.000 Menschen in der Gussstahlfabrik. [20] Hier lässt sich auch die überragende Bedeutung der Firma für die Stadt Essen erkennen. Klaus Tenfelde schreibt, „dass auf dem Höhepunkt des Gründerbooms etwa die Hälfte der Essener Erwerbstätigen Krupp-Beschäftigte waren“. [21]

Am Ende der „Take-Off“-Phase der Industrialisierung zu Beginn der 1870er Jahre hatte sich Essens Gesicht durch den Einfluss von Kohle und Stahl fundamental verändert. Die Einwohnerzahl belief sich im Jahr 1871 auf 51.500, [22] und die überwiegende Zahl der Erwerbstätigen arbeitete in Industrie und Bergbau. [23] Doch war Essen im Unterschied zu den auf Stadtgröße angewachsenen Industriedörfern im Umland nicht ausschließlich von der Montanindustrie dominiert. In Essen hatten sich auf Grund der zentralen Lage ebenfalls Banken [24] und Verbände der Montanindustrie [25] angesiedelt. Auch der Handel spielte weiter eine Rolle, zumal der wirtschaftliche Aufschwung im Umland die Kaufkraft stärkte. Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Stadt auf dem eingeschlagenen Weg weiter. Zwar wurde das Wachstum durch die Gründerkrise zeitweilig gebremst, aber an der Dominanz der Montanindustrie, insbesondere der Firma Krupp, änderte sich wenig. Dagegen kam es zu entscheidenden Veränderungen im Umgang der Stadt Essen mit den Folgen der Industrialisierung.

Neue Herausforderungen – auf dem Weg von der Industriestadt zur modernen Großstadt 

„So tritt Essen in das 20. Jahrhundert als eine gewaltige Industriestadt, deren Produkte weit über die Grenzen Deutschlands hinaus einen Namen haben.“ [26]

Voller Stolz beschrieb Dr. Friedrich Janssen, der Geschäftsführer des Essener Verkehrsvereins und spätere Krupp-Direktor, [27] die Entwicklung der Stadt Essen bis zur Großstadtwerdung 1896 im Vorwort der Festschrift, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Firma Krupp herausgegeben wurde. Im Jahr 1896 wurde der hunderttausendste Einwohner Essens geboren, und die Stadt wurde damit zur Großstadt. Doch im Nachsatz wies Janssen auch auf die Schwierigkeiten hin, die die Industrialisierung mit sich brachte:

„Ohne Frage aber haften dieser schnell emporgewachsenen Stadt auch die Schattenseiten einer hastigen Entwicklung an, bei der nur stets das Wirtschaftsleben im Vordergrund gestanden hat, und erst […] unserer Generation war es vorbehalten, die Entwicklung Essens dahin zu beeinflussen, daß aus der Industriestadt auch eine Wohnstadt wird. Rechtzeitig erkannte eine weitblickende Stadtverwaltung ihre schöne Aufgabe die scheinbar unversöhnbaren Gegensätze, Arbeits- und Wohnstadt in einem Gebilde zu vereinen.“ [28]

Wasserversorgung und die städtische Leistungsverwaltung 

Verständlicherweise ist in einer Festschrift wenig Platz für Selbstkritik, doch das Urteil der historischen Forschung über die Verwaltung ist weit von den oben zitierten lobenden Worten entfernt. So schreibt Thomas Dupke:  

„Die Industrialisierung bedeutete eine völlig neue Herausforderung für eine Stadtverwaltung, die zwischen Ratlosigkeit, Ignoranz und dem Festhalten an alten Strukturen schwankte und erst mit der Zeit Ansätze zu einer städtischen Leistungsverwaltung entwickelte.“ [29]

Tatsächlich hatte die Industrialisierung neben allen positiven Effekten, wie zum Beispiel der Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Bedeutungszuwachs der Stadt Essen, auch eine Vielzahl von Problemen zur Folge. Für die Verwaltung der Stadt war es nötig umzudenken und eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Stadtentwicklung einzunehmen. Leistungsverwaltung im Sinne Dupkes bedeutete eine aktive Vorsorge für die Befriedigung der Bedürfnisse der Bürger. Doch diese Umstellung fiel schwerer, als es Janssen im Vorwort zur Festschrift suggeriert. Vielmehr war zumindest die erste Industrialisierungsphase von einer eindeutigen Laissez-Faire-Haltung der Stadtverwaltung gekennzeichnet. Den Unternehmen sollten keine Grenzen gesetzt werden, um ihre freie Entwicklung nicht zu stören. 

Doch die Untätigkeit der Verwaltung führte zu teils dramatischen Problemen in verschiedenen Bereichen der städtischen Entwicklung, wie zum Beispiel bei der Stadtplanung, im Gesundheitswesen oder bei der Straßenreinigung. Auch das Bildungswesen musste dem neuen Bedarf angepasst werden. Wie eingangs erwähnt, kann hier nicht auf jedes Problem eingegangen werden, deswegen sollen die Schwierigkeiten anhand der Wasserversorgung und -entsorgung im Folgenden exemplarisch dargestellt werden. 

Schon 1841, lange bevor sich die Industrialisierung in Essen endgültig durchsetzte, geriet die bisherige Infrastruktur das erste Mal an ihre Grenzen. In diesem Jahr herrschte in Essen eine Wassernot. Viele der Brunnen führten nicht mehr genug Wasser, um die Bewohner ausreichend zu versorgen. Schuld war zunächst nicht das Bevölkerungswachstum, das in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch vergleichsweise moderat war. [30] Vielmehr grub der Bergbau der Stadt das Wasser ab. Die Arbeiten auf der Mutung Mathias von Mathias Stinnes führten zu Engpässen in der Wasserversorgung. Für kurze Zeit wurden die Arbeiten in diesem Bereich verboten, was die Wasserversorgung tatsächlich verbesserte. Doch schon wenig später wurden die Grabungen wieder aufgenommen, was eine erneute Verschlechterung der Lage nach sich zog. Nach einer Zählung 1858 gab es von 142 Brunnen nur in 13 genügend Wasser. [31]

Erst Forderungen der Industrie, die enorme Mengen Wasser zur Produktion benötigte, veranlassten die Stadt in den 1850er Jahren eine Kommission zu gründen, die Strategien zur Wasserversorgung erarbeiten sollte. Es war also äußerer Druck nötig, damit die Stadtverwaltung tätig wurde. Dies bedeutete langfristig auch eine Veränderung des grundsätzlichen Verständnisses für die Aufgaben einer Stadtverwaltung. Die Einrichtung der Kommission markiert so einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer aktiven Rolle der Stadtverwaltung. 1860 empfahl die Kommission den Bau eines Wasserwerks. Sie machte deutlich, dass in der Zukunft mehr Wasser benötigt werden würde und eine bessere Wasserversorgung nicht zuletzt die hygienische Situation verbessern könnte, die durch das starke Bevölkerungswachstum ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine deutliche Verschlechterung erfahren hatte. 

Doch technische und finanzielle Probleme verzögerten den Bau eines modernen Wasserwerks. Hier nun sprang die Industrie ein, die schließlich ein besonderes Interesse an einer besseren Wasserversorgung hatte. Alfred Krupp vergab ein zinsloses Darlehen von 20.000 Talern, weitere Unternehmen folgten. So konnte 1863 der Bau eines Wasserwerks beschlossen werden. 1864 wurde der Betrieb aufgenommen. Doch die direkte Versorgung mit Wasser aus der Leitung blieb für viele Essener lange ein unerreichbarer Luxus. Vorerst wurden nur 280 Häuser direkt beliefert. Meist wurde lediglich „der bisher vorhandene Grundwasserbrunnen durch eine Zapfstelle der städtischen Wasserleitung ersetzt“. [32] Die Probleme bei der Wasserversorgung waren mit dem Bau eines Wasserwerks nicht endgültig bewältigt. Der steigende Verbrauch durch Bevölkerungs- und industrielles Wachstum machte einen beständigen Ausbau der Anlagen nötig. Die Fördermenge des Wasserwerks stieg von 770.931 Kubikmetern im Jahr 1868 auf über 2,2 Millionen Kubikmeter 1872. Die Industrie war Hauptabnehmer des Wassers. Allein die Firma Krupp verbrauchte 1875 knapp ein Drittel der Gesamtfördermenge. [33] Als das Unternehmen im selben Jahr ein eigenes Wasserwerk in Betrieb nahm, bedeutete das folglich einen hohen Verlust für das städtische Wasserwerk. Doch schon in den 1880er Jahren gelang es, die Einbußen auszugleichen. [34]

Innerhalb kurzer Zeit kam es auch bei der Abwasserentsorgung zu Problemen. Durch die Errichtung einer zentralen Wasserversorgung wurde auch der Bau einer Kanalisation nötig. Allerdings vergingen vom Bau des Wasserwerks 1864 bis zur Einrichtung der Kanalisation zwei Jahre. Dies ist ein typisches Merkmal für das Zögern der Verwaltung, das sich in der gesamten Entwicklung während der Industrialisierung beschreiben ließe. Das gleiche Problem galt nicht nur für Essen, sondern für viele deutsche Städte, die den Herausforderungen der neuen Zeit unvorbereitet gegenüber standen.  

Das zögerliche Handeln der städtischen Obrigkeit führte vor allen Dingen in den Arbeitervierteln zu unhaltbaren Zuständen. Die Menschen in den ärmeren Bezirken profitierten noch nicht von der zentralen Wasserversorgung und litten besonders unter den schlechten hygienischen Bedingungen. Häufig liefen die Abortgruben über und verschmutzten die Brunnen, aus denen die Bewohner, die keinen Zugang zu Zapfstellen des neuen Leitungsnetzes hatten, ihr Trinkwasser bezogen. Dies begünstige die Ausbreitung von Krankheiten, zum Beispiel der Cholera-Epidemie von 1866. 

Eine Cholera-Epidemie hatte in München 1854 bereits dazu geführt, dass die dortige Stadtverwaltung den Ausbau der Kanalisation zur Abwasserentsorgung vorantrieb. [35] Aber der Bau der Kanalisation in Essen bedeutete lange keine deutliche Verbesserung der Verhältnisse für die arme Bevölkerung, denn die Einleitung von Fäkalien blieb zunächst verboten. In die Kanalisation sollte ausschließlich Brauchwasser und Regenwasser einfließen. Allerdings hielten sich viele Essener Hausbesitzer nicht an dieses Verbot und leiteten den Inhalt der Abortgruben in die Kanalisation. Diese wiederum leitete das Abwasser samt illegal zugeführter Fäkalien in den kleinen Fluss Berne. Daraus entwickelte sich ein Streit mit den Anliegern der Berne in der Gemeinde Altenessen.

Zwar baute die Stadt Essen 1887 ein Klärwerk, doch eine Verbesserung wurde dadurch langfristig nicht erreicht. Schließlich kam es sogar zum Prozess, den Essen verlor, doch Oberbürgermeister Zweigert hoffte auf eine überregionale Lösung. Tatsächlich waren die Probleme längst im gesamten Ruhrgebiet dramatisch. Die Ruhr selbst spielte hierbei als Wasserversorger und Wasserentsorger eine problematische Rolle. Die Stadt Essen versorgte sich mit Wasser aus der Ruhr, aber gleichzeitig wurden auch Abwässer aus der Industrie eingeleitet. In einem Bericht des Gewässerbiologen August Thienemann aus dem Jahr 1911 heißt es zum Beispiel:

„Die Ruhr besteht hier zur Zeit fast nur aus dem Abwasser der Hütte [gemeint ist die Friedrich-Wilhelms-Hütte, B. K.]. Sie stellt eine braunschwarze Brühe dar, die stark nach Blausäure riecht, keine Spur von Sauerstoff enthält und absolut tot ist“. [36]

Zwar beschreibt Thienemann auch, dass die Ruhr an anderer Stelle eine deutlich bessere Wasserqualität aufweist, doch am Grundproblem änderte dies nichts. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Stadt Essen wegen der schlechten Wasserqualität von einer Typhus-Epidemie betroffen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte auch wiederholt Wassermangel, weil der Bedarf erneut gestiegen war. Die Wassergewinnungsanlagen wurden stetig ausgebaut, und bald wurde das Wasser auch regelmäßig chemisch behandelt, um Epidemien zu verhindern. 

Schlimmer als in der Ruhr war die Umweltverschmutzung aber noch in der Emscher. 1910 wurden dort 96 Millionen Kubikmeter Abwasser eingeleitet. 89 Prozent davon stammten von der Industrie. [37] Die Industrie und die anliegenden Städte pflegten laut Thomas Dupke „geradezu einen anarchischen Umgang mit dem Abwasser“. [38] Gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Städten und Industrie behinderten lange eine Lösung. Dabei gab es schon 1884 Ansätze zur Gründung einer überregionalen Genossenschaft, die die Umweltprobleme der Emscher lösen sollte.

Doch erst 1904 kam es tatsächlich zur Bildung dieser dann als Emschergenossenschaft bezeichneten Institution, die bis heute besteht. Sie begann ab 1906 mit den Arbeiten zur Verbesserung der Situation im Emschertal. Dabei ging es allerdings weniger um eine Beseitigung der Umweltschäden, als vielmehr um eine reibungslose Nutzung der Emscher als Abwasserkanal. Die Emschergenossenschaft machte der Industrie nur wenige Auflagen und scheute zu hohe Kosten bei der Klärung von Abwässern. Dies hatte den einfachen Grund, dass die Industrie erheblichen Einfluss auf die Genossenschaft hatte. In der Jubiläumsschrift der Stadt Essen zur Hundertjahrfeier der Firma Krupp findet sich ein ganzes Kapitel zur Emschergenossenschaft und ihren Beziehungen zur Firma. Darin heißt es: 

„Die Stadt Essen und die Kruppschen Werke gehören zu den Hauptbeteiligten der Genossenschaft; beide sind auch in den Organen der Genossenschaft […] angemessen vertreten“. [39]

Dem Einfluss der Industrie ist es zuzuschreiben, dass die Emschergenossenschaft die Belastungen für ihre Mitgesellschafter möglichst gering halten wollte und nur die deutlichsten Missstände beseitigte. Die Industrie konnte ihre Interessen konsequent durchsetzen.

Diese starke Einflussnahme der Industrie auf die Entwicklung der Stadt ist ein wesentliches Merkmal der Industrialisierung in Essen. Gerade an der Firma Krupp ist dies deutlich zu sehen. Alfred Krupp schuf gleichsam eine Stadt in der Stadt. Die Firma besaß ein eigenes Wasserwerk, ein eigenes Gaswerk, und auch die Kruppschen Werkssiedlungen waren lange „von der eigentlichen Stadt isolierte Siedlungseinheiten“. [40] Ähnliche Entwicklungen waren in der Industrialisierung auch anderswo zu beobachten. Große Unternehmen drückten den Städten geradezu ihren Stempel auf. In Berlin wurden sogar ganze Stadtteile nach den dort ansässigen Firmen benannt, wie zum Beispiel Borsigwalde oder Siemensstadt. Die Unternehmen prägten die Stadtteile und bestimmten ihre Entwicklung durch den Bau von Produktionsstätten und Werkssiedlungen. [41]

In Essen, aber auch in anderen deutschen Städten, dauerte es einige Zeit, bis die Verwaltungen im Interesse eigenständiger Strategien zur Stadtentwicklung die Aktivitäten der Unternehmen stärker beeinflussten, begrenzten und steuerten. [42] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat hier ein grundlegender Wandel im Selbstverständnis der städtischen Verwaltungsorgane ein. Von der bloßen Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben (wie zum Beispiel Polizei und Feuerwehr) und der Verwaltung des städtischen Vermögens gingen die Stadtobrigkeiten dazu über, eine moderne Leistungsverwaltung aufzubauen. [43] In Essen professionalisierte sich die Stadtverwaltung im Laufe der Jahre merklich. Hierfür war, laut Thomas Dupke, „mit der Einrichtung des Wasserwerks […] der Grundstein […] gelegt worden“. [44] Die Errichtung eines städtischen Wasserwerks und der Bau der Kanalisation bedeuteten für die Verwaltung Neuland. Zahlreiche technische Fragen mussten geklärt werden, was auch die Auseinandersetzung mit Experten aus Naturwissenschaft und Technik nötig machte. [45] Es handelte sich hierbei um Großprojekte, die sich erheblich von den bisherigen Aufgaben der Verwaltung unterschieden. Ähnliches gilt für andere Bereiche der städtischen Aufgaben, wie zum Beispiel die Aufstellung von Bebauungsplänen, die lange vernachlässigt worden waren. Doch unter den Bürgermeistern Ernst Lindemann, Gustav Hache und besonders Erich Zweigert änderte sich die Lage. Die Stadt übernahm mehr und mehr Aufgaben. Infolgedessen wuchs die Zahl der städtischen Beamten von 42 im Jahr 1870 auf 91 im Jahr 1885. Trotz deutlicher Fortschritte in der städtischen Entwicklung und erheblicher Bemühungen gerade im Bereich der Wasserversorgung blieb die Situation in Essen bis ins 20. Jahrhundert aber schwierig.

Die Stadt Essen um die Jahrhundertwende 

Im 19. Jahrhundert erfuhr die Stadt Essen im Zuge der Industrialisierung eine gewaltige Veränderung. Von etwa 3.500 Einwohnern zu Beginn des Jahrhunderts war die Bevölkerung auf fast 120.000 Bewohner um 1900 angewachsen. Auch räumlich hatte sich die Stadt erheblich ausgedehnt. Die Eingemeindungswellen ab 1901 ließen die Bevölkerungszahl noch einmal weiter auf 337.000 Einwohner ansteigen 

Diese Zahlen können aber nicht ausdrücken, in welcher Weise sich das Aussehen der Stadt und der Alltag ihrer Bewohner verändert hatten. Statt des ländlichen Charakters mit seinen kleinen Fachwerkhäusern dominierten das Stadtbild nun Industrieanlagen, Fabriken mit rauchenden Schornsteinen und große mehrgeschossige Mietshäuser. Der Beigeordnete Robert Schmidt des Oberbürgermeisters Essens schrieb in der schon erwähnten Festschrift Essens Entwicklung 1812–1912, es seien „die krassesten Unternehmerbauten in scheußlichster Anspruchslosigkeit errichtet“ worden. Weiter heißt es: „Die freundlichen Giebelhäuschen wurden durch mastodonische Gebilde verdrängt“. [46]

Das Leben in solchen Häusern, wie sie zum Beispiel im Arbeiterviertel Segeroth auf der ehemaligen städtischen Viehweide entstanden waren, war meist durch beengte und schlechte hygienische Verhältnisse bestimmt. Neben den ausführlich beschriebenen Problemen bei der Wasserversorgung litten die Menschen auch unter dem allgegenwärtigen Lärm der Fabriken und unter durch Rauch und Ruß verschmutzter Luft. [47] Doch an anderer Stelle der Stadt entwickelten sich Viertel der wohlhabenden Bürger, in denen Parkanlagen die Beeinträchtigung durch Lärm, Staub und Ruß vermindern sollten. [48]

Die Stadt Essen zeigte also ein sehr heterogenes Bild. Die Infrastruktur war noch sehr ungleichmäßig entwickelt. Zwar gab es ein Gaswerk, eine Straßenbahn, eine zentrale Wasserversorgung, städtische Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen, sowie Kulturstätten wie Theater und Kino, doch profitierten die Menschen der Stadt davon nicht alle in gleichem Maße. [49] Besonders die einfachen Arbeiter in den Werkssiedlungen und den ärmeren Vierteln der Stadt hatten einen geringeren Anteil an den Vorzügen der neuen städtischen Infrastruktur als die begüterten Haushalte in besserer Wohnlage. Diese waren zum Beispiel früher an das öffentliche Wasserleitungsnetz angeschlossen worden.

Die neuen äußeren Bedingungen, positive (z. B. Errungenschaften der neuen Städtetechnik) ebenso wie negative (z. B. Umweltverschmutzungen oder die „soziale Frage“), bewirkten auch eine Veränderung im „Denken, Handeln und Fühlen“ [50] jedes einzelnen Menschen. Straßenbahn, Eisenbahn und die ersten Automobile konfrontierten aus Sicht von Dupke die Menschen „mit dem Phänomen der Geschwindigkeit“. [51] Sie wurden unabhängiger von den natürlichen Gegebenheiten. So verdrängte beispielsweise das künstliche Licht die Dunkelheit. Gleichzeitig entstanden aber auch neue Ängste, zum Beispiel vor Epidemien durch verschmutztes Trinkwasser oder Lungenkrankheiten durch die Luftverschmutzung. Auch die Klassenbildung, die wesentlich durch die Industrialisierung beeinflusst wurde, machte sich in Städten wie Essen besonders bemerkbar. Peter Marschalck schreibt in einem Aufsatz über die Rolle der Stadt in der Industrialisierung:

„Die Stadt als Ort des mit der Industrialisierung verbundenden Wandels wurde damit auch zum Ort der mit diesem Wandel einhergehenden sozialen Unzulänglichkeiten, die durch die Konzentration von Armut, Not und Elend gerade in den Städten sichtbar geworden waren“. [52]

Bis zum Ersten Weltkrieg waren in Essen wesentliche Weichenstellungen auf dem Weg zur modernen Großstadt vorgenommen worden. Doch die Bewältigung der Probleme und Herausforderungen, die durch die Umwälzungen der Industrialisierung entstanden waren, war keineswegs abgeschlossen. 

Fazit 

In der historischen Forschung wird der Zusammenhang zwischen Urbanisierung und Industrialisierung immer wieder betont. [53] Am Beispiel der Stadt Essen ist zu erkennen, welcher Druck zur Veränderung während der Industrialisierung auf die Städte, beziehungsweise auf die Verantwortlichen in den Städten, ausgeübt wurde. Der Bevölkerungsanstieg, das Wachstum der Industriebetriebe und die damit verbundenen Folgen trafen die städtische Obrigkeit in Essen, wie auch in anderen deutschen Städten, unvorbereitet.

Städte, die im Zuge der Industrialisierung ein besonders starkes Wachstum aufwiesen, standen überall vor den selben Problemen. Die Infrastruktur musste den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Hierbei spielte die Wasserversorgung eine Schlüsselrolle. Wie bereits eingangs erwähnt, ist der Zugang zu sauberem Wasser elementar. Wo er fehlt, hat das dramatische Folgen. Die Modernisierung der Wasserversorgung erfolgte aus diesem Grund in vielen deutschen Städten im gleichen Zeitraum und unter ähnlichen Bedingungen, so zum Beispiel in Hannover oder München. In Hannover begannen in den 1840er Jahren Maßnahmen zur Erneuerung der Leitungsnetze. Auch die Wassergewinnungsanlagen mussten, wie in Essen, beständig erweitert werden. [54] Ähnliches gilt auch für München [55] und andere Großstädte. In Essen war die Situation allerdings durch den Bergbau und den enormen Bedarf der Industrie besonders schwierig. In vielen Städten zögerten die Verantwortlichen oft viel zu lange, eine aktive Rolle bei der Stadtentwicklung einzunehmen. In Essen führte beispielsweise, wie oben gezeigt, nur der Druck der Industrie zur Errichtung des Wasserwerks. Erst nach und nach setzte sich in der Verwaltung die Erkenntnis durch, dass sich die Stadt den Herausforderungen nicht entziehen konnte. Dennoch lief die Stadtverwaltung den Entwicklungen meist hinterher. Die Folgen waren besonders für die ärmere Bevölkerung verheerend. [56]

Ansätze der betrieblichen Fürsorge (z. B. Werkssiedlungen, Betriebskrankenkasse), wie sie von der Firma Krupp betrieben wurden, reichten nicht aus, um die negativen Seiten des industriellen Wachstums auszugleichen. Tatsächlich ist der Einfluss der Firma auf die Stadt sehr kritisch zu sehen. Als Arbeitgeber und Steuerzahler hatte sie sicher überragende Bedeutung, doch war Alfred Krupp besonders auf die Entwicklung seiner Firma bedacht. Deshalb schaffte er Fakten, die eine planvolle Entwicklung der Stadt behinderten. In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel noch die Grundstückspolitik näher zu betrachten. [57] Klaus Tenfelde spricht davon, dass neben dem politischen Einfluss der Industriellen auch „die physische Macht der Industrie über die Stadt […] in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eklatant“ [58] wurde.

Dies betraf auch die Umweltverschmutzung, die schon von den Zeitgenossen als besonders bedrohlich wahrgenommen wurde. Heute erscheint es häufig, als sei der Kampf gegen Umweltzerstörung erst mit der Umweltbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Tatsächlich aber kam dieses Thema schon mit der Industrialisierung auf, [59] als sich zeigte, welche Probleme sich für die Menschen durch die Umweltverschmutzung ergaben. Dies ist am Beispiel der Wasserverschmutzung deutlich geworden. Sprichwörtlich ist auch der durch Luftverschmutzung verursachte „Krupp-Husten“. Sogar Friedrich Alfred Krupp, der Enkel des Firmengründers, litt seit seiner Kindheit unter asthmatischen Anfällen, da er viel Zeit in der Fabrik seines Vaters verbracht hatte. [60] Der Name Krupp steht also ebenso für den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt Essen wie für die damit verbundenen Schattenseiten.

Anmerkungen

  • [1]

     F. Janssen: Ein Jahrhundert der Entwicklung. Ein Vorwort. In: Verkehrsverein für den Stadt- und Landkreis Essen e.V. (Hrsg.): Essens Entwicklung 1812-1912. Hrsg. aus Anlaß der hundertjährigen Jubelfeier der Firma Krupp. Essen (Ruhr) 1912, S. 5-8, hier S. 5.

  • [2]

     Vgl. Klaus Tenfelde: 1850-1873 – Essen wird Industriestadt. In: Ulrich Borsdorf, Heinrich Theodor Grütter, Oliver Scheytt (Hrsg.): Gründerjahre. 1150 Jahre Stift und Stadt Essen. Essen 2005, S. 67, und Thomas Dupke: Kohle, Krupp und Kommunalentwicklung. Die Karriere eines Landstädtchens – Essen 1803 bis 1914. In: Ulrich Bosdorf (Hrsg.): Essen. Geschichte einer Stadt. Bottrop/Essen 2002, S. 267.

  • [3]

     Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 277.

  • [4]

     Nach Erich Zweigert: Die Verwaltung der Stadt Essen im XIX. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung der letzten fünfzehn Jahre. Erster Verwaltungsbericht der Stadt Essen, erstattet vom Oberbürgermeister Zweigert. I. Band. Essen 1902, S. 497.

  • [5]

     Die Kaupenleitung war eine künstliche Wasserleitung. Der Name könnte sich vom lateinischen „cupa“ (Faß, Tonne) oder vom Begriff „Kuppe“ (Anhöhe) herleiten. Vgl. dazu Thomas Dupke: Von der „Wasserkalamität“ zur „Wasserbequemlichkeit“. In: Klaus Wisotzky, Michael Zimmermann (Hrsg.): Selbstverständlichkeiten. Strom, Wasser, Gas und andere Versorgungseinrichtungen: die Vernetzung der Stadt um die Jahrhundertwende. Essen 1997, S. 10-45, hier S. 10.

  • [6]

     Vgl. Thomas Rommelspacher: Kehricht, Abfall, Abwasser und Fäkalien. Die Regulierung der Stadthygiene in Essen 1850-1920. In: Klaus Wisotzky, Michael Zimmermann (Hrsg.): Selbstverständlichkeiten. Strom, Wasser, Gas und andere Versorgungseinrichtungen: die Vernetzung der Stadt um die Jahrhundertwende. Essen 1997, S. 156-171, hier S. 156.

  • [7]

     Vgl. Tenfelde, Industriestadt (siehe Anmerkung 2), S. 68.

  • [8]

     Dies ist zum Beispiel an der großen Zahl von Nutztieren in Essen erkennbar. Bei einer Zählung im Jahr 1807 wurden 319 Kühe, 107 Ziegen und 189 Schweine festgestellt. Vgl. dazu Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 277.

  • [9]

     Ebenda, S. 286.

  • [10]

     Die Mergeldecke ist eine direkt über der Kohle liegende kalk- und tonhaltige Gesteinsschicht.

  • [11]

     Tenfelde, Industriestadt (siehe Anmerkung 2), S. 66.

  • [12]

     Ebenda, S. 69.

  • [13]

     Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 307.

  • [14]

     Ebenda, S. 292.

  • [15]

     Tenfelde, Industriestadt (siehe Anmerkung 2), S. 71.

  • [16]

     „Sein Hauptabnehmer wurde […] zunächst die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft […]. Sie bestellte in zunehmenden Mengen neben Trag- und Stoßfedern auch Gussstahlachsen“. Lothar Gall: Krupp. Der Aufstieg eines Industrieimperiums. Berlin 2000, S. 75.

  • [17]

     Vgl. ebenda, S. 370.

  • [18]

     Tenfelde, Industriestadt (siehe Anmerkung 2), S. 66.

  • [19]

     Erfindung des nahtlosen Radreifens, vgl. hierzu Gall, Krupp (siehe Anmerkung 16), S. 87.

  • [20]

     Vgl. ebenda, S. 371.

  • [21]

     Tenfelde, Industriestadt (siehe Anmerkung 2), S. 73.

  • [22]

     Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 307.

  • [23]

     Vgl. Tenfelde, Industriestadt (siehe Anmerkung 2), S. 80.

  • [24]

     Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 318.

  • [25]

     So zum Beispiel das „Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat“. Dieser Zusammenschluss regelte die Preis- und Absatzpolitik der Zechen im Ruhrgebiet. Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 346f.

  • [26]

     Janssen, Essens Entwicklung (siehe Anmerkung 1), S. 7.

  • [27]

     Vgl. Sachkartei B 2 11 a im Historischen Archiv Krupp.

  • [28]

     Ebenda.

  • [29]

     Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 311.

  • [30]

     Vgl. ebenda, S. 277.

  • [31]

     Vgl. Dupke, Wasserkalamitäten (siehe Anmerkung 5), S. 12.

  • [32]

     Ebenda, S. 17.

  • [33]

     Vgl. ebenda, S. 22.

  • [34]

     Vgl. ebenda.

  • [35]

     Vgl. Clemens Zimmermann: Die Zeit der Metropolen. Urbanisierung und Großstadtentwicklung. Frankfurt am Main 1996, S. 129.

  • [36]

     Zitiert nach Franz-Josef Brüggemeier, Thomas Rommelspacher: Blauer Himmel über der Ruhr. Geschichte der Umwelt im Ruhrgebiet 1840-1990. Essen 1992, S. 154.

  • [37]

     Vgl. Dupke, Wasserkalamitäten (siehe Anmerkung 5), S. 31.

  • [38]

     Ebenda, S. 32.

  • [39]

     O. A.: Die Emscher Genossenschaft und ihre Beziehungen zu der Stadt Essen und den Krupp’schen Werken. In: Verkehrsverein für den Stadt- und Landkreis Essen e.V. (Hrsg.): Essens Entwicklung 1812-1912. Hrsg. aus Anlaß der hundertjährigen Jubelfeier der Firma Krupp. Essen (Ruhr) 1912, S. 80.

  • [40]

     Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 334.

  • [41]

     Vgl. Bernd Stöver: Geschichte Berlins. München 2010, S. 39f.

  • [42]

     Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 335.

  • [43]

     Vgl. hierzu zum Beispiel Wolfgang R. Krabbe: Die deutsche Stadt im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Einführung. Göttingen 1989, S. 110ff.

  • [44]

     Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 313.

  • [45]

     Vgl. Dupke, Wasserkalamitäten (siehe Anmerkung 5), S. 37f.

  • [46]

     Robert Schmidt: Ein modernes Stadtgebilde. Die Industrie- und Wohnstadt. In: Verkehrsverein für den Stadt- und Landkreis Essen e.V. (Hrsg.): Essens Entwicklung 1812-1912. Hrsg. aus Anlaß der hundertjährigen Jubelfeier der Firma Krupp. Essen (Ruhr) 1912, S. 34-42, hier S. 35.

  • [47]

     Vgl. Frank Bajohr, Michael Gaigalat: Ein Arbeiterviertel zwischen Mythos und Stigma. In: Dies. (Hrsg.): Essens wilder Norden. Segeroth – ein Viertel zwischen Mythos und Stigma. Hamburg 1990, S. 8-18, hier S. 11.

  • [48]

     Vgl. dazu ausführlich Wolfgang Gaida: „Glückliche Respiratoren gesellschaftlichen Wohlergehens“. Öffentliche Grünanlagen in Essen – Beispiele aus der Zeit von 1860 bis 1914. In: Klaus Wisotzky, Michael Zimmermann (Hrsg.): Selbstverständlichkeiten. Strom, Wasser, Gas und andere Versorgungseinrichtungen: die Vernetzung der Stadt um die Jahrhundertwende. Essen 1997, S. 141-155.

  • [49]

     Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 362.

  • [50]

     Ebenda.

  • [51]

     Ebenda.

  • [52]

     Peter Marschalck: Zur Rolle der Stadt für den Industrialisierungsprozeß in Deutschland in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Jürgen Reulecke (Hrsg.): Die deutsche Stadt im Industriezeitalter. Beiträge zur modernen deutschen Stadtgeschichte. Wuppertal 1978, S. 64.

  • [53]

     Vgl. dazu ausführlich ebenda und Jürgen Reulecke: Geschichte der Urbanisierung in Deutschland. Frankfurt am Main 1985, S. 58.

  • [54]

     Vgl. dazu Dieter Brosius: Die Industriestadt. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des I. Weltkriegs. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Geschichte der Stadt Hannover. Band 2: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Hannover 1994, S. 334f. und 369f.

  • [55]

     Vgl. Zimmermann, Metropolen (s. Anmerkung 35), S. 127-133.

  • [56]

     In der stärksten Wachstumsphase Essens während der 1860er Jahre lag die Säuglingssterblichkeit in den Arbeitervierteln teilweise bei über 50 Prozent. Vgl. dazu Tenfelde, Industriestadt (siehe Anmerkung 2), S. 82.

  • [57]

     Vgl. ebenda, S. 84.

  • [58]

     Ebenda.

  • [59]

     Vgl. hierzu ausführlich Brüggemeier/Rommelspacher, Blauer Himmel (siehe Anmerkung 36).

  • [60]

     Vgl. Dupke, Kohle (siehe Anmerkung 2), S. 359.

Empfohlene Zitierweise

Knorr, Benjamin: „Krupp-Stadt“ Essen. Die Entwicklung der Stadt Essen in der Industrialisierung. aventinus varia Nr. 28 [31.07.2011] / PerspektivRäume Jg. 1 (2010), H. 2, S. 78-93, in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/8982/

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Erstellt: 23.07.2011

Zuletzt geändert: 01.08.2011

ISSN 2194-1971